Die Krätzmilbe und die Krätze
Die Schmarotzer des Menschen.
Am Menschen zehren, wie in Nr. 1. dieses Jahrganges der Gartenlaube erzählt wurde, sowohl Thiere wie Pflanzen, bei seinem Leben, wie nach seinem Tode herum. Leider wird aber den thierischen und pflanzlichen Leichenverzehrern, ebenso wie den Zerstörungsprozessen in unserm todten Körper (der Fäulniß, Verwesung und Vermoderung), in Folge der Einsargung der Leichen ihr Geschäft nicht so leicht gemacht, wie es eigentlich, den Naturgesetzen nach, sein müßte, um unsere Körperbestandtheile, die ja doch wieder in Pflanzen und Thiere übergehen sollen, so bald als möglich zum Nutzen unserer Mitmenschen und Nachkommen verwenden zu können. So lange nun die Verbrennung der Leichen, denn es ist dies die allerschnellste Art der Nutzbarmachung des todten Menschenkörpers (s. Gartenlaube 1856 Nr. 49.), noch nicht eingeführt ist, empfiehlt der Verf. Särge von weitem Korbgeflechte, die nicht nur billiger, sondern auch freundlicher und zweckdienlicher als unsere jetzigen Särge sind, weil sie der Zerstörung bessern Eingang verschaffen, ja auch denen, die Furcht vor Scheintod haben, insofern Beruhigung gewähren können, als die durch die Sarglücken fallende Erde eine schnelle Erstickung veranlaßt. – Doch zurück zu den Schmarotzern des (lebenden) Menschen.
I. Von thierischen Parasiten (Ento- und Epizoen) trifft man beim Menschen theils Infusorien, theils Würmer und Insekten. Manche dieser Schmarotzer finden sich auch bei diesem oder jenem Säugethiere, andere sind aber dem Menschen ganz eigenthümlich. – 1) Die Infusorien-Parasiten, welche zu den kleinsten und niedrigsten thierischen Organismen gehören und ganz einfache häutige oder gallertartige Gebilde darstellen, erzeugen sich hauptsächlich da, wo thierische Substanzen faulen, wie in Geschwüren, in und zwischen den Zähnen (die Zahnthierchen). – 2) Die schmarotzenden Würmer oder Helminthen, welche ebenfalls eine ziemlich unvollkommene Organisation besitzen, denn es fehlt ihnen ein besonderes Athmungsorgan, ebenso der Geruchs-, Gesichts- und Gehörsinn, haben ihren Wohnsitz nur im Innern des Körpers (sind also Entozoen „Enthelminthen oder Eingeweidewürmer“) und werden ihrer Gestalt nach in Plattwürmer und Rund- oder Fadenwürmer (Nematoden) unterschieden; die ersteren kommen entweder vereinzelt oder in Kolonien vor. Plattwürmerkolonien (Cestoden) sind die im Dünndarme sich aufhaltenden Bandwürmer; von den isolirt lebenden Plattwürmern oder Egelwürmern (Trematoden) findet sich im Menschen am häufigsten der Leberegel. Zu den Rund- oder Fadenwürmern (d. s. spindel-, faden- oder spulförmige, meist geringelte, langgestreckte, elastische Würmer, männlichen und weiblichen Geschlechts), welche theils im Darmkanale, theils im Fleische, Blute oder andern Organen (Nieren, Lungen, Zellgewebe) leben, gehören: der Spulwurm (im Dünndarme), der Spring-, Maden- oder Mastdarmwurm (Askaride, im Mastdarme), der Peitschenwurm oder Haarkopf (im Blind- und Grimmdarme), [55] das Ankylostoma (im obern Dünndarme; bis jetzt nur in Egypten beobachtet), der Pallisadenwurm (in der Niere), der spiralige Haarwurm (im Fleische), der Guineawurm (unter der Haut, besonders der Beine; in den Tropenländern). Merkwürdig sind dann noch die mit einem Bandwurmkopfe versehenen und in den verschiedensten Organen vorkommenden Blasenwürmer (der Finnen- oder Blasenschwanzwurm und der Hülfenwurm), welche nichts anderes als auf der Wanderung begriffene, aus dem Darmkanal verirrte, und nicht zum Bandwurm ausgebildete Bandwurmlarven sind, die sich dann noch mit einer Blase umhüllen. – 3) Die parasitischen Schmarotzerthiere der Haut (also Epizoen) sind entweder Milben, wie die Krätz- und Haarsackmilbe (manchmal noch die Räudemilbe des Pferdes, die Vogelmilbe und der Holzbock) oder gehören zu der Klasse der Insekten und zwar der Ohnflügler, wie die Läuse, Flöhe und Wanzen.
