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Die Niederlage der Wechabiten

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Titel: Die Niederlage der Wechabiten
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 74–76. S. 293–294, 298–299, 302–304.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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[293]

Die Niederlage der Wechabiten.


Kahle Berge und dürre Ebenen, die versengende Hitze der Sonne und das ewige Einerlei der Wüste, der Araber und seine Kameele sind dem mit orientalischer Poesie auch nur wenig vertrauten Europäer eben so anziehende als bekannte Gegenstände. Aber nicht so oft ist die diesen Völkern eigenthümliche Art Krieg zu führen geschildert worden. Wenn der Krieg der Engländer mit den Ashantees keine Ausnahme macht, so sind gewiß seit längerer Zeit die Truppen civilisirter Nationen mit einfachen Wilden in keine feindliche Berührung gekommen. Ihre Art den Speer, den Schild und ihr breites Schwert zu gebrauchen, ihre völlige Unbekanntschaft mit der Disciplin, und ihre ordnungslose Weise anzugreifen, führen uns, im Gegensatz mit unserer modernen Kriegskunst, in die ältesten Zeiten eines grauen Alterthums zurück.

Durch ihre Verbindung mit dem Imam von Muscat wurden die Engländer zuerst in feindliche Berührung mit diesen Bewohnern der Wüste gebracht. Zwischen dem größten Theil der arabischen Familien, welche zerstreut in den, unter dem Namen des glücklichen Arabiens bekannten Sandebenen wohnen, und jenem Häuptling, bestanden nicht allein freundschaftliche Verhältnisse, sondern auch nicht selten Bündnisse, bis der religiöse Fanatismus der neuen deistischen Secte der Wechabiten seine Flammen nach allen Richtungen verbreitete. Eines ihrer Corps war bis vor Muscat gerückt und hatte die Truppen des Imam’s geschlagen. Die brittische Regierung in Indien hatte damals unter dem Befehle eines Capitän Thompson eine Abtheilung von 500 Sipois zu seiner Verfügung gestellt. Der Imam schickte diese in das Innere des Landes gegen den festen Standpunkt des Feindes, Ben-Bu-Ali, ungefähr 70 Meilen von der Küste, in der größten Hoffnung, daß einer disciplinirten Macht der Sieg nicht entgehen könne. Der Ausgang lehrte das Gegentheil. Capitän Thompson rückte mit Anstrengung und Aufopferungen bis eine halbe Stunde vor der Stadt vor, und fiel hier in einen Hinterhalt. Die Wechabiten, ungefähr 800 Mann stark, hatten sich hinter einen Hügel gelagert, welcher nicht vermieden werden konnte. Sie erwarteten den günstigen Augenblick, und stürzten sich dann mit einem fürchterlichen Geschrei auf den unvorbereiteten Feind. Es ist kein Wunder, daß die plötzliche Erscheinung eines aus so entsetzlichen Gestalten bestehenden Feindes unter den Sipois augenblicklich einen panischen Schrecken verbreitete. Ihre Speere vor sich haltend und ihre doppelschneidigen Schwerter schwingend, waren die Wechabiten in einem Moment in ihren Gliedern. Die Sipois konnten ihre Waffen nicht gebrauchen, und obgleich man mehrere Versuche machte sie wieder zu sammeln, so war es doch unmöglich, sie zum Stehen zu bringen. Sie warfen ihre Gewehre weg und flohen. Nur wenige entkamen, und der Sieg der Araber war vollkommen.

Als die Nachricht von dieser Niederlage nach Bombay kam, beschloß die Regierung gegen jene Niederlassung der Wechabiten eine Expedition zu unternehmen. Das 65te Regiment, das Bombayer europäische Regiment, ein leichtes Bataillon Sipois, das zweite Bataillon des siebenten Infanterieregiments der Eingebornen und vier oder fünf Artillerieabtheilungen nebst zwei Compagnien Schanzgräber erhielten Befehl sich zu diesem Endzweck bereit zu halten. Der Oberbefehl ward dem Generallieutenant Sir Lionel Smith anvertraut, und im Januar 1821 wurde eine Macht von nicht weniger als 3000 Mann – in diesen Gegenden eine Armee – eingeschifft.

