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Die Petroleum-Fundstätten Deutschlands

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Textdaten
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Autor: Valerius
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Titel: Die Petroleum-Fundstätten Deutschlands
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 632–634
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Die Petroleum-Industrie Oesterreich-Deutschlands : dargestellt zur Klarstellung deren Wichtigkeit und Zukunft und zur Aufklärung des für diese Industrie sich interessirenden Capitals in geschichtlicher, geologisch-bergmännischer, wirthschaftlicher und technischer Beziehung / Leo Strippelmann, 1878, MDZ München; Petroleum und Asphalt in Deutschland / F. F. Freiherr v. Dücker, 1881.
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Die Petroleum-Fundstätten Deutschlands.

Die Geschichte des Handels vermag kein anderes Product auszuweisen, welches sich so schnell den Weltmarkt erobert hätte, wie dies mit dem amerikanischen Petroleum der Fall gewesen. Der Siegeszug, den es in den letzten zwanzig Jahren um die Erde hielt, lebt noch frisch in unserer Erinnerung. Auch die Thatsache ist allgemein bekannt, daß die Gewinnung des Erdöls in Amerika von den glänzendsten finanziellen Resultaten begleitet war und der Reinertrag der fünfzehntausend nunmehr im Betrieb befindlichen Bohrbrunnen bald die Summen überflügelte, welche in allen Gold- und Silberminen der nordamerikanischen Republik gewonnen werden. Kein Wunder also, daß man unter dem überwältigenden Eindruck dieser Thatsachen in allen den Ländern, in welchen merkliche Spuren von Petroleum an den Tag traten, hastig nach diesem kostbaren Material zu graben und zu bohren anfing. So entwickelte sich in den letzten Jahren an dem nördlichen Abhange des Karpathengebirges eine ziemlich bedeutende Petroleum-Industrie, und unternehmungslustige Capitalisten zogen selbst an das kaspische Meer, um in der Umgebung von Baku die seit uralter Zeit bekannte und von den parsischen Feueranbetern mit religiösem Cultus umgebenen Erdölquellen auszunutzen und das gewonnene Product, wie dies bereits geschehen, sogar an die Küste der Ostsee zu versenden.

Unter solchen Umständen. darf es uns also nicht wundern, daß vor wenigen Wochen, als in Deutschland die Kunde erscholl, eine Petroleum-Fontaine sprudele lustig in der Nähe von Braunschweig, auch einige deutsche Geldleute starke Anwandlungen des Oelfiebers bekamen und mit dem Ruf „Petroleumland! Petroleumland!“ an die Begründung einer Actiengesellschaft gingen, welche denn auch willige Theilnehmer fand.

Hurtig stiegen die frischgebackenen deutschen Petroleumactien auf der Börse, um von ihrer schwindelnden Höhe jählings unter den ausgegebenen Werth zu sinken und, wie es an der Börse die Sitte, wieder in die Höhe zu gehen. Es erhoben sich inzwischen Beschuldigungen gegen das junge Unternehmen, die bis zu dem Augenblick, wo wir diese Zeile schreiben, noch nicht widerlegt worden sind, und im großen Publicum wurden traurige Erinnerungen aus der unseligen Gründerperiode lebendig.

Aber es kann nicht unsere Aufgabe sein, in diesem Streite mitzureden und über die Oelheimer Actiengeschichte ein entscheidendes Urtheii zu fällen. Vorläufig wollen wir noch abwarten, Thee trinken und dazu – leider! – amerikanisches Petroleum brennen.

Eines steht jedoch bereits heute fest: Was die laute Ermahnungen gelehrter Bergingenieure bisher nicht vermocht haben, das ist in überraschend kurzer Zeit dem Oelheimer Petroleum-Bohrwerk gelungen – es hat die Aufmerksamkeit der großen Masse auf das Vorkommen des Petroleums in Deutschland gewendet und hierdurch das nationale Capital für diesen Industriezweig interessirt. Schon dieser einzige Umstand ist aber, wie wir weiter unten sehen werden, von der größten Bedeutung und sichert hoffentlich dem Oelheimer Unternehme einen nicht unbedeutenden Platz in der künftigen Handels- und Industriegeschichte Deutschlands.

