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Die Münchner Frauenarbeitsschule

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Br.
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Titel: Die Münchner Frauenarbeitsschule
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 647–648
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[647] Die Münchner Frauenarbeitsschule. Unter den vielen Bildungsanstalten der bayerischen Hauptstadt nimmt diese 1873 von dem „Verein für Volksbildung“ gegründete und seither stets erweiterte Schule einen hohen Rang ein; denn hier wird schon lange in That umgesetzt, was sich neuerdings durch die Frauenbewegung immer mehr als Bedürfnis herausstellt: die Erziehung zum ganz gründlichen Können, zur vollkommenen Bewältigung eines ganzen Arbeitsgebietes. Was früher der unablässige Hausfleiß sich allmählich erwarb, das muß heute eine systematische Schulung ersetzen, damit auf dem natürlichsten und größten weiblichen Arbeitsfelde wieder die sichere Praxis und Gewandtheit erworben werde, ohne welche keine gute berufsmäßige Leistung möglich ist. Da nun weitaus die meisten arbeitsuchenden Mädchen sich doch immer der wirtschaftlichen Thätigkeit widmen müssen, so erhellt ohne weiteres, wie wünschenswert es wäre, in jeder größeren Stadt eine Schule nach Art der Münchner Anstalt zu besitzen.

Im Erdgeschoß des großräumigen schönen Gebäudes am Anger befindet sich eine große saubere Wäscheküche mit prachtvollen Kesseln und Bütten. Hier wird die gesamte Feinwäsche gelehrt; nebenan ist der [648] Bügelraum mit den großen Rahmen und Kissen zum Spannen und Nadeln, die Glanzplätten etc., alles in schönster Ordnung und Vollkommenheit. In den obern Stockwerken folgen die Nähsäle, in denen zuerst alle Art von Handnähen der Leibwäsche, Flicken und Stopfen erlernt werden muß, ehe das Maschinennähen an die Reihe kommt. Gründlichste Unterweisung im Maßnehmen und Musterzeichnen begleitet diesen Unterricht; die Lehrerinnen kommen sämtlich aus der Praxis und bleiben in Verbindung mit dem Geschäftsleben. Was hier an schöner und zweckmäßiger Ausführung der schwierigsten Arbeiten geleistet wird, das erregt jeweils bei den Schulausstellungen die einstimmige Bewunderung der Münchner Frauenwelt: man sieht bei solchen Gelegenheiten, welcher erstaunlichen Vielseitigkeit unsere einfache Hausfreundin, die Nähmaschine, fähig ist! Eine eigene große Abteilung bilden dann die Schneidersäle. Auch hier führt der Unterricht, wie beim Weißnähen, von Stufe zu Stufe, vom einfachen Schnür- und Knopfloch bis zum kunstgerechten Volant und Plissé, dann folgt ein langer praktischer Kurs im Schnittzeichnen, Maßnehmen und Kleidermachen, bis zur vollen Freiheit und eigenen Erwerbsfähigkeit. Den halbtägigen Putzmacherinkurs leitet eine praktische Modistin, welche stets nebenbei für Kunden arbeitet und, wie die Schneiderlehrerin, sich alljährlich ihre Modelle aus Paris oder Berlin holt. Hierdurch ist die Schule vor dem Veralten geschützt. In anderen Sälen giebt es Strick- und Häkelarbeit, sowie wundervolle Kunststickereien, in eigenen Nachmittagskursen Freihand- und Ornamentzeichnen, beides nach den Prinzipien der Kunstgewerbeschule und im Anschluß an dieselbe gelehrt. Das Verdienst der vortrefflichen Organisation der Arbeitsschule gebührt dem derzeitigen Direktor Kriegbaum, der sie in langjähriger Thätigkeit zu so hoher Stufe emporgebracht hat. Er gründete auch die Schulsparkasse, wo die kleinen Pfennigeinlagen im Lauf einiger Jahre sich zum Kapital für den Ankauf einer Nähmaschine sammeln, welche dann die Schülerin beim Austritt als Basis ihres Erwerbes mitbekommt. So ist diese Frauenarbeitsschule zur Musteranstalt geworden und kann mit ihren Einrichtungen und Leistungen überall dort, wo man Aehnliches anstrebt, als Vorbild dienen. Br.