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Die Mordgrube (Lübeck)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: K – l.
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Titel: Die Mordgrube
Untertitel:
aus: Neue Sagenbibliothek 15. Heft, S. 473-475
Herausgeber: Amalie Schoppe
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1833
Verlag: Meldan
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Erscheinungsort: [Hamburg]
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Originalherkunft:
Quelle: Seiten aus einem Exemplar des Museums für Hamburgische Geschichte auf Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Die Mordgrube zu Freiberg
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[473]
XLII.
Die Mordgrube.
Lübecker Volkssage.

Zwischen dem Lübeckschen Dorfe Slutup und dem Flecken Dassow stand ein nahe an den Tannenwald grenzendes Haus, die Tannenschenke. Hier soll sich die nachstehend mitgetheilte Begebenheit zugetragen haben.

     *     *     *

Im Jahre 1350 stand an bemeldetem Orte eine alte Schenke, wo an Sonn- und Feiertagen große Tanzgesellschaften in der nahe dabei stehenden Scheune gehalten wurden. Hier war es, wo die Lust alle ihre Zügel abwarf und man nichts erblickte, als das rohe Toben und die fessellose Freude der Tanzenden, denn wer eine sittigere Unterhaltung wünschte, der fand sich sicher in der Tannenschenke nicht zum Tanze ein.

Einst, da eben dieser Convent – wie man dies Gelage gern nannte – bei offenen Thüren begonnen hatte und ein Reihentanz im besten Gange war, ging ein katholischer Priester mit der Monstranz vorüber, um einem Kranken das heilige Viaticum zu bringen, wobei [474] der ihm nachfolgende Glöckner, wie es Gebrauch ist, durch das Klingen mit dem Glöcklein das Zeichen gab, daß der Leib des Herrn nahe. Bei solcher Gelegenheit war es Sitte, sich augenblicklich auf die Knie niederzulassen; allein kein einziger von den wilden Tänzern gab auf das Zeichen Acht, denn die Lust hatte dermaßen alle Gemüther in Anspruch genommen, daß man an gar nichts Anderes denken konnte.

Der Spielmann oder Fiedler, wie man ihn nannte, der den Fröhlichen zum Tanze aufspielte, hatte gar wohl den Klang des Glöckleins gehört, trotz des Drängens, Schreiens und Tobens um ihn her, und da er ein frommer Mann war, ließ er sich sofort auf seine Knie nieder und erwies dem heiligen Sacramente die ihm zukommende Ehre; aber sein gutes Beispiel fand bei keinem der Anwesenden Nachahmung, obgleich man sich, da man den Fiedler niederknieen sah, nicht mehr damit entschuldigen konnte, das Glöcklein überhört zu haben.

Kaum war der Priester mit dem Allerheiligsten vorüber; so verdunkelte sich der eben noch so heitre Himmel; der Donner rollte über den Häuptern der Schuldigen; Blitze durchkreuzten, feurigen Schwertern gleich, die plötzlich verfinsterte Luft; die Erde öffnete sich und verschlang die ganze Gesellschaft, bis auf den Fiedler, der auf eine kleine Anhöhe in der Angst seines Herzens geflüchtet war, und er war jetzt das einzige lebende Wesen an dieser wenige Augenblicke zuvor noch so belebten Stätte.

[475] Wenige Minuten nach diesem furchtbaren Ereignisse, stürzte auch das Dach des Gebäudes zusammen und erdrückte mit seinem Gewichte das Mauer- und Stenderwerk, so daß, so weit das Auge blickte, nichts als Trümmer und Zerstörung zu sehen war: von den wilden Tänzern auch nicht die geringste Spur mehr!

So viele Mühe man sich auch in der Folge gegeben haben will, den Schutt von der Stelle hinwegzuräumen und die Erde aufzugraben, um die verschütteten, von dem Erdsturze bedeckten und getödteten Tänzer wieder hervorziehen und ihnen ein Begräbniß an geweiheter Stätte verschaffen zu können; so war doch dieses Beginnen immer fruchtlos. Was man an dem einen Tage mit großer Mühe und Anstrengung ausgegraben hatte, fand man am folgenden Morgen wieder verschüttet, so daß man endlich das vergebliche Beginnen gänzlich aufgab.

Noch jetzt zeigt man denn in jener Gegend die Stelle, wo die Tannenschenke um das Jahr 1350 stand, und, wie behauptet wird, will kein Gewächs darauf fortkommen: dem Auge zeigt sich ein nackter, öder, aller Vegetation beraubter Fleck, den man noch heutigen Tages „die alte Mordgrube“ nennt.

K – l.     

Anmerkungen (Wikisource)

Kommentar siehe Die alte Mordkuhle.