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Die Gartenlaube (1895)/Heft 12

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[181]

Nr. 12.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Dem Fürsten Bismarck zum ersten April.

Im Sachsenwalde rauschen Wodans Eichen –
Längst starb der alten Götter Herrlichkeit;
Doch hat ein Glanz des Ruhmes sondergleichen
Jetzt neu das alte Heiligtum geweiht;
Hell leuchtend aus des Waldes Dämmerungen
Weit über Land und Meer ist er gedrungen.

Und es ergießt sich in die grünen Hallen
Aus Nord und Süd der Volksgenossen Schar;
Kein Herrscher winkt dienstwilligen Vasallen,
Kein Priester ruft die Gläub’gen zum Altar.
Frei folgen alle eig’nem Herzenstriebe,
Ihr Leitstern ist Bewunderung und Liebe!

O rauscht, ihr Eichen, eure Huldigungen,
Den Festesgruß dem greisen Helden zu;
Er hat gekämpft, er hat die Welt bezwungen,
Doch nicht ersehnt er thatenlose Ruh:
Auf hoher Warte mit dem Adlerblicke
Bewacht er Deutschlands wechselnde Geschicke.

Die Dichter träumten und die Denker sannen,
Die Geister künft’ger Zeiten gingen um;
Der Eine nur vermochte sie zu bannen,
Nur große That macht die Propheten stumm,
Vor seiner Seele standen die Gesichte –
Er schritt zur That, sie wurden Weltgeschichte.

Ein einig Reich ward aus dem Kampf geboren,
Ein einig Volk bringt Wünsche ungezählt!
Noch ist der Lebende ihm unverloren,
Sein Lorbeer der Cypresse nicht vermählt.
So halt’ er wacht an großer Zeitenwende
Und sein Jahrhundert geh’ vor ihm zu Ende!
 Rudolf von Gottschall.

[182]

Echt.

Erzählung von R. Artaria.

     (4. Fortsetzung.)

Hinter dem Vorhang, der den Festsaal teilte, in der hochgewölbten phantastischen Wundergrotte, wo sich eine von bläulichem Glanz und farbigem Glühlicht erhellte Perspektive in geheimnisvolle, glitzernde Tiefen aufthat, war man mit den letzten Vorbereitungen beinahe fertig. Im Mittelgrund stand der trotz Hachingers trüben Ahnungen aufs entzückendste dekorierte Wagen mit den aus tiefem Grün schlank aufragenden Palmen und den großen märchenhaften Blumenkelchen, deren üppige Blätter und Ranken tief an den Seiten niederhingen. Der künftige Lenker befand sich in fieberhafter Thätigkeit, um alle glücklich an ihren Platz zu schaffen; erst hatte er die bewegenden acht Packträger unter die Seitendraperien geschoben, dann drei Jungen, welche in den Flügeln des Zugtieres, eines grünschillernden Drachens, sowie in dem hochgetragenen Halse gehen sollten, noch mit den notwendigen Ermahnungen bedacht und hierauf die Schwestergenien zu ihrem blumenbekränzten Sitz an der Rückseite des Wagens geleitet. Ihren lebhaften Protest gegen diesen unvorteilhaften Platz hatte er durch noch lebhaftere Versicherungen beschwichtigt, wie ganz eigentümlich eben das sei, daß sie auf solche Weise als besonderes Bild vom Publikum bewundert würden.

„Reizend, aber ganz reizend!“ rief er, als sie glücklich saßen, im Ton des echtesten Enthusiasmus, lief schnell und holte noch ein Blumengewinde, das er der einen in die Hand gab. „So, das fehlte noch!“ Dann, zurücktretend und die Augen halb schließend: „Ein wundervoller Effekt! Bleiben Sie ja in dieser Stellung, sie macht sich ausgezeichnet!“

Dann eilte er, um das Hauptwerk in Angriff zu nehmen, seitwärts, wo in einer der Tropfsteincoulissen Toni, mit dem Gewand der „Phantasie“ angethan, schon geraume Zeit wartend saß. Sie war ihr nicht lang geworden, ihre Augen hatten unablässig seine schlanke, in dem knappanliegenden Silberbrokat-Wams so herrlich sich zeichnende Gestalt betrachtet. Wie schön er war! Welche Kraft und Anmut in jeder Bewegung, und wie er seinen Kopf trug, diesen herrschaftsgewohnten stolzen Kopf mit dem goldschimmernden Barett auf den dunklen Haarwellen und den darüber herunternickenden langen weißen Federn!

Nun trat er plötzlich auf sie zu. „Gnädiges Fräulein, darf ich jetzt bitten? Die letzte Hand muß ich droben anlegen, wenn Sie auf dem Piedestal feststehen. Auch dies hier,“ er zeigte ihr ein paar zarte durchsichtig rot schillernde Libellenflügel, „kann ich erst dort befestigen. Aber – wie sehen Sie denn aus? Sie werden mir doch nicht am Ende Angst bekommen?“

Er sah erschrocken in ihr bleich gewordenes Gesicht, aber sie schüttelte energisch den Kopf. Daß ihr sein plötzliches Nahen alles Blut zum Herzen gedrängt hatte, konnte sie ihm doch nicht sagen, und so flüsterte sie im Hingehen zum Wagen:

„Es ist nichts, ich fürchtete mich wohl ein wenig vor all den fremden Leuten, aber jetzt, wo Sie bei mir sind –“

Sie stockte, im gleichen Augenblick ergriff er ihren Arm und schob ihn in den seinigen.

„Das lange Kleid hindert Sie im Gehen,“ sagte er laut, und dann drückte er den Arm fest und warm gegen seine Brust. Nun waren sie an den Stufen angekommen, Toni trat auf das für sie viel zu lange Kleid und strauchelte.

„Kommen Sie,“ sagte Pereda, hob sie vom Boden und trug sie vorsichtig, indem er, die Enge des Weges benutzend, sie innig in seine Arme schloß, zwischen den Gesträuchen empor. Er warf, oben angekommen, einen raschen Blick umher: niemand achtete auf sie. Die Gebüschwand schützte vor dem Hintergrund, wo sich der Rest des Zuges ordnete, und die Zwerge, die vorhin noch den Drachen umstanden, waren dem neuen Schauspiel nachgelaufen.

Pereda ließ seine leichte Bürde auf das Piedestal niedergleiten und sah ihr dabei auf die kurze Entfernung mit einem so unverhüllten Zärtlichkeitsblick in die Angen, daß ein ungekanntes Gefühl, halb Schauder, halb Wonne, ihr durch alle Nerven rieselte. Und jetzt näherten sich die dunkelbewimperten heißen Augen immer mehr, sie wurde von zwei Armen erfaßt, und im gleichen Augenblick fühlten ihre Lippen einen Kuß, so süß, so wonnevoll überwältigend, wie Toni noch nicht gewußt hatte, daß Menschen küssen können.

Es war ein Augenblick – ehe sie noch eine Bewegung der Abwehr hätte machen können, war er bereits vorüber und Pereda sagte laut, in der Hörweite der beiden Genien und des allmählich zur Aufstellung vor dem Drachen herbeikommenden Zwergenvolkes.

„Nun müssen zuerst die Flügel daran,“ nahm dieselben und befestigte sie mit Kreuzbändern geschickt und fest hinter den Schultern. Aber Toni griff rasch nach den Enden und band sie selbst über dem Gürtel zusammen.

„Und nun, um das zu verdecken, das letzte Schleierzeug,“ sprach er wieder in demselben unbefangenen Ton, während seine Augen fortwährend eine andere stumme Sprache redeten, nahm ein bereitliegendes zartes Gewebe, das in Regenbogenfarben schillerte, und zog dasselbe, behutsam anfassend, von der rechten Schulter zur linken Seite nieder über das weiße Gewand, es in engen Falten formend und mit leichten Händen an diesem feststeckend.

„Nun noch eine verdeckte Stütze für den linken Arm!“ Er sollte den Schmetterling tragen, während der rechte, herabhängend, den goldenen Zauberstab umschloß.

„So!“ … Pereda trat zurück, um die Wirkung zu prüfen, und was er sah, entzückte ihn.

Tadellos – über alles Erwarten! Die zarten Formen der Gestalt durch die Gewänder aufs schönste gehoben, die Stellung so glücklich, und der Ausdruck des Köpfchens – famos! Sehnsüchtige Schwärmerei in den groß offenen Augen, ein verträumtes Lächeln um die Lippen: die reine wirkliche Phantasie, wie man sie sich nur vorstellen konnte. Er war entzückt über seinen Effekt.

Eilig ordneten sich währenddem die Herolde und ihr Gefolge, Zwerge und Erdgeister, paarweise vor dem Drachen. Pereda neigte noch einmal den Kopf nahe zu Toni und wie ein Hauch tönte es in ihre Ohren.

„Mein süßes Mädchen!“

Ehe sie sich von dem schwindelnden Glücksgefühl nur halb erholt hatte, sah sie ihn bereits vorn auf dem Wagen sitzen, die Zügel in der Hand, und hörte seinen leisen Ruf: „Fertig – los!“

Da strahlte von allen Seiten elektrisches Licht auf, brausende Orchesteraccorde ertönten, der große Vorhang schob sich mit einem gewaltigen Ruck auseinander und der Zug überschritt die Schwelle der Grotte.

Ein lauter Bewunderungsruf aus der Kopf an Kopf stehenden Menge ertönte und pflanzte sich unaufhaltsam mit dem weiterschreitenden Zuge fort. Am lebhaftesten wurde überall der Phantasiewagen empfangen, sein Lenker lächelte dann und wann unmerklich vor sich hin, besonders wenn er in erstaunten Bekanntenaugen die Frage las: „Na, wer ist denn das, wo kommt diese neue Schönheit her?“

Er genoß seinen Erfolg und spähte zugleich mit raschen Blicken umher, ob er nicht irgendwo das Gesicht auftauchen fehe, das verhaßte Gesicht, dessen Wutblick ihm soviel Vergnügen machen sollte. Aber es zeigte sich nirgends, so viel fremde und bekannte Augen auch auf ihn und die rätselhafte „Phantasie“ gerichtet waren. Diese selbst schwebte auf ihrem luftigen Standpunkt wie in goldenen Wolken, ihre Blicke streiften über die Menge weg, ohne sie zu sehen, so völlig verloren war sie in die Erinnerung an das ungeheuere süße Erlebnis dort in der dämmerigen Zaubergrotte!

„Ist sie’s denn wirklich?“ wandte sich, zweifelnd über die große Veränderung durch das Kostüm und über den seltsam abwesenden Blick, der ihn ohne Zeichen des Erkennens gestreift hatte, der gute Ritter Lorenz an seine Begleiterin. Einen Augenblick vorher hatte sie, krampfhaft seinen Arm fassend, ausgerufen: „Da – sehen Sie! Fräulein Toni!“

„Natürlich ist sie’s,“ fuhr Sophie Panke eifrig fort. „Sie können sich auf mein Auge verlassen. Und reizend sieht sie aus, das muß man sagen.“

Lorenz stand und schaute mit festgebannten Augen. „Ja – wunderschön!“ sagte er, endlich zu sich kommend, als nur noch die nickenden Palmenwedel von rückwärts zu sehen waren. „Aber wer mag der Schwarze sein, der sie da auf seinem Wagen fährt? Sie hat, scheint’s, rasch Bekanntschaft gemacht mit den Herren Malern!“

„Der Schwarze?“ fragte neben ihm ein höchst naturwahrer Packträger. „Kennen’s den nicht? Das ist ja der Pereda, der [183] berühmte Maler, der Spanier, in den die Frauenzimmer rein vernarrt sind. Der sucht sich allemal die Schönste aus, darauf kann man zuerst schon schwören.“

Lorenz maß den Harmlosen mit einem stummen Wutblick, aber seine Begleiterin legte ihm warnend die Hand auf den Arm und jener wandte sich auch bereits, um die dem Wagen der Phantasie nachfolgenden „Vier Menschenalter“ anschauend zu genießen.

Lorenz hatte keine Augen mehr für das von einem großen Elefanten gezogene goldene Zeitalter in Indiens seligen Hainen, er ließ auch das silberne, dargestellt durch einen herrlichen Zug griechischer Mädchen und Jünglinge und einen Prachtwagen perikleischer Kunst, ungerührt passieren. Erst als die eiserne Zeit des Mittelalters kam und der Boden unter dem Tritt der Geharnischten erzitterte, wurde er aufmerksam, weil eine weibliche Stimme aus der Nähe rief: „Seht, da kommt der Kaiserwagen! Das ist der Volkhard und seine Frau, die stellen das Kaiserpaar vor. Ach, sind die schön!“

Nun sah er hin und betrachtete wohlgefällig den prächtigen Hohenstaufen, den zweiten Friedrich, der unter sarazenischem Baldachin mit seiner schönen Gemahlin Hof hielt, umgeben von morgen- und abendländischen Glanzfiguren und von schönen Kindern, die sich zu Füßen des Kaiserpaares gelagert hatten.

