Zum Inhalt springen

Die Räuber/2. Akt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« 1. Akt Die Räuber 3. Akt »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[52]
Zweyter Akt.




Erste Scene.
Franz von Moor
nachdenkend in seinem Zimmer.

Es dauert mir zu lange – der Doktor will, er sei im Umkehren – das Leben eines Alten ist doch eine Ewigkeit! – Und nun wär freye, ebene Bahn bis auf diesen ärgerlichen zähen Klumpen Fleisch, der mir, gleich dem unterirrdischen Zauberhund in den Geistermährchen, den Weg zu meinen Schäzen verrammelt.

Müßen denn aber meine Entwürffe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus beugen? – Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen? – Ein Licht ausgeblasen, das ohnehin nur mit den lezten Oeltropfen noch wuchert – mehr ists nicht – Und doch möcht ich das nicht gern selbst gethan haben um der Leute willen. Ich möcht ihn nicht gern getödtet, aber abgelebt. Ich möcht es machen wie der gescheide Arzt, (nur umgekehrt.) – Nicht der Natur durch einen Queerstreich den Weg verrannt, sondern sie in ihrem eigenen Gange befördert. Und [53] wir vermögen doch wirklich die Bedingungen des Lebens zu verlängern, warum sollten wir sie nicht auch verkürzen konnen?

Philosophen und Mediziner lehren mich, wie treffend die Stimmungen des Geists mit den Bewegungen der Maschine zusammen lauten. Gichtrische Empfindungen werden jederzeit von einer Dissonanz der mechanischen Schwingungen begleitet – Leidenschaften mißhandeln die Lebenskraft – der überladene Geist drückt sein Gehäuse zu Boden – Wie denn nun? – Wer es verstünde, dem Tod diesen ungebahnten Weg in das Schloß des Lebens zu ebenen? – den Körper vom Geist aus zu verderben – ha! ein Originalwerk! – wer das zu Stand brächte? – Ein Werk ohne gleichen! – Sinne nach Moor! – das wär eine Kunst dies verdiente dich zum Erfinder zu haben. Hat man doch die Giftmischerey beinahe in den Rang einer ordentlichen Wissenschaft erhoben, und die Natur durch Experimente gezwungen, ihre Schranken anzugeben, daß man nunmehr des Herzens Schläge Jahr lang vorausrechnet, und zu dem Pulse spricht, bis hieher, und nicht weiter![1] [54] – Wer sollte nicht auch hier seine Flügel versuchen?

Und wie ich nun werde zu Werk gehen müssen, diese süsse friedliche Eintracht der Seele mit ihrem Leibe zu stören? Welche Gattung von Empfindnissen ich werde wählen müssen? Welche wohl den Flor des Lebens am grimmigsten anfeinden? Zorn? – dieser heißhungrige Wolf frißt sich zu schnell satt – Sorge? – Dieser Wurm nagt mir zu langsam – Gram? – diese Natter schleicht mir zu träge – Furcht? – die Hofnung läßt sie nicht umgreiffen – was? Sind das all die Henker des Menschen? – Ist das Arsenal des Todes so bald erschöft? – tiefsinnend. Wie? – Nun? – Was? Nein! – Ha! auffahrend. Schrek! – Was kann der Schreck nicht? – Was kann Vernunft, Religion wider dieses Giganten eißkalte Umarmung? – Und doch? – Wenn er auch diesem Sturm stünde? – Wenn er? – O so komme du mir zu Hülffe Jammer, und du Reue, höllische Eumenide, grabende Schlange, die ihren Fraß wiederkäut, und ihren eigenen Koth wiederfrißt; ewige Zerstörinnen und ewige Schöpferinnen eures Giftes, und du heulende Selbstverklagung die du dein eigen Hauß verwüstest, und deine eigene Mutter verwundest – Und kommt auch ihr mir zu Hülffe wohlthätige Grazien selbst, sanftlächelnde Vergangenheit, und du mit dem überquellenden Füllhorn [55] blühende Zukunft, haltet ihm in euren Spiegeln die Freuden des Himmels vor, wenn euer fliehender Fuß seinen geizigen Armen entgleitet – So fall ich Streich auf Streich, Sturm auf Sturm dieses zerbrechliche Leben an, bis den Furientrupp zulezt schließt – die Verzweiflung! Triumf! Triumf! – Der Plan ist fertig – Schwer und Kunstvoll wie keiner – zuverläßig – sicher – denn spöttisch des Zergliederers Messer findet ja keine Spuren von Wunde oder korrosivischen Gift.

Entschlossen. Wolan denn, Hermann tritt auf. Ha! Deus ex machina! Herrmann!

Herrmann. Zu euren Diensten, gnädiger Junker!

Franz giebt ihm die Hand. Die du keinem Undankbaren erweisest.

Herrmann. Ich hab Proben davon.

Franz. Du sollst mehr haben mit nächstem – mit nächstem, Herrmann! – Ich habe dir etwas zu sagen, Herrmann.

Herrmann. Ich höre mit tausend Ohren.

Franz. Ich kenne dich, du bist ein entschloßner Kerl – Soldaten Herz – Haar auf der Zunge! – Mein Vater hat dich sehr beleidigt, Herrmann!

Herrmann. Der Teufel hole mich, wenn ichs vergesse!

Franz. Das ist der Ton eines Manns! Rache [56] geziemt einer männlichen Brust. Du gefällst mir, Herrmann. Nimm diesen Beutel, Herrmann. Er sollte schwerer seyn, wenn ich erst Herr wäre.

Herrmann. Das ist ja mein ewiger Wunsch, gnädiger Junker, ich dank euch.

Franz. Wirklich, Herrmann? wünschest du wirklich, ich wäre Herr? – aber mein Vater hat das Mark eines Löwen, und ich bin der jüngere Sohn.

Herrmann. Ich wollt’, ihr wärt der ältere Sohn, und euer Vater hätte das Mark eines schwindsüchtigen Mädgens.

Franz. Ha! wie dich der ältere Sohn dann belohnen wollte! wie er dich aus diesem unedlen Staub, der sich so wenig mit deinem Geist und Adel verträgt, ans Licht emporheben wollte! – Dann solltest du, ganz wie du da bist, mit Gold überzogen werden, und mit vier Pferden durch die Strasen dahinrasseln, wahrhaftig das solltest du! – aber ich vergesse wovon ich dir sagen wollte – hast du das Fräulein von Edelreich schon vergessen, Herrmann?

Herrmann. Wetter Element! was erinnert ihr mich an das?

Franz. Mein Bruder hat sie dir weggefischt.

Herrmann. Er soll dafür büssen!

Franz. Sie gab dir einen Korb. Ich glaube gar, er warf dich die Treppen hinunter.

[57] Herrmann. Ich will ihn dafür in die Hölle stosen.

Franz. Er sagte: man raune sich einander in’s Ohr, du seyst zwischen dem Rindfleisch und Meerrettig gemacht worden, und dein Vater habe dich nie ansehen können, ohne an die Brust zu schlagen und zu seufzen; Gott sey mir Sünder gnädig!

Herrmann wild. Blitz, Donner und Hagel, seyd still!

Franz. Er rieth dir, deinen Adelbrief im Aufstreich zu verkaufen, und deine Strümpfe damit flicken zu lassen.

Herrmann. Alle Teufel! ich will ihm die Augen mit den Nägeln auskratzen.

Franz. Was? du wirst böse? was kannst du böse auf ihn seyn? Was kannst du ihm böses thun? was kann so eine Raze gegen einen Löwen? Dein Zorn versüßt ihm seinen Triumpf nur. Du kannst nichts thun, als deine Zähne zusammenschlagen, und deine Wut an trocknem Brode auslassen.

Herrmann stampft auf den Boden. Ich will ihn zu Staub zerreiben.

Franz klopft ihm auf die Achsel. Pfui Herrmann! du bist ein Kavalier. Du must den Schimpf nicht auf dir sitzen lassen. Du must das Fräulein nicht fahren lassen, nein das must du um alle Welt nicht thun, Herrmann! Hagel und Wetter! ich würde das äusserste versuchen, wenn ich an deiner Stelle wäre.

[58] Herrmann. Ich ruhe nicht, bis ich Ihn und Ihn unterm Boden hab.

Franz.[WS 1] Nicht so stürmisch, Herrmann! komm näher – du sollst Amalia haben!

Herrmann. Das muß ich, truz dem Teufel! das muß ich!

Franz. Du sollst sie haben, sag ich dir, und das von meiner Hand. Komm näher, sag ich – du weist vielleicht nicht, daß Karl so gut als enterbt ist?

Herrmann näher kommend. Unbegreiflich, das erste Wort, das ich höre.

Franz. Sey ruhig, und höre weiter! du sollst ein andermal mehr davon hören – ja, ich sage dir, seit eilf Monathen so gut als verbannt. Aber schon bereut der alte den voreiligen Schritt, den er doch, lachend. will ich hoffen, nicht selbst gethan hat. Auch lieg ihm die Edelreich täglich hart an mit ihren Vorwürfen und Klagen. Ueber kurz oder lang wird er ihn in allen vier Enden der Welt aufsuchen lassen, und gute Nacht, Herrmann! wenn er ihn findet. Du kannst ihm ganz demüthig die Kutsche halten, wenn er mit ihr in die Kirche zur Trauung fährt.

Herrmann. Ich will ihn am Krucifix erwürgen!

Franz. Der Vater wird ihm bald die Herrschaft abtreten, und in Ruhe auf seinen Schlössern [59] leben. Izt hat der stolze Strudelkopf den Zügel in Händen, izt lacht er seiner Hasser und Neider – und ich, der ich dich zu einem wichtigen grosen Manne machen wollte, ich selbst, Herrmann, werde tiefgebückt vor seiner Thürschwelle –

Herrmann in Hitze. Nein! so wahr ich Herrmann heisse, das sollt ihr nicht! wenn noch ein Fünkchen Verstand in diesem Gehirne glostet! das sollt ihr nicht!

Franz. Wirst du es hindern? auch dich, mein lieber Herrmann, wird er seine Geissel fühlen lassen, wird dir ins Angesicht speyen, wenn du ihm auf der Strase begegnest, und wehe dir dann, wenn du die Achsel zuckst oder das Maul krümmst – siehe, so stehts mit deiner Anwerbung ums Fräulein, mit deinen Aussichten, mit deinen Entwürffen.

Herrmann. Sagt mir! was soll ich thun?

