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Die Nachtigall (Die Gartenlaube 1854)

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Die Nachtigall
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 138
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[138] Die Nachtigall besitzt eine große Selbstliebe und ist sehr eifersüchtig. Sie will sich nie von einem Nebenbuhler übertreffen lassen, und wenn man zwei Schläger zusammenbringt, so versuchen sie ihre Singkraft so lange an einander, bis sie heiser werden, ja zuweilen soll ihnen sogar ein Blutgefäß dabei springen und sie der Schlag rühren.

Goetze erzählt in seiner europäischen Fauna folgenden Fall: „Einer meiner Freunde in Braunschweig besaß einen der besten Schläger. Ein Jude, der den Gesang der Nachtigall mit großer Vollkommenheit nachahmte, ließ sich damals öffentlich hören. Der Besitzer des Schlägers forderte ihn auf, einmal mit diesem zu wetteifern und seine Kunst auszuüben, wenn die beste Singzeit des Vogels wäre. Der Jude that es; sobald er anfing, stimmte die Nachtigall ein, der Jude sang eine Note höher, die Nachtigall folgte, so steigerte er den Ton mehrere Mal und der Vogel suchte ihn immer zu übertreffen. Als ihm die Kraft hierzu versagte, und er fühlte, daß er besiegt war, schwieg er plötzlich still und sang nie mehr. In wenig Tagen war er vor Kummer gestorben.“

Sollten wir, wenn wir dies lesen, uns nicht dazu aufgefordert fühlen, nachsichtig zu werden, wenn wir von den Launen und Capricen der Sängerinnen hören? Die menschlichen Nachtigallen sind zu diesem als höher organisirte Wesen offenbar noch mehr berechtigt.

Höhnen und lachen wir daher nicht zu arg über die Theaterdirektoren, wenn diese sich die Kunst aneignen, mit Sängerinnen umzugehen und sie zu kirren!