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Die Gräber der Könige bei Jerusalem

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CXXIX. Cordova in Spanien Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CXXX. Die Gräber der Könige bei Jerusalem
CXXXI. Die Wartburg in Thüringen
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DIE GRÆBER DER KŒNIGE
bey Jerusalem

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CXXX. Die Gräber der Könige bei Jerusalem.




Wenn wir von freier Höhe zum Himmelsgewölbe aufschauen und eine Zeitlang zusehen dem Ziehen der Wolken auf den Flügeln des Sturmes über die Gebirge, wie sehnen wir uns dann, mitzuziehen über die Länder und Meere! – Wenn wir auf Gräbern wandeln, um wie viel näher dünken wir uns den Sternen, wie verlangt es uns weg von dieser Erde, und wie klein und vergänglich erscheint uns dann plötzlich Alles, was uns bleibend dünkte im Wechsel der Zeit! – Das längste Menschenleben schrumpft zum Augenblick zusammen, und groß erscheint uns nichts mehr, als die Ewigkeit des künftigen Daseyns. Diese Gefühle weckt schon ein Verweilen auf dem begrasten Friedhof eines Dorfes; mächtiger treten sie hervor, wenn wir an Orten wandeln, wo die Großen und Geehrten der Erde schlafen.

Gräber der Könige! Ihr Gräber der Erhabenen und Gewaltigen einer gewaltigen Zeit, sprecht, wie heißen die, welche ihr verborgen? Ihr schweigt; stumm seyd ihr geöffneten Mundes, erbrochen sind euere Kammern, zerschlagen die Sarkophage, und der verschüttete Staub der Gesalbten hängt sich als Koth an die Sandalen des zerlumpten Bettlers. Die metallenen Schrifttafeln, womit die Schmeichelei der Zeitgenossen die Lebenslüge der Todten zu verewigen gedachte, fraß der Rost, oder nahm der Raub, und ihre Namen hat die rauhe Hand der Zeit von den Steinen gewischt; die Sage selbst hat sie vergessen! Nichts blieb euch, ihr stolzen Grüfte! als der allgemeine Titel: Konigsgräber; und nichts ist so gewiß in Bezug auf euch, – denn der Bibel Zeugniß ist unverwerflich! – als daß von des Volkes Fluch und Thränen viel auf euch lastet. –

Jene merkwürdigen Grabhöhlen befinden sich in halbstündiger Entfernung von Jerusalem auf der Nordwestseite der Stadt. Vom Thore nach Sichem führt ein angenehmer Pfad unter schattenden Oelbäumen hin, und durch Reben- und Maisfelder in eine felsige, einsame Gegend. Hier sieht man überall in den Wänden des Gesteins viereckige Eingänge, ausgefüttert mit massivem Mauerwerk, welches ein einfaches Gesimse deckt. Das Innere jeder Höhle enthält 2 bis 3, selten 4 Todtenkammern, von denen jede zur Aufnahme von 2 oder 3 Särgen geschickt ist. Diese Todten-Kammern wurden früher durch steinerne Thüren verschlossen. Alle sind seit undenklicher Zeit erbrochen, und Fragmente von Thüren und Särgen bedecken den Boden. – Weiter berganwärts wird die Felsenbildung großartiger, und [108] dort ist’s, wo, umgeben von andern Grüften, die Königsgräber zu suchen sind. Zu denselben führt eine mit Skulpturen einfach geschmückte Felspforte, aus welcher man zuerst in eine offene, etwa 40 Fuß im Durchmesser habende Aushöhlung tritt, deren marmorartige Steinwände fast senkrecht und glatt behauen sind. Dieß ist der Vorhof. Durch einen 30 Fuß weiten und 12 Fuß hohen Thorweg, über welchem ein Gebälke mit sehr verstümmelten, aber vortrefflich gearbeiteten, Arabesken liegt, gelangt man von da in eine weite Vorhalle, aus welcher mehre schmale Gallerieen zu verschiedenen Sälen und Gemächern führen. Gegenwärtig ist nur noch eine der Gallerieen wegsam; alle andern sind verschüttet. Jene gangbare leitet nach einem Saale, der geschmackvoll, jetzt aber kaum noch kenntlich, mit Sculpturen verziert ist, und an den Wänden des Saales befinden sich die Eingänge zu einer Anzahl Todtenkammern, wovon jede mit genau einpassenden Steinthüren von trefflicher Arbeit verschlossen war. Jede Kammer enthielt einen Sarkophag, und die schönsten Basreliefs, meistens Blumenguirlanden, bedecken das Innere der Wände. Die Ausschmückung ist durchaus heiter, hochzeitlich möchte man sagen; alles, was an den Tod erinnert, ist in diesen Bildwerken sorgfältig vermieden.

Nirgends hat man eine Inschrift gefunden, oder entziffern können; aber eine uralte Tradition nennt diese Krypten die Gräber der Könige von Judäa, sowohl aus dem David’schen Hause, als aus dem des Herodes. Der Zeit des letztern gehören ohne Zweifel die noch vorhandenen, in griechisch-römischem Styl gefertigten Skulpturen an. Doch hat man auch in einigen der Katakomben Ueberreste älterer, hieroglyphenartiger Bildnereien entdeckt, die altjüdischen Ursprung verrathen. Daß diese Gräber wirklich sind, wofür man sie ausgibt, hat man zuweilen bestritten. Weil aber die Tradition darüber, erweislich, bis in die Zeiten der Kaiserin Helena reicht, von welcher die Regierungsepoche der Dynastie Herodes nicht so fern ist, so ist kein Grund vorhanden, ihre Wahrheit in Frage zu stellen.

Die alte Todtenstadt erstreckt sich weit über die Königsgräber hinaus, und endigt in einer schauerlichen Wildniß, wo man viele und große, einfach und im ägyptisch-phönizischen Styl verzierte Todtenhöhlen als die Begräbnißorte der Richter und mehrer Propheten bezeichnet. Mit welchem Rechte? steht dahin. Eben so zweifelhaft verhält sich’s mit einer schauerlichen Grotte, welche mitten in der Einöde und unter Grabgewölben liegt, von welcher die Sage geht, sie sey die Wohnung des Propheten Jeremias gewesen. Wohl konnte der begeisterte Weise keinen passendern Ort für seine weissagenden Betrachtungen finden, als unter den Mausoleen der erlauchten Todten, wo ihn jeder Blick an die Heldenzeit seines Volks erinnerte, und ihm der Contrast derselben mit der Gegenwart im grellsten Lichte vor die Seele treten mußte.