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Die Pfarrkirche St. Martin und das ehemalige Franziskanerkloster

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Textdaten
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Autor: Friedrich Kempf
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Titel: Die Pfarrkirche St. Martin und das ehemalige Franziskanerkloster
Untertitel:
aus: Freiburg im Breisgau. Die Stadt und ihre Bauten, Seite 343–356
Herausgeber: Badischer Architekten- und Ingenieur-Verband
Auflage:
Entstehungsdatum: 1898
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: H. M. Poppes & Sohn
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Erscheinungsort: Freiburg
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Quelle: Scans auf Commons
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[343]

Kirche und Kloster St. Martin bis zum Jahre 1845.



Die Pfarrkirche St. Martin und das ehemalige Franziskanerkloster.
Von Fr. Kempf.

Im Mittelpunkte der Stadt, unfern des Münsters, erhebt sich das nächst diesem hervorragendste ältere kirchliche Denkmal Freiburgs, die dem hl. Martin geweihte Pfarrkirche. Sie ist durch äussere architectonische Ausbildung weniger, als durch die vorzüglichen Raumverhältnisse im Innern bemerkenswerth.

Die Baugeschichte dieses ehrwürdigen Gotteshauses steht in engstem Zusammenhang mit der Niederlassung der Franziskanermönche in der Stadt[1].

Wenige Jahre nach seiner Gründung hat sich der Orden der Franziskaner oder Minderen Brüder über ganz Deutschland auszubreiten begonnen. Wir finden Niederlassungen am Oberrhein schon um das Jahr 1221. Die erste Ansiedelung der Minoriten in Freiburg fällt vermuthlich in das Jahr 1226. Hier hatten sie zuerst vor den Thoren der Stadt ein Kloster und eine Kapelle gebaut, klein und bescheiden, wie es eben dem in den Anfängen seines Wirkens stehenden Bettelorden entsprach. Ihre Kirche war lange nicht geweiht, weil der Bischof, [344] der den Minderen Brüdern nicht freundlich gesinnt war, die Weihe verweigerte. Anfänglich stiessen sie überhaupt viel auf Widerstand und zwar bei den Laien sowohl als auch bei der Geistlichkeit, die beständig mit Missgunst und Eifersucht auf ihre erfolgreiche Thätigkeit herabblickte. Papst Gregor IX., ein Gönner des Ordens, veranlasste jedoch den Bischof nachdrücklich, die Kapelle der Barfüsser zu consecriren und sorgte dafür, dass sie sich fortan ungehindert bewegen konnten. Durch ihre eifrige seelsorgerische Thätigkeit und ihr bescheidenes Auftreten machten sie sich beim Volke bald beliebt und gewannen überhaupt Ansehen und Einfluss.

In der schnell aufblühenden Stadt mehrten sich auch rasch die Insassen des Klosters. Sie entschlossen sich desshalb, innerhalb der Ringmauern eine umfangreichere Klosterniederlassung zu gründen. Graf Konrad I., der ihnen ebenfalls Freund und Förderer war, schenkte ihnen die alte St. Martinskapelle, deren Patronat ihm zustand, sammt vier Hofstätten an der Stelle des heutigen Franziskanerplatzes, zur Errichtung eines ihren Bedürfnissen entsprechenden Klostergebäudes[2].

Als die genannte Kapelle für die Zahl der Ordensleute und den Zudrang des Volkes nicht mehr genügte, ersetzten sie dieselbe durch einen Neubau, welcher den Raum des heutigen Chores umfasste. Graf Konrad wandte ihnen wiederum sein lebhaftes Interesse und seine Unterstützung zu, indem er ihnen im Jahre 1262 durch eine noch erhaltene Urkunde Haus und Hofraithe der Frau Mechtild Machterin als Bauplatz vergabte. In diese Zeit fällt auch die Erbauung des Kreuzganges, von dem nur noch der Ostflügel vorhanden ist. Die Brüder entfalteten von jetzt an eine rege Bauthätigkeit.

