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Die Havannah

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CCCXXXXI. Der Pass von Pancorvo in Spanien Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCXXXXII. Die Havannah
CCCXXXXIII. Italica bei Sevilla
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HAVANNAH

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CCCXXXXII. Die Havannah.




Der Europäer, der, aus der nordischen Heimath kommend, in den westindischen Gewässern zum erstenmale Amerika erblickt, wird tief ergriffen. Aufgethan sind vor ihm die Pforten einer neuen Welt, und, wie Einer, der, eingetreten in die Propyläen eines Tempels für fremden Glauben, mit wortlosem Erstaunen neue Symbole der Gottheit sieht, sieht er sich umgeben mit den Zeichen einer andern Schöpfung. Ehe noch die Inselgestade mit ihren Vorgebirgen und Landspitzen, und ihren blauen Höhen und rauchenden Wäldern am Horizonte schimmern, weht ihn der Hauch eines fremden, jugendlichen Lebens an. Er denkt an Columbus und fühlt nach die Seligkeit des Entdeckers. So dunkelblau und glänzend, so wolkenlos und heiter wölbt der Himmel sich nur an den höchsten Festtagen der Natur über eine europäische Landschaft, und eine so milde, belebende, mit Wohlgerüchen angefüllte Luft wie der Athem des westindischen Landes, haucht niemals das Ufer der Heimath. Dazu das tropische Meer, durchsichtig bis zum Grunde und lichtblau wie Sapphir, spiegelglatt, oder mit pulsartiger, sanfter Wellenbewegung, von tausend Geschöpfen belebt, die das Auge des Beobachters fortwährend beschäftigen und unterhalten. Welcher Kontrast dieses Meeres mit dem öden, ernsten nördlichen Ozean, der unter dem Schatten grauen Gewölks seine Wogen dahinwälzt! Schneidender noch wird der Gegensatz, vergleicht man das Land beider Zonen. Die ärmsten westindischen Küsten sind blühende Gärten, verglichen mit dem sandigen Strande oder den unwirthlichen Felsufern des europäischen Nords.

Der Weg, den die Schiffe aus Europa nach der Havannah nehmen, geht durch das Inselmeer der Lucayen. So lang die Fahrt auch ist, so wird sie doch nie langweilig; denn es tritt mit jeder Stunde ein anderes Eiland, mit jeder Minute eine andere Scene vor’s Auge. Bald erscheint ein Cap, bald öffnet sich eine weite Bucht, bald winken Dörfer und Plantagen von den lachenden Küsten und steigern das Verlangen des an Bord gefangenen Reisenden nach Land und Freiheit zur unbezwinglichen Sehnsucht. Auf die Lucayen folgt die tausendinselige Bahamagruppe. Ist sie durchsegelt, so thut noch einmal der Ozean sich auf. Nur zuweilen, am fernsten südlichen Horizonte, erscheint ein hohes Vorgebirge wie ein schimmerndes Wölkchen, das hervorkommt, eine Zeitlang sichtbar bleibt und wieder verschwindet. Es ist die Küste von Cuba. Auf lange Zeit bleibt sie ferne; erst im Meridian von der Havannah – der Reise Ziel – ändert das Schiff seinen Lauf und steuert gerade auf das Land zu. Die Formen [40] desselben fangen nun an, sich zu enthüllen. Was anfänglich als schwache, unbestimmte Contur am Horizonte zu erkennen war, tritt von Stunde zu Stunde bestimmter vor’s Auge; allmählich erhält auch das Bild Tiefe, Hinergrund und Rahmen. Blaue Bergketten im Innern der Insel erheben sich, schlängeln sich malerisch in der äußersten Ferne hin, und die Terrassenstufen der Landschaft werden kenntlich. Ein Leuchtthurm tritt hervor; das Thor des schönsten Hafens der neuen Welt wird sichtbar, und hinter einem Mastwald glitzern die goldenen Kreuze der Thürme von Havannah. Die Einfahrt in die prachtvolle Bay ist zwar enge, aber ganz gefahrlos. Zuerst fesseln die ungeheuern Forts, die von beiden Seiten den Hafen beschützen, Morro und Cabana; bunte Fahnen wehen von ihren Bastionen, in welchen die Geschütze vom schwersten Kaliber in drei Reihen über einander stehen. Das ganze Ufer ist geharnischt; das Meer ist gleichsam umgürtet mit Batterien, die zusammen 800 Feuerschlünde zählen. 60 Millionen harte Piaster hat Spanien auf diese Werke verwendet; und doch wurden sie 1763 von den Britten genommen. Im Hafen liegen immer eine große Menge Schiffe, gemeinlich 800 bis 1000, vor Anker; man trifft die Flaggen aller Nationen an, am zahlreichsten die amerikanische und spanische. Mitten unter dieser Friedens-Flotte voller Leben und Gewühl rasten die ernsten und hohen Thürme des spanischen Kriegsgeschwaders, drohende Blicke aus hundert ehernen Augen umherwerfend, und tausende von bedeckten Barken und Booten liegen theils an den stundenlangen Kayen, theils durchkreuzen sie die Fluthen in allen Richtungen oder drängen sich zwischen den größern Fahrzeugen umher. – Man landet. Man eilt in die Stadt, mit den Erwartungen, die man von einer europäischen Haupt- und Handelsstadt von 150,000 Einwohnern (so viele zählt jetzt Havannah) mitgebracht und – findet sich getäuscht. Alles ist herrlich in diesem tropischen Lande, nur die Städte nicht, wo sich die Menschen zusammengebaut. Auch das stolze Havannah macht keine Ausnahme. Die Straßen der eigentlichen Stadt sind gar enge, unregelmäßig, schmutzig, größtentheils mit Holz gepflastert, erfüllt von Menschen vieler Farben und Schattirungen. Doch sind alle geschäftig, alle scheinen zufrieden und behaglich. An Sonntagen zumal, wo sich alles schmückt und herausputzt, die Farbigen so gut, wie die Weißen, macht die Bevölkerung ein äußerst heiteres Gemälde; denn da hier nicht, wie in den sclavenhaltenden Staaten des Festlandes, eine Kleiderordnung besteht, die die Raçen und Tinten scharf von einander scheidet, so stolziert die putzsüchtige Creolin so gut im Schleier und seidenem Kleid umher, als die Tochter des europäischen Kaufmanns. Die Soldateska, die sehr zahlreich ist, brillirt durch ihre reichen Uniformen und ihr gutes Aussehen. Statt der unansehnlichen Rothhäute in den knappen Uniformen, wie man sie in Mexiko und Südamerika findet, sieht man hier Soldaten, die als Eliten der spanischen Armee gelten dürfen.