Wir sind nicht im Stande, sagt einer der Offiziere, welche diese Expedition begleiteten, mit geographischer Genauigkeit unseren Landungspunkt in Arabien anzugeben: er liegt auf der Küste des persischen Meerbusens; der Haufen Hütten, aus welchen die nächste Stadt besteht, findet sich auf keiner Charte angezeigt. Bis zu dieser Stadt, Zoar, marschirten wir ohne Hindernisse.

Der Weg nach diesem Platze überzeugte mich eben nicht von der Richtigkeit des Ausdruckes „gesegnet,“ wenn er von Arabien gebraucht wird: indessen meinte ich, würde diese Benennung den Schönheiten des Innern desto angemessener seyn. Ich wußte, daß die Araber (wenn auch kriegerisch) ein Hirtenvolk sind, und an den Gedanken eines idyllischen Hirtenlebens knüpft sich unwillkürlich die Idee einer bezaubernden Landschaft. Mein Irrthum hätte nicht größer seyn können. Die Aussicht blieb, wohin man sich auch wenden mochte, ewig dieselbe, nackt und kahl, todt und unerquicklich. Umsonst sieht sich der Wanderer nach der geringsten Abwechslung um: Berge, einer jeden Spur von Vegetation entbehrend, treten auf allen Seiten dem müden Auge entgegen; überall eröffnen dieselben endlosen Sandhügel die Aussicht in eine trostlose Wüste. Ein langweiliges Einerlei ermüdet, während die Hitze unerträglich ist, und nicht, wie in Indien, periodische Regen fallen, [294] um den Erdboden abzukühlen. Hier kann niemand leben als Araber und Geier, und letztere würden ohne Zweifel schon lange auf ihren mächtigen Schwingen diese abgeschiedene Einöde verlassen haben, wenn das Schlachtfeld nicht von Zeit zu Zeit in diesen dürren Ebenen ihre Thätigkeit in Anspruch nähme.

Wir erreichten bald die für unser Lager bestimmte Stelle, einen fruchtbaren Fleck mitten in der Wüste. Ein Dattelwäldchen, einige Gärten und ungefähr anderthalb Stunden von uns ein arabisches Dörfchen waren die einzigen anziehenden Gegenstände.

Nach der Anstrengung unseres ersten Marsches in der Wüste erschien uns indessen Zoar mit seiner unbedeutenden Vegetation umher als ein Urquell des Lebens. Die einfache Lebensweise, und die noch einfacheren Wohnungen der Eingebornen haben für den Fremden einen sonderbaren Reiz der Neuheit. Unsere Morgenspaziergänge führten uns häufig in ihre Mitte. Eines der ansprechendsten Gemälde ihres originellen Lebens boten die Gruppen der aus Ziehbrunnen Wasser holenden Weiber dar. Diese alte Sitte ist noch jetzt überall im Osten gebräuchlich; aber hier waren die Weiber verschleiert; ein Umstand, der ihnen leichterklärlicherweise in den Augen der Europäer vortheilhaft seyn muß, da er weder der Anmuth ihrer Gestalten, noch der Freiheit ihres Ganges den geringsten Abbruch thut, während die Alltäglichkeit ihrer Gesichter den Eindruck nicht zu stören vermag. Bei unserem ersten Besuch in ihrem Dorfe, das aus einer bedeutenden Anzahl, aber ohne allen Plan aneinander gereihter Häuser bestand, setzte mich die Gleichgültigkeit in Erstaunen, mit der sie uns behandelten. Wer uns sah, blieb entweder ausgestreckt auf der Erde liegen, oder ging weiter mit dem finstern Ausdruck eines theilnahmlosen Trotzes. Den Weibern schienen die häuslichen Geschäfte ausschließlich obzuliegen. Die Wohnungen sind sauber, und ihre Bewohner reinlich. Sie sind aus weichem Holze gebaut, und von außen mit Lehm überzogen. Zwei oder drei Thürme nach einem größeren Maaßstabe und mit mehr Kunst gebaut, aber aus demselben Material, heißen der Palast des Sheikhs, und können, in einiger Entfernung gesehen, für den Araber wohl etwas imposantes haben. Dieser Palast ist von Kaufleuten aus Surat und Scindian in einen Bazar verwandelt worden, auf dem sie Shawls und verschiedene Arten Zeuge und Seide feil haben. Vermuthlich werden diese Artikel von hier aus ins Innere verführt. Uebrigens scheint dem Eingebornen eine Art von Industrie nicht fremd zu seyn. Wir stießen nicht selten auf Weiber, die Kleider webten oder näheten, und eine unglaubliche Menge nackter Kinder wurde überall zu Arbeiten gebraucht.

