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Die Grundhypothesen der Elektronentheorie

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Autor: Max Abraham
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Titel: Die Grundhypothesen der Elektronentheorie
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aus: Physikalische Zeitschrift 5 (18): 576–579
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Erscheinungsdatum: 1904
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Die Grundhypothesen der Elektronentheorie.
Von M. Abraham.

Die Elektronentheorie, diese aussichtsvollste Weiterbildung der Maxwellschen Elektrodynamik, geht von den folgenden allgemeinen Voraussetzungen aus:

A. In dem von Materie und Elektrizität leeren Raume gelten die Maxwell-Hertzschen Gleichungen. Dieselben postulieren ein Bezugssystem, in dem ebene elektromagnetische Wellen nach allen Richtungen mit der gleichen Geschwindigkeit c=3·1010 cm/sec fortschreiten; auf dieses Bezugssystem bezogene Bewegungen bezeichnet sie als absolute Bewegungen.

B. Die Elektrizität besteht aus diskreten positiven und negativen Teilchen, die „Elektronen“ genannt werden. Diese sind es, welche die Wechselwirkung der Materie und des Äthers vermitteln.

C. Jeder elektrische Strom ist ein Konvektionsstrom bewegter Elektronen. Die Dichte des Konvektionsstromes ist das Produkt aus der Dichte der Elektrizität und ihrer absoluten Geschwindigkeit. Der Konvektionsstrom erregt das gleiche magnetische Feld, wie der äquivalente Leitungsstrom der Maxwell-Hertzschen Theorie.

Aus den Hypothesen А, В, С folgen die Feldgleichungen, die bei gegebener Verteilung und Geschwindigkeit der Elektrizität das elektromagnetische Feld bestimmen. Zu ihnen tritt noch eine Aussage über die Kraft, die bei gegebenem Felde auf ein von Elektrizität erfülltes Volumelement wirkt:

D. Die elektromagnetische Kraft setzt sich additiv zusammen aus den Kräften, die im elektrischen Felde auf die ruhende, und im magnetischen Felde auf die bewegte Elektrizität wirken.

Diese vier Aussagen stellen die allgemeinen Grundhypothesen der Elektronentheorie dar.[1] Jede Untersuchung, die auf ihnen fusst, und nur eine solche, wird als in den Rahmen der Elektronentheorie fallend zu bezeichnen sein.

Die an Kathodenstrahlen beobachteten Erscheinungen lassen sich auf Grund von D deuten, wenn man die elektromagnetische Kraft des äusseren Feldes als äussere Kraft betrachtet, und den in den Kathodenstrahlen angenommenen freien negativen Elektronen eine träge Masse μ0 zuschreibt. Andererseits haben die Grundhypothesen A, B, C, D zu der Konsequenz geführt, dass diese Masse, wenigstens zum Teile, aus dem vom Elektron selbst erregten Felde resultiert. Die Versuche von W. Kaufmann haben gezeigt, dass bei grossen Geschwindigkeiten die elektromagnetische Masse des Elektrons von wesentlichem Einflusse wird.

In meinen Untersuchungen[2] habe ich der Dynamik des Elektrons eine Form gegeben, welche geeignet ist, die Versuche Kaufmanns auf rein elektromagnetischer Grundlage zu erklären. Dabei habe ich, neben den allgemeinen Grundhypothesen der Elektronentheorie, folgende spezielle Hypothesen eingeführt:

E. Die elektromagnetischen Kräfte des äusseren und des vom Elektron selbst erregten Feldes halten sich an dem Elektron im Sinne der Mechanik starrer Körper das Gleichgewicht.

F. Das Elektron ist einer Formänderung überhaupt nicht fähig.

G. Es ist eine Kugel mit gleichförmiger Volum- oder Flächen-Ladung.

Die Hypothese F ist dabei als Bedingungsgleichung im Sinne der Hertzschen Mechanik aufzufassen. Sie nötigt keineswegs dazu, von Kräften zu reden, welche die Volumelemente des Elektrons zusammenhalten; im Gegenteil, sie besagt, dass solche Kräfte niemals Arbeit leisten können, und macht daher die Einführung solcher Kräfte überflüssig.