Wesentliche Förderung erhielt der Klosterbau durch Papst Innocenz IV. und durch dessen Kardinallegaten Hugo. Auch seine Nachfolger Alexander IV., Clemens IV. und Gregor X. munterten durch Verleihung von Ablässen das gläubige Volk zur Beihilfe am Baue auf. Ebenso thaten dies die Bischöfe von Trient und andere in den Jahren 1253–1273. So wurden denn den Mönchen zahlreiche Schenkungen zugewandt, welche sie in den Stand setzten, der wachsenden Zahl der Ordensmitglieder entsprechend, ihren Besitz noch durch neue Grundstückserwerbungen zu vermehren und zwar in solchem Maasse, dass der Rath weiteren Ankäufen der Minderen Brüder Einhalt zu thun genöthigt war.

[345] Im Jahre 1318, also erheblich später als den Chor, sollen sie das Langhaus angeschlossen haben, was jedoch unseres Erachtens aus stilistischen Gründen nicht völlig ausser Zweifel steht. Wann die Einweihung der Kirche stattfand, ist nicht festzustellen.


St. Martins-Kirche.


[346] Schon Ende des 15. Jahrhunderts waren grössere Reparaturen an Kirche und Kloster nothwendig geworden. Im September 1498 verlieh nämlich ein päpstlicher Legat für bestimmte Feste Ablässe denjenigen, welche zur Erhaltung und Erneuerung des Klosters und der Minoritenkirche beitragen würden.



Am 13. October 1518 wurde die Kirche von Bischof Tillmann von Basel neu consecrirt, woraus auf die Vornahme bedeutender Umbauten [347] geschlossen werden darf. Zugleich wurde die äussere und innere Sakristei zu Ehren des hl. Alexius und des hl. Grabes geweiht, ebenso das eigentliche Klostergebäude und der Kirchhof, welcher wahrscheinlich, dem Gebrauche gemäss, vom Kreuzgang umschlossen war.

Im Jahre 1630 war die Kirche wiederum reparaturbedürftig. Die Schäden hat auf Ansuchen die Stadt ausbessern lassen.


Überreste des ehemaligen Klosters der Barfüßer.

jetzige St Martin’s-Pfarrkirche zu Freiburg B.
1885

Thor 


Unter den Belagerungen, welchen die Stadt ausgesetzt war, hatten auch die Kirche und das Kloster viel zu leiden. Das kleine Glockenthürmchen, das ehemals auf dem Dache sich befand, wurde zweimal herabgeschossen. In den Jahren 1717–19 wurde die in Folge der vielen Beschiessungen schwer beschädigte Kirche unter grossen Kosten im Geschmack jener Zeit restaurirt. Die flachen Holzdecken ersetzte man durch Stuckgewölbe, während die Säulen Verkleidungen erhielten. Das Portal und die beiden Pfeiler des Westgiebels erinnern noch an diese rücksichtslose Umgestaltung.

Bei der Errichtung der Pfarrei St. Martin im Jahre 1784 mussten die Barfüsser ihren bisherigen Wohnsitz räumen und der auf den Aussterbeetat gesetzte kleine Augustiner-Convent, welcher den Aushilfsdienst in der Seelsorge daselbst übernahm, bezog das Kloster. Später kehrten die Franziskaner auf kurze Zeit wieder nach St. Martin zurück.

Der westliche Theil des Klosters mit dem auf dem Bilde (Seite 343) sichtbaren rundbogigen Laubengang und die Klosterscheuer wurden erst im Jahre 1845 behufs Erweiterung des Rathhausplatzes abgetragen.

Im Jahre 1887 richtete man das untere Stockwerk des alten Klostergebäudes, jetzigen Pfarrhauses, zu Verkaufsläden ein.