Durch seine Lage, welche es zur Beherrscherin der beiden Einfahrten in den mexikanischen Meerbusen macht, durch seine Festungswerke und seine natürliche Stärke, durch die Vortrefflichkeit des Hafens, der alle [41] Flotten der Welt aufnehmen könnte, durch seinen Reichthum und seinen unermeßlichen Handel, wird Havannah zum wichtigsten Punkte nicht nur Westindiens, sondern selbst, in gewisser Beziehung, für den ganzen Erdtheil. Aus einer vollkommenen Handelsfreiheit und einer schon seit einem Menschenalter bestehenden, klugen Verwaltung, hat sich hier ein unglaubliches Gedeihen und Fortschreiten entwickelt, und seine Segnungen über alle Theile der Insel ausgestrahlt. So ist es gekommen, daß, in seiner jetzigen Blüthe, Cuba allein dem Mutterlande reichlich ersetzt, was es durch den Verlust seiner unermeßlichen Besitzungen am festen Lande Amerika’s einbüßte. In der That hat die Havannah jetzt eine größere Ein- und Ausfuhr, als die sämmtlichen spanischen Colonien vor 40 Jahren. Man schätzt den Verkehr auf mehr als 40 Millionen Piaster. Die Zuckerausfuhr Cuba’s, welche vor 80 Jahren 13,000 Kisten betrug, ist jetzt 400,000 Kisten oder 160 Millionen Pfund; die des Kaffees stieg auf 70 Millionen, und zwei Drittel dieses enormen Geschäfts ruht in Havannah’s Händen allein, das über ein Drittel des gesammten Zuckers und Kaffees, den Europa verbraucht, verschifft. Die Zahl der jährlich hier landenden, größern Fahrzeuge übersteigt oft 2500.