Auf Grund der Hypothesen A, B, C, D, E, F lässt sich die Dynamik eines Elektrons beliebiger Gestalt rein elektromagnetisch entwickeln. Das Verhalten des Elektrons im einzelnen aber ist wesentlich von seiner Form abhängig. Ich habe die Untersuchung auch auf ellipsoidische Elektronen von unveränderlicher Gestalt ausgedehnt; es ergab sich, dass die Translationsbewegung eines solchen Elektrons nur in Richtung der grossen Achse stabil ist. Ein abgeplattetes Rotationsellipsoid kann sich nicht parallel der Rotationsachse bewegen; der kleinste Anstoss würde es zum Umschlagen bringen.

Auf Grund der Hypothesen A bis G habe ich die elektromagnetische Bewegungsgrösse des Elektrons berechnet. Ich habe allgemein gelehrt, aus dieser die elektromagnetischen Massen, die longitudinale und die transversale, abzuleiten. Die für die letztere erhaltene Formel stellt die Ablenkungsversuche Kaufmanns mit befriedigender Genauigkeit dar.

Nun steckt sich aber die Elektronentheorie ein weiteres Ziel; sie beansprucht, die elektrischen und die optischen Eigenschaften der Körper in ihrer Gesamtheit zu umfassen. Die Optik durchsichtiger, der Maxwellschen Relation genügender Körper wird in die Elektronentheorie durch Annahme quasielastischer Kräfte eingeordnet, welche die Elektronen in ihre Gleichgewichtslagen zurückziehen. Die Dispersion der Körper wird durch Einführung der trägen Masse der Elektronen gedeutet, welche im Verein mit jenen quasielastischen Kräften die Existenz von Eigenschwingungen bedingt. Das schwingende Elektron stellt das einfachste Bild eines leuchtenden Punktes dar; der Zeeman-Effekt in seiner normalen Form zeigt, dass dieses Bild für eine grosse Zahl von Spektrallinien der Wirklichkeit entspricht. Die Geschwindigkeit der Elektronenschwingungen ist dabei so gering, dass die Veränderlichkeit der Masse nicht in Betracht kommt. Die Hypothesen E, F, G kommen daher nicht ins Spiel, solange als der Körper selbst ruht.

Anders liegt die Sache in der Optik bewegter Körper. Die Aberrationserscheinungen zeigen, dass das universelle Bezugssystem (vergl. A) die Umlaufsbewegung der Erde um die Sonne nicht mitmacht. Wie kommt es, dass trotzdem die elektrischen und optischen Vorgänge, die sich an der Erdoberfläche abspielen, keinen Einfluss der Erdbewegung erkennen lassen? Diese Frage hat H. A. Lorentz untersucht. Er hat gezeigt, dass das Fehlen eines Einflusses erster Ordnung in dem Quotienten β=10-4 aus Erdgeschwindigkeit und Lichtgeschwindigkeit mit den Grundhypothesen A bis D der Elektronentheorie sehr wohl vereinbar ist.[3]

Das negative Ergebnis von Versuchen, deren Empfindlichkeit geeignet war, einen Einfluss zweiter Ordnung zu entdecken, bereitet der Elektronentheorie bedeutende Schwierigkeiten. In zwei Arbeiten[4] hat H. A. Lorentz diese Schwierigkeiten zu überwinden gesucht. In der zweiten der zitierten Arbeiten stellt er ein System von Hypothesen auf, welches geeignet ist, von allen negativen Versuchsergebnissen Rechenschaft zu geben:

H. Infolge der Erdbewegung erfahren die Körper eine gewisse Kontraktion parallel der Bewegungsrichtung.

Diese Hypothese erklärt das negative Resultat des Interferenzversuches von Michelson. Sie erklärt auch das Fehlen eines Kräftepaares auf einen schief zur Bewegungsrichtung der Erde gestellten geladenen Kondensator, das Trouton und Noble vergebens zu entdecken versucht haben.

Man kann die Hypothese H plausibel machen, indem man die Molekularkräfte als elektrische Kräfte deutet.

I. Die quasielastischen Kräfte, welche die Elektronen an ihre Gleichgewichtslagen binden, erfahren infolge der Erdbewegung die gleiche Änderung, wie die elektrischen bezw. die molekularen Kräfte.

Die Hypothese I kann man gleichfalls plausibel machen, indem man die quasielastischen Kräfte ihrerseits als elektrische Kräfte betrachtet.