[298] Bei der Zurückkunft in unsern Lagerplatz fanden wir das sonderbarste Schauspiel. Die Zelte waren kaum in großer Eile aufgeschlagen worden, als die Kameele und Treiber mit dem Gepäcke nachkamen. Sie unterbrachen die Stille und Einsamkeit der Wüste durch wahrhaft babylonisches Sprachgewirr. Indostanisch, Persisch, Arabisch und mehrere europäische Sprachen schallten durcheinander und zerfloßen in ein unverständliches Getöse.

Wir wurden in diesem Lager länger zu bleiben genöthiget, als wir früher erwartet hatten, indessen lebten wir auf dem Lande doch ebenso wie am Bord unserer Schiffe und hatten nicht Ursache uns über eine Unterbrechung unserer guten Laune und des Frohsinns zu beklagen, welcher den Soldaten in der Garnison charakterisirt. Unsere einzigen Leiden waren der heiße Wind und erstickende Wolken feinen Sandes, die uns nöthigten, den ganzen Tag so bequem als möglich ausgestreckt auf der Erde zu liegen. Uebrigens herrschte im Lager die vollkommenste Sicherheit, und nur die Wachen trugen geladene Gewehr, was indessen zu einer Katastrophe Veranlassung gab, die man leicht hätte voraussehen können.

In einer sternhellen Nacht waren zum Schutz einer astronomischen Partie Posten ausgestellt worden. Der Mond war noch unter dem Horizonte, als eine Heerde schneller Dromedare ihre Reiter in schweigender Eile über die sandige Ebene trug, um ihm bei seinem Aufgang ein blutiges Schauspiel zu geben. Die Posten wurden plötzlich angegriffen. Die Araber waren in einer gewissen Entfernung abgestiegen, und schlichen sich unbemerkt bis an die wenigen Wachen heran. Widerstand war vergeblich. Viele wurden niedergehauen, die Uebrigen flohen dem Lager zu, mit denen zugleich die Feinde eindrangen. Sie tödeten und verwundeten vierzig von unsern Leuten, und [299] lähmten alle Pferde und Maulesel, die ihnen in den Weg kamen. Einige stachen mit den Speeren in die Zelte, andere standen an dem Ausgang derselben, um die Fliehenden zu empfangen. Der Schrecken war allgemein. Die Soldaten sprangen aus dem Schlaf auf, flohen halb nackt durch das Labyrinth von Zelten, stürzten über die Seile und trafen überall auf den Feind oder fürchteten wenigstens ihn zu treffen. Ordnung zu stiften war unmöglich. Auf andern Punkten waren unsere Leute auf den ersten Lärm zur Hand, aber trotz der Schnelligkeit, mit welcher sie sich in die Linie stellten, hatten die Feinde, während die nöthigen Vorbereitungen zum Angriff getroffen wurden, ihren Plan ausgeführt, und das Lager bereits wieder verlassen. Am Morgen fanden wir nicht mehr als zwei Mann von ihnen auf dem Platze.

Nach diesem Ueberfall waren wir mehr auf unserer Hut. Unser Lager wurde kunstgemäßer eingerichtet, und der Oberbefehlshaber, der bisher sich noch an der Küste aufgehalten hatte, vereinigte sich mit uns. Auch der Imam traf im Lager ein, und seine Zelte wurden neben denen der Stabsoffiziere aufgeschlagen. Sein Hofstaat war unbedeutender als wir erwartet hatten: in seiner Kleidung zeichnete er sich nur wenig von seinen Unterthanen aus, und in seiner Haltung zeigte sich weder die Würde noch das martialische Aussehen, welches seiner Nation in so hohem Grade eigenthümlich ist. Er empfängt seine Besuche ohne alles Ceremoniell, die Beine untergeschlagen, und von Zeit zu Zeit während des Gespräches eine Hand voll Reiß oder Datteln in den Mund steckend. Dem orientalischen Gebrauch gemäß, verdankt er seinen gegenwärtigen hohen Standpunkt der Ermordung seines Bruders. Indessen steht er in dem Ruf ein gutmüthiges Herz zu haben – eine liebenswürdige Eigenschaft, von der er uns bald nach seiner Ankunft im Lager einen augenscheinlichen Beweis gab, indem er sieben von seinen Unterthanen als des Spionirens verdächtig, ohne allen Prozeß zu gleicher Zeit aufknüpfen ließ.