[348] In den letzten Jahrzehnten hat die Kirche verschiedene Restaurationen und Anbauten erfahren. So wurde der barocke Hochaltar 1876 beseitigt und die durch ihn verdeckten drei Fenster im Chor wieder freigelegt. Die Spuren der in den Jahren 1717 bis 19 vorgenommenen, stilwidrigen Umbauten wurden gleichfalls beseitigt und die Kirche in ihren ursprünglichen Formen wieder hergestellt. Das Langhaus und die Seitenschiffe erhielten neue Plafonds und eine neue Orgelempore wurde eingefügt. Sodann erneuerte man die gesammte innere Ausstattung. Unter Anderem wurde später noch ein Thurmgebäude angefügt und die Sakristei vergrössert.


Vom Kreuzgang.


Insbesondere ist es der als Kenner und Freund der Kunst, wie als geistvoller Schriftsteller bekannte dermalige Pfarrherr von St. Martin, Dr. Heinrich Hansjakob gewesen, der sich durch rastlose Mühewaltung und durch sein energisches Eingreifen um die Verschönerung der Kirche hoch verdient gemacht hat.


Steinmetzzeichen / am Thor:
  am Nordportal:
am Kreuzgang: 


Die Kirche ist in ihrer jetzigen Gestalt eine dreischiffige, siebenjochige gothische Basilika mit langgestrecktem, in drei Seiten des Achtecks geschlossenem Chor. Auf der Nordseite ist in der Chorecke eine Wendeltreppe eingebaut, welche zu den Speicherräumen führt. An die Südseite des Chores lehnt sich die 1708 erbaute dermalige Sakristei mit der Wohnung des Sakristans an. An der Nordseite befindet sich die Marienkapelle, welche in früherer Zeit als Sakristei gedient hat. Hinter dem südlichen Seitenschiff steht das Thurmgebäude. Die Hauptabmessungen betragen im Lichten: Breite des Mittelschiffes 9,30 m, Länge desselben 41,30 m, Breite des nördlichen Seitenschiffes an der östlichen Wand 4,20 m, an der westlichen 2 m. Das südliche Seitenschiff ist 4 m breit. Die Höhe des Mittelschiffes beträgt 17,50 m, jene der Seitenschiffe 11,60 m. Der Chor hat eine Länge von 21,20 m, eine Breite von 9,20 m und eine Höhe von 15,15 m.

Das Aeussere der Kirche entspricht vollständig der Bauart der Bettelmönche und ihrer Anspruchslosigkeit. Was ihnen grundrisslich sowohl, als an formalem Schmuck entbehrlich schien, liessen sie weg. Alle Details wurden auf [349] die einfachste Bildung zurückgeführt. Die Fenster sind zweitheilig und ihr Maasswerk ist höchst einfach. Die Westfront hat bei der schon erwähnten Restauration im Anfang des 18. Jahrhunderts durch die Einfügung eines neuen Portals und durch die vorgestellten plumpen Strebepfeiler ein verändertes Aussehen erhalten. Der Giebel, der aus dem Loth gewichen war, wurde vor einigen Jahren aus Stabilitätsrücksichten abgetragen und mit entsprechender Ausgestaltung neu aufgeführt.

Der vornehmste und älteste Theil der Kirche ist der Chor. Er hat sehr schöne klare, gefällige Verhältnisse und ist von schlanken Fenstern durchbrochen. Sein ornamentaler Schmuck und die Maasswerke der Fenster sind schlicht behandelt und die Gewölberippen einfach profilirt. Die Deckenbildung besteht aus drei oblongen Kreuzgewölben mit der anschliessenden, tief eingeschnittenen Ueberwölbung des halben Achtecks. Die übliche horizontale Fenstergurte fehlt. Die glatten Wände werden nur durch die dreifach gekuppelten Wand-Zwergdienste belebt.

