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Die Kinder Karls I. in England (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Die Kinder Karls I. in England
Untertitel: Von van Dyk / Van Dyk in London
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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[Ξ]

Charles.     James.     Henrietta.
The Children of Charles I.     Die Kinder Karl I.

[102]
Die Kinder Karls I. in England.
Von van Dyk.

Van Dyk in London.

Anton van Dyk, der Fürst aller Portraitmaler, befand sich, vom Könige Karl I. berufen, in London und in der herrlichen Sommerwohnung, welche er der Munificenz seines erlauchten Gönners dankte.

Es war in den Abendstunden. Den Maler sehen wir in einem weiten, aufs prächtigste und geschmackvollste geschmückten Saale. Van Dyk, ein schlanker, schöner Mann, ist noch jung, noch nicht an der Mitte der dreißiger Jahre; dennoch besitzen seine Wangen keine Blüthenfrische mehr; sein ausdrucksvolles, großes Auge blickt heiß und matt und die Stirn ist düster gefaltet.

Van Dyks Anzug war bequem, reich, aber sehr nachlässig angelegt; sein schönes Haar war ungeordnet.

Der ganze Ausdruck dieses edlen Kopfes, dieser schönen Gestalt war melancholisch niedergeschlagen; der Meister schien mit sich und der Welt höchst unzufrieden, er hatte das Ansehen, als sei er mit seinem eignen Innern und mit seiner ganzen Umgebung vollständig zerfallen. Ihn schien das Leben, welches dem Auserwählten mit Tausenden von Reizen geschmückt, lockend anlächelte, mit Widerwillen zu erfüllen.

Das machte, Anton van Dyk, der leidenschaftliche Künstler mit dem glühenden, romantischen Innern, war übersättigt.

Unzufrieden, fast gramvoll streckte er sich auf den Kissen seines Ruhebettes aus und maß zwei Herren, welche neben demselben standen, mit finsteren Blicken.

Diese Männer waren Digby, der genaue Freund des Malers und sein Gönner, der Herzog von Buckingham. Digby war ein blasser, hoher, ernster Mann, nur wenig älter, als van Dyk, er war in dunkelfarbigem Kleide und erschien eben so einfach als edel. Der Herzog von Buckingham war so glänzend angezogen, als sollte er unmittelbar darauf das Parquet der königlichen Prachtzimmer betreten. Buckingham war ein ältlicher Herr von aristokratischer Haltung mit stolzen, fast herrischen Manieren.

– Ich lade Euch, Meister van Dyk, sagte der Herzog, fast heftig die Hand bewegend, in welcher er seinen, mit weißen Federn gezierten Hut hielt, feierlichst nach Whitehall zum König Karl ein. Er läßt Euch durch mich seines ausgezeichneten Wohlwollens versichern und bittet Euch, überzeugt zu sein, daß nichts diese gnädigen Gesinnungen ändern könne . . .

[103] – Sehr wohl! erwiderte van Dyk übellaunig. Ich kenne diese Gesinnungen der Engländer nur zu wohl. Ich hätte eigentlich nie vergessen sollen, wie man mich hier in London zum ersten Male empfing, dann würde ich neue Kränkungen nicht zu beklagen haben. Ich mag nichts sehen, nichts hören, edler Herzog, es ist mir Alles zuwider; England und die Engländer besonders, und König Karl und sein Hof am allermeisten. Ich werde nach Antwerpen reisen, um mich dort wenigstens ruhig zu Tode langweilen zu können.

– Aber was verlangt Ihr denn, Meister? rief Buckingham heftig. Worüber beklagt Ihr Euch? Karl I. hat Euch, wie Ihr es verdient, mit Ehren überhäuft, dort liegt sein diamantengefaßtes Bildniß, welches er Euch schenkte; Ihr seid Ritter unsers besten Ordens, des Ordens vom Bade; über englische Knauserigkeit dürft Ihr doch wahrhaftig auch nicht jammern, denk ich!

– Nur nicht so ruhmredig! rief van Dyk sich rasch aufrichtend. Ich habe England mit den Werken meiner Hand einen ewigen Schatz überliefert; die Gemälde, welche ich hier schuf, zählen nach Hunderten. Ich habe, um kein Geschenk, sondern verdiente Belohnung empfangen zu haben, mich überarbeitet, bin elend, erschöpft geworden, mein Herzog von Buckingham . . . und doch konnte mich König Karl, als ich vor drei Wochen um Privat-Audienz ersuchte, mich unter nichtigem Vorwande abweisen, mir sagen lassen, mir, ich möge am andern Tage kommen, gleich als sei ich sein Diener und kein freier Künstler, der alle Könige der Welt entbehren kann . . .