Franz. Höre dann, Herrmann! daß du siehst, wie ich mir dein Schicksal zu Herzen nehme als ein redlicher Freund – geh – kleide dich um – mach dich ganz unkenntlich, laß dich beym Alten melden, gib vor, du kämest geraden Wegs aus Böhmen, hättest mit meinem Bruder dem Treffen bey Prag beygewohnt – hättest ihn auf der Wahlstatt den Geist aufgeben sehen –

Herrmann. Wird man mir glauben?

Franz. Hoho! dafür laß mich sorgen! Nimm [60] dieses Paket. Hier findest du deine Kommission ausführlich. Und Dokumente darzu, die den Zweifel selbst glaubig machen sollen – mach izt nur, daß du fortkommst, und ungesehen! spring durch die Hinterthüre in den Hof, von da über die Gartenmauer – die Katastrophe dieser Tragi-Komödie überlaß mir!

Herrmann. Und die wird seyn: Vivat der neue Herr, Franciskus von Moor!

Franz streichelt ihm die Backen. Wie schlau du bist? – denn siehst du, auf diese Art erreichen wir alle Zwecke zumal und bald. Amalia gibt ihre Hoffnung auf ihn auf. Der Alte mißt sich den Tod seines Sohnes bey, und – er kränkelt – ein schwankendes Gebäude braucht des Erdbebens nicht, um über’n Haufen zu fallen – er wird die Nachricht nicht überleben – dann bin ich sein einiger Sohn – Amalia hat ihre Stüzen verloren, und ist ein Spiel meines Willens, da kannst du leicht denken – kurz, alles geht nach Wunsch – aber du must dein Wort nicht zurüknehmen.

Herrmann. Was sagt ihr? frohlockend Eh soll die Kugel in ihren Lauf zurückkehren, und in dem Eingeweid ihres Schüzen wüten – rechnet auf mich! Laßt nur mich machen – Adieu!

Franz ihm nachrufend. Die Erndte ist dein, lieber Herrmann! – Wenn der Ochse den Kornwagen in die Scheune gezogen hat, so mus er mit [61] Heu vorlieb nehmen. Dir eine Stallmagd, und keine Amalia!      Geht ab,

Zweyte Scene.
Des alten Moors Schlafzimmer.
Der alte Moor schlafend in einem Lehnsessel. Amalia.

Amalia sachte herbey schleichend. Leise, leise! er schlummert. Sie stellt sich vor den schlafenden. Wie schön, wie ehrwürdig! – ehrwürdig, wie man die Heiligen malt – nein, ich kann dir nicht zürnen! Weislockigtes Haupt, dir kann ich nicht zürnen! Schlummre sanft, wache froh auf, ich allein will hingehn und leiden.

D. a. Moor träumend. Mein Sohn! mein Sohn! mein Sohn!

Amalia ergreift seine Hand. Horch, horch! sein Sohn ist in seinen Träumen.

D. a. Moor. Bist du da? bist du wirklich? ach! wie siehst du so elend? Sieh mich nicht an mit diesem kummervollen Blick! ich bin elend genug.

Amalia wekt ihn schnell. Seht auf, lieber Greis! ihr träumtet nur. Faßt euch!

D. a. Moor halb wach. Er war nicht da? drükt ich nicht seine Hände? Garstiger Franz! willst du ihn auch meinen Träumen entreissen?

[62] Amalia. Merkst dus, Amalia?

D. a. Moor ermuntert sich. Wo ist er? wo? wo bin ich? du da, Amalia?

Amalia. Wie ist euch? Ihr schlieft einen erquikenden Schlummer.

D. a. Moor. Mir träumte von meinem Sohn. Warum hab ich nicht fortgeträumt? vielleicht hätt’ ich Verzeihung erhalten aus seinem Munde.

Amalia. Engel grollen nicht – er verzeiht euch. Faßt seine Hand mit Wehmuth. Vater meines Karls! ich verzeih euch.

D. a. Moor. Nein meine Tochter! diese Toden-Farbe deines Angesichts verdammet den Vater. Armes Mädgen! Ich brachte dich um die Freuden deiner Jugend – o fluche mir nicht!

Amalia küßt seine Hand mit Zärtlichkeit. Euch?

D. a. Moor. Kennst du dieses Bild, meine Tochter?

Amalia. Karls! –

D. a. Moor. So sah er, als er ins sechszehende Jahr gieng. Izt ist er anders – Oh es wütet in meinem Innern – diese Milde ist Unwillen, dieses Lächeln Verzweiflung – Nicht wahr, Amalia? Es war an seinem Geburtstage in der Jasminlaube, als du ihn maltest? – Oh meine Tochter! Eure Liebe machte mich so glücklich.

Amalia immer das Aug auf das Bild geheftet. Nein, nein! er ists nicht. Bey Gott! das ist Karl nicht [63] – Hier, hier auf Herz und Stirne zeigend. So ganz, so anders. Die träge Farbe reicht nicht den himmlischen Geist nachzuspiegeln, der in seinem feurigen Auge herrschte. Weg damit! dis ist so menschlich! Ich war eine Stümperinn.

D. a. Moor. Dieser huldreiche erwärmende Blick – wär er vor meinem Bette gestanden, ich hätte gelebt mitten im Tode! Nie, nie wär ich gestorben!

Amalia. Nie, nie wärt ihr gestorben! Es wär ein Sprung gewesen, wie man von einem Gedanken auf einen andern und schönern hüpft – dieser Blik hätt euch übers Grab hinübergeleuchtet. Dieser Blick hätt’ euch über die Sterne getragen!

D. a. Moor. Es ist schwer, es ist traurig! Ich sterbe, und mein Sohn Karl ist nicht hier – ich werde zu Grabe getragen, und er weint nicht an meinem Grabe – wie süß ists, eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes von dem Gebet eines Sohns – das ist Wiegengesang.

Amalia schwärmend. Ja süß, himmlisch süß ists, eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes von dem Gesang des Geliebten – vielleicht träumt man auch im Grabe noch fort – ein langer, ewiger unendlicher Traum von Karln bis man die Glocke der Auferstehung läutet – aufspringend entzückt. und von izt an in seinen Armen auf ewig, Pause. Sie geht ans Klavier, und spielt. [64]

Willst dich, Hektor, ewig mir entreissen,
Wo des Anaciden mordend Eisen
Dem Patroklus schröklich Opfer bringt?
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?

D. a. Moor. Ein schönes Lied, meine Tochter. Das must du mir vorspielen, eh ich sterbe.

Amalia. Es ist der Abschied Andromachas und Hektors – Karl und ich habens oft zusammen zu der Laute gesungen.      Spielt fort.

Theures Weib, geh, hol die Todeslanze,
Laß mich fort zum wilden Kriegestanze,
Meine Schultern tragen Ilium;
Ueber Astyanax unsre Götter!
Hektor fällt, ein Vater-Lands Erretter,
Und wir sehn uns wieder in Elysium.

Daniel.

Daniel. Es wartet draussen ein Mann auf euch. Er bittet vorgelassen zu werden, er hab euch eine wichtige Zeitung.

D. a. Moor. Mir ist auf der Welt nur etwas wichtig, du weists Amalia – ists ein Unglücklicher, der meiner Hülfe bedarf? Er soll nicht mit Seufzen von hinnen gehn.

[65] Amalia. Ists ein Bettler, er soll eilig heraufkommen. Daniel ab.

D. a. Moor. Amalia, Amalia! schone meiner!

Amalia spielt fort.

Nimmer lausch ich deiner Waffen Schalle,
Einsam liegt dein Eisen in der Halle,
Priams grosser Heldenstamm verdirbt!
Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet,
Der Cocytus durch die Wüsten weinet,
Deine Liebe in dem Lethe stirbt.

All mein Sehnen, all mein Denken
Soll der schwarze Lethefluß ertränken,
Aber meine Liebe nicht!
Horch! der Wilde raßt schon an den Mauren –
Gürte mir das Schwerd um, laß das Trauren,
Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht!

Franz. Herrmann verkappt. Daniel.

Franz. Hier ist der Mann. Schrökliche Botschaften, sagt er, warten auf euch. Könnt ihr sie hören?

D. a. Moor. Ich kenne nur eine. Tritt her mein Freund, und schone mein nicht! Reicht ihm einen Becher Wein.

Hermann mit veränderter Stimme. Gnädiger Herr! [66] laßt es einen armen Mann nicht entgelten, wenn er wider Willen euer Herz durchbort. Ich bin ein Fremdling in diesem Lande, aber euch kenn ich sehr gut, ihr seyd der Vater Karls von Moor.

D. a. Moor. Woher weist du das

Herrmann. Ich kannte euren Sohn –

Amalia auffahrend. Er lebt? lebt? Du kennst ihn? wo ist er, wo, wo? will hinwegrennen.

D. a. Moor. Du weist von meinem Sohn?

Herrmann. Er studierte in Leipzig. Von da zog er, ich weis nicht wie weit, herum. Er durchschwärmte Deutschland in die Runde, und, wie er mir sagte, mit unbedecktem Haupt, barfus, und erbettelte sein Brod vor den Thüren. Fünf Monathe drauf brach der leidige Krieg zwischen Preussen und Oesterreich wieder aus, und da er auf der Welt nichts mehr zu hoffen hatte, zog ihn der Hall von Friderichs siegreicher Trommel nach Böhmen. Erlaubt mir, sagte er, zum grossen Schwerin, daß ich den Tod sterbe auf dem Bette der Helden, ich habe keinen Vater mehr! –

D. a. Moor. Sieh mich nicht an, Amalia!

Herrmann. Man gab ihm eine Fahne. Er flog den preussischen Siegesflug mit. Wir kamen zusammen unter ein Zelt zu liegen. Er sprach viel von seinem alten Vater und von bessern vergangenen Tagen – und von vereitelten Hoffnungen – uns standen die Tränen in den Augen.

[67] D. a. Moor verhüllt sein Haupt in das Küssen. Stille, o stille!

Herrmann. Acht Tage drauf war das heisse Treffen bey Prag – ich darf euch sagen, euer Sohn hat sich gehalten wie ein wackerer Kriegsmann. Er that Wunder vor den Augen der Armee. Fünf Regimenter mußten neben ihm wechseln, er stand. Feuerkugeln fielen rechts und links, euer Sohn stand. Eine Kugel zerschmetterte ihm die rechte Hand, euer Sohn nahm die Fahne in die Linke, und stand –

Amalia in Entzückung. Hektor, Hektor! hort ihrs? er stand –

Herrmann. Ich traf ihn am Abend der Schlacht niedergesunken unter Kugel-Gepfeiffe, mit der linken hielt er das stürzende Blut, die Rechte hatte er in die Erde gegraben. Bruder! rief er mir entgegen, es lief ein Gemurmel durch die Glieder: der General sey vor einer Stunde gefallen – er ist gefallen, sagt ich, und du? – Nun, wer ein braver Soldat ist, rief er, und lies die linke Hand los, der folge seinem General wie ich! Bald darauf hauchte er seine grose Seele dem Helden zu.

