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Die Histörchen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Theobald Tiger
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Titel: Die Histörchen
Untertitel:
aus: Ulk Jahrgang 48. Nummer 40. Seite 145
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 3. Oktober 1919
Verlag: Rudolf Mosse
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Heidelberg und Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
August Kopisch
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
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Bearbeitungsstand
fertig
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 Die Histörchen

 Von Theobald Tiger

„Wir sitzen zusammen auf lustiger Bank.
Erzähle drum jeder einen Schwank.
Wer ausgetrunken hat, fängt an!
Das trifft mich selber – nun wohlan!

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Die Nationalen … es ist doch keiner am Tisch?“

– „Nein, noch ist er draußen, erzähl Er nur frisch!“ –
„Im Saal sitzt versammelt ein Areopag:
Die Plittwitz halten Familientag
im Jahre fünfzehn, es steigen die Chancen,

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alle Welt macht den Plittwitz Avancen:

der Alte, Stadtkommandant bei Lille,
herrscht dort im alten Cäsarenstil
und schiebt seine Kisten und schickt seine Kisten …
Sein Bruder sitzt bei den Nationalisten

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und läßt sich von denen reklamieren.

Die Söhne braucht niemand zu protegieren,
Jott sei Dank Jardekavallerie …
Und man ergreift das Glas mit dem Henessy:
„Prösterchen!“ Wir wissen Bescheid …

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„Hurra, die große eiserne Zeit!“

Die Nationalen … doch – da kommt einer herein,
da muß ich wahrhaftig stille sein.“ –
„Guten Tag, Herr Nationaler, setzet Euch,
trinkt und erzählt ein Histörchen!“ –
 „Gleich!

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Die Unabhängigen … es ist doch keiner am Tisch?“

– „Nein, noch sind sie draußen, erzähl Er nur frisch!“ –
– „Die Unabhängigen sind nicht gerade dumm,
doch kommen sie oft ums Wahre herum.
Sie wünschen durchaus ein baldiges Ende

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der neuen Freiwilligenverbände.

Kriechen aber selber herfür,
pochen bescheiden an deren Tür
und fragen höflich beim Führer an:
„Was kostet Ihr Heer, mein lieber Mann?“

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Der will aber gar nicht ausverkaufen,

und so tun sie wieder von dannen laufen.
Da kommt eben ein Unabhängiger an …
Heran, heran, nur immer heran,
Herr Unabhängiger, kommt und setzet Euch,

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trinkt und erzählt ein Histörchen!“ –

 „Gleich.
Die Mehrheitler … es ist doch keiner am Tisch?“
– „Nein, noch sind sie draußen, erzähl Er nur frisch!“ –
– „Die Mehrheitler kennen nur eine Plage:
das ist die unbequeme Frage,

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wer am Kriege wohl schuldig sei;

die ist für sie ein Kolumbusei.
Fragt einer danach an des Tisches Rund:
sie legen den Finger an den Mund –
Pst … fein still …!

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Wer nur davon reden will?

Doch da kommt ein Mann
von den Mehrheitlern. Still! – Heran, heran,
Herr Mehrheitler, kommt und setzet Euch,
trinkt und erzählt ein Histörchen!“ –
 „Gleich!

55
Die Klerikalen … es ist doch kein Klerikaler am Tisch?“

– „Nein, noch sind sie draußen, erzähl Er nur frisch!“ –
– „Die Zentrumsleute sind im Land
als superkluge Leute bekannt.
Konfessionslose Einheitsschule?

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Da wird den Herren aber mächtig schwule …

Und es spricht der Pfaffe zu seiner Stütze:
‚Dies Teufelsding ist zu gar nichts nütze!
Ich bleibe fest im frommen Sinn:
Unsre Kinder gehn da nicht hin!‘

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Die Klerikalen … still, wer tritt in die Tür?

Ein Zentrumsmann – schön willkommen hier,
Herr Klerikaler, kommt und setzet Euch,
trinkt und erzählt ein Histörchen!“ –
 „Gleich!
Die Demokraten … es ist doch kein Demokrat am Tisch?“

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– „Nein, noch sind sie draußen, erzähl Er nur frisch!“ –

– „Die Demokraten sind brave Leute,
doch vergleich ich das Gestern mit dem Heute,
muß ich doch manches recht beklagen
und sagen:

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Wo sind die Tage der Lasker und Richter,

der Bamberger, Virchow … all die Gesichter
leuchten nicht mehr – diese aufrechten Herrn
säh ich heute gar zu gern.
Sie leben nur von Erinnerungen.

80
Es fehlt das Neue. Es fehlen die Jungen.

Platz! Macht Platz für die Generation
der Hoffnung … aber wo seh ich die schon? –
Lieben Freunde, reicht euch die Hand,
Uns brauchen sie alle im deutschen Land:

85
Seht zu, wen man in den Reichstag wählt!

Wir haben hier immer von andern erzählt.
Es geht der Krug die Reih herum!
Dankt Gott, daß keiner von uns so dumm!“

 Frei nach August Kopisch.