Endlich kamen auch die vom Imam versprochenen Kameele zur Fortschaffung unseres Gepäckes an, und mit ihnen einige hundert Beduinen und Araber. Es war ein seltsamer Anblick. Ein gemischter Haufe von Kameelen, Pferden und Eseln, auf deren Rücken eine Art von Satteldecken befestigt war, trugen ihre Reiter mit einer unglaublichen Geschwindigkeit über die Ebene. Bald verschwanden sie vor unsern Blicken, bald kamen sie wieder mitten in den unter ihnen aufsteigenden Sandwolken zum Vorschein. Sie schwangen ihre Schwerter, schlugen damit an ihre Schilde, und erhoben ein lautes Freudengeschrei. Es muß ihrer Eitelkeit sehr geschmeichelt haben zu sehen, daß wir alle zu ihrem Empfange vor das Lager traten.

Diese sonderbaren Gäste nahmen die rechte Seite unseres Lagers ein, wo sie in der grenzenlosesten Unordnung ihre Zelt aufschlugen, und bald der Gegenstand unsrer gespanntesten Neugierde wurden. Wir sahen in geringer Entfernung mit Vergnügen die kräftigen, wilden Gestalten der Männer, welche entweder in kriegerischer Haltung auf und nieder giengen, oder der Länge nach in der Sonne lagen; die schlanken und reizenden Formen der Pferde in den mannigfaltigsten Stellungen: Die Kameele, entweder aufrecht stehend oder ihre plumpen Glieder der Ruhe überlassend, bewegungslos und geduldig von Morgen bis Abend; den unaufhörlichen und wechselnden Glanz der Waffen, und alle diese seltsamen und bizarren Erscheinungen und Bilder, die wir vorher nicht anders als aus Dichtern gekannt hatten. Erbaulich war die zwischen den zweifüßigen und vierfüßigen Geschöpfen obwaltende Eintracht und wechselseitige Zuneigung, mit welcher sie gleichsam als Glieder einer einzigen Familie aus demselben Troge Datteln verzehrten, und von demselben Wasser tranken.

Wir fanden die Beduinen-Araber bei weitem mehr zur Mittheilung, wenigstens durch Zeichen und Lachen, geneigt, als ihre übrigen Landsleute. Sie schienen an unsrer Unwissenheit Gefallen zu finden, zeigten von ihrer Seite aber wenig Neugierde. Sie erlaubten uns ihre Schwerter in die Hand zu nehmen, meistentheils furchtbare, doppelschneidige Waffen, welche ohne große Geschicklichkeit nicht geführt werden können; nur mit augenscheinlicher Verachtung blickten sie auf unsere Degen, die sie sogar anzufassen ablehnten. Sie nahmen bisweilen gegen einen oder den andern unserer Rothröcke eine Fechterstellung an, und freuten sich sehr, wenn es ihnen durch eine angenommene zornige Miene gelang, ihren Gegner in einige Furcht zu setzen. Wir machten uns gegenseitig Vergnügen, und der Unterschied zwischen dem in Gold und Scharlach gekleideten Europäer und dem wilden Krieger der Wüste sprang unzweifelbar zum großen Vortheil des letztern in die Augen. Wie überlegen zeigte sich der Araber schon in seiner bloßen äußern Erscheinung! Seine schlanke Gestalt, die musculösen wohlgebildeten Glieder, die blasse Gesichtsfarbe, die regelmäßigen und festen Züge, sein langes schwarzes Haar, und das schwarze Auge voll Feuer, in Verbindung mit seinem, man möchte sagen auf den Effect berechneten Unterkleid, dem Turban, und dem ärmellosen Obergewand, den Speer in seiner Hand, den Schild am Arme, den Dolch und das Schwert im Gürtel. Diese Gestalten überdieß auf ihren muthigen Rennern hatten etwas wahrhaft begeisterndes. Unmöglich kann man sich einen vollkommenern Gegensatz denken, als den zwischen dieser nackten und furchtbaren Simplicität und unserer manirirten Künstelei. Am schärfsten trat der Abstand des Abends hervor, wenn bei Sonnen-Untergang die Beduinen, in verschiedene Abtheilungen getheilt, hinausgingen um zu beten. Sie streuten eine Hand voll Sand auf das Haupt, als Zeichen der Erniedrigung, und neigten sich, mit den Händen das Gesicht bedeckend, zur Erde; dann richteten sie sich wieder auf, und murmelten mit dem Ausdruck der tiefsten Andacht ihre Gebete. Noch einige vorgeschriebene Stellungen und Kniebeugungen und die Ceremonie war zu Ende. – Noch ehe diese lebenden Gemälde für uns den Reiz der Neuheit verloren, befanden wir uns auf dem Marsch nach Ben-Bu-Ali.

