Die Geschichte von der Schwiegermutter
Die Geschichte von der Schwiegermutter.
Deutsche Romanze.
Es war einmal ein Junggesell,
Der hieß mit Namen Michael,
Vom Stamm der Nibelungen;
Der hat mit seinem Hünenschwert
Und allesammt bezwungen.
Doch als die Zeit zum Freien kam,
Da ward der wilde Kämpe zahm
Und lernte knie’n und beten;
Der hat er’s gerne zugesagt,
Mit ihr in Bund zu treten.
Frau Roma sah den Freier gern;
Sie freute sich, den mächt’gen Herrn
„So zieht in Frieden!“ sprach sie mild,
„Und wenn’s einmal zu helfen gilt,
Besuch’ ich euch in Schwaben.“
Als so der Bund geschlossen war
Glücksel’ge Flitterwochen;
Ecclesia war zufrieden sehr
Und dacht’ auch des Besuchs nicht mehr,
Den ihr Mama versprochen.
War auch die Schwiegermutter da
Und bat sich selbst zu Gaste;
Sie wollte doch dem Töchterlein
Mit gutem Rath behülflich sein,
Je nun, gepaßt hat’s immer noch,
Doch sprach Frau Roma gleich vom Joch
Und brachte mit Gestichel
Und list’gem Wort der Tochter bei,
Und nicht der dumme Michel.
Der Michel liebte seine Frau,
Drum nahm er’s nicht so gar genau
Und ließ ihr gern den Willen;
Ging ihr Begehr in’s Uebermaß
Und war nicht mehr zu stillen.
Nun kam die bitterböse Zeit;
Tagtäglich gab es Zank und Streit –
Nichts, was er wollte, war ihr recht;
Sie war der Herr und er der Knecht,
Der nur gehorchen sollte.
Da ward’s dem Mann denn doch zu bunt.
Sein Leid dem Doctor Luther;
Der sprach: „Nicht länger gieb’ Geduld!
An allem Zwist und Hader schuld
Ist nur die Schwiegermutter.“
Er schön an: so was ließ Madam
Vom Michel sich nicht bieten.
Sie schrie: „Nun bleib’ ich grade hier
Und nehm’ als Wächter in’s Quartier
Nun war erst gar der Teufel los;
Von Worten kam’s zu Hieb und Stoß,
Bis Tisch’ und Stühle schwankten,
Und schließlich schlugen Mann und Frau
Daß beide schwer erkrankten.
Was Wunder, daß bei solchem Ding
Die Wirthschaft schier zu Grunde ging,
Zur Schmach für Land und Leute.
Ich schlag an Euch dies Erbe los,
Ich schenk’ es Euch als Beute.“
Als das Herr Michael vernahm,
Da überkam ihn bitt’re Scham;
„Da schlag’ ein Donnerwetter drein!
Ich will der Herr im Hause sein.
Hinaus, du wälsches Wesen!“
Hei! Wie das auseinanderstob,
Sammt ihrer Leibcurrende!
Und durch die Lande klang es hell:
„Hie Schwert des Herrn und Michael!
Nun hat die Schmach ein Ende.“
Als sei’s nun auch mit ihr vorbei,
Doch anders ward’s entschieden:
Sie respectirte wieder gern
In Michael des Hauses Herrn
Er hielt, vom Schwiegermutterbann
Befreit, als wack’rer Ehemann
Sein treues Weib in Ehren
Und ließ in ernsten Stunden auch
Sich gern von ihr belehren.
So gingen beide Hand in Hand;
Gesegnet war ihr Ehestand,
Ein Muster für die Leute,
Und wenn sie nicht gestorben sind,
So leben sie noch heute.
Hermann Grieben.