Um das Fehlen einer durch die Erdbewegung bedingten Doppelbrechung im Ruhezustande isotroper Körper, welches die Versuche von Lord Rayleigh und D. B. Brace ergeben haben, zu erklären, genügt es für solche Körper, welche der Maxwellschen Relation genügen, zu den Hypothesen A, B, C, D, H die Hypothese I hinzuzufügen. Für dispergierende Körper hingegen, bei denen die Trägheit der Elektronen ins Spiel kommt, ist eine Doppelbrechung infolge der Erdbewegung nur dann ausgeschlossen, wenn die longitudinalen und transversalen Trägheitskräfte in derselben Weise abgeändert werden, wie die quasielastischen Kräfte. Das ist nach H. A. Lorentz der Fall, wenn der Dynamik der im Innern der bewegten Materie schwingenden Elektronen folgende Hypothesen zugrunde gelegt werden:

E bleibt bestehen.

An Stelle von F und G tritt:

K. Das im Ruhezustande mit gleichförmiger Volum- oder Flächen-Ladung erfüllte Elektron plattet sich bei der Bewegung ab, indem sein der Bewegungsrichtung paralleler Durchmesser im Verhältnis verkürzt wird. Es wird ein sogenanntes Heaviside-Ellipsoid. Für ein solches Ellipsoid hat H. A. Lorentz die elektromagnetische Bewegungsgrösse berechnet, aus der sich nach meinen Methoden ohne weiteres die beiden Massen ergeben. Er findet die longitudinale Masse μs0·(1-β²)-3/2, die transversale Masse μr0·(1-β²). H. A. Lorentz zeigt, dass seine Formel für die transversale Masse mit den Versuchen Kaufmanns nicht erheblich schlechter stimmt, als die meinige.

Da andererseits auf Grund von K das Verhältnis der transversalen und longitudinalen Masse sich gleich (1-β²), auf Grund von F G aber gleich (1-4/5 β²) ergiebt, bei Vernachlässigung von Gliedern vierter und höherer Ordnung, so würde F, G, an Stelle von K in das Lorentzsche Hypothesensystem eingeführt, eine Doppelbrechung von der Ordnung 1/5 β²=2·10-9 für solche Körper ergeben, für deren optisches Verhalten die Trägheit der Elektronen massgebend ist.

H. A. Lorentz bemerkt schliesslich, dass auch für Körper mit Molekularbewegung jeder Einfluss der Erdbewegung fortfallt, wenn als letzte Hypothese hinzugenommen wird:

L. Die Massen der Moleküle sind elektromagnetischer Natur.

Wir wollen jetzt die Hypothese K genauer erörtern. H. A. Lorentz trägt dieselbe mit aller Zurückhaltung vor; er geht nicht so weit, dieselbe als wahrscheinlich hinzustellen. In der That, es erheben sich gegen diese Hypothese die schwerwiegendsten Bedenken.

Beschleunigt man ein solches Elektron, so wird seine Abplattung vermehrt; es muss also gegen die elektrischen Kräfte Arbeit geleistet werden. Während für das undeformierbare Elektron die Zunahme der Energie gleich der von den äusseren elektrischen Kräften geleisteten Arbeit ist, findet das hier nicht mehr statt; die Energiezunahme bei einer Geschwindigkeitsvermehrung ist grösser, als die Arbeit der äusseren Kräfte.

Die konsequente Verfolgung der Hypothese K zwingt also dazu, neben den inneren elektromagnetischen Kräften noch andere, nicht elektromagnetische, innere Kräfte anzunehmen, welche im Verein mit jenen die Form des Elektrons bestimmen. Diese würden dann bei der Kontraktion die erforderliche Arbeit leisten, die zusammen mit der Arbeit der äusseren Kräfte der Steigerung der elektromagnetischen Energie des Elektrons äquivalent ist. Solange man nicht angiebt, nach welchem Gesetz diese Kräfte wirken sollen, ist das Hypothesensystem A, B, C, D, E, K unvollständig.