Dort hätte sie hingehört!“ grollte Lorenz, als der Prachtwagen langsam vorüberzog. „Nicht allein mit so einem spanischen Windbeutel auf das grüne Gestell da hinauf! Das hätte der Schwager nicht leiden dürfen!“

Er erhielt keine Antwort, denn Fräulein Pankes Finger flogen stenographierend in rasender Eile über die Seiten ihres Notizbuchs. Was war ihr in diesem Augenblick der Liebeskummer des guten Lorenz! Sie fühlte sich einzig als Reporterin, erhaben über menschliche Herzensregungen, groß in mustergültiger Ausübung ihrer Pflicht. Aber die Arme sanken ihr, als nun, mit großem Plakat sich ankündigend, „das Papier- oder Schwindelzeitalter“ auf den Plan trat und mit einer wahren Explosion der ungewöhnlichsten elektrischen, maritimen und hygieinischen Erfindungen, Verkehrsmittel und -hindernisse im großen Schwarm hereinplatzte. Hier hörte die Berichterstattung auf und fing der Unsinn an, der sich auch alsbald unwiderstehlich ansteckend durch den ganzen Saal ergoß und selbst die Gesetzten und Soliden in seinen Wirbel riß.

Sobald der Umzug und das daran anschließende sarazenische Kampf- und Fechtspiel vor dem kaiserlichen Hofe vollendet war, lockte der Wiener Walzer und bald drehte sich ein großer Teil des Publikums trotz Platzmangels und Hitze in der Mitte des großen Saales, während zugleich ein langsames Vorwärtsschieben der anderen nach dem oberen Ende stattfand, um die dort auf einer Estrade ausruhenden Hauptfiguren des Zuges noch einmal im Vorbeigehen zu betrachten.

Darum schien es besonders einer schlanken Frauengestalt zu thun zu sein, die sich rasch und gewandt zwischen den Einzelgruppen durchschmiegte, um dann wieder hinter der Deckung von Säulen und Strauchwerk angelegentlich nach jener Seite hinüberzuspähen. Sie trug ein schillerndes Pfauenfederngewand, da und dort mit kleinen Spiegeln behängt, und um den Hals einen blitzenden Diamantschmuck. Die schwarze Maske aber schloß so fest um Wangen und Kinn, daß von dem Gesicht nichts zu sehen war, als ein Paar rastlos hin und her fahrender Augen.

„Schau einmal an! Wer ist denn das?“ rief der hohenstaufische Gefolgsmann Hachinger, indem er sich breitbeinig auf sein großes Schlachtschwert stützte und vor die Lauschende hinpflanzte. „In welches Zeitalter gehörst denn Du, liebe Eitelkeit?“

„In alle!“ versetzte sie rasch. „Aber am meisten hab’ ich doch in dem Eurigen zu thun, weil jetzt die Männer noch viel eitler sind als die Weiber und die Künstler am eitelsten von allen!“

„Schau, schau, das Mundwerk!“ murmelte er, der Enteilenden nachblickend. „Wer mag’s sein? Und z’wegen wem hat sie da auf dem Lauerposten gestanden: das sollt’ man ’rauskriegen können und sie dann ein bissel vexieren!“

Er war nicht der einzige, dem das kostbare und raffiniert ausgedachte Kostüm, sowie die Figur der Trägerin auffiel. Frau Eitelkeit mußte noch manchem Rede stehen und that es mit großer Schlagfertigkeit, bis sie den Menschenstrom durchkreuzt und die andere Seite gewonnen hatte.

Dort setzte sie sich nahe der Estrade in ein Rosengebüsch, von Zeit zu Zeit den Kopf hinüberwendend nach der Brüstung, von welcher herunter Pereda etwas gelangweilt das Gewühl musterte. Toni war nicht mehr an seiner Seite, sie flog dort in den Reihen der Tanzenden und er sandte ihr keinen Blick nach: sie würde immer noch frühe genug wieder zu ihm zurückkehren!

Dafür streiften seine Blicke erst flüchtig, dann immer aufmerksamer und unruhiger die Gestalt im grüngoldenen Federkleid, die dort unter den Ranken saß, die zierlichen Füßchen in Goldschuhen, halb von der weich herabfallenden Pfauenaugenschleppe verdeckt, den großen Fächer lässig in schönen nackten Armen bewegend, während sie mit seitwärts gesenktem Kopf hinter der Larve hervor ihn selbst auffallend fixierte. Er glaubte, ein halb spöttisches, halb verlockendes Kopfnicken zu sehen, und ehe er sich noch Rechenschaft über seine Absicht gegeben hatte, war er mit einem Satz die drei Stufen hinabgesprungen und hatte sich in das Gewühl gestürzt. Aber als er mit Mühe bis zu der Säule durchgedrungen war, fand er den Platz zwischen den papiernen Rosenbüschen von einem dicken Domino besetzt und das Pfauenkleid war verschwunden. Er drängte sich kreuz und quer durch die Menge, es zu suchen – vergebens! Das Rätsel blieb ungelöst, nur ein verräterisches Pochen seines Herzens ließ ahnen, in welcher Richtung Adrian Pereda die Lösung allenfalls suchen würde! …

Zwei Stunden später saß Volkhards ganze Gesellschaft, Freunde und Wagengenossen, in einem der vielen Seitenzimmer des Odeonsaales, einzig von dem Wunsche beseelt, jetzt endlich einmal nach all der Poesie etwas Ordentliches zu essen zu bekommen. Den vereinten Anstrengungen der Männer war es gelungen, einen der durch das Gewühl eilenden Kellner zu erhaschen und ihm seine über den Häuptern balancierte Traglast von Braten und Salat abzunehmen. Der Lärm umher war groß. Von allen Tischen her schrieen die Hungrigen nach den mit Windeseile daherkeuchenden Speisenträgern, Teller und Schüsseln verschwanden über den Köpfen weg, aber zwanzigmal soviel, als da war, wurde begehrt, und wer einen Sitzplatz erobert hatte, durfte sich glücklich schätzen. Ein Strom von solchen, die ihn erst suchten, ergoß sich von der Eingangsthüre her und mußte schließlich auf der entgegengesetzten Seite wieder hinaus, um sein Heil anderweitig zu versuchen.

„Das ist doch einmal wie das andere,“ sagte Hachinger, indem er, im Vollbesitz seines Kalbsbratens und die Hand um den Bierkrughenkel gelegt, behaglich nach jenen Wanderern hinüberblickte. „Immer nicht Platz und nicht Essen genug für all’ die Leut’! Ob das jemals anders werden wird?“

„Warum nicht gar!“ erwiderte Pereda. „Damit wäre ja Eurer berühmten Münchener Gemütlichkeit der Todesstoß versetzt. Soviel ich bis jetzt gesehen habe, besteht sie hauptsächlich in einer leidenschaftlichen Abneigung gegen Bequemlichkeit und Komfort jeder Art.“

Das verdroß Hachinger bedeutend.

„Warum kommen denn hernach alle die Fremden immer nach dem schlechten München?“ fragte er anzüglich. „Wir haben sie nicht gerufen und es wär’ uns manchmal viel lieber, sie blieben draußen.“

„Sein’s doch nicht gleich so grantig, Hachinger,“ mischte sich jetzt Ihre Majestät die Kaiserin ins Gespräch. „Sie haben ja mit Räsonnieren angefangen, da wird ein anderer wohl auch etwas sagen dürfen.“

Frau Resi hatte heute ihren schönen Tag. Von dem züchtigen Schleier und Diadem strahlte ein ungewohnt fraulicher Liebreiz über ihre energischen Züge, und selbst ihre unbekümmerte Redeweise vermochte den Eindruck einer Prachtpersönlichkeit nicht zu beeinträchtigen. „Uebrigens,“ fuhr sie fort, „sind wir doch alle heute abend von Herzen vergnügt, gelt, Hans? Und so ’was giebt’s halt doch nur in München,“ wandte sie sich zu Pereda hin, „in anderen Städten thun sie auch so dergleichen aber hier ist’s, als ob das alles eine Zeit lang wirklich so wäre. Ich kann’s nicht so sagen, aber spüren thu’ ich’s ganz genau, wie schön das ist.“

„Sie hat ganz recht,“ sagte Volkhard, dessen kraftvolle Reckengestalt seinen Hohenstaufenkaiser ebenfalls mit allen Ehren repräsentierte.

Er that einen majestätischen Griff nach dem Bierkrug. „Wir fühlen uns heute ganz besonders als Lehensherr der bajuvarischen Lande und raten Euch, Prinz von Arkadien, keine anzüglichen Reden zu führen. So lange die da draußen uns so ’was nicht nachmachen können, so lange bleibt München München, wenn man sich drinnen auch manchmal seinen Stuhl selber holen muß oder [184] seinen Maßkrug. Das schadet den größten Genies nichts und bewahrt vor dem ‚celebren‘ Wesen. Haben Sie hier schon einmal eine richtige Celebrität gesehen, so eine, die sich fühlt und wegen der die anderen verstummen, wenn sie in eine Gesellschaft tritt? Gott bewahre, das giebt’s nicht. Manchmal kommt eine von außen herein, die stirbt entweder schnellstens ab und verwandelt sich in einen natürlichen Menschen, oder aber sie geht bald wieder durch, weil sie die allgemeine Respektlosigkeit nicht aushalten kann. Bleiben Sie hier fünfundzwanzig und dreißig Jahre, werden Sie Ehemann und Hausbesitzer, verkaufen Sie Bilder zu den höchsten Preisen und heimsen die goldenen Medaillen nach dem halben Dutzend ein, Sie können es doch nicht soweit bringen, daß, wenn ein richtiger Münchener in befriedigtem Nationalstolz ausruft: ‚Herrgott, san mir Leut’!‘ – er nicht zuerst sich meint und lange hernach einmal Sie!“

Pereda lachte. „Das Vergnügen lasse ich ihm gern, bis zur Celebrität hat es bei mir ohnehin noch gute Wege. Uebrigens sind Sie vorhin alle ohne Grund über mich dreingefahren: mir gefällt es ja in München. Sehr sogar, sehr!“ wiederholte er, indem er zwischen den halbgeschlossenen Lidern hervor wieder einen seiner eindringlichen heißen Koseblicke über die an seiner Seite sitzende Toni hinabgleiten ließ und, sich im Stuhl zurücklehnend und dabei wie zufällig seinen Arm auf die Lehne des ihrigen stützend, mit leisem Finger ihre Achsel streifte. Ihr freiansteigender Nacken mit dem schlanken Halsansatz und den feinen Löckchen darüber sah so hübsch aus den Gewandfalten heraus, er hätte etwas drum gegeben, sachte über das zarte Fellchen streicheln zu dürfen. Warum ging doch die Maskenfreiheit nicht noch ein bißchen weiter? … Zu der übrigen Münchener Gemütlichkeit würde das ja vortrefflich passen … Pereda dachte es mit dem vielsagenden Lächeln, welches den ehrlichen Hachinger empörte, so oft er es zu sehen bekam. Auch jetzt mißfiel ihm die nachlässige Grazie, mit welcher Pereda seine Bartspitze zwischen den Fingern wirbelte, durchaus.

„Fader, zuwiderer Kerl!“ murmelte er durch die Zähne. „Was nur die Frauenzimmer an dem haben – ’s ist rein unbegreiflich!“ …

Toni saß ganz still da, sie hatte die leise Berührung mit seligen Schauern gefühlt. Wenn die anderen wüßten! Was sie nur sagen werden, wenn’s einmal offenbar wird! … Und die zu Hause erst … wenn die erfahren, daß die Burghofer Toni ein solches Glück macht! Ihr schwindelte völlig vor dem Gedanken, so unmöglich schien er, und doch verlor sie sich schon im nächsten Augenblick in Zukunftsbilder des eleganten Hauses, das sie haben würde, des verliebten und berühmten Mannes, der schönen Reisen, der Toiletten und tausend Luxusgegenstände, die dann alle, alle erreichbar waren … Sie saß träumend mit groß offenen Augen da, ohne Anteil an den zwischen den Tischgenossen weiterhin gewechselten Reden. Das Lachen und die vielen schlechten Witze schlugen nur wie von ferne an ihr Ohr, sie schien den immer noch durch das Zimmer passierenden Menschenstrom zu betrachten, in Wirklichkeit aber waren ihre Gedanken weit entfernt davon.

Da erweckte ein unerwarteter Anblick ihr mit einem Schreckensschlag Bewußtsein und Erinnerung wieder. Aus dem Haufen der noch überall nach Platz spähenden Menschen lösten sich jetzt zwei Gestalten los, welche Toni kannte und mit so starrem Entsetzen betrachtete, als seien es ein paar Gespenster, die ihr hier erschienen. Kein Zweifel, das war das alte Fräulein von unterwegs und Lorenz – du lieber Gott – in welcher Gestalt! Wie schrecklich ordinär sah er aus in denn unbeholfenen armseligen Sammetwams, und sein Gesicht unter dem schauderhaften Barett, sein rotes, verlegenes Gesicht, das war noch das Aergste von allem. Rein wie ein maskierter Bauer, der merkt, daß er an einen solchen Ort nicht hingehört!

Noch hatte er sie nicht gesehen; Toni zitterte, daß es im nächsten Augenblick geschehen könne; sie wandte voll Todesangst nur schnell den Kopf ab und begann, indem sie dem Platz, wo jene standen, ganz den Rücken kehrte, ein lebhaftes Gespräch mit Hachinger, der an ihrer anderen Seite saß. Ihr Herz schlug zum Zerspringen, die Sekunden wurden lang, daß es fast nicht zum Aushalten war, umzuschauen wagte sie nicht, sie bog sich immer mehr nach ihrem über dieses plötzliche Interesse ebenso verwunderten als erfreuten Nachbar hin und stützte dabei den Kopf in die Hand, um den letzten schmalen Streifen ihres Gesichtes zu verdecken. Vielleicht verschwanden die beiden doch wieder im Menschengedränge, ohne herüberzuschauen und sie zu erkennen!