Erklärlich ist darum auch die außerordentlich große Menge von Fremden aus Europa, den Vereinigten Staaten und Mexiko, die man zu jeder Jahreszeit hier antrifft. Neben solchen, welche Handelszwecke hierher führen, ist die Havannah das Stelldichein aller Abenteuerer der neuen Welt, die ihre Chevaliers d’Industrie so gut hat, wie die alte, nur mit dem Unterschiede, daß sie in der That Häute von allen Farben an sich tragen. Der größte Theil dieser wandernden Bevölkerung, der wohl an die 10,000 steigt, äfft hier um die Wette, so weit es das Klima erlaubt, die Sitten und Gebräuche der großen Städte Europa’s nach. Die Sitten sind lax und Sardis war in der alten Welt nicht verrufener, als es in der neuen Welt die Havannah ist; doch, wenn auch die Regel gelten mag, so hat sie doch der Ausnahmen auch viele. In der That treten hier alle Abstufungen der Sitten, von der äußersten Rohheit bis zur höchsten Politur und Geschliffenheit, grell hervor, und wenn man auf jedem Schritte Dreistigkeit, Bosheit und sittliche Verdorbenheit begegnet, so wird der Beobachter auch eine Masse von Biederkeit und ehrenfestem Wesen nicht vermissen. Der Intrike, Verstellung und Falschheit gegenüber zeigt sich auch Treuherzigkeit und Uneigennützigkeit. Im Ganzen ist die Havannah besser, als ihr Ruf. Die weibliche Welt, namentlich in den höhern Kreisen, vereinigt mit großen körperlichen Reizen (nirgends trifft man zierlichere Formen an) eine Seele voll Anmuth, Zartheit und tiefes Gemüth. Die Damen sind leidenschaftliche Verehrerinnen der Musik, und Konzerte sind ihre Erholung. Gastfreundliche Aufnahme in Familienkreisen ist jedem gebildeten und gut empfohlenen Fremden hier gewiß.

Das Klima in der Havannah ist nur in der heißen Jahreszeit ungesund; dann aber auch unerträglich und für den Neuankömmling zumal gefährlich. Die Gerüche und Miasmen sind dann so, als wäre die ganze Stadt [42] eine Kloake. Die gefürchtetsten Feinde der Europäer sind die schwarze Brechsucht und das gelbe Fieber. Letzteres zeigt sich jeden Sommer, und wer es vermag, flieht dann hinaus auf’s Land oder sucht die reichen Kaffeepflanzer in ihren irdischen Paradiesen auf. Dort, wo eine balsamische, frische Gebirgsluft von den blauen Höhen herabweht, unter dem Schatten der Palmen und der Lauben von würzigen Mango’s ist das Leben der Menschen vor den Klauen des Todes wenigstens eben so sicher, als in einer Villa der Schweiz oder des Comersees.

Diese so gepriesenen Landsitze, die Cafetala’s, nehmen sonnige Gelände in Thälern und Gründen ein, welche die Bäche durchrauschen, die von den nahen Gebirgen in Menge herabströmen, um nach kurzem Laufe das Meer zu suchen. Ein solches Gut hat rundum eine Einfriedigung, gewöhnlich aus einer mit Blüthen oder nutzbaren Früchten beladenen Hecke bestehend, durch welche ein geschmackvoll gearbeitetes gußeisernes Gitterthor auf eine der vier, die Pflanzung kreuzenden Hauptalleen führt. Fruchtbäume, ausgezeichnet durch Glanz des Laubes und breite, schattige Kronen fassen diese Gänge ein: Mangos, beladen mit saftigen Früchten; Arogados mit dunkelgrünen, breiten Blättern; Mamoneen mit großen, zimmetbraunen Aepfeln, und viele andere Bäume, die durch Schönheit ihrer Form, oder durch Frucht, oder durch Blüthe die Aufmerksamkeit des Neulings fesseln. Die Luft ist mit Wohlgerüchen erfüllt, Goldkäfer und Tagfalter in den glänzendsten Farben, des Schutzes gegen die tropische Sonne sich freuend, gauckeln zwischen den Bäumen umher, oder sitzen saugend an den zuckerreichen Mangos; harmlose Eidechschen spielen auf dem Wege, oder klettern behende an den Baumstämmen hinan, bald smaragdgrün glitzernd, bald in den Farben des Regenbogens schillernd. Zu beiden Seiten der Hauptalleen blickt man durch die unabsehlichen, schnurgeraden Reihen der zierlichen Kaffeebäume, die zur Zeit der Reife im Rothe ihrer Beeren glänzen. Sie werden sorgfältig im Schnitt gehalten und man läßt sie nicht über 8 Jahre hoch treiben. Es tragen die aus der Baumschule gepflanzten jungen Bäume gemeinlich schon im nächsten Jahre, im zehnten geben sie die reichste Ernte, im zwanzigsten werden sie abgehauen und durch neue ersetzt. Eine große Cafetala hat 2 bis 300,000 Bäume auf einem Raum von höchstens 800 Morgen, und in guten Jahren gibt die Ernte einen Erlös von 80 bis 120,000 Gulden. Am Ende der perspektivischen Hauptallee breitet sich der Patio aus, ein Viereck von einigen hundert Schritten im Durchmesser, eingefaßt mit Beeten voll duftender Ziergewächse, oft auch mit Hecken der immerblühenden Rose, welche hier vortrefflich gedeiht. In der Mitte des Patio erhebt sich ein Gebäude von zwei Stockwerken, nach Maaßgabe des Reichthums des Besitzers zierlich oder großartig im Aeußern, immer zweckmäßig und bequem, oft sehr geschmackvoll im Innern eingerichtet, einladend durch das Ansehen von Ruhe, Reinlichkeit und Kühle. Das Haus ruht auf dicken Pfeilern, zwischen welchen die Luft frei zirkulirt. Der Oberbau besteht ganz aus Holz. Seit einigen Jahren werden diese Häuser fabrikmäßig und von den gefälligsten Formen in den Vereinigten Staaten gefertigt, und, zerlegt, zollfrei eingeführt. [43] Wegen des enorm hohen Werthes der Menschenarbeit auf Cuba hat man dabei noch großen Gewinn. Reiche Pflanzer wechseln ihre Häuser alle fünf bis zehn Jahre mit neuen Wohnungen.