Die Anlage des Langhauses entspricht vollständig dem Wesen des Ordens der Franziskaner, welche das Volk in hervorragender Weise durch das gesprochene Wort belehrten. Es ist ein schlichter Predigtraum, welcher aller besonderen Kunstformen entbehrt. Die überaus freie und weite Halle mit ihren schlanken Rundpfeilern, die nicht stärker sind als ästhetisch und technisch nothwendig war, und mit ihren hochaufsteigenden, spitzbogigen Arkadenbögen ist von grossartiger Wirkung. Die runden Pfeiler zeigen verschiedene Sockelgliederung. Die Hohlkehlenprofilirung der Scheidebögen schliesst sich ohne Vermittelung eines Kapitells an die Rundpfeiler an, eine Anordnung, die sonst nicht der frühen Zeit entspricht. Auffallend ist die unregelmässige Anlage des nördlichen Seitenschiffes, das sich von West nach Ost um fast das Doppelte verbreitert, eine Eigenthümlichkeit, die wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Franziskaner während des Baues die Flucht der Aussenwand zu ändern genöthigt waren, weil die Stadt ihnen eine weitere Ausdehnung versagte und sie sich, wie oben erwähnt, verpflichten mussten, keinen neuen Besitz zu erwerben.

Der an der nördlichen Wand sichtbare Mauerabsatz lässt auf das ursprüngliche Vorhandensein einer Empore schliessen.

Sein Licht empfängt das Schiff durch die zweitheiligen Fensteröffnungen des Seitenschiffes und durch die Rundfenster im Obergaden. Die zwei kleinen Spitzbogenöffnungen, welche sich im Innern in der Mittelschiffwand öffnen und mittelbar ihr Licht empfangen, sind aussen nicht sichtbar, weil sie vom Dachraum der Seitenschiffe verdeckt werden, [350] eine im Mittelalter seltene Erscheinung. Andeutungen von ehemals vorhandenen Fenstern finden sich nicht vor und die Decke der Seitenschiffe kann nicht tiefer gelegen haben, so dass anzunehmen ist, dass die Fenster ursprünglich nur als gekuppelte Blendnischen gedacht waren.

Ende der 70er Jahre wurde, wie oben bereits angedeutet, durch den Bauinspector F. Baer der zopfige Innenbau beseitigt, um die Schiffe mit cassettirten Holzdecken zu versehen, die in ihrer Zeichnung und farbigen Bemalung einen wohlthuenden Eindruck gewähren. Nur möchte man wünschen, dass ihre Form etwas strenger behandelt wäre. Ursprünglich waren nur flache Holzdecken vorhanden, von welchen bemalte Reste bei einer früheren Restauration vorgefunden worden sein sollen.

Der im Jahre 1892 und 93 durch den genannten Bauinspector Baer und durch den erzbischöflichen Baudirector Meckel zur Ausführung gekommene Thurm erhebt sich 60 m hoch bei der südlichen Chorecke hinter dem Seitenschiff. Ehedem besass die Kirche nur einen bescheidenen Dachreiter mit zwei Glöckchen. Ein Thurmgebäude war daher für die weitausgedehnte Pfarrgemeinde Bedürfniss. Die Grundform des Thurmes bildet ein Quadrat, dessen Seiten 6,30 m lang sind. Aeusserlich sind vier Stockwerke ausgesprochen, während das Innere sich in sechs Geschosse theilt. Im fünften Stockwerk liegt ein mit Beton ausgefülltes Gebälk, welches die darunter liegenden Geschosse vor den Einflüssen der Witterung schützt und zugleich die oberen gegen Feuersgefahr abschliesst. Das oberste Geschoss über der Höhe des Langhausfirstes enthält den in Eisen construirten Glockenstuhl, 26,60 m über dem äusseren Boden, mit sechs von Glockengiesser Cousard in Colmar gelieferten Glocken, deren Aufhängung nach seinem eigenen System bewerkstelligt ist. Die Glocken haben zusammen ein Gewicht von 6000 Kilo. Die Mauerstärke beträgt unten 1,40 m und oben, über dem Glockenstuhl 1,13 m. Der Thurm ist in seinem Unterbau einfach gehalten, nach oben aber reicher gegliedert. Er schliesst mit vier geschweiften Giebeln ab, über denen der circa 26 m hohe Helm beginnt. Unter den Giebelkanten zieht sich ein reich gegliederter Bogenfries her und in jedem Giebeldreieck öffnet sich ein dreitheiliges Fenster. Der Helm hat einen achteckigen Querschnitt, ist mit Bleitafeln gedeckt und wird durch eine Laterne unterbrochen und belebt. Er endigt in einem kupfervergoldeten Knopf mit schmiedeisernem Kreuz und Wetterhahn. Die Verbindung der einzelnen Stockwerke, wie auch der Aufgang zum Dachboden, sind im Innern des Thurmes durch eine hölzerne Treppe vermittelt. Architectonisch ist der Thurm in den Formen der [351] Spätgothik gehalten. Die Steinmetzarbeiten sind in Maulbronner Material ausgeführt. Es wurden auf den gesammten Bau 63,000 Mark verwendet.