Aber diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Fräulein Pankes Falkenaugen hatten sowohl die Tischgesellschaft, als auch so viel leeren Raum am unteren Ende entdeckt, daß sich zwei Personen zur Not noch setzen konnten, und ihr erfinderischer Geist zögerte nicht, die unverhoffte Gelegenheit auszunutzen. In bescheidener Haltung, aber unverlegen, näherte sie sich dem in der Mitte der Langseite sitzenden Volkhard und sagte:

„Dürften wohl zwei recht Müde und Hungrige es wagen, hier in diesem hohen Kreis um ein Plätzchen zu bitten? Dort unten ist noch eins frei, und ganz Unbekannte sind wir ja nicht. Ich hatte vor einigen Tagen das Vergnügen –“ ihre Augen hefteten sich anfordernd auf die gegenübersitzende Toni, die bei dem ersten Wort ihre Wangen heiß werden fühlte, aber den Kopf nur um so eifriger abgewandt hielt, indem sie laut mit Hachinger sprach und lachte.

„Ihr Fräulein Schwägerin dort wird sich gewiß erinnern,“ klang es jetzt in nicht mehr zu überhörendem Ton. Diese hob über und über erglühend die Augen, ein ängstlich verlegenes Lächeln irrte über ihr Gesicht, aber sie schien die rings um sie Sitzenden als genügende Verhinderung zum Aufstehen anzusehen und begnügte sich mit einer kaum merklichen Grußbewegung. Dann wandte sie schnell den Blick wieder ab, als habe sie keine Ahnung, um was es sich hier handle.

Volkhard hatte sich inzwischen zögernd halb von seinem Stuhle erhoben, zugleich aber drehte Pereda den Kopf und sagte über die Achsel weg in eisigem Tone. „Bedaure, wir erwarten noch zwei Personen.“

„Kommen Sie, Fräulein,“ hörte man jetzt die Stimme des bisher von allen unbeachteten Ritterjünglings mit sehr entschiedenem Tone sagen. Seine Augen hatten während der letzten Sekunden erst mit Staunen, dann mit wachsender Entrüstung auf Toni gehaftet, jetzt wandte er sich kurz um. „Sie sehen ja, das Fräulein kennt uns nicht mehr. Ueberlästig wollen wir nicht fallen!“

Toni hatte seinen Blick trotz der niedergeschlagenen Wimpern gespürt und mit sich gekämpft, endlich sah sie auf, entschlossen, sich zu erheben und, was auch kommen möge, den Schwergekränkten mindestens in ein kurzes Gespräch zu ziehen. Aber die Stelle, wo beide Gestalten eben noch gestanden, war leer, der Menschenstrom hatte sie wieder verschlungen.

„Na,“ sagte Volkhard, „wer war denn das? … Doch nicht am Ende … ja freilich, das war ja die alte Jungfer, mit der Du im Damencoupé fuhrst – nicht?“

Toni nickte stumm.

„Das hätte uns gerade abgehen können,“ meinte Hachinger. „Jung, wenn sie gewesen wär’ und hübsch, nachher hätt’ man zusammenrucken können. Aber so eine alte Schachtel –“

„Sie ist Schriftstellerin,“ sagte Toni.

„O Gott, auch das noch – es wär’ an ihrer Nasen schon genug gewesen. Na, sind wir halt froh, daß wir’s losgebracht haben, so ’was könnt’ einem ja rein das ganze Fest verderben!“

„Hör' Du!“ sagte mittlerweile Frau Resi leise zur Schwester, „war denn das nicht –“

„Schweig’!“ erwiderte diese scheu und beklommen. „’s ist mir arg, aber wie kann er denn auch nur daran denken …“

Volkhard, der Ahnungslose, in dessen Salzburger Erinnerungen Lorenz Käsmeyer nicht vorkam, sagte gutmütig tröstend zu Toni:

„Nimm Dir’s nicht zu Herzen, Tonerl. Du kannst nichts dafür. Wer weiß, ob Dir das Fräulein nur je noch einmal begegnet. Und wenn ja, dann schiebst Du die ganze Schuld auf den Pereda, kannst ihn so schwarz machen, als Du willst, ’s ist immer noch hellgrau gegen sein natürliches Kolorit.“

„Zu schmeichelhaft,“ entgegnete dieser salutierend. „Uebrigens – haben wir nun lange genug gesessen?“

„Wollen Sie tanzen?“ fragte Frau Resi dagegen.

Er zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Eigentlich hätte er sich einmal selbst überlassen sein mögen, um ungestört auf Entdeckungen ausgehen zu können. Aber man erwartete es offenbar anders! So sprang er denn auf und neigte sich vor Toni, die, vor Vergnügen errötend, ihren Arm in den seinigen legte, und führte sie in den großen Saal hinaus, wo sie bald genug im Tanze das unangenehme Gefühl vergaß, das ihr vorhin die Kehle zusammengeschnürt hatte. Sie ließ sich willenlos halten und führen, fühlte sich von einem festen Arm zärtlich umschlossen, sah emporblickend in

[185]

Parsifal zeigt den Gral.
Nach dem Gemälde von Th. Pixis.

[186] zwei Augen voll süßer Gewalt und gab sich ganz dem seligen Wiegen von Musik und Empfindung hin. Sie war eine gute, leichtschwebende Tänzerin, man bewunderte laut das schöne Paar, und Pereda fühlte auch bald den leichten Rausch, der ihn bei solchen Gelegenheiten anzuwandeln pflegte. Er sagte ihr, als der Tanz aufhörte und sie an seinem Arme im Saale umherging, eine Menge von Schmeicheleien, die Toni wie ein einziges großes Liebesgeständnis vorkamen. Dann verschwand er wohl auch wieder für eine Zeit lang, aber die anderen, die zahlreich genug herbeikamen, um einen Tanz mit der reizenden „Phantasie“ zu machen, sie sparten auch nicht mit stark kolorierten Huldigungen, so daß sich Toni bald wie eine kleine Königin vorkam. Es war wie ein stundenlanges Fliegen in lauter Wonne, in einer neuen Existenz, himmelweit entfernt von der gewohnten Kleinbürgerlichkeit; sie fühlte sich plötzlich ganz einfach dazu gehörig zu all den vornehmen, feinen Leuten, die sie alle mit solcher Auszeichnung behandelten, wenn sie wieder und wieder am Arm des Stolzen und Gefeierten in eine Quadrille oder während der Pausen in einen Kreis von Plaudernden eintrat. Er wollte sie zeigen, das fühlte sie ganz sicher, und erstaunte sich selbst, wie schnell sie es fertig brachte, ohne Verlegenheitserröten den Platz an seiner Seite auszufüllen, die Scherzreden der Herren munter zu beantworten, den Blicken der Damen unbefangen stand zu halten, mochten dieselben sich bewundernd oder kritisch aus sie richten.

Nur ein Augenpaar fiel ihr gelegentlich sonderbar auf: wäre sie nicht überzeugt gewesen, die blasse, elegante Trägerin eines grüngoldenen Pfauenkleides nie gesehen zu haben, so hätte sie denken müssen, dieselbe schleiche ihr absichtlich nach, um sie zu beobachten. So oft funkelten plötzlich die schwarzen Augen für einen Augenblick in ihrer Nähe auf und starrten sie mit einem unverhohlenen Ausdruck von Geringschätzung oder Haß an. Pereda, welchen Toni fragte, konnte sich nicht denken, wer die Dame sei. Er geleitete Toni zu ihrer Schwester unter die Säulen hinüber und verschwand dann für eine Zeit lang, bis die letzte Quadrille kam, die sie wieder zusammenführte. Und – da stand ihnen plötzlich dieselbe schöne Pfauendame am Arm eines vornehm aussehenden Maltesers gegenüber. Den Namen verstand Toni bei der Vorstellung nicht, sie sah aber sehr genau, daß jene während der Unterhaltung mit ihrem Kavalier immer wieder über den Fächerrand weg sie selbst und Pereda fixierte. Deshalb machte es ihr eine große Freude, als dieser zum Schlusse das Wiederfinden bei der grande chaîne angesichts der anderen mit einem raschen Kuß auf ihre Hand feierte, und voll glückseligen Uebermuts flog sie mit ihm in dem feurigen Galopp davon. –

Endlich aber war es drei Uhr morgens geworden und ein allgemeines großes Aufbrechen begann.

Toni, welche den letzten Walzer mit einem fremden jungen Bulgaren getanzt hatte, wurde sich plötzlich bewußt, Schwester und Schwager schon eine ziemliche Zeit nicht mehr gesehen zu haben, und trachtete durch das Menschengewühl hindurch an das obere Saalende zu kommen, um vom Podium herunter die Möglichkeit besserer Umschau zu gewinnen. Aber das Gedränge war sehr stark, sie kam nur mühsam vorwärts und spähte umsonst rechts und links nach einem bekannten Gesichte aus. Plötzlich – welch ein Glück! – da ragte ja ganz nahe vor ihr Peredas Federbarett über die Köpfe hinaus. Sie drängte sich durch die Nächststehenden, bekam ihn aber nur von rückwärts zu sehen, denn auch er schien irgend jemand eilig nachzustreben. Einerlei – er mußte ihr helfen! Sie hielt sich dicht auf seinen Fersen und rührte, sobald es ihr möglich war, an seinen Ellbogen. Er wandte sich schnell und sah sie mit einer gewissen Ueberraschung an.

„Ach, Herr Pereda,“ beeilte sie sich zu sagen, „würden Sie mir wohl helfen, meine Schwester zu suchen? Ich habe sie ganz verloren, vermutlich sucht sie mich auch schon, aber es ist ein so furchtbares Gedränge im Saal, ich komme allein nicht da hinüber.“

Einen ganz kurzen Augenblick fand sie seinen Gesichtsausdruck sonderbar, aber schon bot er ihr den Arm und sagte voll hastiger Beflissenheit mit dem gewohnten weichen Ton der Stimme:

„Gewiß, gewiß! Sie dürfen hier nicht allein bleiben. Schnell, dort hinüber – so, nun sind wir aus dem Schlimmsten heraus.“

Er fragte links und rechts bei Bekannten, die aber alle Volkhards nicht gesehen hatten, tröstete die an seinem Arm gar nicht trostlose Toni damit, daß hier niemand verloren gehen könne, und machte ihr bald den Vorschlag, sie in eines der Garderobezimmer zu geleiten, wo sie ruhig warten solle, bis er, schnell überall umhersuchend, Volkhard und seine Frau gefunden habe.

Das schien auch ihr das Beste, sie traten also in eines der großen Vorzimmer, Toni nahm auf der roten Polsterbank Platz, während Pereda sich durch die aus dem Saal herausströmende Menge wieder hineinzwängte.

(Fortsetzung folgt.)


Die Alkoholvergiftung bei Kindern.

Ein Mahnwort an die Eltern. Von C. Falkenhorst.


Wie schade um den bedauernswerten Dr. N.! Er trinkt sich zu Grunde, er kann sein Amt nicht erfüllen, wir müssen ihn entlassen. Es ist geradezu schrecklich, daß ein gut veranlagter, hochgebildeter Mann sich so weit vergessen kann!“

So sprach eines Tages der Vorgesetzte des Mannes, der mir schon seit langer Zeit bekannt war und noch heute als ein trübes warnendes Beispiel in meiner Erinnerung fortlebt. Ich beurteilte ihn milder als die anderen Kollegen, denn ich konnte ein Geständnis nicht vergessen, das mir jener Gewohnheitstrinker einmal gemacht hatte, als ich, wie so viele andere, versuchte, ihn auf einen besseren Weg zu leiten. Es war bereits um eine späte Nachtstunde gewesen und wir saßen allein in der durch wenige Gasflammen düster erleuchteten Kneipe. Kollege N. trank weiter und lachte, als er meine Vorstellungen anhörte.