Breite und schattige Veranda’s, auf denen tropische Prachtpflanzen in Porzellainvasen duften, umgeben jedes Stockwert, und die Wände der Sommerseite sind gemeinlich übersponnen mit persischem, immerblühenden Jasmin, dessen Wohlgeruch, zumal des Nachts, so gewaltig ist, daß er betäubt. Glänzende Lackfarben decken die Wände der Zimmer, alle Fußböden sind parkettirt und gebohnt. Ameublement, Schmuck und Geräthe sind größtentheils englisch; mit sybaritischer Weichlichkeit ist für jegliche Bequemlichkeit gesorgt. Sämmtliche Zimmer sind hoch und luftig, und mit eben der Sorgfalt, mit der man in deutschen Wohnungen die Zugluft abzuhalten strebt, sucht man sie hier zu begünstigen. Die zahlreichen Jalousieen und durchbrochenen Flügelthüren führen solche in reichlichem Maaße herbei, und was im unfreundlichen Norden ein sicheres Mittel wäre, seine Gesundheit zu verlieren, dient hier, sie zu erhalten. In den Ecken jedes Zimmers stehen auf hohen Gestellen große, elegant geformte Gefäße von einem porösen Sandstein, der das hineingegossene Wasser tropfenweise durchsickern läßt, und eisig-kühl nehmen es andere Gefäße auf. Man könnte in der That den Herrn eines solchen Hauses, welcher inmitten einer so schönen Natur, unter dem blauen Tropenhimmel, im Genusse seine Tage verlebt, glücklich preisen, wenn man darauf verzichtete, die Rückseite des Bildes zu schauen. Aber umgeht man das Haus, – so ist die Illusion verschwunden, und das Gespenst der Negersclaverei tritt in die Scene wie ein arger, finsterer Geist. Da stehen die niedrigen, elenden und schmutzigen Hütten der Afrikaner, mehr Viehställen als menschlichen Wohnungen gleich, in langen Reihen; vorn steht das Haus des Aufsehers, mit dem gefürchteten Platze, wo die Sclaven ihre Züchtigungen für Vergehen oder Versehen erhalten, oder solche, welche ihnen die Marterlust und Laune ihrer despotischen Herren diktiren.