II. Die pflanzlichen Parasiten (Ento- und Epiphyten), welche in und auf dem menschlichen Körper wuchern, gehören alle den Kryptogamen (blüthen- und samenlosen, Keimkorn- oder Sporenpflanzen), und zwar entweder den Algen oder den Pilzen (Champignons) an; die ersteren trifft man mehr im Innern, die letzteren am Aeußern des Körpers. Sie sind Pflanzen der niedrigsten Entwickelungsstufe, die sich entweder blos als einfache, runde oder ovale Bläschen (Zellen) darstellen, oder als solche mit bläschenartigen Sprossen versehen sind, oder sich als aus aneinander gereihten Zellen bestehende, fadenförmige und verästelte Gebilde zeigen; nur die Algen enthalten eine farbige Substanz. Die Schmarotzerpflanzen, welche zum größten Theile, wenn nicht alle, Gärungsprodukte zu sein scheinen, erzeugen sich stets aus Keimen, die von außen, durch Luft, Speisen und Getränke, in den Körper gebracht werden, und zwar vorzugsweise in gährenden und faulenden eiweißhaltigen Flüssigkeiten, besonders auf der Haut und Schleimhaut, sowie in Flüssigkeiten. – Die häufigsten und wichtigsten Schmarotzerpflanzen sind die Schimmelpilze der Haut, welche im Kopfgrinde, in den Pusteln der Bartfinne, beim Kahlgrinde und Weichselzopfe, sowie in den Schuppen gewisser Leberflecke beobachtet wurden. Auch in den Schwämmchen (Aphthen), die besonders bei kleinen Kindern im Munde angetroffen werden, findet sich als mikroskopischer Bestandtheil ein eigenthümlicher Pilz. – Schmarotzenden Algen (Hefenpilzen, Sarcine) begegnet man am öftersten im Verdauungsapparate, in der Mundhöhle, im Magen und Darmkanale.
ist die Ursache desjenigen Hautausschlages, welchen man die Krätze (echte Krätze, Milbenkrätze) nennt, eines Ausschlages, der natürlich ansteckend sein muß, weil recht leicht die Milbe von einem Menschen auf den andern übertragen werden kann. – Die Krätzmilbe acarus scabbiei, sarcoptes hominis), welche schon im Jahre 1197 Ebn Zohr erwähnt und in Corsika seit alten Zeiten vom gemeinen Manne mit einer Nadel aus der Haut gezogen wird, ist ein Hautschmarotzer des Menschen, der zu den spinnenartigen Thieren (Arachniden) gehört, etwa 1/5‴ lang und ungefähr 1/7‴ breit ist, mit bloßem Auge als ein kleiner, weißlicher Punkt erscheint, unter dem Mikroskope aber sich fast wie ein kleines, vorn und hinten eingekerbtes Schildkrötchen mit Haaren und Borsten darstellt. Der röthliche, mit 8 feinen Härchen (a. b.) und mit 2 seitlichen blasigen Erweiterungen versehene Kopf dieses Thierchens, welcher mit dem Körper zu einem Stücke verschmolzen und nur wenig einziehbar ist, enthält die Freßwerkzeuge (c), bestehend aus zwei klappenförmigen Oberlippen, die fest mit den leicht gezähnten Oberkiefern verwachsen sind, und aus den beiden, in horizontaler Richtung sägenden Unterkiefern mit den unbeweglichen Unterlippen; Augen fehlen. Der Rumpf ist an seiner Unterfläche flach, an der obern Fläche gewölbt; der Rücken ist runzlig, vorn und in der Mitte mit zahlreichen beweglichen, warzenförmigen Erhabenheiten und einigen dünnen langen Härchen, hinten und seitlich mit langen stachelartigen Fortsätzen (20 Stück) besetzt. Zu beiden Seiten des mit dem Hinterleibe zu einem kugelichen Ganzen verschmolzenen Bruststücks liegen die vier nach vorn gerichteten, gegliederten und mit feinen Härchen besetzten Vorderbeine (f. g.) am Rande der untern Fläche des Rumpfes dicht hinter einander und hinter dem Kopfe; sie endigen mit einer napfförmigen Haftscheibe (d. e.). An der Unterseite des Hinterleibes befinden sich die vier, nach hinten gerichteten, kürzeren und zarteren Hinterbeine, welche an ihrem Ende eine lange, starke Borste tragen. Im Innern der Milbe finden sich Speiseröhre, Magen, Darm, Luftsack und Genitalien; Nerven- und Blutcirculations-Systeme fehlen. Die männliche Krätzmilbe, die sich nur wenig von der weiblichen unterscheidet, im Ganzen weit seltener als diese ist und eine kürzere Lebensdauer (von etwa sechs Wochen) hat, ist nur etwa 1/2 mal so groß als das Weibchen, welches bei einer Lebensdauer von 3 bis 4 Monaten bis über 50 Eier legt, aber immer nur eins auf einmal (das fast ein Drittel des ganzen Thierchens mißt). Im gelegten, zahllose Körnchen enthaltenden Eie entwickelt sich binnen wenig Tagen die junge Milbe, welche nach 8 bis 10 Tagen als Milbenlarve hervorschlüpft, und sich dadurch von der ausgewachsenen Milbe unterscheidet, daß sie blos 1/14‴ lang ist und nur sechs Beine besitzt, denn von den Hinterbeinen existiren nur zwei Stück. Nach etwa 8 Tagen streift die junge Milbe die Haut ab und kriecht nun aus ihrer Hülse als vollkommene, achtbeinige Milbe hervor, häutet sich aber nach dieser Zeit noch zu wiederholten Malen.