Inneres der Kirche St. Martin.


Gleichzeitig erfuhren auch die Sakristei und die darüber gelegene Wohnung des Sakristans eine Vergrösserung. Zu der Kapelle an der [352] Nordseite wurde im Jahre 1894 ein Theil der ausser Gebrauch gesetzten Sakristei hinzugefügt.

Die Kirche bietet an mittelalterlichen Denkmälern so gut wie nichts. Erhalten ist nur eine Wandnische im nördlichen Seitenschiff mit einem krabbenbesetzten Wimperg. Gegenüber im südlichen Seitenschiff befindet sich ebenfalls eine Nische mit kräftig profilirter Umrahmung, welche ein Gemälde des 14. Jahrhunderts, die Auferstehung Christi darstellend, umschliesst. Im Chor erblicken wir auf der Epistelseite eine Sediliennische mit reicher architectonischer Einfassung und drei schwebende Engelsfiguren, das Schweisstuch Christi haltend. Die Chorstühle sind zwar zum Theil alt, ihre Ergänzungen jedoch höchst unglücklich und nüchtern.

Beschränkt sich nun hierauf leider das, was an Denkmälern der Vorzeit übrig geblieben ist, so besitzt St. Martin doch eine Anzahl neuerer Werke, welche geschickt dem Geiste der Alten angepasst sind, so dass sie eine nähere Würdigung lohnen.

Der Hochaltar wurde am 23. Januar 1887 geweiht. Er ist eine Nachbildung des bekannten Doberaner Altars.[WS 1] Der Entwurf und die Ausführung der Tafelbilder rühren von Maler Martin in Kidrich her. Die Ausführung des Schrein- und Schnitzwerks stammt von Bildhauer Eberle in Ueberlingen und ist trefflich im Geiste der Zeit erfasst. Reizend sind besonders die musicirenden Engelsfigürchen der Predella, welche denjenigen von Oberwesel nachgebildet sind. Die beiden Hochreliefs im Schrein stellen die Hochzeit zu Kana und die Brodvermehrung in der Wüste dar. Die inneren Flügelbilder veranschaulichen einerseits die Opfer Melchisedech’s und Isaak’s, andererseits den Mannaregen und das Osterlamm. Auf den äusseren Flügelseiten sieht man rechts die Heiligen Augustinus, Sebastianus, Martinus und Franziskus, links Elisabeth, Klara, Barbara und Katharina. Die hochliegende Expositionsnische erforderte eine besondere Treppe, welche auf der Rückseite des Altares angebracht und in Stein ausgeführt ist.