Die Zuckerpflanzungen auf Cuba haben viel weniger Einladendes, und der idyllische Reiz der Cafetala’s geht ihnen gänzlich ab. Die unübersehlichen Felder des sechs bis neun Fuß hohen Rohrs erscheinen beim ersten Blick wie ausgedehnte Rohr-Sümpfe; sie beschränken die Aussicht und ermüden durch ihre Einförmigkeit. Nach der Erndte zumal, wenn die zurückgelassenen und vertrockneten Blätter zur Düngung des leicht erschöpften Bodens angezündet werden, und die weiten Enden mit halbverbrannten Strunken und Aschenhaufen bedeckt sind, haben sie das traurige Ansehen der Oede und Verwüstung. Zwar ist die Menge der Gebäude schon darum größer, weil die Fabrikation viele Räume erfordert, und Luxus herrscht in den Wohnungen der Pflanzer hier wie dort; allein der landschaftliche Reiz geht ihnen ganz ab, und auch die Sclaverei tritt uns hier, wegen der sehr harten und in den Zuckermühlen Tag und Nacht fortgehenden Arbeit, in der empörendsten Gestalt entgegen: denn die Anstrengung wird vom armen Neger nur durch gemehrte Strenge abgezwungen, und die Peitsche schwingt [44] sich fort und fort über die schwarzhäutigen Brüder. Weiter in’s Land hinein hören die Zuckerpflanzungen auf, und in den fernen Hügel- und Gebirgsstrichen tritt der Tabacksbau an ihre Stelle. Der Taback gedeiht auf frischgerodetem Waldboden am besten. Sein Anbau ist größtentheils in den Händen jener nomadenartigen Neu-Ansiedler, die von einem Striche zum andern weiter ziehen, unbekümmert, wer auf sie folgen möge. Im Innern von Cuba sieht man Haufen von solchen vagabundirenden Colonisten, wie sie, mit der Brandfackel bewaffnet, die herrlichsten Waldungen angreifen und weite Strecken niedersengen, um eine Pflanzung zu gewinnen, die sie öfters nach einer kurzen Reihe von Erndten wieder verlassen. Dieses verwüstende Verfahren einer räuberischen Agricultur hat, obschon durch die Gesetze beschränkt, noch immer nicht aufgehört, und weite Ländereien zu dürren Haiden umgeschaffen; denn der Urwald wächst nicht wieder empor. An die Stelle der kräftigen Waldbäume treten, sobald sich der Colonist entfernt hat, Gestrüpp und Buschwerk und dürres Gras. Die schönen Wälder Cuba’s sind in der Nähe der Ansiedelungen ganz verschwunden, und über Holzmangel und Holztheuerung hört man in der Havannah und in allen größern Städten des Eilands laute Klage.

Eine merkwürdige Physiognomie hat eine andere Gegend des Landes. Es ist ein sechzig Stunden langer Landstrich, nordwärts von der Hauptstadt; theils Privaten, theils der Krone angehörend. Es ist das Land der Hirten und ihrer Heerden. Die Privatbesitzungen sind da sehr ausgedehnt, und manche Hacienda faßt mehre Quadratmeilen, obschon die eigentliche Niederlassung, der Meierhof (Potrero), kaum den hundertsten Theil einnimmt. Diese Höfe, die weit auseinander liegen, sind das ächte Bild stiller, ländlicher Zurückgezogenheit. Durch ihre Baumgruppen, ihre Durchsichten und ihr frisches Grün erinnern sie an die Parks unsers Welttheils, nur mit dem Unterschiede, daß hier der Mensch Alles thun muß, was dort die Natur allein hervorbringt. Umsonst aber würden die Versuche der Kunst seyn, mit europäischen Bäumen eine Dekoration hervor zu bringen, wie sie dort die Königspalme gibt, die in größeren und kleineren Gruppen alle Potrero’s umgeben. Ausgewachsen steigt sie über hundert Fuß senkrecht empor, eine Krone von glänzend grünen Blättern tragend, und darunter blinken in dicken Büscheln die korallen-farbenen Früchte. Diese Palme baut mit ihrem Holze dem Gutsbesitzer die Häuser und deckt sie mit ihren Blättern; ihre Früchte und ihr Mark nähren das Vieh, und ihr Bast gibt ihm, was er an Stricken bedarf. Neben solchen Baumriesen erscheint das zehn Fuß hohe Gras kaum größer, als das unserer Wiesen unter Erlen. Ueber jeden Bach aber wölben sich Dalbergien, schönbelaubte Bäume, mit den Blüthentrauben der rothen Akazie unserer Gärten. Eine Hütte mit niedrigem Palmendach, ohne Fenster, genügt in diesem Paradiese dem Reichsten, und wenn nicht europäisches Machwerk, Kleider, Stoffe und Geräthe, an die alte Welt und seine Civilisation erinnerten, so könnte ein solcher Caballero im Kreise seiner Knechte, umgeben von den zahlreichen Heerden, an den Zustand der Patriarchen des alten Bundes erinnern.