„Was willst Du denn?“ rief er zur Antwort. „Ich bin noch lange nicht betrunken. Ich trinke Dich, wenn Du willst, unter den Tisch. Und rede mir nicht von Enthaltsamkeit! Ohne mein Quantum Bier täglich kann ich nicht schlafen und ich bin wahrlich nicht schuld daran, daß es so gekommen ist. Du kennst das rauhe Waldland, aus dem ich stamme. Cognac und Malaga gelten dort als Heil- und Stärkungsmittel für kranke und schwache Kinder und so habe ich schon als Säugling in der Milch die ersten Tropfen des feurigen Spiritus gekostet. Er half mir über die böse Kindercholera hinweg. Vater und Mutter haben es mir frühzeitig gesagt, daß der Cognac mir das Leben gerettet hat. Und so oft ich später matt und schwach wurde, brachten mich einige Tropfen der großen Medizin auf die Beine. Als Knabe habe ich zur Stärkung zu Mittag mein Gläschen Bier getrunken; ich bin als Jüngling der Sitte treu geblieben und Vater und Mutter hatten nichts dagegen, daß mit den wachsenden Jahren auch das Maß und die Zahl der Gläschen größer wurden. Fürchte also nicht um mich! Ich kann schon einen tüchtigen Stoß vertragen, denn in guter Absicht bin ich zum Trinken erzogen worden!“

Kollege N. irrte sich. Das Gift war stärker als sein Körper, als er sich durch jenes Geständnis entschuldigte, war er bereits ein Trunkenbold und seine Angehörigen atmeten auf, als ihn eines Tages im Anfalle eines Säuferwahns der Tod dahinraffte. So oft ich aber an diesen verlorenen Menschen dachte, klang mir in den Ohren die schreckliche Erklärung. „Ich bin zum Trinken erzogen worden!“ Und um so schrecklicher kam sie mir vor, als ich deren Wahrheit nicht leugnen konnte und aus Erfahrung wußte, daß leider gar viele Eltern ihre Kinder aus Unwissenheit in guter Absicht zu Trinkern erziehen! Es ist ja eine wohlverbürgte Thatsache, die sich nicht wegleugnen läßt, daß in unsrer Zeit mit der Darreichung geistiger Getränke ein bedauerlicher Mißbrauch getrieben wird, daß das gewohnheitsmäßige Trinken der Kinder einen Krebsschaden bildet, der leider immer weiter um sich frißt. In dieser Hinsicht wurden in neuester Zeit von erfahrenen Aerzten geradezu betrübende Thatsachen enthüllt. Im Jahre 1891 hielt Professor Dr. Demme als Rektor der Universität Bern eine Rede „Ueber den Einfluß des Alkohols auf den Organismus der Kinder“. Als Leiter des Jennerschen Kinderhospitals konnte er diese Frage gründlich studieren; er teilte mit, daß er sieben Kinder behandeln mußte, die wegen schwerer Trunkenheit ins Hospital gebracht wurden! So leichtsinnig verfahren Eltern und Erzieher in der Verabreichung geistiger Getränke an [187] Kinder. Aehnliche Erfahrungen wurden auch in anderen Krankenhäusern gemacht. So wurde, um nur ein Beispiel zu erwähnen, in die Klinik des Professor v. Strümpell in Erlangen ein fünfjähriger Knabe wegen Lähmung beider Beine aufgenommen, ein seinem Alter entsprechend großes, normal entwickeltes Kind, allerdings von wenig gutem Ernährungszustande, geistig klug und lebhaft. Eines Tages knickte dieser Junge bei einem Spaziergange plötzlich zusammen und konnte einige Stunden lang die Beine nicht bewegen. Er erholte sich seitdem ein wenig, doch blieb ihm das Gehen unmöglich, da sich auch heftige Schmerzen in den Beinen einstellten, die bei jeder Berührung und besonders bei Bewegungsversuchen sich steigerten. Geistig aber befand sich das Kind ganz munter; es hatte auch Appetit. In der Klinik erkannte man diese Erscheinung bald als eine akute Nervenentzündung, die mit Schwund der zugehörigen Muskeln verbunden war; rätselhaft war aber die Entstehungsursache dieser Krankheit bei einem Kinde, während das Leiden bei Erwachsenen nicht selten ist.

Gleich bei der Aufnahme des Kranken war indes eine Aeußerung der Magd aufgefallen, daß der Bube vorher ganz munter gewesen, Appetit gehabt und „den ganzen Tag Bier getrunken habe!“ Nähere Nachforschungen ergaben nun, daß der Junge in der That schon seit seinem ersten Lebensjahre in der Gastwirtschaft seines Vaters nicht nur stets viel Bier, sondern auch viel Wein getrunken hatte. Der Vater selbst meinte, zwei Liter Bier hätte der Junge mindestens täglich getrunken. „Durst hatte er immer und Wasser konnten wir ihm doch nicht geben,“ entschuldigten sich die Eltern. Als äußeres Merkmal sprach für den übermäßigen Genuß geistiger Getränke die eigentümlich rote Nase des Kindes, die ganz an die bekannten roten Trinkernasen erinnerte. Es konnte somit kein Zweifel sein, daß es sich in diesem Falle um eine Nervenentzündung handelte, die durch den unerhörten Mißbrauch des Alkohols hervorgerufen wurde. Professor Tuczek aus Marburg berichtete in einem Vortrage, daß ein gleichfalls fünfjähriger Knabe, der von seinem Großvater regelmäßig mit Getreidekümmel gestärkt wurde, wegen Beinbruchs in ein Krankenhaus gebracht wurde und hier ein regelrechtes Delirium tremens oder Säuferdelirium bekam. Es giebt also unter den Kindern, noch ehe sie die Schule besuchen, schon Trunkenbolde! Sicher ist die Zahl derselben sehr gering, aber es ist beschämend, daß solche Verbrechen an Kindern überhaupt begangen werden. Ein derartiger, gewissenloser und offenkundiger Mißbrauch geistiger Getränke wird freilich überall verurteilt. Immerhin ist es aber nötig, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Vorkommen solchen Mißbrauchs zu lenken, damit die armen Opfer, die im frühesten Alter dem Moloch Alkohol preisgegeben werden, durch entschiedenes Eingreifen rechtzeitig vor Verderben gerettet werden.

In den soeben erwähnten Fällen wurden den Kindern große Mengen geistiger Getränke gegeben und die Folgen traten rasch in ihrer ganzen Abscheulichkeit zu Tage. Der Alkohol wirkt aber bei Kindern auf den ersten Lebensstufen auch dann verderblich, wenn er dauernd in geringen Mengen getrunken wird. Die Vergiftung des Körpers vollzieht sich alsdann langsam, schleichend, so daß der Schaden dem unkundigen Beobachter verborgen bleibt. Diese langsame Vergiftung unserer Kinder ist nun leider ungemein weit verbreitet; sie wird in allen Ständen von Reich und Arm, Hoch und Niedrig, wenn auch in verschiedener Form geübt. Der arme Tagelöhner, der seinem Kinde, wie er meint, kein Brot kaufen kann, stärkt es durch einen Schluck Schnaps auf den Schulweg, bei Bemittelten findet man nicht selten eine verhängnisvolle Sorglosigkeit in der Verabreichung von Wein und Bier an die kleinen Tischgenossen der Erwachsenen. Die Kinder bekommen allerdings niemals soviel, daß sie sich berauschen; es ist aber wohl die Frage zu erörtern, ob ihnen selbst geringere Mengen Alkohols bekömmlich sind.

In weitesten Kreisen wird diese Frage im bejahenden Sinn beantwortet. In Krankheiten pflegen ja die Aerzte Kindern Cognac oder Wein zu verschreiben, lassen schwache oder nach einer Krankheit genesene Kinder Bier trinken; es unterliegt also keinem Zweifel, daß der Alkohol ein Stärkungs- und Heilmittel für die Kleinen sein kann. Und darum geben die Eltern ihren Kindern diese Medizin, die überall ohne Arzt und Apotheker zu beschaffen ist; freilich wissen sie dabei nicht, daß sie nur zu oft zu unrechter Zeit und am unrechten Orte herumkurieren, und daß der Arzt nur in ganz bestimmten Krankheiten und während ganz kurzer Zeit dieses Heilmittel anwendet.

Professor Demme wies in seiner oben erwähnten Rede die Schädlichkeit der Darreichung alkoholischer Getränke auch in geringeren Mengen an Kinder aufs schlagendste nach. Was zunächst das zarte Kindesalter anbelangt, so ist hervorzuheben, daß schon ein geringer Zusatz von Alkohol zu der gewöhnlichen Nahrung die Verdauung beeinträchtigt. Gerade durch den beliebten Zusatz von einigen Tropfen Cognac zur Milch werden bei den Kleinen häufig schwer heilende Magen- und Darmkatarrhe erzeugt, welche unter Schwellung der Drüsen zu fortschreitendem Gewichtsverlust und, falls der Alkohol nicht ausgesetzt wird, zu unaufhaltsamem Verfall der Kräfte führen.

Am bedeutungsvollsten sind aber bei Kindern auch des vorgeschritteneren Alters die schweren Störungen, welche durch frühen Alkoholgenuß in den Bethätigungen des Nervensystems erzeugt werden. Wie empfindlich das kindliche Gehirn gegen die Alkoholvergiftung ist, beweisen Fälle schwerster Erkrankungen nach einem einmaligen Rausch. So hatte z. B. ein zehnjähriger Knabe bei einem Taufessen zuviel des Weines getrunken und unmittelbar auf den Rausch entwickelte sich bei ihm eine epileptische Erkrankung, die unheilbar blieb. Prof. Demme hat ferner berichtet, daß ältere Kinder, die regelmäßig kleine Mengen Wein oder Bier tranken, am Veitstanz erkrankten und erst dann gesund wurden, als man ihnen den Alkohol völlig entzog. Natürlich ist die Reizbarkeit der vermiedenen Konstitutionen eine sehr verschiedene, aber der Nachweis solcher Thatsachen legt die Vermutung nahe, daß auch leichtere nervöse Störungen, die wir gewöhnlich als Nervenschwäche oder Nervosität bezeichnen, durch frühzeitigen Alkoholgenuß erzeugt werden können. Und in der That konnte sich Demme durch ärztliche Nachfrage und Beobachtung überzeugen, daß ein großer Teil der früh nervös gewordenen Schüler zu denjenigen gehörte, die von ihrer ersten Kindheit an aus dem Alkoholgenusse nicht herausgekommen sind.

Sehr lehrreich ist ferner das Ergebnis eines Versuches, der mit mehreren Knaben im Alter von 10 bis 15 Jahren angestellt wurde. Man wollte sich dabei überzeugen, ob ein mäßiger Weingenuß die Arbeitsenergie der Knaben in der Schule und zu Hause zu steigern vermöge oder aber dieselbe herabsetze und zu rascherer Ermattung und Erschlaffung des Geistes und des Körpers führe. Die Menge des zur Mittags- und Abendmahlzeit dargereichten leichten Tischweines betrug für die jüngeren Knaben etwa 70, für die älteren 100 Kubikcentimeter. Der Wein wurde stets mit Wasser vermischt und im Verlaufe der Mahlzeit getrunken. Diese Versuche wurden gewissenhaft während anderthalb Jahren in der Weise ausgeführt, daß stets mehrere Monate des erwähnten Weingenusses mit mehreren Monaten der Enthaltung und zwar unter möglichst gleichmäßiger Berücksichtigung der Jahreszeiten wechselten. Der Erfolg war der, daß die Knaben während der Perioden des Weingenusses den Eltern matter, schläfriger, weniger zur geistigen Arbeit aufgelegt erschienen und daß namentlich ihr Schlaf unruhiger, häufiger unterbrochen und deshalb weniger ausruhend und erquickend war.

Seit dem Auftreten Prof. Demmes haben auch andere Aerzte ihre Erfahrungen über die Darreichung geistiger Getränke an Kinder ausgesprochen und immer entschiedener wurde die Ansicht laut, daß es sich dringend empfehle, namentlich nervöse Kinder in voller Enthaltung von Wein, Bier oder gar Branntwein zu erziehen. In dankenswerter Weise hat auch der „Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke“ zur Klärung dieser Frage beigetragen. Sein Vorstand hat unter Sachverständigen Umfrage gehalten und von 66 zumeist hervorragenden Aerzten und Schulmännern sehr wertvolle Antworten erhalten, die von Dr. Wilh. Bode als Flugblatt unter dem Titel „Zum Schutz unserer Kinder vor Wein, Bier und Branntwein“ (Hildesheim, Gebr. Gerstenberg) herausgegeben wurden. Fast einstimmig wird da der gewohnheitsmäßige Genuß von Bier und Wein bei Kindern mit oder zwischen den Mahlzeiten nicht nur für überflüssig, sondern für schädlich gehalten, ja vielfach wird sogar der Wunsch ausgesprochen, daß auch die Anwendung des Alkohols als Medizin bei Kindern selbst von seiten der Aerzte eine Einschränkung erhalten möchte. So bemerkt Prof. Dr. Binswanger (Jena). „Mit großer Freude hat mich Ihre freundliche Mitteilung erfüllt, daß Sie weitere Kreise unseres deutschen Volkes über die schädlichen Folgen des frühzeitigen Alkoholgenusses aufklären wollen. Ich kämpfe schon seit Jahren durch mündliche Belehrung in meinen klinischen Vorlesungen und in ärztlichen Vereinen, sowie durch meine Wirksamkeit am Krankenbett gegen die unheilvolle Unsitte, nervösen, d. h. in der Entwicklung ihres [188] Nervensystems zurückgebliebenen Kindern die mangelnde Kraft und Leistungsfähigkeit durch Alkohol ersetzen, die gesteigerte Erregbarkeit des Centralnervensystems (Schlaflosigkeit, Muskelkrämpfe, Zittern u. s. w.) auf gleichem Wege betäuben zu wollen. Es wird nur das Gegenteil erzielt. die Kinder werden widerstandsloser gegen alle psychischen und körperlichen Reize, die Ermüdbarkeit und krankhafte Erregbarkeit werden gesteigert und das Ende vom Liede ist immer, falls nicht rechtzeitig diesen verkehrten Heilbestrebungen Einhalt gethan wird, die Züchtung von Neurasthenikern, Alkoholisten, und Morphinisten. Gesunde Kinder brauchen selbstverständlich weder Bier noch Wein.“