Franz wild auf Herrmann losgehend. Daß der Tod deine verfluchte Zunge versiegle! Bist du hieher kommen unserem Vater den Todesstos zu geben? – Vater! Amalia! Vater!

Herrmann. Es war der lezte Wille meines [68] sterbenden Kameraden. Nimm dis Schwerd, röchelte er, du wirsts meinem alten Vater überliefern, das Blut seines Sohnes klebt daran, er ist gerochen, er mag sich weiden. Sag ihm sein Fluch hätte mich gejagt in Kampf und Tod, ich sey gefallen in Verzweiflung! Sein letzter Seufzer war Amalia.

Amalia Wie aus einem Todesschlummer aufgejagt. Sein lezter Seufzer, Amalia!

D. a. Moor Gräßlich schreyend, sich die Haare ausraufend. Mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!

Franz Umherirrend im Zimmer. Oh! Was habt ihr gemacht, Vater? Mein Karl, mein Bruder!

Herrmann. Hier ist das Schwerd, und hier ist auch ein Portrait, das er zu gleicher Zeit aus dem Busen zog! Es gleicht diesem Fräulein auf ein Haar. Dis soll meinem Bruder Franz, sagte er, – ich weis nicht was er damit sagen wollte.

Franz wie erstaunt. Mir? Amalias Portrait? Mir, Karl, Amalia? Mir?

Amalia heftig auf Herrmann losgehend. Feiler, Bestochener Betrüger! faßt ihn hart an.

Herrmann. Das bin ich nicht, gnädiges Fräulein. Sehet selbst, obs nicht euer Bild ist – ihr mögts ihm wohl selbst gegeben haben.

Franz. Bey Gott! Amalia, das deine! Es ist wahrlich das deine!

[69] Amalia gibt ihm das Bild zurück. Mein, mein! O Himmel und Erde!

D. a. Moor schreyend, sein Gesicht zerfleischend. Wehe, wehe! mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweifflung!

Franz. Und er gedachte meiner in der lezten schweren Stunde des Scheidens, meiner! Englische Seele – da schon das schwarze Panier des Todes über ihm rauschte – meiner! –

D. a. Moor lallend. Mein Fluch ihn gejagt in den Tod, gefallen mein Sohn in Verzweifflung! –

Herrmann. Den Jammer steh ich nicht aus. Lebt wohl, alter Herr! leise zu Franz. Warum habt ihr auch das gemacht, Junker? Geht schnell ab.

Amalia aufspringend, ihm nach. Bleib, bleib! Was waren seine lezte Worte?

Herrmann zurükrufend. Sein lezter Seufzer war Amalia.                Ab.

Amalia. Sein lezter Seufzer war Amalia! – Nein, du bist kein Betrüger! So ist es wahr – wahr – er ist tod! – tod! hin und her taumelnd, bis sie umsinkt. tod – Carl ist tod –

Franz. Was seh ich? Was steht da auf dem Schwerd? geschrieben mit Blut – Amalia!

Amalia. Von ihm?

Franz. Seh ich recht, oder träum ich? Siehe da mit blutiger Schrifft:

Franz, verlaß meine Amalia nicht. Sieh doch, [70] sieh doch! und auf der andern Seite: Amalia! deinen Eid zerbrach der allgewaltige Tod. – Siehst du nun, siehst du nun? Er schriebs mit erstarrender Hand, schriebs mit dem warmen Blut seines Herzens, schriebs an der Ewigkeit feyerlichem Rande! sein fliehender Geist verzog, Franz und Amalia noch zusammen zu knüpfen.

Amalia. Heiliger Gott! es ist seine Hand. – Er hat mich nie geliebt!           schnell ab.

Franz auf den Boden stampfend. Verzweifelt! meine ganze Kunst erligt an dem Starrkopf.

D. a. Moor. Wehe, Wehe! Verlaß mich nicht, meine Tochter! – Franz, Franz! gib mir meinen Sohn wieder!

Franz. Wer wars, der ihm den Fluch gab? Wer wars, der seinen Sohn jagte in Kampf und Tod und Verzweifflung? – oh! er war ein Engel! ein Kleinod des Himmels. Fluch über seine Henker! Fluch, Fluch über euch selber! –

D. a. Moor schlägt mit geballter Faust wieder Brust und Stirn. Er war ein Engel, war Kleinod des Himmels! Fluch, Fluch, Verderben, Fluch über mich selber! Ich bin der Vater, der seinen grossen Sohn erschlug. Mich liebt’ er bis in den Tod! mich zu rächen rannte er in Kampf und Tod! Ungeheuer, Ungeheuer! wütet wider sich selber.

Franz. Er ist dahin, was helfen späte Klagen? hönisch lachend. Es ist leichter morden, als lebendig [71] machen. Ihr werdet ihn nimmer aus seinem Grabe zurükholen.

D. a. Moor. Nimmer, nimmer, nimmer aus dem Grabe zurükholen! Hin, verloren auf ewig! – Und du hast mir den Fluch aus dem Herzen geschwäzt, du – du – Meinen Sohn mir wieder!

Franz. Reizt meinen Grimm nicht! Ich verlaß euch im Tode! –

D. a. Moor. Scheusal! Scheusal! schaff mir meinen Sohn wieder! fährt aus dem Sessel, will Franzen an der Gurgel fassen, der ihn zurük schleudert.

Franz. Krafftlose Knochen! ihr wagt es – sterbt! verzweiffelt!                ab.

Der alte Moor.

Tausend Flüche donnern dir nach! Du hast mir meinen Sohn aus den Armen gestolen voll Verzweifflung hin und her geworfen im Sessel. Wehe, Wehe! Verzweiffeln, aber nicht sterben! – Sie fliehen, verlassen mich im Tode – meine gute Engel fliehen von mir, weichen alle die Heilige vom eisgrauen Mörder – Wehe! Wehe! will mir keiner das Haupt halten, will keiner die ringende Seele entbinden? Keine Söhne! keine Töchter! keine Freunde! – Menschen nur – will keiner, allein – verlassen – Wehe! Wehe! – Verzweiffeln aber nicht sterben!

[72]
Amalia mit verweinten Augen.

D. a. Moor. Amalia! Botte des Himmels! Kommst du, meine Seele zu lösen?

Amalia mit sanfterem Ton. Ihr habt einen herrlichen Sohn verloren.

D. a. Moor. Ermordet willst du sagen. Mit diesem Zeugnis belastet tret ich vor den Richterstuhl Gottes.

Amalia. Nicht also, jammervoller Greis! der himmlische Vater rükt’ ihn zu sich. Wir wären zu glücklich gewesen auf dieser Welt. – Droben, droben über den Sonnen – Wir sehn ihn wieder.

D. a. Moor. Wiedersehen, wiedersehen! Oh es wird mir durch die Seele schneiden ein Schwerd – Wenn ich ein Heiliger ihn unter den Heiligen finde – mitten im Himmel werden durch mich schauern Schauer der Hölle! Im Anschauen des Unendlichen mich zermalmen die Erinnerung: Ich hab meinen Sohn ermordet!

Amalia. Oh er wird euch die Schmerz-Erinnerung aus der Seele lächeln, seyd doch heiter, lieber Vater! ich bins so ganz. Hat er nicht schon den himmlischen Hörern den Namen Amalia vorgesungen auf der seraphischen Harfe, und die himmlischen Hörer lispelten leise ihn nach? Sein lezter Seufzer war ja, Amalia! wird nicht sein erster Jubel, Amalia! seyn?

D. a. Moor. Himmlischer Trost quillt von deinen [73] Lippen! Er wird mir lächeln, sagst du? Vergeben? du must bey mir bleiben, Geliebte meines Karls, wenn ich sterbe.

Amalia. Sterben ist Flug in seine Arme. Wohl euch! Ihr seyd zu beneiden. Warum sind diese Gebeine nicht mürb? Warum diese Haare nicht grau? Wehe über die Kräffte der Jugend! Willkommen, du markloses Alter! näher gelegen dem Himmel und meinem Karl!

Franz tritt auf.

D. a. Moor. Trit her, mein Sohn! Vergib mir, wenn ich vorhin zu hart gegen dich war! ich vergebe dir alles. Ich möchte so gern im Frieden den Geist aufgeben.

Franz. Habt ihr genug um euren Sohn geweint? so viel ich sehe, habt ihr nur einen.

D. a. Moor. Jakob hatte der Söhne zwölf, aber um seinen Joseph hat er blutige Thränen geweint.

Franz. Hum!

D. a. Moor. Geh, nimm die Bibel, meine Tochter, und lies mir die Geschichte Jakobs und Josephs! Sie hat mich immer so gerührt, und damals bin ich noch nicht Jakob gewesen.

Amalia. Welches soll ich euch lesen? nimmt die Bibel und blättert.

D. a. Moor. Lis mir den Jammer des verlassenen, als er ihn nimmer unter seinen Kindern [74] fand – und vergebens sein harrte im Kreis seiner eilfe – und sein Klage-Lied, als er vernahm; sein Joseph sey ihm genommen auf ewig –

Amalia ließt. „Da nahmen sie Josephs Rock, und schlachteten einen Ziegenbock, und tauchten den Rok in das Blut, und schikten den bunten Rok hin, und liessen ihn ihren Vater bringen, und sagen: Diesen haben wir funden, siehe, obs deines Sohnes Rock sey, oder nicht? Franz geht plötzlich hinweg. Er kannte ihn aber und sprach: Es ist meines Sohnes Rock, ein böses Thier hat ihn gefressen, ein reissend Thier hat Joseph zerrissen! –“

D. a. Moor fällt aufs Kissen zurück. Ein reissend Thier hat Joseph zerrissen!

Amalia ließt weiter. „Und Jacob zerris seine Kleider, und legte einen Sack um seine Lenden, und trug Leide um seinen Sohn lange Zeit, und all seine Söhne und Töchter traten auf, daß sie ihn trösteten, aber er wollte sich nicht trösten lassen und sprach: Ich werde mit Leid hinunterfahren –“

D. a. Moor. Hör auf, hör auf! Mir wird sehr übel.

Amalia hinzuspringend, läßt das Buch fallen. Hilf Himmel! Was ist das?

D. a. Moor. Das ist der Tod! – Schwarz – schwimmt – vor meinen – Augen – ich bitt dich – ruf dem Pastor – daß er mir – das [75] Abendmal reiche – Wo ist – mein Sohn Franz?

Amalia. Er ist geflohen! Gott erbarme sich unser!