Während nun diese erste allgemein bekannt gewordene deutsche Petroleumquelle an einer anderen Stelle dieser Nummer den Lesern in Bild und Wort vorgeführt wird, haben wir uns in dem vorliegenden Aufsatze die Aufgabe gestellt, die für den Volkswohlstand äußerst wichtige Frage: „Wo kommt das Erdöl in unserem Lande vor?“ vom allgemeinen Standpunkte aus zu beleuchten.

Daß Erdöl in Deutschland zu finden sei, ist durchaus nichts Neues. Die Kenntniß dieser Thatsache läßt sich überhaupt soweit verfolgen, wie unsere geschichtliche Ueberlieferung zurückreicht. Ortsnamen, welche der ältesten Zeit angehöre, wie „Theerberg, Pechgragen, Oelbach, Pechelbronn“ etc. zeugen wohl beredt für die Richtigkeit der Annahme, daß unsern Vorfahren das Vorkommen des Bergtheers und des Erdöls seit vielen Jahrhunderte bekannt war. In späteren Werken finden wir es sogar geschrieben und gedruckt, daß diese Producte all viele Orten gewonnen und zu bestimmten Zwecke verwendet wurden. So quillt z. B. bei Tegernsee in Baiern seit undenklicher Zeit eine Oelquelle aus dem Boden, und die weisen Mönche, unter denen sich bekannter Weise auch die Begründer der Glasmalerei befanden (vergl. Nr. 33), benutzten die schmierige Flüssigkeit als Arzneimittel.

Ueber die älteste der bekannten Fund- und Gewinnungsstätten bei Hänigsen in der Nähe von Burgdorf berichtet dagegen schon Agricola, daß die Dorfbevölkerung Sachsens das Erdöl als Wagenschmiere verwendete, aus demselben Hochzeitsfackeln herstellte und mit dem Bergtheer Holzpfähle bestrich, um diese gegen Witterungseinflüsse zu schützen. Die ursprüngliche Gewinnung des werthvollen Productes geschah übrigens bis auf die neueste Zeit in einer höchst primitiven Weise. Wo der unmittelbare Oelaustritt versiegte, wurden flache Gruben von 2 bis 4 Meter Tiefe gegraben und aus denselben das Oel, welches mit Wasser vermengt zum Vorschein kam, abgeschöpft; wo dagegen oberflächliche Sandschichten mit Bergtheer durchdrungen waren, grub man in den Sommermonaten die Thonerde und wusch das Oel mit kochendem Wasser aus. So wurden an vielen Orten sogenannte „Theerkuhlen“ hergestellt, welche seit Jahrhunderten ihren Eigenthümern eine spärlichen Segen spendeten. Fast mühelos war die Production, und der sich ergebende Gewinn wurde gern in die Tasche gesteckt, aber an die Hebung und Erweiterung der Industrie dachte man nicht; nur im Elsaß entwickelte sich schon frühzeitig ein regelmäßiger Bergbaubetrieb.

Betrachten wir nun die Gruppirung der deutschen Petroleum- Fundstätten auf der Landkarte, so finden wir, daß in Deutschland vor allem zwei große Petroleumzonen vorhanden sind. Die wichtigste derselben liegt im nordwestlichen Deutschland, und ihre Grenze wird durch eine Linie gekennzeichnet, die von der Stadt Heide in Holstein östlich bis zu der Eider reicht, von dort in südöstlicher, gerader Richtung über Itzehoe, Altona, Lüneburg, Uelzen, Helmstedt bis nach Schöningen hinabsteigt, weiter nach Hildesheim und Wunsdorf läuft und von hier über Nienberg und Stade wiederum die Holsteinische Nordseeküste erreicht. Verbinden wir durch eine Linie die angedeuteten Orte mit einander, so erhalten wir ein ziemlich großes, längliches und gegen den Süden breiter werdendes Gebiet, welches einen Theil der Braunschweigischen, Hannöverischen und Holsteinischen Lande umfaßt und in welchem zahlreiche, von altersher bekannte Petroleum-Fundstätten sich befinden.

