Zum Inhalt springen

Die Pulverfabrik von F. W. Steinbock bei Bautzen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Diverse
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Pulverfabrik von F. W. Steinbock bei Bautzen
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 1, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 1, Seite 39–40
Herausgeber: Louis Oeser
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Neusalza
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]

Pulverfabrik von F. W. Steinbock bei Bautzen.

[39]
Die Pulverfabrik von F. W. Steinbock bei Bautzen.
(Mit Abbildung.)


Die Erfindung des Schießpulvers, die Entdeckung seiner furchtbaren, zerstörenden Kräfte rief nach und nach einen gewaltigen Umschwung in dem Kriegswesen hervor; man fand den allein durch das Pulver ermöglichten Kampf aus der Ferne sicherer und vortheilhafter, als das frühere Gefecht Mann gegen Mann, und demnach verbreitete sich die Fabrikation des Pulvers, anfangs nur als zerstörendes Kriegsmaterial, bald überall hin, und gewann an Ausdehnung, als man endlich auch dessen Wichtigkeit zur erleichterten Ausübung mancher Gewerbe erkannte, wie in den Bergwerken und Steinbrüchen, und es hier anwendete. Die Gewalt des Pulvers macht es dem Bergmann, dem Steinbrecher, dem Ingenieur allein möglich, die ihn hindernden gewaltigen Felsenmassen in kürzester Zeit niederzustürzen. Auch in Sachsen faßte die Fabrikation des Pulvers bald festen Fuß und dürfte dieselbe mit zu den ältesten Zweigen seiner Industrie gehören.

Unter den jetzt bestehenden Pulverfabriken ist die von F. W. Steinbock bei Bautzen eine der ältesten, größten und renommirtesten.

Dieses Etablissement liegt ohngefähr eine Viertelstunde von dem uralten Bautzen entfernt, an der Spree, zwischen der Schleifmühle mit Spinnerei und der Mühle des Dorfes Oehna, und besteht aus

einem Gebäude zur Salpeterniederlage mit Salpeterraffinerie, Kohlenbrennapparat mit zwei Cylindern und einem Auskühler; einer Schwefelmühle mit Cylindersieb; acht Stampfwerken mit 144 Stampfen; zwei Körnmaschinen; zwei Polierhäusern; einem Trockenhaus; einem Packhaus; einem Magazin; Kohlenschuppen und Holzschuppen zu sechshundert Klaftern Holz und mit Schälraum; einem Wohnhaus und einem Lusthaus.

Das Etablissement producirt alle Sorten Jagd- und Scheibenpulver, sowie Musketenpulver, Sprengpulver. Mit einem Wort: Alles, was Pulver heißt. Diese Erzeugnisse sind auf eine solche Stufe der Vervollkommnung gebracht, daß sie das Cöllnische und Englische Pulver gänzlich verdrängt haben und nicht selten als englische Waare von Hamburg aus expedirt werden.

Der Absatz geht vorzüglich nach den Bergwerken in Ober-Schlesien und an Händler in Breslau, sowie überhaupt Preußen, und ist stets so flott, daß nie Pulver auf Lager bleibt.

Sämmtliche Werke und Mühlen des Etablissements werden durch sieben Wasserräder getrieben. Das angestellte Personal besteht im Ganzen aus zwanzig Leuten, von denen acht wirkliche Fabrikarbeiter und drei Hilfsarbeiter sind. Der technische Disponent, Herr T. Mark, ist zugleich Associé des Geschäfts.

Besitzer des Etablissements sind Herr Gustav Steinbock und seit dem 1. Januar 1856 der schon erwähnte Herr T. Mark.

Das Jahr der Errichtung dieser Fabrik ist gänzlich unbekannt; man weiß nur, daß sie früher stets Eigenthum der Stadt Bautzen war. Ebenso ungewiß ist es, ob sich diese Fabrik immer auf der Stelle befand, welche sie jetzt einnimmt. Der Sage nach stand die erste Pulvermühle vor fast drei hundert Jahren einige tausend Schritt abwärts von der jetzigen, an dem Wege nach dem Dorfe Oehna, wo man noch Trümmer des von der Zeit zerstörten Wehrs und einige Spuren von den Gebäuden und dem Mühlgraben bemerkt; die nahen Anhöhen haben von daher vermuthlich ihre Namen: die Pulverberge. Diese Mühle flog wahrscheinlich in die Luft und wurde späterhin verlegt. Es bestand später noch eine zweite Fabrik, oberhalb Preischwitz, welche sich in Privathänden befand, 1704 aber für 131 Thaler 16 Groschen von dem Rath angekauft wurde. 1730 flog dieselbe in die Luft und blieb in Ruinen liegen.