D. a. Moor. Geflohen – geflohen von des sterbenden Bett? – – Und das all – all – von zwey Kindern voll Hofnung – du hast sie – gegeben – hast sie – genommen – – dein Name sey – –

Amalia mit einem plözlichen Schrey. Tod! alles Tod! ab in Verzweiflung.

Franz hüpft frohlockend herein.

Tod! schreyen sie, tod! Izt bin ich Herr. Im ganzen Schlosse zettert es, tod! – Wie aber schläft er vielleicht nur? – freylich, ach freylich! das ist nun freylich ein Schlaf, wo es ewig niemals, Guten Morgen, heißt – Schlaf und Tod sind nur Zwillinge. Wir wollen einmal die Namen wechseln! Wakerer, willkommener Schlaf! Wir wollen dich Tod heissen! Er drükt ihm die Augen zu. Wer wird nun kommen, und es wagen, mich vor Gericht zu fordern? oder mir ins Angesicht zu sagen: du bist ein Schurke! Weg dann mit dieser lästigen Larve von Sanftmuth und Tugend! Nun sollt ihr den nakten Franz sehen, und euch entsezen! Mein Vater überzuckerte seine Forderungen, schuf sein Gebieth zu einem Familienzirkel um, sas liebreich lächelnd am Thor, und grüßte sie Brüder und Kinder. – [76] Meine Aug-Braunen sollen über euch herhangen wie Gewitter-Wolken, mein herrischer Name schweben wie ein drohender Komet über diesen Gebirgen, meine Stirne soll euer Wetterglas seyn! Er streichelte und koßte den Naken, der gegen ihn störrig zurükschlug. Streicheln und Kosen ist meine Sache nicht. Ich will euch die zakichte Sporen ins Fleisch hauen, und die scharfe Geißel versuchen. – In meinem Gebiet solls so weit kommen, daß Kartoffeln und dünn Bier ein Traktament für Festtage werden, und wehe dem, der mir mit vollen feurigen Backen unter die Augen trit! Blässe der Armuth und sclavischen Furcht sind meine Leibfarbe: in diese Liverey will ich euch kleiden!                Er geht ab.



Dritte Scene.
die böhmischen Wälder.
Spiegelberg. Razmann. Räuberhaufen.

Razmann. Bist da? bists wirklich? So laß dich doch zu Brey zusammendrucken, lieber Herzens-Bruder Moriz! Willkommen in den Böhmischen Wäldern! Bist ja gros worden und stark. Stern-Kreuz-Bataillon! Bringst ja Rekruten mit einen ganzen Trieb, du trefflicher Werber!

Spiegelberg. Gelt Bruder? Gelt? Und das [77] ganze Kerl darzu! – du glaubst nicht, Gottes sichtbarer Seegen ist bey mir, war dir ein armer hungriger Tropf, hatte nichts als diesen Stab, da ich über den Jordan gieng, und izt sind unserer acht und siebenzig, meistens ruinirte Krämer, rejicirte Magister und Schreiber aus den schwäbischen Provinzen, das ist dir ein Korps Kerles, Bruder, deliciöse Bursche, sag ich dir, wo als einer dem andern die Knöpfe von den Hosen stihlt, und mit geladener Flinte neben ihm sicher ist – und haben voll auf, und stehen dir in einem Renommee vierzig Meilen weit, das nicht zu begreiffen ist. Da ist dir keine Zeitung, wo du nicht ein Artikelchen von dem Schlaukopf Spiegelberg wirst getroffen haben, ich halte sie mir auch pur deswegen – vom Kopf bis zun Füssen haben sie mich dir hingestellt, du meynst, du sehst mich, – so gar meine Rokknöpfe haben sie nicht vergessen. Aber wir führen sie erbärmlich am Narrenseil herum. Ich geh lezthin in die Druckerey, geb vor, ich hätte den berüchtigten Spiegelberg gesehn, und diktir einem Skrizler, der dort sas, das leibhafte Bild von einem dortigen Wurmdoktor in die Feder, das Ding kommt um, der Kerl wird eingezogen, par force inquirirt, und in der Angst und in der Dummheit gesteht er dir, hol mich der Teufel! gesteht dir, er sey der Spiegelberg – Donner und Wetter! ich war eben auf dem Sprung, mich [78] beym Magistrat anzugeben, daß die Kanaille mir meinen Namen so verhunzen soll – wie ich sage, drey Monath drauf hangt er. Ich mußte nachher eine derbe Prise Tobak in die Nase reiben, als ich am Galgen vorbeyspazierte, und den Pseudo-Spiegelberg in seiner Glorie da paradiren sah – und unterdessen daß Spiegelberg hangt, schleicht sich Spiegelberg ganz sachte aus den Schlingen, und deutet der superklugen Gerechtigkeit hinterruks Eselsohren, daß’s zum Erbarmen ist.

Razmann lacht. Du bist eben noch immer der alte.

Spiegelberg. Das bin ich, wie du siehst, an Leib und Seel. Narr! einen Spaß mus ich dir doch erzählen, den ich neulich im Cäcilien-Kloster angerichtet habe. Ich treffe das Kloster auf meiner Wanderschaft so gegen die Dämmerung, und da ich eben den Tag noch keine Patrone verschossen hatte, du weist, ich hasse das diem perdidi auf den Tod, so mußte die Nacht noch durch einen Streich verherrlicht werden, und sollts dem Teufel um ein Ohr gelten! Wir halten uns ruhig bis in die späte Nacht. Es wird mausstill. Die Lichter gehen aus. Wir denken die Nonnen können izt in den Federn seyn. Nun nehm ich meinen Kameraden Grimm mit mir, heis die andern warten vorm Thor, bis sie mein Pfeifchen hören würden, – versichere mich des Klosterwächters, [79] nehm ihm die Schlüssel ab, schleich mich hinein, wo die Mägde schliefen, praktizier ihnen die Kleider weg, und heraus mit dem Pak zum Thor. Wir gehn weiter von Zelle zu Zelle, nehmen einer Schwester nach der andern die Kleider, endlich auch der Aebtissinn – Itzt pfeif ich, und meine Kerls draussen fangen an zu stürmen und zu hasseliren als käm der jüngste Tag, und hinein mit bestialischem Gepolter in die Zellen der Schwestern! – hahaha! – da hättest du die Haz sehen sollen, wie die armen Thiergen in der Finstere nach ihren Röcken tappten, und sich jämmerlich geberdeten, wie sie zum Teufel waren, und wir indeß wie alle Donnerwetter zugesetzt, und wie sie sich vor Schrek und Bestürzung in Bettlacken wikelten, oder unter dem Ofen zusammenkrochen wie Kazen, andere in der Angst ihres Herzens die Stube so besprenzten, daß du hättest das Schwimmen drinn lernen können, und das erbärmliche Gezetter und Lamento, und endlich gar die alte Schnurre die Aebtissinn, angezogen wie Eva vor dem Fall – du weist, Bruder, daß mir auf diesem weiten Erdenrund kein Geschöpf so zuwider ist, als eine Spinne und ein altes Weib, und nun denk dir einmal die schwarzbraune, runzlichte, zottigte Vettel vor mir herumtanzen, und mich bey ihrer jungfräulichen Sittsamkeit beschwören – alle Teufel! ich hatte schon den Ellbogen angesetzt [80] ihr die übriggebliebenen wenigen edlen vollends in den Mastdarm zu stossen – kurz resolvirt! entweder heraus mit dem Silbergeschirr mit dem Klosterschaz und allen den blanken Thälerchen, oder – meine Kerls verstanden mich schon – ich sage dir, ich hab aus dem Kloster mehr denn tausend Thaler Werths geschleift, und den Spaß obendrein, und meine Kerls haben ihnen ein Andenken hinterlassen, sie werden ihre neun Monathe dran zu schleppen haben.

Razmann auf den Boden stampfend. Daß mich der Donner da weg hatte.

Spiegelberg. Siehst du? Sag du mehr, ob das kein Luder-Leben ist? und dabey bleibt man frisch und stark, und das Korpus ist noch beysammen, und schwillt dir stündlich wie ein Prälats-Bauch – ich weis nicht, ich mus was magnetisches an mir haben, daß dir alles Lumpen-Gesindel auf Gottes Erdboden anzieht wie Stahl und Eisen.

Razmann. Schöner Magnet du! Aber so möcht ich Henkers doch wissen, was für Hexereyen du brauchst –

Spiegelberg. Hexereyen? Braucht keiner Hexereyen – Kopf must du haben! Ein gewises praktisches Judicium, das man freylich nicht in der Gerste frißt – denn siehst du, ich pfleg immer zu sagen: einen honneten Mann kann man aus jedem [81] Weidenstozen formen, aber zu einem Spizbuben wills Grüz – auch gehört darzu ein eigenes National-Genie, ein gewises, daß ich so sage, Spizbuben Klima, und da rath ich dir, reis du ins Graubünder Land, das ist das Athen der heutigen Gauner.

Razmann. Bruder! man hat mir überhaupt das ganze Italien gerühmt.

Spiegelberg. Ja, ja! man mus niemand sein Recht vorenthalten, Italien weist auch seine Männer auf, und wenn Deutschland so fortmacht, wie es bereits auf dem Weg ist, und die Bibel vollends hinaus votirt, wie es die glänzendsten Aspekten hat, so kann mit der Zeit auch noch aus Deutschland was Gutes kommen, – überhaupt aber, mus ich dir sagen, macht das Klima nicht sonderlich viel, das Genie kommt überall fort, und das übrige, Bruder – ein Holzapfel weist du wohl wird im Paradies-Gärtlein selber ewig keine Ananas – aber daß ich dir weiter sage, – wo bin ich stehen geblieben?

Razmann. Bey den Kunstgriffen!

Spiegelberg. Ja recht, bey den Kunstgriffen. So ist dein erstes, wenn du in die Stadt kommst, du ziehst bey den Bettelvögten, Stadt-Patrollanten und Zuchtknechten Kundschaft ein, wer so am fleissigsten bey ihnen einspreche, die Ehre gebe, und diese Kunden suchst du auf – ferner nistest [82] du dich in die Kaffeehäuser, Bordelle, Wirthshäuser ein, spähst, sondirst, wer am meisten über die wolfeile Zeit, die fünf pro cent, über die einreissende Pest der Policeyverbesserungen schreyt, wer am meisten über die Regierung schimpft, oder wieder die Physiognomik eifert und dergl: Bruder! das ist die rechte Höhe! die Ehrlichkeit wakelt wie ein holer Zahn, du darfst nur den Pelikan ansezen, – oder besser und kürzer: du gehst und wirfst einen vollen Beutel auf die offene Strase, verstekst dich irgendwo, und merkst dir wol, wer ihn aufhebt – eine Weile drauf jagst du hinterher, suchst, schreyst, und fragst nur so im Vorbeygehen, haben der Herr nicht etwa einen Geldbeutel gefunden? Sagt er, ja? – nun so hats der Teufel gesehen; leugnet ers aber? der Herr verzeihen – ich wüßte mich nicht zu entsinnen, – ich bedaure, aufspringend. Bruder! Triumf Bruder! Lösch deine Laterne aus, schlauer Diogenes! – du hast deinen Mann gefunden.