Ein anderer hervorragender Irren- und Nervenarzt, Prof. Dr. August Forel, führt aus, nachdem er die schädlichen Wirkungen des Alkoholgenusses nach vieljährigen ärztlichen und wissenschaftlichen Erfahrungen festgestellt hat. „Das selbst beim Erwachsenen saftreiche weiche menschliche Gehirn mit seinen Millionen mikroskopisch kleiner Zellchen und Fäserchen ist beim Kinde der zarteste und feinste Organbau, den man sich vorstellen kann. Alles, was denselben in der Kindheit stört, stört aber nicht nur seinen gegenwärtigen Zustand, sondern hemmt seine Entwicklung und somit diejenige aller geistigen Fähigkeiten des Gemütes, des Willens, der Intelligenz, der Ethik und Aesthetik. Die Gewohnheit, den Kindern Wein und Bier zu geben, ist somit eine ganz verderbliche Sitte, die nicht nur dem Kinde viel schadet, es träge, reizbar, nervös u. s. w. macht, sondern auch seine ganze geistige Entwicklung beeinträchtige. So wird der Keim für spätere Trunksucht, Nervosität und Psychopathie gelegt, sowie dadurch eine allgemeine soziale Entartung hochgradig gefördert, gegen welche wir so wie so schwer genug zu kämpfen haben.“

Die Pädagogen betätigen die Erfahrungen der Aerzte. Kinder, die regelmäßig größere Mengen alkoholischer Getränke genießen, gehören sehr oft zu den schläfrigsten untüchtigsten Schülern und dabei wird auch der sittliche Charakter der Kinder durch dieses Gift verdorben. Sehr befremdliche Enthüllungen macht u. a. Wilh. Siegert, Lehrer in Berlin. „Von meinen Schülern,“ schreibt er, „bringen stets mehrere Wein zum zweiten Frühstück mit. Während der Cholerazeit im Jahre 1892 genossen einzelne, meiner Schüler Quantitäten Cognacwasser und Rot- oder Portwein, die vollauf genügt hätten, mich betrunken zu machen. Und solch ein Kerlchen, das sich regelmäßig zum zweiten Frühstück ein Räuschchen antrinkt, soll geistig frisch und körperlich widerstandsfähig sein!“

Dr. Smith, Besitzer und Leiter einer Trinkerheilanstalt, ist der Ansicht, „daß bei den meisten Menschen die Grundlage des späteren Alkoholismus schon im frühesten Kindesalter gelegt worden ist.“ So zeigt beispielsweise die Statistik seiner Anstalt bei fast allen mit Trunksucht zur Behandlung kommenden Damen, daß dieselben als Kinder, an irgend einer Krankheit leidend, meist schwere Weine wie Tokayer u. a. verordnet bekamen; was der Arzt verordnet hatte, thaten die Eltern später eigenmächtig, um dem Kinde wieder Kraft zu gebend das Kind blieb fast immer bleichsüchtig und schwach und mußte immer mehr Wein bekommen, bis im eigenen Haushalte nach der Verheiratung ohne jede Schranken getrunken wurde und weitgehende organische und psychische Störungen schließlich die Anstaltsbehandlung erforderlich machten.

Und auch diese Bedauernswerten konnten sagen. „Ich bin in guter Absicht zum Trinken erzogen worden!“

Unsere Darstellung hat gezeigt, wie die „gute Absicht“ der Eltern, die stärkende Wirkung des Alkohols ihren kleinen Lieblingen zuzuwenden, in verhängnisvollster Weise in ihr Gegenteil umschlagen kann. Es erscheint so harmlos, das Gläschen Wein oder Bier, das man bei Tisch auch schon kleinen Kindern gewährt, aber in vielen Fällen kann es doch zum Giftbecher werden! Gerade weil die anregende Wirkung dieser Getränke sie zu allgemein beliebten Genossen der festlichen Stunden gemeinsamer Erholung auch in der Familie hat werden lassen, ist die ernste Mahnung, welche aus den oben mitgeteilten ärztlichen Gutachten spricht, mit vollem Nachdruck von jedem geltend zu machen, der auf das wahre Wohl der heranwachsenden Jugend bedacht ist.


Der Fähnrich als Erzieher.

Eine Backfisch-Studie von Hans Arnold.

     (Fortsetzung.)

Außer dem den Assessor tief verstimmenden Zwischenfall beim Tanze warf noch ein Ereignis einen Schatten auf den sonst so fröhlichen Abend. Das zehnjährige Lottchen, als echte Tochter Evas, wollte hinter den allgemeinen Anstrengungen, den Fähnrich zu entzücken, auch nicht zurückbleiben und erschien plötzlich mit einem Zweig künstlicher Blumen, aus einem alten Staatshut der Mutter, die sie mit einer großen Sicherheitsnadel in ihrem Schopf befestigt hatte. Der Vater, empört über diese vorzeitige Gefallsucht, warf die improvisierte Balldame zur Thür hinaus und beorderte sie ins Bett, – ein blamables Verfahren, das Lottchen natürlich in tiefster Seele verwundete.

Die Mutter, welche tröstend folgte, fand die Kleine bereits gehorsam, aber tief gebeugt, im Unterröckchen vor und ließ sich von ihr die traurige Mitteilung machen. „Ich habe so geweint, daß mich der Bock noch durch die ganze Wohnung stieß!“ was allerdings höchst schmerzhaft gewesen sein muß.

Die Ballfreuden drüben wären gewiß noch ins Unendliche fortgesetzt worden, aber des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr rief den Helden des Abends um dreiviertel Zehn wieder in die Kriegsschule zurück. Es bedarf wohl nicht der Versicherung, daß er sich mit tadelloser Ritterlichkeit von den Damen des Hauses verabschiedete und sogar Hänschen die Hand küßte, was diese in einen zwischen tiefer Beschämung und Seligkeit schwankenden Zustand versetzte. Gleichwohl konnte sie sich bei dieser wichtigen Gelegenheit nicht enthalten, umherzuschielen, ob es auch alle gesehen hätten! – Der Abschied des Assessors vom Fähnrich war kurz und kühl – was sich übrigens denken läßt.

Schulzens zogen auch hochbeglückt in die obere Etage und erzählten sich noch bis in die tiefe Nacht vom Fähnrich und seinen entzückenden Eigenschaften, bis der Vater Schulze mit einer so furchtbaren Stimme „Ruhig!“ rief, daß man es durchs ganze Haus hörte.

Als die Thür sich hinter der blauen Jacke des Lieblings der Grazien geschlossen hatte, erhob sich Hänschen und erklärte freiwillig: „Ich gehe zu Bett!“ in dem entschiedenen Gefühl, „Die Welt hat keine Freuden mehr auf diese!“

Der Assessor blickte ihr gedankenvoll nach. Sie sah in dem weißen Kleide so merkwürdig erwachsen und hübsch aus, und er hatte sie eigentlich immer wie ein dummes Schulmädchen behandelt! Es war recht peinlich, denn wenn er jetzt auf einmal andere Saiten aufzog, so konnte es so aussehen, als wenn das des Fähnrichs halber – „ach was – hol’s der Fuchs!“ dachte er ingrimmig und stand auf, um sich zu verabschieden.

„Nun? Sie wollen auch schon aufbrechen?“ frug der Präsident, der sich eben im Frohgefühl des überstandenen Spektakels eine Zigarre anzündete.

„Ja!“ erwiderte der Assessor kurz, „wenn Sie gestatten!“ und ging seiner Wege.

Die Mutter lächelte hinter ihm her.

„Er war eifersüchtig!“ sagte sie mit ruhiger Bestimmtheit.

Der Präsident erhob Hände und Augen gen Himmel. „Mütter haben doch ohne jede Frage Größenwahn!“ sagte er feierlich. „Eifersüchtig! Ein ausgewachsener Mensch auf einen Backfisch!“

„Ei was!“ erwiderte die Präsidentin unbeirrt, „Hänschen ist fünfzehn Jahre – so alt war meine Großmutter auch, wie sie sich verlobte!“

„Na, Hänschen ist aber nicht Deine Großmutter!“ rief der Hausherr ungeduldig, „und nun, bitte, kein Wort mehr davon, Mathilde!“


Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß der Fähnrich mit der Zeit einen überraschend großen Einfluß auf das Familienleben im Hause des Präsidenten gewann. Ein Symptom unter vielen

[189]

Schulpause.
Nach dem Gemälde von Fritz Beinke.

[190] war es, daß Karl sich für seine Zukunftscarriere entschieden hatte und auf die Frage: „Was willst Du werden?“ mit solcher Bestimmtheit antwortete: „Natürlich Husar!“ als wenn alle andern Berufsarten für den denkenden Menschen überhaupt ausgeschlossen wären.

Abgesehen davon aber wurde der Fähnrich in dieser Zeit mehr und mehr zum Mittelpunkt des Interesses im Hause.

Sogar Lottchen blieb, wie wir gesehen haben, nicht frei von der allgemeinen Infektion – sie hatte das unschätzbare, gesellige Talent an sich entdeckt, genau mit dem Tonfall des Fähnrichs zu sagen: „Wenn gnädiges Fräulein gestatten!“ und mußte dies gegen ein Entgelt von zwei Chokoladenplätzchen zu jeder Tageszeit ausüben. Hänschens Kontobuch zeigte infolgedessen ganz auffallende Posten für Chokolade, da die jüngere Schwester sich im wahrsten Sinne des Wortes zum „fressenden Kapital“ umwandelte und ihr Kunststück mit größter Bereitwilligkeit zum Besten gab.

Hänschen selbst war gänzlich in den Gedanken an den Fähnrich versunken – sie trug seine Visitenkarte im Portemonnaie, sie zerrte seine Persönlichkeit bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit ins Gespräch, es gab kein Thema, von den ostafrikanischen Kolonien bis zu den Butterpreisen, das nicht in irgend einer schlangengleichen Wendung von ihr auf den jungen Krieger gebracht worden wäre.

Die Mutter hatte schon eine Konventionalstrafe von zwei Pfennigen auf das Wort „der Fähnrich“ gesetzt und sich dessen Erwähnung wenigstens vor dem Frühstück mit großer Energie verbeten, da sie sich unfähig fühlte, bei nüchternem Magen schon Schwänke aus dem Leben des Fähnrichs anzuhören, oder sich vormachen zu lassen, wie er bei Verbeugungen mit den Absätzen zusammenschlüge.

Wer den wachsenden Einfluß dieses jungen, militärischen Prinzips mit dem größten Aerger sah, das war naturgemäß der Assessor. Jeden Sonntag wurde jetzt getanzt, von ruhigem Gespräche oder gar Lesen war nicht die Rede! An anderen Abenden spielte man statt dessen Schreibspiele oder Kartenorakel.

Der Fähnrich hatte neuerdings die Erlaubnis erhalten, sich auch in der Woche anzusagen. Jedesmal, wenn das der Fall war, erschien auch der Assessor. An diesen Abenden konnte der unwillige Hausfreund sich überzeugen, welche Metamorphose mit dem wilden Backfisch vorgegangen war, den er immer so vom hohen Pferde herab betrachtet und zu erziehen versucht hatte.

Hänschen erschien dann mit einer freiwilligen Häkelarbeit, die allerdings aus dem Nachlaß der seligen Penelope zu stammen schien, da sie öfters wieder aufgezogen werden mußte, und hörte mit Andacht den Erzählungen von den letzten und vorletzten Pferden des Fähnrichs zu, oder sie seufzte mit ihm über das bevorstehende Offiziersexamen, das „niederträchtig schwer“ sein sollte.

An dem heutigen Abend aber hatte der Assessor einmal das Reich allein. Der Fähnrich war durch eine „Strafstunde“ am Erscheinen verhindert und hatte dies soeben in einem seiner zierlichen Briefchen angezeigt – der Assessor stürzte sich wie ein Geier auf dieses Autogramm und durchflog es gierig.

Mit Hochgenuß entdeckte er in dem auch gereifteren Leuten oft ungeahnte Schwierigkeiten bereitenden Wort: „empfehlen!“ ein vergessenes „h“ und machte die ganze Familie darauf aufmerksam: „Der Romanheld schreibt ‚empfehlen‘ ohne h! Da wird er wohl durchs Examen ‚sickern‘!“

Deswegen noch lange nicht!“ meinte Hänschen nachdrücklich, die über die Anforderungen, die das Offiziersexamen an seine Jünger stellt, aufs genaueste unterrichtet schien. „Das ist auch vielleicht neue Orthographie!“

„Die müßte sehr neu sein!“ bemerkte der Assessor ironisch.

„Uebrigens,“ fuhr Hänschen siegreich fort, „schrieb der alte Blücher auch unorthographisch!“

„Das wird wohl die einzige Aehnlichkeit zwischen den beiden sein!“ warf ihr Gegner hin.

Hänschen stand auf.

„Hoffentlich!“ sagte sie würdig. „Der alte Blücher war manchmal sehr unhöflich, und das ist Herr von Soten niemals! – Mama, es ist die höchste Zeit, daß ich nach dem Thee sehe,“ fügte sie mit ruhiger Selbstverständlichkeit hinzu, „Papa wird bald kommen. Karl und Lotte, Ihr könnt mir decken helfen!“

Und damit verließ sie das Zimmer.