– Mein Freund, rief jetzt Digby, jetzt, wo die republikanischen Puritaner, diese Rundköpfe, an dem Throne des Königs rütteln, wo die Gährung der Gemüther die unausgesetzteste Wachsamkeit des Königs erheischt, wo die Schotten sich zum Aufstande fertig machen, da solltest Du wohl entschuldigen, wenn das Wohl eines ganzen Reichs Deinen Angelegenheiten vorausgestellt wurde.

– Der König war krank und leidend; versicherte Buckingham. Und in Wahrheit weiß Euer großer Freund, Digby, sehr wohl, daß er sich über Niemand in der Welt, als über sich selbst beklagen kann. Er ist die einzige Ursache seiner häßlichen Laune, die ihm All’ und Jedes in den widerwärtigsten Farben zeigt . . .

– Ja, flüsterte van Dyk, wieder seine matte Haltung annehmend, ich sehe nur contrastirende Tinten . . . Grün und Hellroth, Hellblau und Grau, Schwarz und Braun . . .

– Gut, van Dyk! rief Buckingham. Ich freue mich, Sir, daß wir, Digby und ich, Euch auf unsern Punkt gebracht haben. Wir wollen gestehen, daß wir nur kamen, um Euch beichten zu lassen.

Van Dyk schüttelte fast betrübt den Kopf.

– Ja, Anton; sagte Digby, fast zärtlich van Dyks zarte Künstler-Hand ergreifend und sie kräftig schüttelnd. Der Herr Herzog sagt die Wahrheit. Wir sehen Dich, wie Du nur noch matt mit dem Strudel ringst, in welchen Du Dich stürztest, in diesen Schwall von Vergnügungen und sinnlichen Genüssen, in welchem Du sicherlich untergehen wirst, wenn Du Dich nicht energisch und auf der Stelle aufrichtest.

– Ah, meine Freunde, rief van Dyk, dessen gewöhnliche weichmüthige Stimmung wiederkehrte, laßt mich, laßt mich doch. Ich hab’ Alles satt, ich bin müde zu leben.

– Gott bewahre, Meister, lachte Buckingham, Ihr werdet erst zu leben beginnen, denn beim heiligen Kreuz, wir haben nichts Anderes im Sinne, als Euch zu – verheirathen. Euer [104] Harem, Eure Mädchen, die Euch Modell stehen, schafft vor allen Dingen ab, höret auf, ferner durch schwelgerische Feste Euch zu entnerven, und Euer Vermögen, Eure Kräfte und Eure Gesundheit und mit dieser Euer – Genie zu verschleudern und zu verschwenden . . . und der erste Schritt ist auf der Bahn gethan, die wir Euch führen möchten.

– Du hast neuen Lebensmuth nöthig, Freund, fuhr Digby fort. Du fühlst selbst, daß es vergebens ist, Dich durch Prunk und Ausschweifungen zu betäuben. Noch lebt das heilige Feuer der Kunst ungeschwächt in Deinem Busen; der Beweis ist, daß Du Dich ungeachtet Deiner Genüsse elend fühlst, weil Du, – Gott weiß in wie langer Zeit – keine Palette und keinen Pinsel in die Hand nahmst.

Van Dyk ward wieder finster.

– Bin ich denn ein Knabe? fragte er. Wer sagt Euch, daß Ihr mir Etwas bieten könnt, was ich nicht allein finde? Wer macht Euch so sicher, daß Eure Schätze für mich Werth haben, daß sie wohl gar noch die meinigen an Werth übertreffen?

– Der Herzog von Buckingham griff in die Seitenbauschen seines Kleides und zog ein handgroßes, kostbar gefaßtes Medaillon aus dem Busen.

– Betrachtet dies Bildniß, Meister! sagte er sanft aber siegreich lächelnd. Dann reden wir weiter. Das Gemälde ist freilich von keinem van Dyk; aber eine Göttin hat zu große Schönheit, als daß selbst einem ungeübten Pinsel alle ihre Reize entschlüpfen könnten.

Der Maler bemächtigte sich des Medaillons und betrachtete dasselbe sehr aufmerksam. Bald aber glühte das vorhin fast erloschene Feuer in seinem Auge wieder auf; er faßte das Bildniß fester; seine Wangen rötheten sich und er fing an, unwillkürlich zwischen den Zähnen zu murmeln. Er war in die Betrachtung des Bildes so vertieft, daß er die Anwesenheit seiner Freunde völlig vergessen zu haben schien.

Digby berührte seine Schulter sanft mit der Hand.