Razmann. Du bist ein ausgelernter Prakticus.

Spiegelberg. Mein Gott! als ob ich noch jemals dran gezweiffelt hätte – Nun du deinen Mann in dem Hamen hast, must dus auch fein schlau angreiffen, daß du ihn hebst! – Siehst du, mein Sohn? das hab ich so gemacht: – So bald ich einmal die Färthe hatte, hängt’ ich mich meinem Kandidaten an wie eine Klette, saufte Brüderschaft [83] mit ihm, und Notabene! Zechfrey must du ihn halten! da geht freylich ein schönes drauf, aber das achtest du nicht – – du gehst weiter, du führst ihn in Spiel-Kompagnien und bey liederlichen Menschern ein, verwickelst ihn in Schlägereyen und schelmische Streiche, bis er an Saft und Kraft und Geld und Gewissen, und gutem Namen bankrut wird, denn incidenter muß ich dir sagen, du richtest nichts aus, wenn du nicht Leib und Seele verderbst – Glaube mir Bruder! das hab ich aus meiner starken Praxi wol fünfzigmal abstrahirt, wenn der ehrliche Mann einmal aus dem Nest gejagt ist, so ist der Teufel Meister – Der Schritt ist dann so leicht – o so leicht, als der Sprung von einer Hure zu einer Betschwester. – Horch doch! was für ein Knall war das?

Razmann. Es war gedonnert, nur fortgemacht!

Spiegelberg. Noch ein kürzerer besserer Weg ist der, du plünderst deinem Mann Hauß und Hof ab, bis ihm kein Hemd mehr am Leibe hebt, alsdann kommt er dir von selber – lern mich die Pfiffe nicht Bruder – frag einmal das Kupfergesicht dort – Schwere Noth! den hab ich schön ins Garn gekriegt – ich hielt ihm vierzig Dukaten hin, die sollt er haben, wenn er mir seines Herrn Schlüssel in Wachs drücken wollte – denk einmal! die dumme Bestie thuts, bringt mir, hol mich der Teufel! die Schlüssel, und will izt das Geld haben [84] – Monsieur, sagt ich, weis er auch, daß ich izt diese Schlüssel gerades Wegs zum Polizey-Lieutenant trage, und ihm ein Logis am lichten Galgen miethe? – tausend Sakerment! da hättest du den Kerl sehen sollen die Augen aufreissen, und anfangen zu zappeln wie ein nasser Budel – – „Ums Himmels willen, hab der Herr doch Einsicht! ich will – will –“ was will er? will er itzt gleich den Zopf hinaufschlagen und mit mir zum Teufel gehn? – „o von Herzen gern, mit Freuden“ – hahaha! guter Schlucker, mit Spek fangt man Mäuse – lach ihn doch aus Razmann! hahaha!

Razmann. Ja, ja, ich mus gestehen. Ich will mir diese Lection mit goldnen Ziffern auf meine Hirntafel schreiben. Der Satan mag seine Leute kennen, daß er dich zu seinem Mäckler gemacht hat.

Spiegelberg. Gelt, Bruder? und ich denke, wenn ich ihm zehen stelle, läßt er mich frey ausgehen – gibt ja jeder Verleger seinem Sammler das zehente Exemplar gratis, warum soll der Teufel so jüdisch zu Werke gehn? – Razmann! ich rieche Pulver –

Razmann. Sapperment! ich riechs auch schon lang. – Gib Acht, es wird in der Näh was gesetzt haben! – Ja ja! wie ich dir sage, Moriz – du wirst dem Hauptmann mit deinen Rekruten [85] willkommen seyn – er hat auch schon brave Kerl angelockt.

Spiegelberg. Aber die meinen! die meinen – Pah –

Razmann. Nun ja! sie mögen hübsche Fingerchen haben – aber ich sage dir, der Ruf unsers Hauptmanns hat auch schon ehrliche Kerl in Versuchung geführt.

Spiegelberg. Ich will nicht hoffen.

Razmann. Sans Spaß! und sie schämen sich nicht unter ihm zu dienen. Er mordet nicht um des Raubes willen wie wir – nach dem Geld schien er nicht mehr zu fragen, so bald ers vollauf haben konnte, und selbst sein Dritteil an der Beute, das ihn von Rechtswegen trifft, verschenkt er an Waysenkinder, oder läßt damit arme Jungen von Hoffnung studiren. Aber soll er dir einen Landjunker schröpffen, der seine Bauren wie das Vieh abschindet, oder einen Schurken mit goldnen Borden unter den Hammer kriegen, der die Geseze falschmünzt, und das Auge der Gerechtigkeit übersilbert, oder sonst ein Herrchen von dem Gelichter – Kerl! da ist er dir in seinem Element, und haußt teufelmäßig, als wenn jede Faser an ihm eine Furie wäre.

Spiegelberg. Hum! hum!

Razmann. Neulich erfuhren wir im Wirthshaus, daß ein reicher Graf von Regensburg durchkommen [86] würde, der einen Proceß von einer Million durch die Pfiffe seines Advokaten durchgesetzt hätte, er sas eben am Tisch und brettelte, – wie viel sind unserer? frug er mich, indem er hastig aufstand, ich sah ihn die Unterlippe zwischen die Zähne klemmen, welches er nur thut, wenn er am grimmigsten ist – nicht mehr als fünf! sagt ich – es ist genug! sagt er, warf der Wirthin das Geld auf den Tisch, lies den Wein, den er sich hatte reichen lassen unberührt stehen – wir machten uns auf den Weg. Die ganze Zeit über sprach er kein Wort, lief abseitwärts und allein, nur daß er uns von Zeit zu Zeit fragte, ob wir noch nichts gewahr worden wären, und uns befahl das Ohr an die Erde zu legen. Endlich so kommt der Graf hergefahren, der Wagen schwer bepakt, der Advokat sas bey ihm drinn, voraus ein Reuter, nebenher ritten zwey Knechte – da hättest du den Mann sehen sollen, wie er, zwey Terzerolen in der Hand, vor uns her auf den Wagen zusprang! und die Stimme, mit der er rief: Halt! – der Kutscher, der nicht Halt machen wollte, mußte vom Bok herabtanzen, der Graf schos aus dem Wagen in den Wind, die Reuter flohen – dein Geld, Kanaille! rief er donnernd – er lag wie ein Stier unter dem Beil – und bist du der Schelm, der die Gerechtigkeit zur feilen Hure macht? der Advokat zitterte, daß ihm die Zähne klapperten, – der [87] Dolch stak in seinem Bauch wie ein Pfahl in dem Weinberg – ich habe das meine gethan! rief er, und wandte sich stolz von uns weg, das Plündern ist eure Sache. Und so mit verschwand er in den Wald –

Spiegelberg. Hum, hum! Bruder, was ich dir vorhin erzählt habe, bleibt unter uns, er brauchts nicht zu wissen. Verstehst du?

Razmann. Recht, recht! ich versteh.

Spiegelberg. Du kennst ihn ja? Er hat so seine Grillen. Du verstehst mich.

Razmann. Ich versteh, ich versteh.

Schwarz in vollem Lauf.

Razmann. Wer da? was gibts da? Passagiers im Wald?

Schwarz. Hurtig, hurtig! wo sind die andern? – tausendsakerment! ihr steht da, und plaudert! Wißt ihr denn nicht – wißt ihr denn gar nicht? – und Roller –

Razmann. Was dann, was dann?

Schwarz. Roller ist gehangen, noch vier andere, mit, –

Razmann. Roller? Schwere Noth! seit wenn – woher weist dus?

Schwarz. Schon über drey Wochen sitzt er, und wir erfahren nichts, schon drey Rechtstäge sind über ihn gehalten worden, und wir hören [88] nichts, man hat ihn auf der Tortur examinirt, wo der Hauptmann sey? – der wackere Bursche hat nichts bekannt, gestern ist ihm der Proceß gemacht worden, diesen Morgen ist er dem Teufel extra Post zugefahren.

Razmann. Vermaledeyt! weis es der Hauptmann?

Schwarz. Erst gestern erfährt ers. Er schäumt wie ein Eber. Du weists, er hat immer am meisten gehalten auf Roller, und nun die Tortur erst – Strick und Leiter sind schon an den Thurm gebracht worden, es half nichts, er selbst hat sich schon in Kapuciners-Kutte zu ihm geschlichen, und die Person mit ihm wechseln wollen, Roller schlugs hartnäckig ab, itzt hat er einen Eid geschworen, daß es uns eißkalt über die Leber lief, er wolle ihm eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen soll. Mir ist bang für die Stadt. Er hat schon lang eine Pique auf sie, weil sie so schändlich bigott ist, und du weist, wenn er sagt: ich wills thun! so ists so viel, als wenns unser einer gethan hat.

Razmann. Das ist wahr! ich kenne den Hauptmann. Wenner dem Teufel sein Wort drauf gegeben hätte in die Hölle zu fahren, er würde nie beten, wenn er mit einem halben Vater Unser seelig werden könnte! – Aber ach! der arme Roller! [89] der arme Roller! –

Spiegelberg. Memento mori! Aber das regt mich nicht an. Trillert ein Liedgen.

Geh ich vorbey am Rabensteine,
So blinz ich nur das rechte Auge zu,
Und denk, du hängst mir wol alleine,
Wer ist ein Narr, ich oder du?

Razmann aufspringend. Horch! ein Schuß. Schießen und Lermen.

Spiegelberg. Noch einer!

Razmann. Wieder einer! der Hauptmann!

Hinter der Scene gesungen.

Die Nürenberger henken keinen,
Sie hätten ihn denn vor.

Da capo.

Schweizer. Roller. Hinter der Scene. Holla ho! Holla ho!

Razmann. Roller! Roller! Holen mich zehn Teufel!

Schweizer. Roller. Hinter der Scene. Razmann! Schwarz! Spiegelberg! Razmann!

Razmann. Roller! Schweizer! Bliz, Donner, Hagel und Wetter! Fliegen ihm entgegen!