[302] Kein Gegenstand würde für den Pinsel einen glücklichern Stoff dargeboten haben, als die Abbrechung unsres Lagers. – Die Zelte wurden niedergerissen, Kameele beladen; Gruppen von Soldaten nahmen hier und da ihren Morgentrunk, die Bataillons stellten sich in Ordnung, Offiziere bestiegen ihre Pferde, Männer von fast allen Farben und Trachten jagten durcheinander, und vermehrten die Lebendigkeit der Scene. Unser Marsch dagegen würde schwerlich einen Maler zur Darstellung aufgefordert haben. Ich glaube nicht, daß ein Soldat härtere Beschwerden ertragen kann, als wir in der Mittagsstunde einer tropischen, von dem glühenden Sande zurückprallenden Sonne, durch den wir nicht giengen sondern wateten, zu erdulden hatten. Von Durst erschöpft, wurden wir durch die dürftige Portion Wasser, die wir bei uns führten, eher zum Trinken gereizt, als befriedigt. Wir hielten von Zeit zu Zeit, um eine andere Erfrischung, Wasser mit einem geistigen Getränk vermischt, zu nehmen. Oft wurde das Auge durch trügliche Bilder getäuscht. Einmal erinnere ich mich, brachen plötzlich und fast zu gleicher Zeit unsere Leute in ein lautes Freudengeschrei aus. Wir sahen die Stadt vor uns, vor der wir lagern sollten, ihre Dattelwälder, Thürme, Hütten und silbernen Quellen; selbst die Kameele glaubten wir zu erblicken, die mit Wasser beladen uns entgegen kamen, – allein, es waren nichts als Bilder, welche unsere Phantasie auf die von der Sonne erleuchteten Wolken gezeichnet hatte. Es währte eine geraume Zeit, bevor wir uns diese Täuschung erklären konnten, und seit der Zeit fanden wir oft, daß wir die verschiedensten Gestalten nach Belieben heraufzuzauben im Stande waren. Einige orientalische Phantasien beschworen Moscheen [303] und Cisternen herauf, Andere Landhäuser, Berge, Wiesen und Heerden. Dieses Schauspiel würde uns vortrefflich unterhalten haben, wäre die Täuschung nicht gar zu grausam gewesen.

An demselben Tage stiegen wir unter grenzenloser Anstrengung und Mühe über die Gebirge. Dieß waren steile Felsen von großer Höhe, und da sie ohne alle Bedeckung von Laub und Buschwerk den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, so war die Hitze hier unerträglich. Viele wurden ohnmächtig, einige, wie ich glaube, starben. Auf der Höhe hatten wir eine unbeschränkte Aussicht in die Ferne, und in die Wüste auf der andern Seite des Gebirges, welche uns gleich dem Meere in unaufhörlicher Bewegung zu seyn schien. Als wir in die Ebene hinabgestiegen waren, bot uns unerwartet ein kleines Wäldchen ein willkommenes Obdach dar, unter welchem wir eine halbe Stunde lang lagerten.