Die beschriebene Milbe ist stets nur in der Haut des Menschen zu entdecken und lebt von den Säften unter der Oberhaut, in welche sie sich zu diesem Zwecke einbohrt. Das Männchen und die Larve bohren sich nur einen kurzen Gang, das Weibchen dagegen einen langen und füllt denselben mit Eiern aus. Am liebsten wählt sich die Milbe zum Einbohren bestimmte weiche und warme Hautstellen, vorzugsweise die Außenseite der Hand, besonders zwischen den Fingern, die Unterfläche des Handgelenkes, die Achselhöhle, die Knie- und Ellenbogenbeuge u. s. w.; sie kann aber auch an allen andern Theilen des Körpers nisten. Da die Milbe in der Wärme lebhafter, in der Kälte starr wird, so liebt sie die kühlern Stellen des Körpers nicht, wandert hauptsächlich in der Nacht und im warmen Bette umher und veranlaßt bei Kälte weniger Beschwerden (lästiges Jucken). Das Einbohren in die hornige Oberhautschicht, wozu die Milbe etwa 10–20 Minuten nöthig hat, bewerkstelligt sie in fast senkrechter Richtung, indem sie sich dabei auf die Vorderfüße stellt und den Leib mit ihren langen Hinterborsten stützt. Ist sie unter die Hornschicht gelangt, dann geht es schneller mit dem Bohren, das Hintertheil des Thieres senkt sich und die Milbe dringt in einem schräg gebohrten Gange gegen die eigentliche oder Lederhaut vor, aber nie in diese letztere ein. Die feinen, unter der Oberhaut hingehenden, weiß geschlängelten Milbengänge von Linien- bis Zolllänge, die anfangs als erhabene [56] und weißlich gefärbte und punktirte Linien (durch Luftlöcher, Eier oder Milbenkoth), später schmutzig, schwärzlich und zum Theil durch Kratzen aufgerissen erscheinen, lassen an ihrem blinden Ende die Milbe als rundliche, etwas dunkler gefärbte, grauweißliche Anschwellung sehen. Sticht man hier mit einer Nadelspitze ein und führt diese unter die Anschwellung, so kann man die Milbe leicht herausheben. – Die Uebertragung der Krätzmilbe von einem Menschen auf den andern (also die Ansteckung) geschieht in der Regel und am häufigsten durch Zusammenschlafen mit Krätzkranken, oder durch Schlafen in den kurz vorher von diesen verlassenen Betten, oder durch Benutzung und Bearbeitung von Kleidungsstücken, in denen Milben haften, wohl nie aber durch Händedruck von Krätzkranken. In manchen Wohnungen (Wirthshäusern, Schlafstellen, Kasernen, Gefängnissen) scheint sich die Milbe förmlich einzunisten, und in manchen Gegenden (Norwegen, Alpenhütten, Corsica) ist die Krätze bei bestimmten Volksklassen ein völlig einheimisches Uebel, dem fast keiner entgeht; Unreinlichkeit und Mangel der Hautpflege begünstigt natürlich ihr Entstehen.
Den Krätzausschlag erzeugt die Krätzmilbe dadurch, daß sie nach ihrer Einbohrung die benachbarten Nerven der Haut reizt, Jucken und Beißen (besonders bei warmer Haut sehr lästig) erregt und hierdurch, sowie durch das dem Jucken folgende Reiben und Kratzen, einzelne Hautdrüschen in Entzündung versetzt. Diese Entzündung mit ihrer Ausschwitzung veranlaßt entweder kleine rothe Knötchen, oder kleine, mit einem blaß- und hochrothen Saume umgebene, kegelförmig zugespitzte oder halbkuglige, mit klarer Lymphe gefüllte Bläschen, oder auch mit Eiter erfüllte Pusteln. Zwischen diesem knötchen-, bläschen- oder pustelartigen Krätzausschlage sind dann noch die Milbengänge, sowie vom Kratzen herrührende Striemen, Furchen und Abschorfungen zu bemerken. Die einzeln stehenden Krätzbläschen und Knötchen schuppen sich entweder, nachdem sie aufgekratzt sind, ganz trocken ab, indem sie sich mit kleinen schwarzen, aus geronnenem Blute entstehenden Schorfen bedecken (d. i. die trockne Krätze), oder sie ergießen eine Feuchtigkeit und überdecken sich mit Borken (d. i. die feuchte Krätze), oder sie hinterlassen als Folge des Kratzens Geschwüre, sowie flechtenartige Hautausschläge. Natürlich ist der Kratzausschlag nur dadurch als solcher zu erkennen, daß man die Krätzmilbe findet.