[90]
Räuber Moor zu Pferd.
Schweizer. Roller. Grimm. Schufterle. Räubertrupp mit Koth und Staub bedeckt, treten auf.

Räuber Moor vom Pferd springend. Freyheit! Freyheit! – – du bist im trocknen, Roller! – Führ meinen Rappen ab, Schweizer, und wasch ihn mit Wein. Wirft sich auf die Erde. Das hat gegolten!

Razmann zu Roller. Nun bey der Feueresse des Plutos! bist du vom Rad auferstanden?

Schwarz. Bist du sein Geist? oder bin ich ein Narr? oder bist dus wirklich?

Roller in Athem. Ich bins. Leibhaftig. Ganz. Wo glaubst du, daß ich herkomme?

Schwarz. Da frag die Hexe! der Stab war schon über dich gebrochen!

Roller. Das war er freylich, und noch mehr. Ich komme recta vom Galgen her. Laß mich nur erst zu Athem kommen. Der Schweizer wird dir erzählen. Gebt mir ein Glas Brandtenwein! – du auch wieder da, Moriz? Ich dachte dich wo anders wieder zu sehen – gebt mir doch ein Glas Brandtenwein! meine Knochen fallen auseinander – o mein Hauptmann! wo ist mein Hauptmann!

Schwarz. Gleich, gleich! – so sag doch, so schwäz doch! wie bist du davon kommmen? wie haben wir dich wieder? der Kopf geht mir um. Vom Galgen her, sagst du? [91] Roller stürzt eine Flasche Brandtenwein hinunter. Ah, das schmeckt, das brennt ein! – gerades Wegs vom Galgen her! sag ich. Ihr steht da, und gafft, und könnts nicht träumen – ich war auch nur drey Schritte von der Sakerments-Leiter, auf der ich in den Schoos Abrahams steigen sollte – so nah, so nah – war dir schon mit Haut und Haar auf die Anatomie verhandelt! hättest mein Leben um’n Prise Schnupftabak haben können, dem Hauptmann dank ich Luft, Freyheit und Leben.

Schweizer. Es war ein Spaß, der sich hören läßt. Wir hatten den Tag vorher durch unsre Spionen Wind gekriegt, der Roller liege tüchtig im Salz, und wenn der Himmel nicht bey Zeit noch einfallen wollte, so werde er morgen am Tag – das war als heut – den Weg alles Fleisches gehen müssen – Auf! sagt der Hauptmann, was wiegt ein Freund nicht. – Wir retten ihn, oder retten ihn nicht, so wollen wir ihm wenigstens doch eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen soll. Die ganze Bande wird aufgeboten. Wir schiken einen Expressen an ihn, der’s ihm in einem Zettelgen beybrachte, das er ihm in die Suppe warf.

Roller. Ich verzweiffelte an dem Erfolg.

Schweizer. Wir paßten die Zeit ab, bis die [92] Passagen leer waren. Die ganze Stadt zog dem Spektakel nach, Reuter und Fußgänger durch einander und Wagen, der Lerm und der Galgen-Psalm jolten weit. Izt, sagt der Hauptmann, brennt an, brennt an! Die Kerl flogen wie Pfeile, steckten die Stadt an drey und dreyßig Eken zumal in Brand, warfen feurige Lunden in die Nähe des Pulverthurms in Kirchen und Scheunen – Mordbleu es war keine Viertelstunde vergangen, der Nord-Ost-Wind, der auch seinen Zahn auf die Stadt haben muß, kam uns trefflich zu statten, und half die Flamme bis hinauf in die obersten Gibel jagen. Wir indeß Gasse auf Gasse nieder, wie Furien – Feuerjo! Feurjo! durch die ganze Stadt – Geheul, – Geschrey – Gepolter – fangen an die Brandglocken zu brummen, knallt der Pulverthurm in die Luft, als wär die Erde mitten entzwey geborsten, und der Himmel zerplazt, und die Hölle zehntausend Klafter tiefer versunken

Roller. Und izt sah mein Gefolge zurück – da lag die Stadt wie Gomorrha und Sodom, der ganze Horizont war Feuer, Schwefel und Rauch, vierzig Gebürge brüllen den infernalischen Schwank in die Rund herum nach, ein panischer Schreck schmeißt alle zu Boden – itzt nuz ich den Zeitpunkt, und risch, wie der Wind! – ich war losgebunden, so nah wars dabey – da meine Begleiter versteinert wie Loths Weib zurückschaun, [93] Reißaus! zerrissen die Haufen! davon! Sechzig Schritte weg werf ich die Kleider ab, stürze mich in den Fluß, schwimm unterm Wasser fort, bis ich glaubte ihnen aus dem Gesichte zu seyn. Mein Hauptmann schon parat mit Pferden und Kleidern – so bin ich entkommen. Moor! Moor! möchtest du auch bald in den Pfeffer gerathen, daß ich dir gleiches mit gleichem vergelten kann!

Razmann. Ein bestialischer Wunsch, für den man dich hängen sollte – aber es war ein Streich zum zerplazen.

Roller. Es war Hülfe in der Noth, ihr könnts nicht schäzen. Ihr hättet sollen – den Strik um den Hals – mit lebendigem Leibe zu Grabe marschiren wie ich, und die sakermentalischen Anstalten und Schinders Ceremonien, und mit jedem Schritt, den der scheue Fus vorwärts wankte, näher und fürchterlich näher die verfluchte Maschine, wo ich einlogirt werden sollte, im Glanz der schröklichen Morgensonne steigend, und die laurenden Schinders-Knechte, und die gräßliche Musik – noch raunt sie in meinen Ohren – und das Gekrächz hungriger Raben, die an meinem halbfaulen Antezessor zu dreysigen hiengen, und das alles, alles – und obendrein noch der Vorschmack der Seeligkeit, die mir blühete! – Bruder, Bruder und auf einmal die Losung zur Freyheit – Es war ein Knall, als ob dem Himmelsfaß ein Raif [94] gesprungen wäre – hört Kanaillen! ich sag euch, wenn man aus dem glühenden Ofen ins Eiswasser springt, kann man den Abfall nicht so stark fühlen als ich, da ich am andern Ufer war.

Spiegelberg lacht. Armer Schlucker! nun ists ja verschwizt. trinkt ihm zu. Zur glüklichen Wiedergeburt!

Roller wirft sein Glas weg. Nein, bey allen Schäzen des Mammons! ich möchte das nicht zum zweytenmal erleben. Sterben ist etwas mehr als Harlequins Sprung, und Todes-Angst ist ärger als Sterben.

Spiegelberg. Und der hüpfende Pulverthurm – merkst dus izt, Razmann? – drum stank auch die Luft so nach Schwefel, stundenweit, als würde die ganze Garderobe des Molochs unter dem Firmament ausgelüftet – es war ein Meisterstreich, Hauptmann! ich beneide dich drum.

Schweizer. Macht sich die Stadt eine Freude daraus, meinen Kameraden wie ein verheztes Schwein abthun zu sehen, was, zum Henker! sollen wir uns ein Gewissen daraus machen, unserem Kameraden zulieb die Stadt drauf gehen zu lassen? Und neben her hatten unsere Kerls noch das gefundene Fressen, über den alten Kayser zu plündern. – Sagt einmal! was habt ihr weggekapert?

Einer von der Bande. Ich habe mich während [95] des durch einanders in die Stephans-Kirche geschlichen und die Borden vom Altar-Tuch abgetrennt, der liebe Gott da, sagt ich, ist ein reicher Mann, und kann ja Goldfäden aus einem Batzenstrick machen.

Schweizer. Du hast wohl gethan – was soll auch der Plunder in einer Kirche? Sie tragens dem Schöpffer zu, der über den Trödelkram lachet, und seine Geschöpffe dörfen verhungern. – Und du Spangeler – wo hast du dein Nez ausgeworffen?

Ein Zweyter. Ich und Bügel haben einen Kaufladen geplündert und bringen Zeug für unser funfzig mit.

Ein Dritter. Zwey goldne Sakuhren hab ich weggebixt, und ein Duzend silberne Löffel darzu.

Schweizer. Gut, gut. Und wir haben ihnen eins angerichtet, dran sie vierzehn Tage werden zu löschen haben. Wenn sie dem Feuer wehren wollen, so müssen sie die Stadt durch Wasser ruiniren – Weist du nicht, Schufterle, wie viel es Tode gesezt hat?

Schufterle. Drey und achtzig sagt man. Der Thurm allein hat ihrer sechszig zu Staub zerschmettert.

Räuber Moor. sehr ernst. Roller, du bist theuer bezahlt.

Schufterle. Pah! pah! was heißt aber das? – ja, wenns Männer gewesen wären – aber da [96] warens Wikelkinder, die ihre Lacken vergolden, eingeschnurrte Müttergen, die ihnen die Müken wehrten, ausgedörrte Ofenhoker, die keine Thüre mehr finden konnten – Patienten, die nach dem Dokter winselten, der in seinem gravitätischen Trab der Haz nachgezogen war – Was leichte Beine hatte, war ausgeflogen der Komödie nach, und nur der Bodensaz der Stadt blieb zurük, die Häusser zu hüten.

Moor. Oh der armen Gewürme! Kranke, sagst du, Greise und Kinder? –

Schufterle. Ja zum Teufel! und Kindbetterinnen darzu, und hochschwangere Weiber, die befürchteten, unterm lichten Galgen zu abortiren, junge Frauen, die besorgten sich an den Schinders-Stükchen zu versehen, und ihrem Kind in Mutterleib den Galgen auf den Buckel zu brennen – Arme Poeten, die keinen Schuh anzuziehen hatten, weil sie ihr einziges Paar in die Mache gegeben, und was das Hundsgesindel mehr ist, es lohnt sich der Mühe nicht, daß man davon redt. Wie ich von ungefehr so an einer Barake vorbeygehe hör ich drinnen ein Gezetter, ich guk hinein, und wie ichs beym Licht besehe, was wars? Ein Kind wars noch frisch und gesund, das lag auf dem Boden unterm Tisch, und der Tisch wollte eben angehen, – Armes Thiergen! sagt’ ich, du verfriest ja hier, und warfs in die Flamme –

[97] Moor. Wirklich, Schufterle? – Und diese Flamme brenne in deinem Busen, bis die Ewigkeit grau wird! – Fort Ungeheuer! Laß dich nimmer unter meiner Bande sehen! Murrt ihr? – Ueberlegt ihr? – Wer überlegt, wenn Ich befehle? – Fort mit ihm, sag ich, – es sind noch mehr unter euch, die meinem Grimm reif sind. Ich kenne dich, Spiegelberg. Aber ich will nächstens unter euch treten, und fürchterlich Musterung halten. Sie gehn zitternd ab.