Die zweite Zone bildet einen schmalen Strich, welcher im Elsaß fast parallel mit dem Rheinstrome läuft und von Bergzabern bis über Altkirch sich erstreckt.

Außerdem finden sich Spuren von Erdöl bei Tegernsee in Baiern und in den Wettiner Kohlenwerken der Provinz Sachsen.

Als nun in den sechziger Jahren die Erfolge der amerikanischen Production bekannt wurden, lenkte sich die Aufmerksamkeit einiger Fachleute auf die vernachlässigten deutschen Fundstätten, und bald nach der Annexion Hannovers ließ die preußische Regierung in Folge der Vorstellungen des Herrn H. W. Kasten zu Hannover die dortige Erdölgegenden untersuchen. Ein Berliner Geologe stattete bald einen ausführlichen Bericht über den geologischen Bau der nordwestlichen Petroleumzone ab, und auf [633] Grund der damals allgemein angenommenen Anschauung, daß das Petroleum in den oberflächlichen Formationen durch Zersetzung der Kohle entstehe, riet er entschieden von Tiefbohrungen ab und empfahl die Ausbeutung der öligen Massen nach der alten Methode fortzusetzen.

Oelheim; Bohrloch Nr. 3.
Originalzeichnung von Alfred Schütze.

Ein derartiges Ergebniß der wissenschaftlichen Untersuchung vermochte selbstverständlich weder die Regierung noch Privatcapitalisten zu neuen Versuchen anzuregen. Erst als H. W. Kasten später mit Nachdruck gegen die oben angeführte Ansicht aufgetreten war, Professor Harper 1872 zu Brüssel seine Schrift: „Geognostischer Bericht über ein sehr bedeutendes Petroleumlager in der königlich preußischen Provinz Hannover“, herausgegeben, der Chemiker L. Meyn aus Uetersen für das deutsche Petroleum auf der Naturforscherversammlung zu Hamburg 1876 mit Wärme gesprochen hatte und L. Strippelmann mit seinem vortrefflichen Werke vor die Oeffentlichkeit getreten war, gelang es diesen Vorkämpfern der deutschen Petroleum-Industrie, das Capital für dieselbe, wenn auch in geringem Maße, zu interessiren. Wir vermögen leider nicht, auf die Einzelheiten der in dieser Fachliteratur niedergelegten Untersuchungen näher einzugehen, und beschränken uns nur darauf, die neuere Ansicht über die Vertheilung und die Entstehung des Erdöls in allgemeinen Zügen wiederzugeben.

Zunächst ist es nunmehr sicher festgestellt, daß das Petroleum in den Tiefen und Schichten, in welchen wir es bisjetzt gefunden haben, nicht entstanden ist; was wir bis auf den heutigen Tag erbohrt und ergraben haben, sind nicht dessen Ursprungsstätten sondern vielmehr seine Ablagerungsorte. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß das Petroleum aus tieferen Regionen der Erde in gasförmiger Gestalt in die Höhe stieg, hier in den Klüften und Spalten verschiedener Gesteine sich zu einer Flüssigkeit verdichtete und die bekannten Petroleumbecken bildete, oder auch die Poren der Sand-, Kreide- und anderen Schichten ausfüllte und also Veranlassung zur Entstehung der Theererde und des Asphalts gegeben hat. Untersuchen wir aber weiter die Bildung dieses wichtigen Productes und stellen uns die Frage: woraus und

Oelheim; deutsche Petroleum-Bohrwerke bei Peine.
Nach einer Skizze von Alfred Schütze.

[634] in welchen Tiefen dasselbe entstanden ist, so sind wir nach dem heutigem Stand der Wissensdurst leider nur auf Vermuthungen angewiesen, die jedoch die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben.

