Die Perlenfischerei in Sachsen
[196] Die Perlenfischerei in Sachsen. Eine Eigenthümlichkeit des Königreichs Sachsen, welche sich über zweieinhalb Jahrhunderte lang erhalten und auf die man einst einen sehr großen Werth gelegt hat, die königliche Perlenfischerei, wird allem Anschein nach bald ganz verschwinden, da die Ausbeute von Jahr zu Jahr geringer wird. Namentlich sind es die Weiße Elster in der Gegend von Bad Elster im Voigtlande bis zu dem Städtchen Elsterberg, sowie deren Nebenbäche, wie der Mühlhäuser Bach, der Görnitzbach und der Trieblerbach, welche Flußperlenmuscheln (Unio margaritifer) führen, in deren Gehäusen die kostbaren Perlen gefunden werden. Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß auch in dem durch die Industrie stark verunreinigten Wasser des Chemnitzflusses bei Chemnitz solche Schalthiere vorkommen. Die Perlenfischerei in Sachsen reicht bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts zurück und wurde vermuthlich zuerst von venezianischen Kaufleuten betrieben. Im Jahre 1621 wurde sie für landesherrliches Recht erklärt; Pflege und Fischerei waren seither einzig der Oelsnitzer Familie Schmerler übergeben, deren Ahne, Moritz Schmerler, zuerst den Kurfürst Johann Georg I. auf diesen Schatz auf merksam gemacht hatte und dafür mit einem Gehalt von 30 Gulden als Perlenfischer angestellt worden war. Die Glanzperiode der Perlenfischerei ist aber längst dahin.
Vor Zeiten, da die Perlen noch weit höher im Preise standen als jetzt und die Ausbeute eine reichere war, stellten die sächsischen Fürsten die Perlenfischerei noch über den Silberbergbau des Erzgebirges. Von 1811 bis 1836 betrug der Gesammtertrag 15393 Perlen, aus denen 130552/3 Thaler gelöst wurden; von 1837 bis 1846 fand man 1041 Perlen, 1865 noch 185, 1866 nur noch 143 Stück, und so nimmt die Zahl immer mehr ab. Das Jahr 1888 war das erste, in welchem die königliche Perlenfischerei nicht betrieben wurde. Im Jahre 1890 nahm man sie wieder auf, allein man fand im ganzen nur 71 Perlen, darunter 9 helle und 25 halbhelle, die übrigen waren verdorben oder Sandperlen. Die Perlenfischer schreiben den fortwährend starken Rückgang der Ausbeute dem Umstand zu, daß die Muscheln von den Fabriken zu leiden hätten. Auf einer sonst sehr ergiebigen Strecke sind 1890 sämmtliche Muscheln tot aufgefunden worden, so daß 4815 Stück ausgeschlachtet und an die Perlmutterfabriken des Voigtlandes verkauft werden mußten. So wird die alte Einrichtung vermuthlich bald ganz verschwinden, wenigstens hat dem Vernehmen nach das sächsische Ministerium des Innern vorläufig davon abgesehen, die Stelle des vor zwei Jahren mit Tode abgegangenen Perlenfischers wieder zu besetzen.