Moor allein, heftig auf und abgehend.

Höre sie nicht, Rächer im Himmel! – Was kann ich dafür? Was kannst du dafür, wenn deine Pestilenz, deine Theurung, deine Wasserfluten, den Gerechten mit dem Bösewicht auffressen? Wer kann der Flamme befehlen, daß sie nicht auch durch die gesegneten Saaten wüte, wenn sie das Genist der Hornissel zerstören soll? – O pfui, über den Kinder-Mord! den Weiber-Mord – den Kranken-Mord! Wie beugt mich diese That! Sie hat meine schönsten Werke vergiftet – da steht der Knabe, schaamroth und ausgehönt vor dem Auge des Himmels, der sich anmaßte, mit Jupiters Keule zu spielen, und Pygmeen niederwarf, da er Titanen zerschmettern sollte – geh, geh! du bist der Mann nicht, das Rachschwerdt der obern Tribunal zu regieren, du erlagst bey dem ersten [98] Griff – hier entsag ich dem frechen Plan, gehe, mich in irgend eine Klufft der Erde zu verkriechen, wo der Tag vor meiner Schande zurüktrit. er will fliehen.

Räuber eilig.

Sieh dich vor, Hauptmann! Es spukt! Ganze Haufen böhmischer Reuter schwadroniren im Holz herum – der höllische Blaustrumpf mus ihnen verträtscht haben –

Neue Räuber.

Hauptmann, Hauptmann! Sie haben uns die Spur abgelauert – rings ziehen ihrer etliche Tausend einen Kordon um den mittlern Wald.

Neue Räuber.

Weh, weh, weh! Wir sind gefangen gerädert, wir sind geviertheilt! Viele tausend Husaren, Dragoner und Jäger sprengen um die Anhöhe, und halten die Luft-Löcher besezt.

Moor geht ab.
Schweizer. Grimm. Roller. Schwarz. Schufterle. Spiegelberg. Razmann. Räubertrupp.

Schweizer. Haben wir sie aus den Federn geschüttelt? Freu dich doch, Roller! Das hab ich mir lange gewünscht, mich mit so Kommis-Brod Rittern herumzuhauen – wo ist der Hauptmann? Ist die [99] ganze Bande beysammen? Wir haben doch Pulver genug?

Razmann. Pulver die schwere Meng. Aber unser sind achzig in allem, und so immer kaum einer gegen ihrer zwanzig.

Schweizer. Desto besser! und laß es fünfzig gegen meinen grossen Nagel seyn – Haben sie so lang gewartet, bis wir ihnen die Streu unterm Arsch angezündt haben – Brüder, Brüder! so hats keine Noth. Sie sezen ihr Leben an zehen Kreuzer, fechten wir nicht für Hals und Freyheit? – Wir wollen über sie her wie die Sündflut und auf ihre Köpfe herabfeuren wie Wetterleuchten – Wo zum Teufel! ist dann der Hauptmann?

Spiegelberg. Er verläßt uns in dieser Noth. Können wir denn nicht mehr entwischen?

Schweizer. Entwischen?

Spiegelberg. Oh! Warum bin ich nicht geblieben in Jerusalem.

Schweizer. So wollt’ ich doch, daß du im Kloak erstiktest, Drekseele du! Bey nakten Nonnen hast du ein grosses Maul, aber wenn du zwey Fäuste siehst, – Memme, zeige dich izt, oder man soll dich in eine Sauhaut nähen, und durch Hunde verhezen lassen.

Razmann. Der Hauptmann, Der Hauptmann!

[100]
Moor. langsam vor sich.

Moor. Ich habe sie vollends ganz einschliessen lassen, jetzt müssen sie fechten wie verzweifelte. Laut Kinder! Nun gibts! Wir sind verloren, oder wir müssen fechten wie angeschossene Eber.

Schweizer. Ha! ich will ihnen mit meinen Fangern den Bauch schlizen, daß ihnen die Kutteln schuhlang herausplazen! – Führ uns an, Hauptmann! Wir folgen dir in den Rachen des Todes.

Moor. Ladet alle Gewehre! Es fehlt doch an Pulver nicht?

Schweizer springt auf. Pulver genug, die Erde gegen den Mond zu sprengen!

Razmann. Jeder hat fünf paar Pistolen geladen, jeder noch drey Kugelbüchsen darzu.

Moor. Gut, gut! Und nun muß ein Theil auf die Bäume klettern, oder sich ins Dikicht versteken, und Feuer auf sie geben im Hinterhalt –

Schweizer. Da gehörst du hin, Spiegelberg!

Moor. Wir andern, wie Furien, fallen ihnen in die Flanken.

Schweizer. Darunter bin ich, ich!

Moor. Zugleich muß jeder sein Pfeifchen hören lassen, im Wald herumjagen, daß unsere Anzahl schröklicher werde: auch müssen alle Hunde los, und in ihre Glieder gehezt werden, daß sie sich trennen, zerstreuen, und euch in den Schuß [101] rennen. Wir drey, Roller, Schweizer und ich, fechten im Gedränge.

Schweizer. Meisterlich, vortrefflich! – Wir wollen sie zusammenwettern, daß sie nicht wissen, wo sie die Ohrfeigen herkriegen. Ich habe wohl ehe eine Kirsche vom Maul weggeschossen, laß sie nur anlauffen. Schufterle zupft Schweizern, dieser nimmt den Hauptmann beyseit, und spricht leise mit ihm.

Moor. Schweig!

Schweizer. Ich bitte dich –

Moor. Weg! Er dank es seiner Schande, sie hat ihn gerettet. Er soll nicht sterben, wenn ich und mein Schweizer sterben, und mein Roller. Laß ihn die Kleider ausziehen, so will ich sagen er sey ein reisender, und ich hab ihn bestohlen – Sey ruhig, Schweizer! Ich schwöre darauf, er wird doch noch gehangen werden.

Pater tritt auf.

Pater vor sich, stuzt. Ist das das Drachen Nest? – Mit eurer Erlaubnis, meine Herren! Ich bin ein Diener der Kirche, und draussen stehen siebenzehnhundert, die jedes Haar auf meinen Schläfen bewachen.

Schweizer. Bravo! bravo! das war wohlgesprochen sich den Magen warm zu halten.

Moor. Schweig, Kamerad! – Sagen sie kurz, Herr Pater! was haben Sie hier zu thun?

[102] Pater. Mich sendet die hohe Obrigkeit, die über Leben und Tod spricht – ihr Diebe – ihr Mordbrenner – ihr Schelmen – giftige Otterbrut, die im finstern schleicht, und im verborgenem sticht – Aussaz der Menschheit – Höllenbrut, – köstliches Mahl für Raben und Ungeziefer – Kolonie für Galgen und Rad –

Schweizer. Hund! hör auf zu schimpfen, oder – er drückt ihm den Kolben vors Gesicht.

Moor. Pfui doch, Schweizer! du verdirbst ihm ja das Koncept – er hat seine Predigt so brav auswendig gelernt – nur weiter mein Herr! – „für Galgen und Rad?“

Pater. Und du, feiner Hauptmann! Herzog der Beutelschneider! Gauner-König! Groß-Mogol aller Schelmen unter der Sonne! – Ganz ähnlich jenem ersten abscheulichen Rädelsführer, der tausend Legionen schuldloser Engel in rebellisches Feuer fachte, und mit sich hinab in den tiefen Pfuhl der Verdammnis zog – das Zettergeschrey verlassener Mütter heult deinen Fersen nach, Blut saufst du wie Wasser, Menschen wägen auf deinem mörderischen Dolch keine Luftblase auf. –

Moor. Sehr wahr, sehr wahr! Nur weiter!

Pater. Was? sehr wahr, sehr wahr? ist das auch eine Antwort?

Moor. Wie, mein Herr? darauf haben Sie sich wohl nicht gefaßt gemacht? Weiter, nur weiter! Was wollten Sie weiter sagen?

[103] Pater im Eifer. Entsezlicher Mensch! hebe dich weg von mir! Picht nicht das Blut des ermordeten Reichs-Grafen an deinen verfluchten Fingern? Hast du nicht das Heiligthum des Herrn mit diebischen Händen durchbrochen, und mit einem Schelmengriff die geweyhten Gefässe des Nachtmahls entwandt? Wie? hast du nicht Feuerbrände in unsere gottesfürchtige Stadt geworfen? und den Pulverthurm über die Häupter guter Christen herabgestürzt? Mit zusammengeschlagenen Händen. Greuliche, greuliche Frevel, die bis zum Himmel hinaufstinken, das jüngste Gericht waffnen, daß es reissend daher bricht! Reif zur Vergeltung, zeitig zur lezten Posaune!

Moor. Meisterlich gerathen bis hieher! aber zur Sache! Was läßt mir der hochlöbliche Magistrat durch sie kund machen?

Pater. Was du nie werth bist zu empfangen – Schau um dich, Mordbrenner! Was nur dein Auge absehen kan, bist du eingeschlossen von unsern Reutern – hier ist kein Raum zum Entrinnen mehr – so gewis Kirschen auf diesen Eichen wachsen, und diese Tannen Pfirsiche tragen, so gewis werdet ihr unversehrt diesen Eichen und diesen Tannen den Rüken kehren.

Moor. Hörst dus wohl, Schweizer? – Aber nur weiter!

Pater. Höre dann, wie gütig, wie langmüthig [104] das Gericht mit dir Bößwicht verfährt. Wirst du izt gleich zum Kreuz kriechen, und um Gnade und Schonung flehen, siehe, so wird dir die Strenge selbst Erbarmen, die Gerechtigkeit eine liebende Mutter seyn – sie drükt das Auge bey der Helfte deiner Verbrechen zu, und läßt es – denk doch! – und läßt es bey dem Rade bewenden.

Schweizer. Hast dus gehört, Hauptmann? Soll ich hingehn, und diesem abgerichteten Schäferhund die Gurgel zusammen schnüren, daß ihm der rothe Saft aus allen Schweis-Löchern sprudelt? –

Roller. Hauptmann! – Sturm! Wetter und Hölle! – Hauptmann! – wie er die Unter-Lippe zwischen die Zähne klemmt! soll ich diesen Kerl das oberst zu unterst unters Firmament wie einen Kegel aufsezen?

Schweizer. Mir! mir! Laß mich knien, vor dir niederfallen! Mir laß die Wollust ihn zu Brey zusammenzureiben!                Pater schreyt.

