Die Märchenerzählerin
[372] Die Märchenerzählerin (Abbildung S. 361). Wir geben heute unseren Lesern das fünfte Bild von dem Münchener Künstler Julius Adam (nicht zu verwechseln mit dem bekannten Lithographen dieses Namens, der 1874 gestorben ist). Im Jahrgang 1875 brachten wir seine „Münchener Charakterköpfe“ und „Musikalische Studienköpfe“, im Jahrgang 1877 „Zillerthaler und Zillerthalerin“. Vier Jahre später (Jahrgang 1881) überraschte er uns mit seinem prächtigen „Pfingstreigen“, in welchem er uns das an Freuden so reiche Frühlingsvolksleben in Flur und Wald zeigt, zu welchem die Zeitgenossen Faust’s „aus der Gassen quetschender Enge“ herausströmen. Auch unser heutiges Bild führt uns zu einer Frühlingsfestfreude, nur daß nicht ein Stück Volk, sondern ein Stück Familie daran Theil nimmt. Die Großmutter hat sich ihren Ruhesessel in den Garten hinterm Hause tragen lassen, und da sitzt sie nun, von den Enkeln und anderen Kindern umringt, und erzählt. Die Großmutter erzählt! Das ist die Seligkeit der kleinen Herzen. Die Großmutter mag erzählen was sie will, es ist Alles herrlich – die Großmutter erzählt’s ja. Es muß etwas Gruseliges sein, das sie eben ausmalt; denn die Gesichter der gespannt Horchenden werden so ernsthaft. Nur das Mädel auf der Schwester Arm, der Bub’ im Korbwagen und der Spitz im Grase machen sich nichts daraus und freuen sich auf eigene Faust. Dem Bilde schadet das aber durchaus nichts, wie wir sehen.