Die Proselitin des Pythagoras an Ramler
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Die Proselytinn des Pythagoras, an Ramler.
Ich, die ich zwar nicht Pyrrho’s[1] Schülerinn,
Doch auch nicht übermäßig gläubig bin,
Ich glaube jetzt, ο Freund! (was soll ich es verhehlen?
Du selbst bist Schuld daran) die Wanderung der Seelen.
Warum in deiner Poesie
Sich Hoheit, Feinheit, Harmonie,
Mit Kühnheit, Stärke, Kürze, paaren,
Die sonst vor achtzehnhundert Jahren
Auch lehrt Pythagoras dieß Wunder mich verstehn,
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Warum du deines Lieblings Schönheit uns so schön
Erklärst, und die für uns jetzt dunkle Stellen
So meisterhaft weißt aufzuhellen.
Denn du erklärst dein eigenes Gedicht.
Dasselbe Selbst, das einst dem Römer angehörte,
Das Dichtkunst übte, Dichtkunst lehrte,
Das, allezeit der Wahrheit treu,
Den Rang erhob: dieß ist in meines Ramlers Hülle
Vorhanden; hier lebt jener Weise noch,
Der bald am Bach, bald in der Wälder Stille
Auf Lieder sann; der nie der Ehre goldnem Joch
Der, wen er liebte, feurig liebte;
Der frey von Prunk und Eitelkeit,
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Sich höher aufzuschwingen nie begehrte;
Der ohne Habsucht, ohne Neid,
Reichthümer haben konnte, doch sie gern entbehrte.
Sprich, Flaccus unsrer Zeit, mich gründlich zu belehren;
Wo weilete dein Geist? zog er in andern Sphären
Mit heissem Forschungsdurst umher?
Auf unsre Mutterwelt nach vorgeschriebenen Jahren
Ein ewiges Gesetz, so bist du sicherlich
(Denn Legionstribun war ja dein erstes Ich)
In eines Helden Stirn gefahren,
Vielleicht nahmst du wohl gar von eines Bonzen Hirne
Besitz, und lehrtest ihn, daß man mit Unrecht zürne,
Wenn jeder seinen Gott, wie seine Väter, ehrt.
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Gewiß war Menschenglück dein emsiges Bestreben,
Veredelten einst dort, so wie bey uns dein Leben.
Durch Schweigen straftest du den Neid
Der Chörilusse deiner Zeit,
Und ließest sie sich wechselweis’ erheben.
Vielleicht, wenn ich nicht mehr in dieser Hülle bin,
Dann wird mein beßres Ich in andre Wesen dringen,
Um dir als Nachtigall ein süßes Lied zu singen.
- ↑ Pyrrho, der Stifter der berühmten Sekte, die an allem zweifelte.