Die chemische Zusammensetzung des aus der Erde hervorquellenden Oeles beweist zunächst, daß es ein Zersetzungsproduct thierischer und pflanzlicher kohlehaltiger Ueberreste ist. Wir wissen auch ferner, daß in den ältesten geologischen Perioden, in welchen lebende Wesen zum ersten Male aufgetreten waren, zahllose Thierarten den Weltocean, aus dem nur wenige Inseln hervorragten, erfüllten, während die nachfolgende carbonische Zeitepoche sich durch üppiges Pflanzenleben auszeichnete. Alle diese lebenden Wesen sind den Naturgesetzen gemäß zu Grunde gegangen, und ihre massenhaften Ueberreste bedeckten in großen Schichten die damalige Oberfläche der dünnen Erdkruste. Damit wäre also auch ein genügendes pflanzliches und thierisches Material zur Bildung von Petroleum in den tiefsten Erdschichten als vorhanden nachgewiesen.

Allmählich wurden nun diese Ueberreste der ursprünglichen Thier- und Pflanzenwelt mit neuen Formationen bedeckt, die sich Hunderte voll Metern hoch über denselben aufthürmten. Aber von Zeit zu Zeit wurde auch die Ruhe dieser Massengräber gestört. Der flüssige Erdkern schrumpfte zusammen, und die Erdkruste durfte nicht locker um ihn hängen. Die gewaltige Anziehungskraft zog sie unwiderstehlich nach unten; da brach die Rinde unseres Planeten an vielen Stellen durch, und tiefe Falten und hohe Bergzüge bildeten das Resultat dieser unter furchtbaren Erdbeben vor sich gehenden Naturerscheinungen.

Nun sanken an solchen Orten die verkohlten Ueberreste der Urahnen der heutigen Thiere und Pflanzen in die Tiefen hinab, in welchen die Gluth des Erdinnern ihre zersetzenden Mächte walten läßt. Hier wurden sie, gleich den Steinkohlen in den Retorten unserer Gasanstalten, in brennbare Gase verwandelt, die in der kälteren höheren Schichten die tropfbar flüssige Form annahmen.

Und in der That soll die nordwestliche Petroleumzone Deutschlands eine derartige eingesunkene Mulde, eine breite Falte der Erdrinde bilden; in der That sehen wir in der Regel dort Petroleum aus der Erde hervorquellen, wo Spuren derartiger gewaltsamer Durchbrüche deutlich vorhanden sind.

Der praktische Geschäftsmann fragt jedoch weniger nach der Entstehung des Petroleums, als vielmehr darnach, ob es wahrscheinlich ist, daß aus unserm Petroleumgebiet jemals größere Petroleumquellen aufgeschlossen werden. Daraus kann nun der Sachverständige mit ziemlicher Sicherheit antworten, daß dort, wo Petroleum zu Tage getreten ist, auch auf größere Ansammlungen desselben in beträchtlichen Tiefen von etwa 600 Meter zu schließen ist, und daß Tiefbohrungen nicht nur ihre Berechtigung haben, sondern daß hierauf eine umfangreiche Entwickelung der Petroleum- Industrie Nordwestdeutschlands ausdrücklich hinweist. Dabei aber muß vorläufig eine Oelgewinnung in kleinerem Maßstäbe durch rationell eingerichteten Pumpenbetrieb vorgesehen werden, welche, wie Leo Strippelmann[1] nachweist, bereits bei einer Tageserzeugung von zwei bis drei Centnern mit befriedigenden finanziellen Ergebnissen verbunden ist, während eine Tiefbohrung von 600 Meter schon bei einer Tagesgewinnung von sechs Centnern den für die ausgeworfenen Kostenbetrag von circa 60,000 Mark in fünf Jahren zu amortisiren vermag.

In der That erwies sich der rationell betriebene Petroleum-Bergbau in Deutschland auch dann lohnend, wenn man auf größere Quellen nicht gestoßen war. Ehe noch die neuesten Bohrwerke bei Oelheim und in Hölle bei Hemmingstedt errichtet wurden, producirten wir im Ganzen 20,000 Centner freiausfließendes Petroleum pro Jahr, welches auf dem heimischen Markte mit gutem Gewinne abgesetzt wurde. Denn während die Amerikaner mit einem Gewinne (ab Waggon-Grube) von 19 bis 22 Procent arbeiten, in Galizien der durchschnittliche Nutzen im Vergleiche zu den Rohölgestehungskosten etwa 45 Procent beträgt, haben die kleinen Werke der Provinz Hannover und Holsteins einen Nutzen von 21,5 Procent und der rationelle Bergbau im Elsaß sogar einen Gewinn von circa 60 Procent erzielt. Indem aber ferner die durchschnittliche Dauer eines Petroleumbrunnens in Amerika zwei bis drei Jahre beträgt und in Galizien in der Regel fünf Jahre übersteigt, währt diese Dauer der Ergiebigkeit in den deutschen Schachten der nordwestlichen Petroleumzone fünf Jahre und darüber und im Elsaß sogar zehn Jahre.