Die Unvollständigkeit des Hypothesensystems bedingt es, dass man der Stabilität eines diesen Hypothesen gehorchenden Elektrons nicht sicher ist. Die Bewegung eines abgeplatteten Rotationsellipsoids von unveränderlicher Form parallel seiner Rotationsachse ist, wie oben erwähnt, instabil. Es fehlt der Nachweis, dass jene nicht elektromagnetischen Zusatzkräfte die Bewegung des deformierbaren Ellipsoids stabil machen.

Die Notwendigkeit der Einführung nicht elektromagnetischer Kräfte zeigt, dass die Hypothese des deformierbaren Heaviside-Ellipsoids, obwohl mathematisch in gewisser Weise einfacher, doch physikalisch weit komplizierter ist, als die Hypothese des starren kugelförmigen Elektrons. Jene versagt in der That manchen Fragen gegenüber, auf welche diese eine ganz bestimmte Antwort giebt. Ich erwähne nur die von P. Hertz[5] aus den Hypothesen A bis G gezogene Folgerung, dass das Elektron durch endliche Kräfte beliebig nahe an die Lichtgeschwindigkeit, ja bis zur Lichtgeschwindigkeit, gebracht werden kann. Die Versuche von F. Paschen[6] zeigen, dass in der Strahlung des Radiums negative Elektronen enthalten sind, die ein weit grösseres Durchdringungsvermögen und weit geringere Ablenkbarkeit besitzen, als die raschesten der von Kaufmann untersuchten β-Strahlen. Hier scheint die Lichtgeschwindigkeit wirklich nahezu, wenn nicht ganz, erreicht zu sein. Es treffen sich die Wege, welche die mathematische und die experimentelle Forschung, unabhängig von einander, eingeschlagen haben. – Die Hypothese K hingegen versagt gegenüber der Frage nach Erreichung der Lichtgeschwindigkeit durchaus.

Aus allen diesen Gründen wäre es höchst voreilig, wenn man die Hypothesen F, G ohne weiteres zu Gunsten der Hypothese K aufgeben wollte. Selbstverständlich ist die Dynamik des Elektrons, wie jede physikalische Theorie, der fortlaufenden Prüfung durch das Experiment unterworfen. Es ist zu hoffen, dass die Versuche, die W. Kaufmann jetzt mit unermüdlicher Ausdauer wieder aufnimmt, weitere Aufschlüsse geben werden.

Die Frage, ob und wieso ein Einfluss der Erdbewegung auf die elektrischen und optischen Erscheinungen an der Erdoberfläche sich nicht entdecken lässt, ist zur Zeit noch keineswegs spruchreif. H. A. Lorentz selbst hat wohl kaum gemeint, sie durch Aufstellung des Hypothesensystems H, I, K, L endgültig zu lösen. Er hat wohl nur zeigen wollen, dass das Fehlen eines bemerkbaren Einflusses nicht unbedingt gegen die allgemeinen Grundhypothesen A B C, D der Elektronentheorie spricht, sondern dass diese Hypothesen sich mit anderen widerspruchsfrei so kombinieren lassen, dass der Einfluss der Erdbewegung bei allen beobachtbaren Erscheinungen fortfällt.

Sollte auf dem Gebiete der Kathoden- und Becquerelstrahlung sich die auf den Hypothesen A bis G fussende Dynamik des Elektrons auch weiterhin bewähren, hingegen eine durch die Erdbewegung bedingte Doppelbrechung dispergierender Körper von der Ordnung 10-9, die aus diesen Hypothesen im Verein mit H, I[WS 1] folgt, nicht zu konstatieren sein, so bleiben noch verschiedene Möglichkeiten offen.

In Anbetracht unserer mangelhaften Kenntnisse über die Molekularkräfte liegt es nahe, die Hypothese H aufzugeben bezw. abzuändern. Ist es doch bisher keineswegs gelungen, die Molekularkräfte in ruhenden Körpern in befriedigender Weise elektrisch zu deuten.

Auch die Natur der angenommenen quasielastischen Kräfte, welche die Elektronen in ihre Gleichgewichtslage ziehen sollen, ist uns unbekannt. Ihre Deutung auf elektromagnetischer Grundlage würde die elektromagnetische Theorie der Spektrallinien ergeben. Eine solche Theorie besitzen wir leider nicht; wir sind demnach sehr weit davon entfernt, die optischen Eigenschaften ruhender Körper auf Grund der Elektronentheorie vollkommen zu verstehen. Die Hypothese I schwebt daher vollständig in der Luft, sie ist der Abänderung sehr wohl fähig.