„Dieser Fähnrich!“ knirschte der Assessor hinter ihr her, der jetzt mit der Mutter allein blieb.

Die Präsidentin lachte.

„Nein, nein, lassen Sie nur den Fähnrich zufrieden – der Mann ist ja Goldes wert! – Der spart mir eine Schweizer Pension! Hänschen ist jetzt das Bild einer Tochter, wie sie sein soll – sie hilft im Hause – sie frisiert sich täglich dreimal – sie hat sich gestern Glycerin von mir geholt und pflegt ihre Hände – seitdem fange ich an, darum zu beten, daß der Fähnrich sein Offiziersexamen bestehe! Er ist übrigens wirklich ein netter Junge!“ setzte die Mutter boshaft hinzu, „das kann niemand leugnen!“

Der Assessor lachte nervös.

„Nun, meine verehrte, gnädige Frau – wenn er sogar der älteren Generation gefährlich wird“ –

„Hören Sie ’mal!“ unterbrach ihn die Mutter lachend, „Sie sind aber sehr ungalant! Aeltere Generation! Das muß ich sagen, das hätte der Fähnrich sich nie erlaubt! Aeltere Generation!“

Die Mutter that tief gekränkt.

Der Assessor war ganz zerschmettert, nun wurde schon auch ihm von der Mutter der Fähnrich als Muster hingestellt!

Nach einer Weile tiefen Nachsinnens fuhr er auf.

„Aber erlauben Sie mir eine Frage, gnädige Frau – ganz ohne Scherz und unparteiisch – begreifen Sie die Sache? Ich verkehre doch nun seit Jahren bei Ihnen – ich habe Hänschen gewissermaßen aufwachsen sehen und immer den wärmsten Anteil an ihr genommen – und doch habe ich sie nie auch nur im geringsten zu beeinflussen vermocht. Und nun kommt dieser, wie ich zugeben will, hübsche und gewandte, aber doch herzlich unreife Junge und erreicht, ohne sich darum zu bemühen, alles, was Sie und ich vergeblich angestrebt haben. Wie erklären Sie das?“

Die Mutter legte ihm freundlich die Hand auf die Schulter.

„Das will ich Ihnen sagen, mein lieber Freund,“ entgegnete sie heiter, „Mäuschen fängt man mit Speck und junge Mädchen mit liebenswürdigen Aufmerksamkeiten. Wir beide – Sie und ich – haben den Wildfang immer erzogen – ich aus Beruf und Sie aus Passion, und das ist bekanntermaßen eine undankbare Sache. Der Fähnrich –“

Der Assessor machte eine ungeduldige Bewegung.

„Ja, ja, lassen Sie mich nur ausreden!“ fuhr die Mutter lebhaft fort, „der Fähnrich macht den Backfisch zum ‚gnädigen Fräulein‘ – er stürzt, wenn ihr die Serviette hinunterfällt, wie vom Blitz getroffen, ihr zu Füßen und hebt sie auf – er fliegt mit dem Stuhl herbei, wenn sie ins Zimmer tritt – er tanzt mit ihr – er amüsiert sie – sie fühlt sich dadurch um zwei Stufen höher gehoben und bemüht sich nun, sich dessen würdig zu zeigen. Das ist das ganze Geheimnis!“

Ehe der Assessor noch zustimmen oder entgegnen konnte, erschien die übrige Familie, um sich zum Abendbrot zu versammeln; Hänschen voran mit einer großen Schüssel Heringssalat, die sie balancierend nach dem Theetisch trug.

Der Assessor sprang auf.

„Gestatten Sie mir, Fräulein Hänschen!“ nahm ihr die Schüssel ab und setzte sie auf den Tisch.

Hänschen sah ihn sehr erstaunt an und wurde etwas verlegen: „Was heißt denn das?“ stand deutlich in ihren großen Augen zu lesen. Die Mutter konnte sich beim besten Willen eines flüchtigen Lächelns nicht erwehren. „Der Fähnrich als Erzieher!“ dachte sie bei sich.




Der Zufall, der bisweilen etwas so Persönliches annimmt, daß man sich ihn ganz gut als pfiffigen Bengel vorstellen kann, schien aus irgend welchen Gründen den Assessor in seine Protektion genommen zu haben – er gab ihm wenigstens in allernächster Zeit Gelegenheit, sich im glänzendsten Lichte zu zeigen und, was uneingestanden der Wunsch seines Herzens war, den Fähnrich einmal gänzlich in Schatten zu stellen. Um die darauf bezügliche Begebenheit zu erzählen, muß erst eine grobe Unterlassungssünde wieder gutgemacht werden!

Es ist unverzeihlicherweise bisher in unserer Geschichte noch nicht von einem Mitgliede der präsidentlichen Familie die Rede gewesen, das gleichwohl eine bedeutende Rolle in derselben spielte. Das war der alte Pudel Epps, dem die Sage nacherzählte, daß er vor zehn Jahren weiß gewesen wäre, der aber inzwischen seine Farbe zu einem gelblichen Grau, sein seidenweiches Fell zu einem struppigen Gewirr umgewandelt hatte und bei Prasidents das Gnadenbrot bekam.

[191] Er war als treuester Spielgefährte der Kinder aufgewachsen, hatte sein erstes Lebensjahr in Hänschens Puppenwiege geschlafen und genoß in jeder Weise die allgemeinste Liebe und Hochachtung.

Bei Hänschen nahm dies Gefühl sogar einen schwärmerischen Charakter an, sie ging noch jetzt, als fast erwachsenes Mädchen, nie schlafen, ohne Epps ganz besonders Gute Nacht gewünscht zu haben, und beteuerte ihm ihre Liebe in den glühendsten Ausdrücken.

Epps bot, wie hier gleich zugestanden werden soll, für den Unparteiischen nicht viel Reizendes dar. Er hatte immer rote, thränende Augen, sah allem Waschen und Kämmen zum Trotz nie sauber aus und wurde von Hänschen in mildem Verweis wegen dieses kleinen Mangels mit „Du schmutziger Engel!“ angeredet. Außerdem hatte Epps die berechtigte Eigentümlichkeit, sich mit seinem dicken Kopf wohlwollend an Besuchern des Hauses zu reiben und ihnen bei dieser Gelegenheit einige Pudellocken als Andenken zu verehren, was nicht nach jedermanns Geschmack war.

Der Fähnrich und Epps – leider muß es zugestanden werden! – lebten unglücklich miteinander. Herr von Soten hielt begreiflicherweise strengstens auf den Glanz seiner Uniform und ging freundlichen Annäherungen von Epps zuerst scheu aus dem Wege. Als er in der Familie bekannter wurde, nahm er sich sogar die Freiheit, ihn weg zu puffen, und einmal, als Epps direkt nach seinem Straßenspaziergang eine staubige Pfote auf das tadellose Knie des Fähnrichs legte, hatte dieser sich die namenlose Roheit zu schulden kommen lassen, den braven alten Herrn mit: „Weg, Biest!“ anzureden, was Hänschen einen Stich ins Herz gab.

Ja, noch mehr – der Fähnrich hatte als sachverständiger Sportsman seine Ansicht dahin abgegeben, daß es viel besser sei, Epps totzuschießen, da er doch zu nichts mehr tauge, und sich sogar zu dieser traurigen Pflicht gedrängt. „Ich schieße ihn mit dem Tesching tot – das macht ihm gar nichts!“ eine kühne Versicherung, die bei den Zuhörern leiser Ungläubigkeit begegnete.

Dieses herzlose Anerbieten hatte fast vierundzwanzig Stunden lang den Glorienschein um das Haupt des Fähnrichs getrübt, und Hänschen mußte sein Prestige bei sich künstlich dadurch wieder herstellen, daß sie sich versicherte: „Er hätte es ja doch nie übers Herz gebracht!“ was, wie wir fürchten, nicht als unbedingt ausgemacht gelten kann.

Der Assessor hingegen war immer sehr nett gegen Epps! Er versäumte nie, ihn mit „Na komm’, Alter!“ zu sich zu locken, und wenn der Fähnrich, der überhaupt manchmal etwas überlegen that, ihn mit milder Strenge darauf aufmerksam machte: „Die Kröte haart, Herr Assessor – Ihr Rock ist schon ganz grau!“ – dann hatte er unbekümmert erwidert: „Dafür giebt’s ja Kleiderbürsten!“ und durch diesen feinen Zug bei Hänschen entschieden gewonnen.

Er fütterte auch Epps bei Tisch, was „eigentlich“ nie vorkommen sollte, aber uneigentlich jeden Tag auch von den Kindern geschah – kurz, er benahm sich in diesem Fall tadellos – das kann niemand in Abrede stellen!

An einem Sonntagnachmittag, der durch besonders schönes und klares Wetter unwiderstehlich zum Spazierengehen aufforderte, setzte sich die präsidentliche Familie mit ihren beiden Tischgästen, dem Fähnrich und dem Assessor, in Bewegung und wanderte vors Thor hinaus.

Die Eltern an der Spitze des Zuges – Hänschen mit den beiden Herren hinterher, einen Veilchenstrauß im Knopfloch, den ihr diesmal nicht der Fähnrich, sondern der Assessor mit der jetzt bereits um noch eine Stufe höher gestiegenen Anrede „mein gnädiges Fräulein!“ überreicht hatte. Karl und Lotte tobten mit Epps um die Gesellschaft herum. Epps, etwas schnarchend und heiser, aber sehr vergnügt, that alles, was in seinen Kräften stand, um sich als felddienstfähig zu erweisen, er jagte sogar keuchend einem Spatzen nach – allerdings nur ungefähr zwanzig Schritt weit – aber er versuchte es doch!

Der Assessor machte auf diesem Spaziergang die betrübende Erfahrung, daß er doch gegen den Fähnrich nicht aufkomme!

Dieser war heute früh beim Friseur gewesen, strahlte in vollster Pracht eines tadellosen Lockenkopfes und hatte sich bei dieser Gelegenheit durch die Lektüre der neuesten „Fliegenden Blätter“ geistig bereichert, welchen Reichtum er nun jauchzend zum Besten gab und mit Ausdruck vortrug. Hänschen wurde dadurch auf den Gipfel geselliger Heiterkeit versetzt. Auch machte der Fähnrich „Augen“ – eine Kunst, die angeboren, aber nicht erlernt sein will und in der der Assessor, in diesem Punkt stiefmütterlich von der Natur behandelt, selbst dann nicht mit ihm hätte wetteifern können, wenn seine Würde ihm ein solches Verfahren gestattet hätte.

Der Fähnrich, nach der Abkühlung wegen Epps neu in seine Rechte als Coeurkönig eingesetzt, wurde ziemlich übermütig, klagte über die „elende“ Sklaverei der Kriegsschule und renommierte mit seiner zukünftigen Stellung als Sekondelieutenant, in der ihm, nach seiner kühnen Versicherung, „kein Mensch mehr etwas zu sagen hätte!“ – Er that, als sähe er das gutmütige ironische Lächeln nicht, mit dem der Assessor diese Feststellung anhörte, die Hänschen natürlich auf Treu’ und Glauben hinnahm; – sie fand den Fähnrich überhaupt heute wieder einmal „blendend“ – ein Ausdruck, der von ihr auf alles Erfundene und Erschaffene, das ihr gefiel, vom Fähnrich bis zu einer neuen Haarschleife herab, unterschiedslos angewendet wurde.

Unsere Gesellschaft blieb während einiger Minuten am Fluß stehen, der, vom Novemberfrost noch nicht berührt, an dieser Stelle ziemlich wild und schäumend einher jagte und sich wenige Schritte weiter über ein Wehr stürzte.

Wie es zuging, ist nie aufgeklärt worden, aber die Thatsache bleibt bestehen, daß Epps dem Ufer zu nahe kam, auf seinen unsicheren, alten Beinen wankte und plötzlich, zu allgemeinem grenzenlosen Entsetzen, die steile Böschung hinunter und ins Wasser rollte, gegen dessen Kälte und Wildheit er vergeblich unter kläglichem Stöhnen und Pusten ankämpfte. Die drei Kinder schrieen, ohne jede Rücksicht auf Umgebung und Oeffentlichkeit, geradezu herzzerreißend um ihren Epps – namentlich Hänschen löste sich in Thränen auf und konnte nur mit Gewalt am Nachspringen gehindert werden. Der Fähnrich, der seine Extrauniform anhatte, sah mit Teilnahme zu und tröstete: „Beruhigen Sie sich doch, gnädiges Fräulein, es ist am Ende das Beste für ihn!“ – eine Philosophie, die von Hänschen mit erneutem Wehegeschrei und der zerschmetternden Antwort: „Seien Sie doch still!“ erwidert wurde.

Der Assessor hatte ein paar Augenblicke ganz ruhig dabei gestanden und gar nichts gesagt – mit einem Mal warf er Hut und Paletot ab, sprang mit einem Satz in seiner eleganten Dinertoilette mitten in das brausende, novemberkalte Wasser, aus dem er nach wenigen Sekunden mit dem triefenden, fast bewußtlosen Epps wieder emportauchte, und legte ihn, sich selbst wie ein gutmütiger tapferer Pudel schüttelnd, zu den Füßen seiner kleinen Freundin nieder.