Alle diese Thatsachen müßten auf unsere Kapitalisten durchaus ermuthigend wirken; nur sollte man nicht von der Meinung ausgehen, daß eine erschlossene Quelle Millionenwerthe repräsentire; denn kein Sachverständiger vermag zu sagen, wie lange ein anfangs noch so mächtiger Strahl fließen werde; nur sollte man nicht die junge Industrie, für welche alle Bedingungen einer künftigen Blüthe vorhanden sind, zum Gegenstand toller Speculation machen; denn dadurch wird dem Actionär in den seltensten Fällen genützt, wohl aber die gedeihliche Entwicklung des Petroleum-Bergbaues tief geschädigt und für lange Jahre aufgehalten; auch sollte man sich nicht durch amerikanische Trugbilder täuschen und verleiten lassen; denn wohl ist über den Ocean die Kunde von den glänzenden Erfolgen der Speculation zu uns gedrungen, während über das Elend der vielen beim Petroleumgraben zu Grunde gegangenen Existenzen nur selten etwas verlautet.

Wir meinen aber und betonen es nachdrücklich, daß auch ohne das berüchtigte Oelfieber diese Industrie aufblühen kann und daß sie sogar in ruhiger rationeller Weise bei uns sich überhaupt entwickeln muß; denn die alten Völker Europas können unmöglich die tieferschütternden finanziellen Krisen ertragen, welche die junge amerikanische Nation auf dem reichen Boden der Neuen Welt mit großer Leichtigkeit überwindet.

Andererseits darf aber der Entwickelungsgang der amerikanischen Petroleum-Industrie in uns berechtigte Hoffnungen erwecken. Auch jenseits des Oceans war das Petroleum seit uralter Zeit bekannt und in oberflächlicher Weise bewirthschaftet. Noch im Beginn dieses Jahrhunderts wurde das auf der Oberfläche der stehenden Gewässer schwimmende Oel in wollenen Decken gesammelt, welche man, sobald sie mit demselben getränkt waren, auswand, oder man grub auch dort die in Deutschland wohlbekannten Theerkuhlen, um aus ihnen Oel zu schöpfen.

Erst im Juni 1859 kam der Gedanke Georg Bisse’s zur Verwirklichung, wiewohl der Leiter der ersten Bohrung, Drake, von den Einwohnern der Gegend allgemein verspottet wurde, zumal sein erster Versuch vollständig mißglückte. Wie schnell sich aber nach der Erschließung der ersten Quelle am 27. August 1859 die Ansichten änderten, brauchen wir all dieser Stelle nicht besonders hervorzuheben.

Von diesem allgemeinen Standpunkte aus betrachtet, bleibt die Petroleum-Industrie Deutschlands ein ernstes Problem der Zukunft, dessen Lösung uns von dem amerikanischen Monopol befreien würde. Die allgemeine Aufmerksamkeit ist nunmehr auf den Gegenstand gelenkt worden, und sie darf sich weder durch mißlungene Bohrungen, noch durch etwaiges Fiasco einer Actiengesellschaft voll weiteren Versuchen abschrecken lassen; sie muß nur unterscheiden lernen zwischen waghalsiger Börsenspeculation und ernster, früchtetragender Arbeit.

Valerius.



  1. Vergleiche „Die Petroleum-Industrie Oesterreich-Deutschlands“ vom Berg- und Hüttendirector Leo Strippelmann (Leipzig 1878 und 1879, G. Knapp), sowie die Flugschrift „Petroleum und Asphalt in Deutschland“ von Freiherr von Dücker (Minden 1881, J. Cl. Bruns).