Ein weiterer Schmuck der Kirche, der Anspruch auf Beachtung erheben darf, ist der Kreuzaltar, ein zweiflügeliger Schrein, dessen Sculpturwerk die Nachbildung eines im Barfüssermuseum zu Basel befindlichen, aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammenden Originals ist. Das Antependium und die architectonische Umrahmung des Aufbaues ist von Baudirector Meckel gezeichnet, während die Copien der Bildwerke von Bildhauer Dettlinger angefertigt wurden. Im Schrein erblickt man Christus am Kreuze und die Figuren Maria, Johannes, Petrus, Johannes [353] den Täufer, Jodokus, Maria von Aegypten, Bischof Ulrich und Maria Magdalena. Die Flügel zeigen, wenn sie geöffnet sind, vom Beschauer rechts den heil. Einsiedler Onuphrius, links die hl. Familie: Joachim, Anna, Joseph und Maria mit dem Kinde. Die Aussenseiten der Flügel sind mit Bildern im Stil der gleichen Epoche wie die Holzschnitzwerke von Maler Schultis bemalt und stellen die Kreuzabnahme und Grablegung dar. Es sind diese Gemälde ebenfalls vorzügliche Copien nach Schongauer, deren Orginale im Museum zu Colmar sich befinden. Der hl. Martinus mit dem Bettler, zwischen den Statuetten der hl. Nicolaus und Burkhard, bekrönen den Altar. Auf der Rückseite ist das Abendmahl, gleichfalls nach Schongauer, dargestellt, ferner das Schweisstuch Christi, nach einem schwäbischen Originale. Gehoben wird der ganze Altar durch stilgerechte Polychromie mit reicher Glanzvergoldung von Maler Schilling.

Die Seitenaltäre wurden von den Bildhauern Simmler in Offenburg und Eberle in Ueberlingen gefertigt.

Die im Jahre 1878 vorgenommene Restauration des Langhauses erregt manche stilistische Bedenken, ist aber in ihrer Gesammtstimmung befriedigend. Die gestifteten Glasmalereien, ausgeführt von Helmle und Merzweiler, entsprechen dem damaligen Stande der Kunstfertigkeit. Die Cartons sind von Prof. Schurth, von W. Dürr d. jg. und von Huber angefertigt. Das Bild der Chorstirnwand nach einem Entwurfe von Dürr d. jg., von letzterem und Huber gemeinsam gemalt, lässt in seiner stilistischen Behandlung den Versuch einer Anlehnung an Dürer deutlich erkennen.

Eine recht hübsche Ausstattung zeigt die Kapelle an der Nordseite des Chores, namentlich der neu hinzugefügte Theil derselben. Hier fällt vor Allem die Fensterverglasung der dreitheiligen Lichtöffnung auf. Es sind Figurenfenster, darstellend Maria mit dem Schutzmantel und den Donatoren, sowie den hl. Joseph und Mutter Anna mit Maria. Diese Fenster, eine Stiftung Hermann Herder’s, sind meisterhafte Kunstleistungen von Fritz Geiges. Sie tragen das Gepräge hohen künstlerischen Vermögens und zeigen, zusammengehalten mit den Verglasungen des benachbarten Fensters, so recht den Fortschritt, der auf dem Gebiete der Glasmalerei gemacht worden ist. Auch das in der Nische zur Rechten befindliche Gemälde darf auf Beachtung Anspruch erheben. Das Bild, nach einer Skizze von Geiges durch Maler Schultis ausgeführt, stellt den Tod Mariä dar.

Die decorative Ausmalung des Chores, welche im Jahre 1886 stattfand, gehört zu dem Besten was Geiges geschaffen hat.