Hänschens Gefühle schlugen ihr in diesem Augenblicke fast über dem Kopf zusammen. Dankbarkeit, Rührung und Glückseligkeit nach der ausgestandenen Angst um den armen, alten Hund waren überwältigend, und dem ersten Impuls ihres Kinderherzens folgend, flog sie auf den Assessor zu, ergriff seine Hand und wollte sie küssen. „Danke tausendmal!“ brachte sie nur unter Thränenströmen hervor, während der Assessor in tödlichster Verlegenheit die Hand zurückzog und in seinen Paletot kroch. Die Eltern schalten und bewunderten ihn wegen seiner unvorsichtigen Heldenthat, während die drei Kinder um Epps knieten, ihn rieben und umarmten.

Der Fähnrich, der dieses Mal eine weniger glänzende Rolle gespielt hatte, war inzwischen als praktischer Kriegsmann nach einer Droschke gelaufen und hatte sich dadurch wenigstens die Anerkennung zu erobern gewußt, daß er ein Mensch sei, der „an alles dächte!“

In diese Droschke wurde der triefende Assessor und der triefende Epps samt der Mutter und Hänschen gestopft. Der Assessor mußte ja nach seinem kalten Bade schleunigst nach Hause fahren, und dann kam die große Aufgabe, Epps ins Bett zu bringen und mit Glühwein zu erquicken, da bei seinem ehrwürdigen Alter die Wasserpartie für ihn noch ernstere Folgen haben konnte als für den Assessor.

Dieser versicherte beständig den beiden Damen mit klappernden Zähnen, ihm wäre sehr behaglich warm und sie möchten ums Himmelswillen nicht solches Aufhebens von der ganz natürlichen Sache machen.

„Ich werde den alten Hund doch nicht ertrinken lassen!“ setzte er ärgerlich hinzu und hätte die Genugthuung haben können, daß Hänschen, als sie mit der Mutter nach Hause fuhr, die energische Bemerkung machte: „Er ist doch ein famoser Kerl!“

„Das habe ich ja immer gesagt!“ meinte die Mutter trocken.


[192] Wenn Hänschens Erziehung noch bis zum feinsten Schliff vollendet werden sollte, so wurde es Zeit, die Sache ernstlich in Angriff zu nehmen. Der Kursus der Kriegsschule stand nämlich stark im letzten Viertel und der Moment damit bevor, da sich Herr von Soten aus der immerhin noch bescheidenen Fähnrichsrange zum glänzendsten Schmetterling in Lieutenantsuniform verwandeln sollte.

In diese letzte, schmerzlich schöne Zeit, in der die Besuche des Fähnrichs so mit dem doppelten Hochgenuß des vor-vor-vor-vorletzten Males durch- und ausgekostet wurden, fiel auch Hänschens Geburtstag – der sechzehnte!

In Anbetracht der besonderen Verhältnisse und der wirklich vorzüglichen Leistungen des Fähnrichs „als Erzieher“ war darum im Rate der Eltern beschlossen worden, diesen großen Tag durch ein bescheidenes Tanzfest zu begehen, welches in schöner Mischung erwachsener und kindlicher Elemente schon einen leisen Uebergang zu künftigen Bällen darzustellen hatte und zugleich dem Fähnrich Gelegenheit geben sollte, in der Eigenschaft eines Vortänzers sein Licht leuchten zu lassen. Er nahm die Aufgabe, seinen Ballerfahrungen im Kadettenkorps entsprechend, mit ruhiger Würde entgegen und versprach, sie mit glänzender Sicherheit durchzuführen.

Dem Assessor hätte man ein so frivoles Amt nicht zuzumuten gewagt – um so mehr, als die tanzende Jugend, wie gesagt, mit wenigen Ausnahmen im Alter von sechzehn bis achtzehn Jahren stand und außerdem Terpsichore nicht zu den Gönnerinnen des Hausfreundes gehörte.

Der Fähnrich, dem sein erlangtes Uebergewicht über den gereifteren Rivalen nicht wenig schmeichelte, hatte sich sogar schon eine perfide Bemerkung über dessen mangelhafte Leistungen in dieser Hinsicht gestattet. Er erkundigte sich – natürlich in Abwesenheit der kritisierten Hauptperson! – wo der Assessor wohl Tanzstunde gehabt hätte, und fand, daß er sich das Lehrgeld wohl wiedergeben lassen könnte, machte sogar den unfreundlichen Vergleich. „Der Assessor tanzt wie eine lebendige Feuerzange“ und legte überhaupt mehr und mehr einen betrübenden Mangel an Ehrfurcht vor dem Hausfreund an den Tag.

Kurz, der Fähnrich sollte Tanzordner sein! Hänschen, bei der diesmal der Wunsch. „Nichts zum Anziehen!“ gebührendermaßen durch das glühende Verlangen nach einem neuen Kleide verdrängt worden war, sah denn ihren sechzehnten Geburtstagstisch mit einem weißen Gewande und einer rosa Schleife geschmückt und stand, um das neue Lebensjahr würdig zu beginnen, von früh an mit zwei Spiegeln umher, in denen sie sich von vorn, von der Seite und von hinten betrachtete, um den möglichen Effekt auf die Seelenruhe des Fähnrichs auszustudieren.

Zu ihrer Ehrenrettung wollen wir dabei nicht verschweigen, daß sie auch flink und zierlich bei den Vorbereitungen zum Feste half und – ein erneutes Zeichen mädchenhafter Würde - nicht bat, die Gläser der eingekochten Früchte „auskratzen“ zu dürfen, eine Bevorzugung, um die noch vor einem Vierteljahr blutige Kämpfe zwischen ihr und Karl entbrannt waren.

Der Geburtstag war so liebenswürdig gewesen, auf einen Sonntag zu fallen, daher nicht allein für Hänschen der Besuch der oft verwünschten Selecta fortfiel, sondern auch – was eigentlich in erster Linie hätte erwähnt werden müssen! – der Fähnrich seinen Urlaub bis elf Uhr ausdehnen durfte – eine immerhin noch solide Stunde, derenthalben der Beginn der Festlichkeit schon auf halb sieben angesetzt war.

(Schluß folgt.)


Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

An den Ufern der Salzach.

Von Hugo Arnold.
Mit Bildern von Richard Püttner.

Die smaragdgrüne Salzach, das wilde Kind der Berge, verläßt beim Austritt aus dem weiten Salzburger Becken die Zone des Hochgebirges und flutet dem ihr aus Westen entgegenströmenden Inn durch eine lachende Landschaft zu. Die anmutigen Höhenzüge und die rundlichen Kuppen derselben bilden die Hinterlassenschaft der riesigen Gletschermassen, die in unvordenklicher Zeit von den Kämmen der Tauern herab sich bis hart an den Inn, bis in die Burghausener Gegend erstreckten. Durch das liebliche Hügelgelände hat sich die Salzach ihren Weg gebahnt; von dem großartigen Salzburger Kessel ab verengt sich ihr Bett zu einem tiefen Hochlandsthale zwischen steilen Hängen von Laufen bis Friedorfing, dann weitet es sich um Tittmoning abermals zu einem offenen Becken, hinter dem die Uferhöhen sich wiederum zu einer engen, nicht einmal einem Fußpfade Raum gewährenden Schlucht bis Burghausen zusammenschließen.

Laufen.

Weitab liegt heute die Gegend vom großen Verkehre, denn die beiden von der bayerischen Hauptstadt nach Wien führenden Schienenstraßen nach Salzburg und nach Braunau streifen sie nur an ihren Rändern; erst in der letzten Zeit hat man eine Lokalbahn von der Salzburger Linie weg nach Tittmoning gebaut und in Bälde wird von Mühldorf ab eine Flügelbahn zu dem verödeten Burghausen führen. Darum suchten bisher nur wenige wanderlustige Touristen die hohen landschaftlichen Schönheiten und die geschichtlichen Denkstätten des idyllischen Landstrichs auf, den all’ die dem Alpenvorland eigenen Reize schmücken: der Atem des Hochgebirges, den der brausende Bergfluß mit seinen Wellen hinausträgt in die Ebene, die grünen Matten und reichen Fluren der Thalungen, die dunklen Wälder auf den Hügeln, die blinkenden stattlichen Gehöfte der „Einöden“ unter dem Laubdach ihrer Gärten und nach Süden hin die den Horizont säumende, in blauem Duft verschwimmende Kette der Alpen, überragt von den in blinkender Firnenpracht erstrahlenden Hochgipfeln und Häuptern, während fern im Norden der von den Höhen aus suchende Blick den malerischen Linien des Bayerischen und des Böhmerwaldes begegnet.

Und wenn du den Inn überschritten hast und am Chiemsee vorbei gegen Osten fährst, so ist es, als ob dir andere Lüfte ins Antlitz wehten. Hüben wie drüben sitzt zwar bajuvarisches Volk, wie ehedem dort keltische Stämme hausten, aber der Inn trennte zur Römerzeit die rätische Provinz vom norischen Reich und zahlreicher als anderswo haben im Chiem- und Salzburggau sich Reste romanischer Kultur durch die Stürme der Völkerwanderung gerettet. Schon von mittelalterlicher Zeit an reichte ferner das

[193]

Burg Tittmoning.       Blick von Nunreuth in das Salzachthal mit Tittmoning.       Stadtthor.
Ansichten von Tittmoning.

Salzburger Gebiet bis hart an das Ostgestade des Chiemsees und an die Ufer der Alz heran und erst im Norden griff das bayerische Herzogtum weit über die Salzach herüber. Darum machen sich in den noch reichlich im Gau vorhandenen, aus Altväterzeit stammenden künstlerischen Werken, insbesondere in Bau und Zier der Kirchen, die Einwirkungen von Salzburg als Mittelpunkt des geistlichen und weltlichen Regimentes geltend, in den Bauwerken romanischen Stiles sind sogar von daher übermittelte lombardische Einflüsse bemerkbar und die dort zu hoher Blüte gediehene spätere Gotik hat in gar manchem Gotteshause das eine oder andere reizvolle Gebilde hinterlassen. Von Salzburg aus wurden auch zwei charakteristische italienische Bauformen in die Städte an der Salzach überliefert, wie drüben am nahen Inn von Innsbruck her: die Bogengänge („Lauben“) im Erdgeschosse der alten Häuser und die breiten Fassaden an ihren Giebelfronten, deren Fläche in einem hohen geradlinig abgeschnittenen Maueraufsatze das Schindeldach derart überragt, daß man Gebäude mit flachem welschen Dache vor sich zu haben glaubt.

Die Salzach führte in römischen Zeiten einen Doppelnamen keltischer Wurzel: Ivaro oder Igonta, auch Isonta. Ihr deutscher Name, die „Ach“ (d. i. das Gewässer), welche das „Salz“ auf ihrem Rücken trägt, kennzeichnet sie als die Lebensader des Gaues, in welchem das aus den Lagern des Dürenberges bei Hallein und aus den Quellen von Reichenhall gewonnene Salz den wichtigsten wirtschaftlichen Faktor bildet; zweifellos, reicht die Benutzung der Wasserstraße für den Salztransport weit in das graue Altertum zurück, denn die Kelten haben bereits jene Werke ausgebeutet. Im Mittelalter bestand eine genau bis in die kleinsten Einzelheiten geregelte Organisation des Schifferwesens mit dem Sitz zu Laufen, die in ihren Hauptzügen bis zum Uebergang Laufens an Oesterreich (1806) bestehen blieb.

Die Wandelung, welche zu moderner Zeit in den Verkehrswegen sich vollzog, insbesondere die Anlage von Eisenbahnen, hat die einst so blühende Schiffahrt auf der Salzach fast völlig vernichtet, nachdem schon die Neuordnung der politischen Verhältnisse im Anfange des Jahrhunderts den Salzachstädten die schwersten Schäden zugefügt hatte. Das 1810 bayerisch gewordene Salzburger Gebiet auf dem rechten Salzachufer mußte 1816 an Oesterreich abgetreten werden und seitdem teilen die regsamen Städte Laufen und Tittmoning das Los ihrer Schwesterstadt Burghausen: Grenzorte zu sein, ein Geschick, das Burghausen allerdings schon 1779 durch den Teschener Frieden erfuhr. So stehen die politischen Grenzmarken an den Ufern der Salzach und die Zollschranken unterbinden die Lebensader des Gaues, eine Fügung, über welche die genannten Städte bitter klagen, denn die Einbuße der Hälfte ihres Hinterlandes haben sie bis zum heutigen Tage noch nicht überwunden.

