Die Rückeroberung Ofens
[707] Die Rückeroberung Ofens. (Zu dem Bilde S. 704 und 705.) Schlimme Wirren herrschten in Ungarn um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Schon im Jahre 1526 wurde das ungarische Heer bei Mohacs vom Sultan Soliman vernichtet, und die Lage gestaltete sich noch schwieriger, als die Nation bei der Königswahl uneinig wurde. Zwei Parteien befehdeten einander, die eine hatte den österreichischen Erzherzog Ferdinand, die andere Johan Szapolyai zum Könige gewählt. Die Türken unterstützten den letzteren, aber nach seinem Tode besetzten sie im Jahre 1541 die Festung Ofen und beließen seinem Sohne nur den Rang eines Fürsten in Siebenbürgen. So zerfiel das ungarische Reich in drei Teile. Das Herz des Landes stand unter türkischer Herrschaft, im Osten regierte der Fürst von Siebenbürgen als Vasall der Türkei und im Norden und Westen herrschten die ungarischen Könige aus dem Hause Habsburg.
Erst gegen das Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Macht der Türken gebrochen und Ungarn wieder unter einem Scepter vereinigt. Nachdem die Türken im Jahre 1683 vor Wien eine vollständige Niederlage erlitten hatten, beschloß Kaiser Leopold I, den Feldzug gegen den Sultan mit Nachdruck fortzusetzen. Dieser Entschluß wurde auch außerhalb Oesterreichs mit Begeisterung aufgenommen und der Kaiser vom Reiche unterstützt. Bayern sandte 8000 Mann, die Kurfürst Maximilian Emanuel, des Kaisers Eidam, führte; ebenso stark waren die Brandenburger unter General Schönings Kommando. Markgraf Ludwig von Baden stand an der Spitze von 6000 Schwaben, Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels brachte 5000 Sachsen mit, während Tüngen 3000 Franken führte. Insgesamt war das kaiserliche Heer 80000 Mann stark, darunter befanden sich gegen 20000 Ungarn und Kroaten. Aus beinahe ganz Europa kamen Freiwillige herbei, Spanier, Engländer, Italiener und Franzosen, es herrschte eine Begeisterung, als ob es sich wieder um einen Kreuzzug gegen den Halbmond handelte. An der Spitze [708] des Heeres stand der berühmte Feldherr Herzog Karl von Lothringen und unter den Heerführern befand sich auch der junge, später so berühmt gewordene Prinz Eugen von Savoyen.
Der kaiserliche Kriegsrat beschloß zunächst, den Hauptschlag gegen die auf einem steilen Berge gelegene Festung Ofen zu richten. Am 21. Juni 1686 begann die Belagerung. Am 24. Juni drangen die Kaiserlichen durch die Bresche der Ringmauer und das mit einer Petarde gesprengte Thor in die untere Stadt ein und verschanzten sich daselbst. Der Angriff des Kurfürsten von Bayern ging von Hohberg zwischen Blocks- und Spiesberg durch die Raizenstadt gegen das Schloß. Prinz Eugen kommandierte, wie sein Biograph Arneth erzählt, die im Lager zurückgebliebene Reiterei. Er war es, der am 29. Juni mit zwei Schwadronen einen Ausfall der Türken so nachdrücklich zurückschlug, daß seine Reiter sich mitten unter den fliehenden Janitscharen und Spahis befanden und er mit ihnen bis an die Thore der Festung vordrang. Es war dies nur das Vorspiel zu dem großen Entscheidungskampf zwischen der tapferen Belagererarmee und der zähen tapferen Besatzung. Am 14. August versuchte der Großvesier den Entsatz der Festung. Er wurde mit ungeheuerem Verlust zurückgeschlagen und Prinz Eugen vom Kurfürsten von Bayern mit der freudigen Nachricht des errungenen Sieges nach Wien entsendet. Schon am Tag nach seiner Ankunft in Wien kehrte der Prinz wieder in das Lager vor Ofen zurück, um dem als unausbleiblich angesehenen Fall der Festung beizuwohnen. Am 2. September kam es zum sieghaften Hauptsturm. Der Festungskommandant fiel im verzweifelten Kampf und triumphierend zogen die Belagerer ein.
Unser Bild vergegenwärtigt den denkwürdigen Augenblick. Die verschiedenartigen Uniformen der deutschen, ungarischen und kroatischen Truppen, die niedergebeugten Gestalten der gefangenen Türken, denen ein Geistlicher das Kreuz entgegenhält, vereinigen sich zu einem äußerst wirkungsvollen Ganzen. In der Mitte reitet auf einem Schimmel Herzog Karl von Lothringen, hinter ihm erblicken wir neben dem ungarischen Banner den jungen Prinzen Eugen von Savoyen.
Durch die Rückeroberung Ofens wurde die Macht der Türken für lange Zeit gebrochen und in den darauf folgenden Kämpfen wurden sie gezwungen, Ungarn zu räumen.