[354] Die Wandpfeiler, welche für figurale Malerei ein überaus günstiges Feld boten, sind mit Darstellungen aus der Legende des hl. Martinus, des Patrons der Kirche, geschmückt. Die Gewölbefelder enthalten in Medaillons auf wechselnden Gründen, bald blau, bald roth, schlicht componirte, musicirende Engel in Halbfigur. Die übrigen Theile der Gewölbe sind durch zierliches Rankenwerk belebt und schön gezeichnete Rosetten füllen die Gewölbezwickel. Konsolen, Wanddienste, Kapitelle, Rippen und Schlusssteine treten durch geeignete Bemalung wirkungsvoll hervor. Als Material ist für die Gewölbemalerei Caseïn verwendet, während der figürliche und ornamentale Schmuck al fresco behandelt ist.

In harmonischer Uebereinstimmung mit der Gewölbeausschmückung[WS 2] befindet sich der Bildercyclus der Seitenwände, welcher den Glanzpunkt der ganzen Malerei bildet. Die grösseren Mittelbilder werden durch kuppelartige, architectonische Aufbauten abgeschlossen, während bei den kleineren das Wimpergmotiv verwerthet ist. Der aus acht Bildern bestehende Cyclus stellt die Hauptzüge der ehemals sehr volksthümlichen St. Martinus-Legende dar: auf dem grossen Mittelbilde den Eintritt des zehnjährigen Knaben in die christliche Kirche, während die übrigen Gemälde den Heiligen als Krieger veranschaulichen, ferner die bekannte Manteltheilung, die nächtliche Erscheinung, bei der Martinus den Heiland mit der Hälfte seines Mantels bekleidet erblickt, die Landschenkung durch Bischof Hilarius von Poitiers zur Gründung der Abtei Tours, die Heilung des Aussätzigen, Martinus als Todtenerwecker und schliesslich sein seliges Ende, dessen Darstellung eine besonders anziehende Composition ist.

Nach unten schliesst ein breiter Fries mit einer Musterung der Sockelflächen ab. Die den Hochaltar umgebenden Achteckseiten sind mit einem Teppich geschmückt, dem die Symbole der vier Elemente eingewebt sind.

Die von einem hohen künstlerischen Geiste durchwehten Bilder zeichnen sich gleichwohl durch eine dem Inhalte der Legende entsprechende schlichte Einfachheit aus. Das ganze Werk wird charakterisirt durch harmonisches Gleichgewicht.

Für die stilgerechte Ausführung der Malereien spricht am Deutlichsten die Meinung eines französischen[WS 3] Kunsthistorikers[3], welcher dieselben für ein ächtes Werk des Mittelalters hält und sich folgendermassen darüber äusserte: »les précieuses peintures du choeur de Saint Martin à Fribourg en Breisgau, exécutées comme toutes celles de la région rhènane, a cette époque, sous l’influence française.«

[355] An kostbaren kirchlichen Geräthen aus früherer Zeit besitzt St. Martin nur Weniges, darunter eine kleine Kreuzigungsgruppe von Messing aus dem 14. Jahrhundert, Kruzifixe des 16. und 17. Jahrhunderts, einige Messkelche, endlich ein Vortragkreuz aus Perlmutter, Intarsien mit Bildern und Emblemen, gefertigt um 1700. Erwähnenswerth ist ferner noch der überlebensgrosse Christuskörper im nördlichen Seitenschiff.

Die Schmiedeisen-Arbeiten, wie: Leuchter, Osterkerzenhalter, ewige Lampen sind moderne Erzeugnisse, aber treffliche Leistungen nach alten Mustern.




[355]

Westansicht des Münsters (vom Thurme der Martinskirche gesehen).



  1. Vgl. H. Hansjakob, St. Martin zu Freiburg als Kloster und Pfarrei (1890).
  2. Bei der Restauration des Chores der heutigen Kirche haben sich Fragmente eines romanischen Gesimses vorgefunden, die als Mauersteine in den Umfassungswänden verwendet waren, zweifellos Reste der ehemaligen St. Martinskapelle.
  3. Gonse, l’Art gothique.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Korrigiert. In der Vorlage: Gewölbeauschmückung
  2. Korrigiert. In der Vorlage: französichen