Man hat bei der Abwägung der Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Hypothesen im Auge zu behalten, dass die Vorstellungen über die Natur der Molekularkräfte bezw. der quasielastischen Kräfte noch weit weniger geklärt, und der experimentellen Prüfung weit weniger zugänglich sind, als die Vorstellungen über die Beschaffenheit des freien negativen Elektrons. Man wird daher eine Theorie, welche das Verhalten des freien negativen Elektrons richtig beschreibt, welche sich aber nicht in befriedigender Weise in eine auf den Hypothesen H, I fussende Optik bewegter Körper einordnet, nicht aufzugeben geneigt sein. Eher wird man die Hypothesen H, I derart zu modifizieren suchen, dass eine Übereinstimmung mit der Gesamtheit der Beobachtungen erzielt wird.

Im neunten Paragraphen meiner Arbeit über die Dynamik des Elektrons[7] habe ich Formeln für die Energie- und Impuls-Strahlung aufgestellt, die von einem rasch bewegten und gleichzeitig beschleunigten Elektron entsandt wird. Neuerdings habe ich die ausführliche Ableitung dieser Formeln nachgetragen[8] und ihre Bedeutung für die Theorie des bewegten leuchtenden Punktes erörtert. Bei diesen Untersuchungen wird, wie ich mehrfach ausdrücklich betont habe, das Elektron als Punktladung betrachtet, was bei Berechnung der Strahlung unter gewissen Bedingungen gestattet ist. Die Resultate dieser Untersuchungen sind demnach unabhängig von jeder Hypothese über die Beschaffenheit des Elektrons; sie fussen ausschliesslich auf den Grundhypothesen A bis D der Elektronentheorie. Die Verfolgung des Lorentzschen Ansatzes und jedes mit ihm übereinstimmenden, muss daher bezüglich der Strahlung zu genau identischen Ergebnissen führen, es sei denn, dass Überlegungsfehler, etwa Verstösse gegen das Dopplersche Prinzip oder fehlerhafte Anwendungen des Poyntingschen Satzes, dabei unterlaufen.

Es wäre dringend zu wünschen, dass die auf dem Gebiete der Elektronentheorie schriftstellernden Autoren, dem Beispiele von H. A. Lorentz folgend, in klarer und unzweideutiger Weise von den Hypothesen Rechenschaft geben mögen, die ihren Untersuchungen zu grunde liegen, anstatt ihre unklaren Ausführungen nachträglich als „hypothesenfrei“ hinstellen zu wollen. Eine Abweichung in den Endresultaten derartiger „hypothesenfreier“ Theorien hat sich zuweilen auf mangelnde Sorgfalt des betreffenden Autors zurückführen lassen. Autoren, die sich nicht einer klaren Darlegung ihrer Grundhypothesen und einer sorgfältigen Entwicklung der aus denselben abgeleiteten Folgerungen befleissigen, können nicht beanspruchen, weiterhin einer ernsten Beachtung gewürdigt zu werden.

Edinburgh, d. 28. Juli 1904.

(Eingegangen 30. Juli 1904.)

Anmerkungen

  1. Vergl. H. A. Lorentz, Encykl. der mathem. Wissensch., Bd. V 2, Heft 1.
  2. M. Abraham, Ann. d. Phys. 10, 105, 1903.
  3. H. A. Lorentz, Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern. Leiden 1895.
  4. H. A. Lorentz, K. Akad. van Wetensch. te Amsterdam 1899, S. 507 und 1904, S. 809.
  5. P. Hertz, Diese Zeitschr. 6, 109, 1904. Untersuchungen über unstetige Bewegungen eines Elektrons. Inauguraldissertation. Göttingen 1904.
  6. F. Paschen, Ann. d. Phys. 14, 164 und 389, 1904.
  7. l. c. S. 153. Die gleichen Formeln sind, wie ich bemerke, unabhängig von O. Heaviside, Nature 67, p. 6, gefunden worden.
  8. Ann. d. Phys. 14, S. 273, 1904.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Scan enthält nach H, ein zusätzliches Leerzeichen, wofür hier ein I eingesetzt wurde, da die Doppelbrechung dispergierender Körper in Zusammenhang mit den beiden Hypothesen H, I steht.