[40] Die jetzige Fabrik hatte zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts Johann Georg Schütz von dem Rath in Pacht, Schütz besaß auch die Fabrik bei Preischwitz, doch als diese 1704 zweimal abbrannte, verarmte er dadurch so, daß er, wie schon erwähnt, das Grundstück dem Rath überlassen mußte. Fortwährend von Mißgeschick verfolgt, sah sich der Pächter 1708 genöthigt, das Geschäft aufzugeben.

Als Schütz abtrat, war die Fabrik gänzlich herabgekommen, Alles stockte, die Gebäude waren baufällig und blieben ein Jahr hindurch gänzlich unbenutzt, bis sich 1709 Johann Jobst Hottenroth trotz der üblen Aussichten entschloß, die Fabrik für 90 Thaler von dem Rath in Pacht zu nehmen.

Mit Hottenroth begann ein überraschender Aufschwung des Geschäftes. Dieser Mann besaß ausgebreitete Kenntnisse in seinem Fach, da er in Verbindung mit seinem Bruder bereits früher eine Pulverfabrik in Liegnitz mit bestem Erfolg betrieben; die dort gesammelten Erfahrungen wendete er nun auf eine solche Weise an, daß er in kurzer Zeit die Fabriken in den größten Flor brachte. Hottenroth lieferte das beste Schießpulver in ganz Deutschland und war in Sachsen der Erste, welcher Jagdpulver fertigte. Diese Thätigkeit und Erfolge wurden allgemein anerkannt und Hottenroth erhielt die Ernennung zum königlich polnischen und kurfürstlich sächsischen Hoflieferanten. Da der Rath den Pacht mehrere Mal erneuerte, blieb Hottenroth im Besitz des Etablissements und hielt es auf seiner Höhe, in welcher es auch nicht gestört wurde, als die Werke am 28. Juni 1735 abbrannten. Den Schaden trug zur Hälfte die Kämmerei.

Der gleichnamige Sohn Hottenroths folgte 1740 dem Vater als Pachter der Fabrik und betrieb sie mit nicht geringerem Erfolg, obwohl er von mehreren Unfällen heimgesucht wurde: namentlich die sechsziger Jahre waren unheilvoll, indem die Fabrik binnen sechs Jahren drei Mal aufflog; das erste Mal, 1762, mit 60 Centner Pulver; dann noch 1764 und 1768.

Die Pacht Hottenroths war 1775 zu Ende und jetzt überbot ihn der Kaufmann Schönberg. Aber bald genug stellte es sich heraus, daß der neue Pachter dem Geschäft nicht gewachsen war; das Geschäft kam mit jedem Tage mehr in das Stocken und sein Untergang schien gewiß, wie Hottenroth, als Concurrent auftretend, in Gesellschaft seines Sohnes Johann Joseph Hugo Hottenroth bei dem Dorfe Kallenberg an der Spree eine neue Pulverfabrik gründete. Der Rath wußte den Ruin seines Etablissements nicht anders aufzuhalten, als noch dasselbe Jahr den unfähigen Pachter zu entfernen und dem erfahrenen Hottenroth die Pachtung wieder zu übertragen. Hottenroth setzte das Geschäft in Gesellschaft seines Sohnes mit den früheren glücklichen Erfolgen fort und blieb von Calamitäten ziemlich verschont, denn nur ein Mal – 1792 – entzündete sich die Fabrik.

Im Jahre 1807 erkaufte Johann Joseph Hugo Hottenroth die Fabrik von dem Rath zu Bautzen erbpachtsweise und begann sogleich das Etablissement zu erweitern und – sowie auch die Umgegend – zu verschönern, in welchen Bestrebungen auch sein Sohn Karl Franz Hottenroth, 1812 Besitzer der Fabrik geworden, fortfuhr. Die Fabrik lieferte damals die Woche zehn Centner Pulver.

Bis 1831 blieb das Etablissement in den Händen der Hottenroth’schen Familie, also, die kurze Unterbrechung 1775 abgerechnet, im Ganzen 122 Jahr; dann ging es an Herrn F. W. Steinbock, dem Vater des jetzigen Besitzers über, welcher sogleich mit rastloser Thätigkeit und glücklichem Erfolg Erweiterungen und Verbesserungen an der Fabrik vornahm und unermüdlich damit fortfuhr, obgleich ihm die zweimalige Entzündung der Fabrik – 1834 und 1839 – bedeutenden Schaden zufügte. Im Jahre 1854 brannten in drei Schlägen wieder neun Werke ab und beschädigten auch die anderen Gebäude so, daß acht Monate gar nicht gearbeitet werden konnte.

Gegenwärtig ist das Etablissement in solchem Umfange erweitert, daß es die Woche 110 Centner des ausgezeichnetsten Fabrikats liefert, von dem wir hoffen und wünschen, daß es so wie jetzt noch recht lange nur zu friedlichen Zwecken, im Dienst der Industrie benutzt werden möge, nicht aber als furchtbares Zerstörungsmittel in dem wilden Ringen der Völker gegen einander.