Am letzten Tage unseres Marsches kamen wir in ein ödes zerstörtes Dorf. Es war vor kurzer Zeit erst von unsen Feinden besucht worden. Bald darauf fanden wir auf einer beträchtlichen Strecke einige hundert von der Sonne blendend weiß gebleichte Gerippe. Es war Capitän Thompson mit seinen 500 Leuten. Dieser Anblick rief uns zur Rache auf, und jede Compagnie die über die Gebeine hinwegstieg, fluchte den Todesengeln ihrer Cameraden. Ein kleine Strecke davon wurden wir die Stadt selbst ansichtig. Sie stand mit der hinter uns liegenden Einöde in sonderbarem Widerspruch. Die prächtigen Dattelwälder zu beiden Seiten, und die nicht unbedeutende Reihe gewaltiger Thürme vor uns gaben ihr ein majestätisches Ansehen. Als wir näher kamen, wurden wir mit unserer eigenen, von Thompson erbeuteten Artillerie begrüßt. Wir erwiederten das Feuer aus unsern leichten Feldstücken. Der Feind wurde dadurch indessen nicht muthlos, sondern zeigte uns unmittelbar darauf im Glanze der Sonne hunderte von Schwertern und Spießen, offenbar, um uns einen Entschluß, tapfern Widerstand zu bieten, anzudeuten. Hierauf eröffneten sie das Feuer von neuem gegen uns. Wir zogen uns hinter einige Sandhügel und einen Dattelwald zurück, hinter dem unser Chef zu bleiben gedachte, um zum Behuf einer regelmäßigen Belagerung die Ankunft des schweren Geschützes zu erwarten, als eine zufällige Entdeckung ihn bestimmte, seinen Entschluß zu ändern. Er hatte einige Stabsoffiziere beordert den in der Nähe liegenden Dattelwald zu recognosciren. Diese kamen ohne auf Hindernisse zu stoßen bis an den äußersten Rand desselben, und fanden einen großen Thurm. Einer von ihnen stieg mit dem Fernrohr in der Hand hinauf, in der Hoffnung im gegenüberstehenden Walde die Bewegungen der Feinde beobachten zu können, als er plötzlich eine kampfgerüstete Menge sich zum Angriff bereit halten sah. Es war fürchterlich erhaben, ihre schwarzen Gestalten in der verwandten Farbe ihrer eigenen Schatten und im Glanze ihrer Waffen zu erblicken, – einen ganzen Stamm, der den letzten verzweifelten Versuch der Rettung wagte, noch kräftig und auf den Tod gefaßt, – aber in wenig Minuten zu sterben verurtheilt; – ein Schicksal, das wir nun zu vollenden beeilt waren.

Unsere Feinde würden indeß ohne Zweifel noch einen glücklichen Angriff auf uns haben machen können. Um den erwähnten Dattelwald zu passiren, waren unsere Leute genöthigt, einzeln zu gehen, und sie würden, wären sie überfallen worden, nicht allein durch ihr schweres Gepäcke außer Stande gesetzt gewesen seyn Widerstand zu leisten, sondern wären auch auf ihrer Flucht über ungeheuere Baumstämme gefallen; wovon ein bedeutender Verlust die unausbleibliche Folge gewesen wäre. – Selbst noch in dem Moment als die Mannschaft Mann für Mann heraustrat, und sich in Glieder ordnete, würde ein Angriff entscheidende Folgen nach sich gezogen haben. Er unterblieb indessen, und wir rückten, ohne im geringsten belästigt zu werden, vor. Das 65te Regiment und die Truppen der Eingebornen bildeten das erste Treffen. Der Rest unserer Macht war in der Reserve aufgestellt. Nun drang eine Abtheilung unserer Scharfschützen in das Versteck der Feinde, und trieb sie hervor. Es war ein seltsamer Anblick – furchtbar aber zugleich comisch, – nicht weniger als tausend ihrer schwarzen, wilden Gestalten in einem verwirrten Schwarm herauftauchend, ihre Schlachtgesänge singend, und in den groteskesten Haltungen sich herumtummelnd. Sie schienen einen Augenblick über die Wahl des anzugreifenden Punctes unentschlossen, und warfen während der Zeit Steine in unsere Glieder. Um sie zu einer baldigen Entscheidung zu vermögen, gaben wir eine Ladung auf sie. Als sie anrückten warfen sie ohne zu fehlen ihre Speere, und wurden dann mit dem Schwerte in der Hand handgemein, indem sie mit einer fürchterlichen Geschwindigkeit nach allen Seiten tödliche Streiche austheilten. In einem Augenblick war das Regiment der Eingebornen zersprengt und aufgerieben. Dasselbe Schicksal würde das 65te Regiment gehabt haben, wenn nicht der commandirende Offizier im entscheidenden Augenblick die Geistesgegenwart besessen hätte, aus seinen Leuten drei Seiten eines langen Vierecks zu formiren. Diese Stellung setzte uns in den Stand von allen Seiten außer im Rücken, wo unsere Reserve stand, den Feind, ins Feuer zu nehmen, und verhinderte denselben sich in unsere Glieder zu stürzen. Sie mußten sich also zurückziehen, und die Eile ihrer Flucht war nun ebenso groß als ihr Angriff heftig gewesen war. Unser scharfes und gut unterhaltenes Feuer streckte sie zu hunderten zu Boden.