Moor. Weg von ihm! Wag es keiner ihn anzurühren! – Zum Pater, indem er seinen Degen zieht! Sehen sie, Herr Pater! hier stehn neun -und siebenzig, deren Hauptmann ich bin, und weis keiner auf Wink und Kommando zu fliegen, oder nach Kanonen-Musik zu tanzen, und draussen stehen siebenzehnhundert unter Mousqueten ergraut – aber hören Sie nun! so redet Moor, der Mordbrenner [105] Hauptmann: Wahr ists, ich habe den Reichs-Grafen erschlagen, die Dominikus-Kirche angezündet und geplündert, hab Feuerbrände in eure bigotte Stadt geworffen, und den Pulverthurm über die Häupter guter Christen herabgestürzt – aber es ist noch nicht alles. Ich habe noch mehr gethan. Er streckt seine rechte Hand aus. Bemerken sie die vier kostbare Ringe, die ich an jedem Finger trage – gehen Sie hin, und richten Sie Punct für Punct den Herren des Gerichts über Leben und Tod aus, was sie sehen und hören werden – diesen Rubin zog ich einem Minister vom Finger, den ich auf der Jagd zu den Füssen seines Fürsten niederwarf. Er hatte sich aus dem Pöbelstaub zu seinem ersten Günstling empor geschmeichelt, der Fall seines Nachbars war seiner Hoheit schemel – Tränen der Waisen huben ihn auf. Diesen Demant zog ich einem Finanzrath ab, der Ehrenstellen und Aemter an die Meistbietenden verkaufte und dem traurenden Patrioten von seiner Thüre sties. – Diesen Achat trag ich einem Pfaffen Ihres Gelichters zur Ehre, den ich mit eigener Hand erwürgte, als er auf offener Kanzel geweint hatte, daß die Inquisition so in Zerfall käme – ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten von meinen Ringen erzählen, wenn mich nicht schon die paar Worte gereuten, die ich mit Ihnen verschwendet habe –

Pater. O Pharao! Pharao!

[106] Moor. Hört ihrs wohl? Habt ihr den Seufzer bemerkt? Steht er nicht da, als wollte er Feuer vom Himmel auf die Rotte Korah herunter beten, richtet mit einem Achselzucken, verdammt mit einem christlichen Ach! – Kann der Mensch denn so blind seyn? Er, der die hundert Augen des Argus hat Flecken an seinem Bruder zu sphäen, kann er so gar blind gegen sich selbst seyn? – Da donnern sie Sanfftmuth und Duldung aus ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menschenopfer wie einem feuerarmigen Moloch – predigen Liebe des Nächsten, und fluchen den achzigjährigen Blinden von ihren Thüren hinweg: – stürmen wider den Geiz und haben Peru um goldner Spangen willen entvölkert und die Heyden wie Zugvieh vor ihre Wagen gespannt – Sie zerbrechen sich die Köpffe wie es doch möglich gewesen wäre, daß die Natur hätte können einen Ischariot schaffen, und nicht der schlimmste unter ihnen würde den dreyeinigen Gott um zehen Silberlinge verrathen. – O über euch Pharisäer, auch Falschmünzer der Wahrheit, euch Affen der Gottheit! Ihr scheut euch nicht vor Kreuz und Altären zu knien, zerfleischt eure Rücken mit Riemen, und foltert euer Fleisch mit Fasten; ihr wähnt mit diesen erbärmlichen Gaukeleyen demjenigen einen blauen Dunst vorzumachen, denn ihr Thoren doch den allwissenden nennt, nicht anders als wie man der Großen am bittersten [107] spottet, wenn man ihnen schmeichelt, daß sie die Schmeichler hassen; ihr pocht auf Ehrlichkeit und exemplarischen Wandel, und der Gott der euer Herz durchschaut, würde wider den Schöpffer ergrimmen, wenn er nicht eben der wäre, der das Ungeheuer am Nilus erschaffen hat. – Schafft ihn aus meinen Augen.

Pater. Daß ein Bösewicht noch so stolz seyn kann!

Moor. Nicht genug – Izt will ich stolz reden. Geh hin, und sage dem hochlöblichen Gericht, das über Leben und Tod würfelt – Ich bin kein Dieb, der sich mit Schlaf und Mitternacht verschwört, und auf der Leiter groß und herrisch thut – was ich gethan habe werd ich ohne Zweifel einmal im Schuldbuch des Himmels lesen, aber mit seinen erbärmlichern Verwesern will ich kein Wort mehr verlieren. Sag ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung – Rache ist mein Gewerbe.                Er kehrt ihm den Rücken zu.

Pater. Du willst also nicht Schonung und Gnade? – Gut, mit dir bin ich fertig. Wendet sich zu der Bande. So höret dann ihr, was die Gerechtigkeit euch durch mich zu wissen thut! – Werdet ihr izt gleich diesen verurtheilten Missethäter gebunden überliefern, seht, so soll euch die Strafe eurer Greuel bis auf das lezte Andenken erlassen seyn – die heilige Kirche wird euch verlohrne Schafe mit [108] erneuerter Liebe in ihren Mutterschoos aufnehmen, und jedem unter euch soll der Weg zu einem Ehren-Amt offen stehn, mit triumphirendem Lächeln. Nun, nun? Wie schmeckt das, E. Majestät? – Frisch also! Bindet ihn, und seyd frey!

Moor. Hört ihrs auch? Hört ihr? Was stuzt ihr? Was steht ihr verlegen da? Sie bietet euch Freyheit, und ihr seyd wirklich schon ihre Gefangene. – Sie schenkt euch das Leben, und das ist keine Prahlerey, denn ihr seyd wahrhaftig gerichtet – Sie verheißt euch Ehren und Aemter, und was kann euer Loos anders seyn, wenn ihr auch obsiegtet, als Schmach und Fluch und Verfolgung. – Sie kündigt euch Versöhnung vom Himmel an, und ihr seyd wirklich verdammt. Es ist kein Haar an keinem unter euch, das nicht in die Hölle fährt. Ueberlegt ihr noch? Wankt ihr noch? Ist es so schwer zwischen Himmel und Hölle zu wählen? Helfen Sie doch Herr Pater!

Pater vor sich. Ist der Kerl unsinnig? – Sorgt ihr etwa, daß dis eine Falle sey, euch lebendig zu fangen? – Leset selbst, hier ist der General-Pardon unterschrieben. Er giebt Schweizern ein Papier. Könnt ihr noch zweiffeln?

Moor. Seht doch, seht doch! Was könnt ihr mehr verlangen? – Unterschrieben mit eigener Hand – es ist Gnade über alle Gränzen – oder fürchtet ihr wohl, sie werden ihr Wort brechen, [109] weil ihr niemal gehört habt, daß man Verräthern nicht Wort hält? – O seyd ausser Furcht! Schon die Politik könnte sie zwingen Wort zu halten, wenn sie es auch dem Satan gegeben hätten. Wer würde ihnen in Zukunft noch Glauben beymessen? Wie würden sie je einem zweyten Gebrauch davon machen können? – ich wollte drauf schwören sie meynens aufrichtig. Sie wissen, daß ich es bin, der euch empört und erbittert hat, euch halten sie für unschuldig. Eure Verbrechen legen sie für Jugendfehler, für Uebereilungen aus. Mich allein wollen Sie haben, ich allein verdiene zu büssen. Ist es nicht so, Herr Pater?

Pater. Wie heißt der Teufel, der aus ihm spricht? – Ja freylich, freylich ist es so – der Kerl macht mich wirbeln.

Moor. Wie, noch keine Antwort? denkt ihr wohl gar mit den Waffen noch durchzureissen? Schaut doch um euch, schaut doch um euch! das werdet ihr doch nicht denken, das wäre izt kindische Zuversicht. – Oder schmeichelt ihr euch wohl gar als Helden zu fallen, weil ihr saht, daß ich mich aufs Getümmel freute? – O glaubt das nicht! – Ihr seyd nicht Moor. – Ihr seyd heillose Diebe! Elende Werkzeuge meiner grösseren Plane, wie der Strik verächtlich in der Hand des Henkers! – Diebe können nicht fallen wie Helden fallen. Das Leben ist den Dieben Gewinn, dann kommt was [110] schrökliches nach – Diebe haben das Recht vor dem Tode zu zittern. – Höret, wie ihre Hörner tönen! Sehet, wie drohend ihre Säbel daher blinken! wie? noch unschlüssig? seyd ihr toll? seyd ihr wahnwitzig? – Es ist unverzeyhlich! Ich dank euch mein Leben nicht, ich schäme mich eures Opfers!

Pater äusserst erstaunt. Ich werde unsinnig, ich laufe davon! Hat man je von so was gehört?

Moor. Oder fürchtet ihr wohl, ich werde mich selbst erstechen, und durch einen Selbst-Mord den Vertrag zernichten, der nur an dem lebendigen haftet? Nein, Kinder! das ist eine unnüze Furcht. Hier werf ich meinen Dolch weg, und meine Pistolen und dis Fläschgen mit Gift, daß mir noch wohlkommen sollte – ich bin so elend, daß ich auch die Herrschafft über mein Leben verloren habe – Was, noch unschlüssig? Oder glaubt ihr vielleicht, ich werde mich zur Wehr setzen, wenn ihr mich binden wollt? Seht! hier bind ich meine rechte Hand an diesen Eichenast, ich bin ganz wehrlos, ein Kind kann mich umwerfen – Wer ist der erste, der seinen Hauptmann in der Noth verläßt?

Roller in wilder Bewegung. Und wann die Hölle uns neunfach umzingelte! schwenkt seinen Degen. Wer kein Hund ist, rette den Hauptmann!

[111] Schweizer Zerreißt den Pardon, und wirft die Stücke dem Pater ins Gesicht. In unsern Kugeln Pardon! Fort Kanaille! sag dem Senat, der dich gesandt hat, du träfst unter Moors Bande keinen einzigen Verräther an – Rettet, rettet den Hauptmann!

Alle lermen. Rettet, rettet, rettet den Hauptmann!

Moor sich loßreissend freudig. Izt sind wir frey – Kameraden! Ich fühle eine Armee in meiner Faust – Tod oder Freyheit! wenigstens sollen sie keinen lebendig haben!

Man bläßt zum Angriff. Lerm und Getümmel. Sie gehen ab mit gezogenem Degen.



Fußnoten:
  1. Eine Frau in Paris soll es durch ordentlich angestellte Versuche mit Giftpulvern so weit gebracht haben, daß sie den entfernten Todestag mit zimlicher Zuverläßigkeit voraus bestimmen konnte. Pfui über unsere Aerzte die diese Frau im Prognostiziren beschämt!

Anmerkungen von Wikisource:

  1. Franz.: Druckfehler in der Vorlage (Cranz) ausgebessert.
« 1. Akt Die Räuber 3. Akt »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).