– Wen, fragte der Maler, wie aus einem Traume erwachend, wen, meine Freunde, stellt dies Portrait dar? Ach, als ich einst das Fräulein van Malader[1] erblickte, da glaubte auch ich an Schönheit in der Wirklichkeit; seitdem meinte ich, daß sie nur in den Köpfen träumerischer Maler lebte . . . Aber dies Portrait . . . Dies sagt mir mit überraschender Wahrheit, daß hier die Schönheit der Dame, welche dasselbe darstellt, noch lange nicht erreicht wurde . . . Wer ist dies? . . .

– Wollt Ihr nur ein wenig vernünftiger werden, Sir, erwiderte Buckingham; so ist diese Dame sicherlich das schönste Mädchen unserer drei Reiche, die Eurige . . . ist Eure Gattin; dafür stehe ich. Diese Dame, Meister, liebt Euch, merkt es wohl, sie liebt Euch . . . Es ist Maria Ruthven, die Tochter des schottischen Grafen von Göre. Wollt Ihr der Einladung des Königs folgen und sofort mit uns zu Hofe fahren, so werdet Ihr „Schön-Mary“ noch heute Abend sehen.

In einem Augenblick war van Dyk aus seiner Apathie erwacht; er sprang auf und rief nach seinen Dienern.

– Sachte, Sir! sprach Buckingham. Ihr werdet die Gräfin nicht im Hofsaale sehen, sondern Euch zu einem kleinen Kunstgriffe bequemen müssen. Sie ist nur in den Gemächern der [105] Königin zu finden; denn ich, Maria’s Vormund, habe sie absichtlich von den Festen fern gehalten, habe ihr, um sie zu bewahren, jede ostentatiose, öffentliche Erscheinung untersagt. Die junge Gräfin Gore ist die Hofmeisterin des Prinzen Karl von Wales und seiner beiden Geschwister. Wollt Ihr Diejenige sehen, welche an dem glänzendsten Hofe der Welt das klösterliche Leben einer Nonne führt, so nehmt Euer Zeichnengeräth und begehrt, die königlichen Kinder abzubilden. Dann werdet Ihr die Schöne sicherlich ungestört sehen und sprechen können.

Van Dyk gehorchte. Er fuhr mit Buckingham und Digby nach Whitehall, stellte sich dem Könige vor, der ihn nach seiner halbschwermüthigen Weise lächelnd, freundlichst empfing, dann aber, auf einen Wink vom Herzoge, ihn an die Hand nahm und aus dem Saale führte.

– Erlaubt, Herr Ritter, sagte Karl I. mit seiner ganzen chevaleresken Grazie den Arm des Malers nehmend, wenn Wir Euch eine kleine Arbeit auftragen. Ihr werdet Unsere Kinder malen.

– Ach, Sire, Sie machen mich glücklich! stammelte van Dyk.

– Buckingham wird Euch diesen meinen Lieblingswunsch mitgetheilt haben. Die Kleinen sind zwar noch etwas unruhigen Wesens, Ihr werdet daher Mühe haben, sie genau aufzufassen, indeß die Gräfin Gore – Karl I. lächelte schelmisch – wird die Kinder schon zur Folgsamkeit bewegen.

Beide traten jetzt in die Zimmer der Königin. Hier befand sich Karl, später der Zweite genannt mit James und Henriette, und neben ihnen erblickte van Dyk ein Mädchen von so wunderbarer Schönheit, daß er, als ihn der König der Maria Ruthven vorstellte, unwillkürlich die Augen schloß. Als sich van Dyk gefaßt hatte, war Karl I. verschwunden.

Van Dyk fing an die Gruppe der königlichen Kinder sammt zwei edlen, schottischen Hunden zu zeichnen. Er ging am andern Tage, und abermals zum Vollenden der Zeichnung nach dem Schlosse; er schien das Bild nicht vollenden zu können.

Am vierten Tage, als er die Gemächer verließ, stammelte er, Maria’s Hand ergreifend, das Geständniß seiner Liebe. Die junge Dame sank weinend vor Wonne in seine Arme.

Ein neues, edleres Leben begann jetzt für den Künstler. Denn bald darauf vermählte der Herzog von Buckingham seine Mündel mit dem Meister. Seine Lebenskraft war aber zu tief erschüttert.

Er machte mit seiner Gemahlin eine Reise nach seiner Vaterstadt Antwerpen, dann nach Paris, um die Gallerie des Louvre zu malen. Da aber Nicolaus Poussin diesen Auftrag schon erhalten hatte, kehrte er nach London zurück. Hier ereilte ihn, als er eben beschäftigt war, dem Könige eine der großartigsten Tapetenmalereien im Carton anzufertigen, in den Armen seiner holden Gattin 1641 der unerbittliche Tod.

  1. Eine von van Dyks Geliebten.