Die Liebende in dem Flusse Silemnus
[216]
Die Liebende in dem Flusse Silemnus.[1]
Ha! wie ist mir? bin ich neu geboren?
Welche selige Verwandelung!
Hat sich wirklich meine Qual verloren,
Oder täuscht mich die Erinnerung?
Sanfter fühl’ ich meines Herzens Schlag,
Seit mir Kühlung diese Wellen geben,
Süße Kühlung, nach dem schwülen Tag.
Wie? ο Liebe! fühl’ ich nicht mehr deine
[217]
Ja, zurückgegeben ist mir meine
Würde, Selbstheit und Beruhigung.
Schnell entthronet wurde der Besieger
Meines Herzens; ach, ich sah’ in ihm
Und schwur ewig – ewig ihn zu fliehn!
Dort, wo ihm das reinste Feuer brannte,
Auf des Herzens heiligem Altar,
Wann ich weinend den Geliebten nannte.
Dort verlöscht’ im kühlen Wunderbade
Des Silemnus, jenes Zauberbild,
Welches noch am blühenden Gestade
Seines Flusses, dieses Herz erfüllt.
Mehr als Leben gabst du mir zurück.
Denn in deiner sanften Silberwelle
Find’ ich wieder, mein verlornes Glück.
[218]
Das Idol der Lieb’ ist hingeschwunden:
Der sich treulos, selbst von dem entbunden,
Wovon Liebe nie entbinden kann.
Und im sanften Kräuseln deiner Fluten,
Fühl’ ich, Liebe, mich von dir geheilt.
Wird dies Herz, das fröhlich dir enteilt.
Nein! nie wird mich Eros mehr bethören!
O, jetzt lach’ ich seiner Tyranney.
Keine Thräne wein’ ich mehr Cytheren,
- ↑ Ein Bad in dem Flusse Silemnus wirkte Vergessenheit der Liebe und des Geliebten.