Die Ketzerin
Die Ketzerin.
Fra Dolcin, der Ketzer, der von Dante
In der Hölle neunten Kreis Gebannte,
Hat ein Weib geliebt, von dem sie sagen,
Daß kein schön’res lebt’ in jenen Tagen.
Saß die Blonde schon zu seinen Füßen,
Segnet’ er das Volk mit frevler Rechten,
Neigte sie zuerst die goldnen Flechten;
Dem Verfehmten folgte sie, dem Flieh’nden,
Da er von den Schergen ward gefangen,
Ist sie seinen Fesseln nachgegangen;
Wo er in der Flamme sich gewunden,
Steht auch sie am Marterpfahl gebunden.
Wie noch nie ein Weib die Herzen rührte;
Augen, unergründlich wunderbare,
Schaun, als ob sie zu den Sel’gen fahre.
Die sie richten, fragen sich mit Grauen:
Engelsantlitz, die sie martern wollen.
Selbst der Priester spricht mit ihr gelinde,
Als mit einem irrgegangnen Kinde:
Weder Bruder war er dir noch Gatte!
Seine Asche treibt im Wind! Verflogen
Sind die Stapfen, die dich nachgezogen!
Büße! Folge reuig den Geboten
In den Banden kann sich nicht bewegen
Margherita, nur die Lippen regen:
„Leiden muß ich, was Dolcin gelitten …
Horch, er ruft! Ich folge seinen Schritten“ –
„Durch die Martern folg’ ich, durch die Qualen!“
– „Ketzerin, dich stärken finstre Mächte!
Brände her!“ … Es rühren sich die Knechte.
Siehe da! Wie eines Blitzes Leuchten
Will den schönen Dämon sich erstreiten;
Er bemächtigt sich der Maledeiten,
Ihre Kniee fasst er mit der Linken,
In der Rechten droht des Schwertes Blinken:
Löscht die Fackeln! Weg von meinem Weibe!
Sage Ja … mit einem Wink der Lider …
Und vom Scheiterhaufen steigst du nieder!
– „Laß mich ziehn! … Ich darf mich nicht verweilen …
Horch, Dolcino ruft! … Ich muß mich eilen …
Gieb mich frei!“ Er weicht mit einem herben
Hohngelächter: „Mag die Thörin sterben!“
Schlagen Todesflammen, Liebesflammen.