Die Krätze heilt nie von selbst; sie ist zwar an sich eine gefahrlose Krankheit und wird, wenn sie nicht veraltet, leicht geheilt, kann aber auch bei längerer Dauer in Folge der chronischen Störung der Hautthätigkeit, sowie in Folge der durch das Jucken unterhaltenen Nervenreizung und Schlaflosigkeit eine solche Verschlechterung der Haut und des ganzen Ernährungszustandes bedingen, daß ein Allgemeinleiden (Krätz-Dyskrasie und Kachexie) entsteht. – Man kann sich vor der Krätze dadurch schützen, daß man auf Reisen schmutzige Betten, das Zusammenschlafen mit fremden Personen, das Berühren alter Kleider und das Handthieren mit verdächtigen Gegenständen u. s. w. vermeidet, und daß man, wo dies nicht zu vermeiden ist, sich fleißig mit starkriechenden Dingen (Terpentinöl, Kampher etc.) und scharfer Seife (Lauge) wäscht. Die Kleidungsstücke der Krätzkranken sind entweder zu zerstören, oder im Backofen zu dörren, mit starkriechenden Dingen einzureiben und tüchtig (mit Lauge, Soda) auszuwaschen. – Die Behandlung der Krätze erfordert natürlich die Vertilgung der Krätzmilben und ihrer Brut, was am besten durch Schwefel, als das dem menschlichen Organismus unfeindlichste Mittel geschieht, sowie die Zerstörung der Milbengänge, wozu theils mechanische Mittel (Aufreiben mittels Sand, grober Kreide, Bimsteinpulver oder -Seife), theils chemische, die Oberhaut schmelzende (ätzende Alkalien, scharfe Kali- oder Natronseifen, besonders die Schmierseife), dienen. Man reibe zu diesem Zwecke täglich mehrere Male tüchtig in sämmtliche befallene Hautstellen eine Salbe aus folgenden Substanzen ein: aus 3 Theilen rohem Schwefelpulver, 3 Theer, ä Kreide, 6 Hausseife und 6 Schweinefett; nach der Einreibung bleibe Patient eine Zeit lang in Wolldecken eingehüllt und nehme schließlich ein Bad. Als Nachkur sind noch Seifenbäder empfehlenswerth; übrigens vergehen nach Entfernung der Milben die Ausschläge ganz von selbst. Was es mit dem Zurücktreten, Versetzen und In-den Körper-Hineintreiben der Krätze für Bewandtniß haben muß, kann sich jeder Vernünftige selbst sagen.
Wie sieht es denn nun mit der homöopathischen Behandlung der Krätze aus? Schlecht! wie in allen den Fällen, wo durch Mittel wirklich ein Erfolg erzielt werden soll. Orthodoxe Hahnemannianer, welche die Krätze noch für eine allgemeine innere Krankheit halten, behandeln dieselbe natürlich auch mit innern Mitteln (Schwefel, Merkur), heilen sie aber niemals. Die Bastard-Homöopathen wenden dagegen dieselben örtlichen Mittel an, wie die nichthomöopathischen Aerzte; einige derselben behaupten aber, wahrscheinlich um ihr homöopathisches Gewissen zu beruhigen, daß nach Tödtung der Milbe erst durch den inneren Gebrauch des Schwefels die Knötchen, Bläschen und Pusteln (die nämlich ganz von selbst verschwinden) zur vollkommenen Heilung gebracht werden könnten. Nach Hahnemann ist verborgene Krätze die Ursache von wenigstens 7 Achteln der langwierigen (chronischen) Krankheiten und diese können deshalb nur mit Antikrätzmitteln kurirt werden. Solche Mittel sollten nun natürlich nach homöopathischen Grundsätzen auch eine der Krätze ähnliche Krankheit (oder vielmehr Symptomenreihe) hervorbringen, sie thun es aber nicht. Allerdings will ein Homöopath, Herr Attomyr, mittels eingegebener Lymphe aus Krätzbläschen, welche ein besonders kräftiges Gegenkrätzmittel sein soll, zwar keine Milben, aber Läuse erzeugt haben, doch wollen dies Einige, merkwürdiger Weise, nicht recht glauben. Was es doch für ungläubige Menschen gibt!