Diejenigen welche entkommen waren, warfen sich in den Hauptthurm, den Pallast des Scheikhs, welcher mit vieler Geschicklichkeit befestigt war. Wir richteten uns daher dorthin. Zugleich sahen wir einige Haufen auf Kameelen und Pferden über die Ebene flüchtender Wechabiten. Eine Ladung warf noch einige von ihnen nieder, der größte Theil aber entkam. Merkwürdig war die Starrköpfigkeit dieses Volks, welches, obgleich gedemüthigt, uns dennoch seinen Thurm zu öffnen verweigerte. Wir wurden genöthigt das Geschütz gegen denselben spielen zu lassen. Ich [304] erinnere mich noch eines alten, unter dem Portal sitzenden Weibes, welches bei jeder Ladung, die wir gaben, ihre Stelle verließ, und dann sich wieder niedersetzte. Ich fragte später nach dem Grunde dieses wahnsinnigen Benehmens, und erfuhr, daß alle ihre Kinder in dem Thurme gewesen seyen, und zwei ihrer Söhne tödliche Wunden empfangen hätten. Die arme Mutter wartete ängstlich auf den Augenblick, in welchem es ihr gestattet seyn würde in das Thor zu dringen. Endlich wehte als Zeichen der Uebergabe eine Fahne auf dem Thurme, an deren Stelle in kurzer Zeit die unsrige trat. Im Innern erwartete uns eine ergreifende Scene des Jammers. Ungefähr 150 Männer, Weiber und Kinder waren in einen kleinen Raum zusammengedrängt. Die meisten derselben waren schwer verwundet, einige lagen im Sterben, und das halbunterdrückte Aechzen, das laute Schreien der Kinder, die das Blut der Männer und Söhne mit ihren Kleidern stillenden Weiber, und das auf allen Seiten im herzzerschneidensten Tone der Resignation gemurmelte „Allah il Allah,“ war wahrhaft erschütternd. Unsere Wundärzte thaten alle mögliche diesen Unglücklichen Hülfe zu leisten.

Das merkwürdigste, was meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, waren die ungeheuern Vorräthe von Datteln, gedörrten Fischen und Caffee, welche ein Gemeingut des ganzen Stammes gewesen seyn müssen. Diese Thatsache lieferte den besten Beweis von der Ausdehnung des unter ihnen geschlossenen Bündnisses. Wir fanden nichts von Werth; unsere ganze Beute bestand aus Schwertern, Luntenschlössern, Mänteln, Speeren, Schilden u. s. w.

Am folgenden Tage waren wir begierig, das Schlachtfeld in Augenschein zu nehmen. Wir zählten gegen 500 Todte. Die meisten derselben waren Männer in der Blüthe der Jahre, von kräftigem und geschmeidigem Körperbau. Zwischen ihnen lagen ehrwürdige, patriarchalische Gestalten, schmächtige und glattwangige Knaben, und nicht wenig Weiber, die das Schicksal der Schlacht mit ihren Männern getheilt hatten. Einige fanden wir noch am Leben, aber rettungslos verloren. Wenn diese uns ansichtig wurden, schlossen sie die Augen, oder wenn sie uns eines Blickes würdigten, so war es ein Blick unbezwungener Rachlust. Sie nahmen von uns kein Wasser, ihren entsetzlichen Durst zu stillen, aber einem Araber schlugen sie es nicht ab, indem sie, sobald sie getrunken hatten, mit schwacher Stimme „Allah“ ausriefen. Bevor wir unsern Lagerplatz, auf welchem wir 10 Tage blieben, verließen, verbreitete sich der Geruch der Leichname in eine weite Ferne. Das Ekelhafte dieser Scene wurde noch vermehrt, wenn gegen Sonnenuntergang sich die Geier auf ihre Beute setzten. Mehr als einmal, wenn ich in der Nähe auf Posten stand, ergriff mich ein unwiderstehlicher Schauer, wenn ich durch die Stille des Abends ihren Flügelschlag über den Leichnamen oder ihre geschäftigen Schnäbel in Arbeit hörte.