[194] Nicht dahin, wo die Türme Hohensalzburgs ragen und woher die Kuppeln der Kirchen grüßen, sondern nach Norden führt uns von der Station Freilassing an der Salzburger Linie die Lokalbahn nach Laufen. Ein mächtiger Riegel von Nagelfluh schiebt sich dort ins Salzachbett vor und zwingt den Fluß, ihn in mächtiger Schleife zu umspülen. Auf und an diesem Block hat sich das freundliche Städtchen gelagert, das eigentlich nur aus einer einzigen, an einer Stelle sich zum Marktplatze erweiternden Straßenzeile besteht. Auf der äußersten Spitze des Blockes, gegen Osten durch einen kolossalen Unterbau wider die nagenden Fluten der Salzach geschützt, thront die fernhin in der ganzen Gegend als Wahrzeichen sichtbare Stiftskirche, ein weiter, gotischer dreischiffiger Hallendom, aufgeführt zwischen 1440 und 1450; aus dem früher an gleicher Stelle stehenden romanischen Gotteshause ist ihr ein schlanker, ohne Verjüngung aufsteigender, reich ornamentierter Turm einverleibt worden, und außer prächtigen Statuen und wertvollen Gemälden birgt sie in ihren Hallen und in dem sie umschließenden Kreuzgang einen außerordentlich wertvollen Schatz von etwa anderthalb hundert Grabsteinen, deren ältester die Jahrzahl 1300 aufweist. Sie tragen die Wappen und Namen der alten, jetzt nahezu sämtlich erloschenen Geschlechter des Land- und Stadtadels, unter denen die Herren von der Albu, die Abkömmlinge einer landeingesessenen romanischen Familie, mit ihren Ahnherren bis in das 7. Jahrhundert zurückreichen; zum größeren Teil Muster heraldischer Steinmetzkunst und vielfach von hohem künstlerischen Wert. Die Fürsterzbischöfe von Salzburg besaßen hier einen glänzenden Palast, in dessen Sälen nun unheimliche, grau gekleidete Gesellen ihre Werkstühle aufgeschlagen haben, denn er ist zum Gefängnis für schwere Verbrecher bestimmt worden. So spiegelt sich in ihm der Wandel des Geschicks, wie in der Geschichte der jetzt so stillen Stadt, hinter deren Mauern einst die ritterlichen Geschlechter der Gegend von ihren Burgen herabzogen, um durch Schiffahrt und Handel zu hohem Reichtum zu gelangen. Um Laufen ward manch harter Strauß gefochten, denn bei ihm öffnet sich die Straße sowohl gegen den juvavischen Thalkessel als in das Herz von Oberösterreich. Darum kam es schon 949 bei Louva zum blutigen Kampfe zwischen den Ungarn und dem Bayernherzog Heinrich I., und so oft bayerische oder französische Scharen gegen Osten operierten, färbten sich die Wellen der Salzach vom Blute der Streiter, denn mit der Wegnahme von Laufen war der Schlüssel zur Bischofstadt gewonnen, so 1525, 1611, 1800, 1805 und 1809.

Außerordentlich reich sind diese geschichtlichen Erinnerungen, aber keine derselben gewährt ein solches Interesse wie eine religiöse und eine rein weltliche Feier, die sich beide am Fronleichnamsfeste auf den Wellen des von der Schneeschmelze dann hochgehenden Flusses abspielen.

Laufen gegenüber liegt der Markt Oberndorf, ehedem eine Vorstadt, jetzt der Amtssitz österreichischer Bezirksbehörden. Hier wohnen die Schiffer, deren Innungsorganisation bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht. Aus den alten Zeiten her, da sie gleich allen anderen Gilden als kriegerische Schar die Mauern ihrer Vaterstadt verteidigten oder die Fehden ihrer Erzbischöfe ausfechten halfen, haben sie sich den Anstrich einer militärischen Körperschaft gewahrt und erscheinen heute noch in geschmackvoller soldatischer Tracht: sie tragen einen roten Waffenrock, graulich-weiße Beinkleider, weißes über die Brust gekreuztes Lederzeug mit Patronentasche und Säbel, dazu den Korsenhut und das Gewehr, und bei den alten Leuten hat sich noch die Gewandung des vorigen Jahrhunderts erhalten: der Dreispitz und die Hellebarde, der lange rote Bratenrock, das kurze schwarzsammetne Beinkleid, weiße Strümpfe und Schnallenschuhe. Gar stattlich sehen sie aus, die wetterbraunen harten Gestalten, und mit Stolz paradieren sie im Kriegerkleid: haben sie doch alle „gedient“ und fast insgesamt Pulver gerochen. Der weißhaarige Veteran dort hat noch unter Vater Radetzky geblutet und jener stramme Recke den Doppelaar über die Berge Bosniens getragen. Ihnen kommt eine Hauptrolle bei den Festlichkeiten zu.

Während der Prozession, an welcher Tausende handelnd und zuschauend teilnehmen, wird an einem auf der Mitte der Brücke errichteten Altare das zweite „Evangelium“ gelesen. Nach demselben tritt der das Allerheiligste tragende Priester an die Brüstung der Brücke heran und, von leichtem Ruderschlag getrieben, gleitet auf den brausenden Wellen ein Kahn herab. In demselben sitzen vier Knaben, in Rot und Weiß gekleidet und in den Händen ein weißes Tuch haltend, auf welchem geweihte, aber nicht konsekrierte Hostien ruhen. In dem Augenblicke, in welchem der Kahn sich der Brücke nähert, erhebt der Priester die Monstranz, erteilt damit auf die Wogen hinab den Segen, die Knaben aber „schutzen“ (d. h. schnellen) die Hostien aus dem gespannten Tuche in die rauschende Flut; dazu krachen die Böller und die Salven der Schiffergilde, und von den Wänden des engen Thales zurückgeworfen, hallt der rollende Donner wider. Es ist ein wunderbar malerisches Bild: über die grauen Häuser steigen die grünen Uferhänge hinan, wie mit Schnee bedeckt von den Blütenkronen der Obstbäume, durch die im üppigsten Lenzesschmuck prangenden Fluren windet sich die steilen Steige empor die farbenbunte Prozession mit wehenden Fahnen, und die Sonne flimmert auf den schillernden seidenen Gewändern und Flügelhauben der Frauen und leuchtet auf den roten Röcken der Schiffer, dazwischen qualmt der Weihrauch aus den Becken der Ministranten und wehen die Schleierwolken der Salven über dem rauschenden Fluß, in weiter Ferne die Scene schließend, ragt ernst die majestätische Pyramide des sagenumsponnenen Untersberges.

Die Hostien, in welchen durch die Konsekration gemäß der Lehre der katholischen Kirche sich des Heilands Leib verkörpert, nennt der Volksmund das „Himmelsbrot“ und davon trägt die ganze Feier den Namen „Himmelsbrotschutzen“. Sie ist rein religiösen Charakters und stellt eine fromme Wasserweihe dar, um die wackeren Schiffer vor allen Gefahren auf den tückischen Wellen zu bewahren; ihr Ursprung mag bis in die Tage des Heidentums zurückreichen.

Sicher ist letzteres nachzuweisen bei dem jetzt verweltlichten Feste, das am Nachmittag des gleichen Tages stattfindet. Ein Räuberhauptmann mit seiner Bande, alle in schreckenerregende phantastische Kostüme gekleidet, fährt in einer Flottille zur Plünderung von Laufen und Oberndorf auf der Salzach heran; doch wie die Fahrzeuge zum Ufer wenden, werden sie von den Schiffern angegriffen, die wohl auf der Hut lagen und in starkbemannten Booten heransteuern. Es entspinnt sich ein heftiger Kampf; das Geschrei der Streiter, das unaufhörliche Rollen und Knattern der Gewehre, der dumpfe Baß der Schiffgeschütze füllen das ganze Thal. Endlich entern die tapfern Schiffer die Kähne der Piraten, die Räuber werden überwältigt und mit Hurra und Hallo in sichern Gewahrsam auf die „Keller“ einer lobesamen Brauerei geschleppt. In diesem etwas wilden, aber männlich frohen Spiele erschaut das Auge des Kundigen die altgermanische Frühlingsfeier: den Sieg des Lenzes über den Winter, und sein Herz freut sich über die Erhaltung uralten Brauches der Vorfahren in dieser modernen Gestaltung, über die zähe Lebenskraft unseres Volkstums.

Wir aber ziehen friedlich die Straße fürbaß flußabwärts an der in Trümmern liegenden Burg der einst mächtigen Grafe von Lebenau, an Friedorfing vorbei, wo die Pfarrkirche auf der Stätte einer römischen Niederlassung steht, im Pfarrhofe römische Säulen eingemauert sind und in dessen Nähe ehedem ein mehrere tausend Leichname bergendes Grabfeld aus Merovinger Zeit entdeckt wurde, berühmt durch seine Funde und den darüber entstandenen Streit der Gelehrtenwelt.

Schon von weitem her grüßt von hohem Hügel herab das malerische Gemäuer der alten Burg von Tittmoning. Titamanninga villula gehörte zu den ältesten Besitzungen des Salzburger Stuhles als eine Schenkung Herzog Theodeberts zu Anfang des 8. Jahrhunderts. Es verdankt seine Blüte dem Salzhandel, wurde aber wegen der Eigenschaft als Grenzfeste gegen Bayern in alle die Kriegsstürme verwickelt, die hier gen Osten zogen. Das bedeutendste Gebäude der schmucken Stadt ist die Stiftskirche, ein herrlicher gotischer Bau mit vielen schönen Grabmälern und einem hohen Turme, dessen oberer Teil im Barockstil aufgeführt ist. Bietet das auf einem abgeflachten Hügel sich streckende Tittmoning auch nicht das markante Städtebild von außen her wie Laufen, so gefällt uns um so mehr der brunnengeschmückte Marktplatz, um den sich in südlicher Architektur die mit Laubengängen, Erkern und kunstvollen Schildern gezierten Häuserreihen gruppieren und mit ihren lichten Farben sich recht wirksam von dem tiefen, satten Grün der üppigen Laubmassen des Burgberges abheben. Von der Stiftskirche weg, der alten, von Bäumen und Gesträuch überwucherten Stadtmauer entlang, führt ein Weg in den natürlichen Park des Burgberges, wo sich schattige Pfade unter den Wipfeln mächtiger Buchen und Ahornbäume hinauf zu der Lichtung vor der Brücke ziehen, welche die tiefe Schlucht des Grabens zum Eingangsthore der Burg überspannt. Letztere war einst der Sitz eines Dienstmannengeschlechtes, [195] später eines Amtmannes und im 15. Jahrhundert ein Lieblingsaufenthalt der Salzburger Erzbischöfe. Heute hat sich hier eine gastliche Herberge aufgethan und vom rosen- und wildrebenumrankten Sitz auf der Terrasse schweift der Blick hinaus auf die blauduftige Bergkette des gesegneten Salzburger Landes.

Durch das nördliche Thor, welches in seinen bunten Farben eine anziehende, ungemein malerische Wirkung ausübt, verlassen wir die anheimelnde Stadt und wandern gen Norden steil aufwärts unter hohen Bäumen dem Dörflein Nunreuth mit seinem stattlichen Wirtshause zu. Von hier aus hat der Stift des Malers die Rundschau aufgenommen, die sich ganz plötzlich und dem Wanderer völlig unerwartet an der einzigen Stelle, wo ein freier Rückblick möglich ist, über das weite Salzachthal mit dem freundlichen Tittmoning im Mittelgrunde bietet, während im Süden der blauende Gebirgszug sich dehnt, in welchem der Stock des Untersberges und die schroffen Rücken des Tännengebirges dominieren.

Abtei Raitinhaslach.

Tief unten in der Schlucht braust die Salzach; wir wandern mit den Wellen weiter nach Norden, bis der Fluß mit einer plötzlichen Wendung nach Osten abbiegt und für ein in mehreren Terrassen sich abstufendes Knie der Uferwand Raum giebt. Türme und Giebel eines stattlichen Baues streben empor, malerisch gehoben durch den Hintergrund des Hadermarkter Berges, stattlich immer noch, obwohl sie nur die Ueberbleibsel einer prachtvollen Abtei bilden. Auch Raitinhaselach („die Rodung im Haselwalde“) wird bereits im 8. Jahrhunderte unter den Besitzungen des Salzburger Hochstiftes genannt und die Anfänge eines dort bestandenen Chorherrenstiftes reichen in unbekannte Zeiten zurück. Hierher verlegten 1146 auf Betreiben des Salzburger Erzbischofs Konrad der Edle Wolfger von Tegerwang und seine Gattin Hanna das zuerst in Schützing an der Rott gegründete Cisterzienserkloster. Durch viele Begabungen gediehen die „grawen Müniche“ zu beträchtlichem Reichtume, wenn auch Kriege und Brände dem Stifte wiederholt großen Schaden zufügten. Als im vorigen Jahrhunderte die Bauwut in den Klöstern Süddeutschlands einriß und die alten Stifte dem neuen Geschmacke gemäß „modernisiert“ wurden, bauten auch die Cisterzienser ihren Konvent in luxuriösem Rokokostil um, aber nach der Säkularisation (1803) und dem Uebergang in Privathände wurden mehrere Flügel niedergelegt, sodaß jetzt nur noch der Prunksaal und die Prälatenwohnung nebst der kleinen Hauskapelle sehenswert sind. Die prächtige Stiftskirche (1756-1759 erbaut) dient nun als Pfarrkirche; ihr Inneres zeigt den krausen phantastischen Schmuck, mit dem das Rokoko seine Bauwerke zierte, insbesondere reiche, sorgsam ausgeführte Stuccaturen und Fresken in leuchtenden Farben. Die Pfeiler tragen die Wappen von 136 Adeligen, welche entweder Wohlthäter des Stiftes waren oder in der Kirche ihrer seligen Urständ entgegenschlafen. Außer den Geschlechtern der Umgebung wählten auch die Herzöge der Landshuter Linie, die häufig im nahen Burghausen residierten, das Kloster gern zur Begräbnisstätte ihrer Angehörigen. Inmitten der Kirche steht ein großer roter Marmorblock; auf ihm stand ehedem der Sarkophag, der die sterbliche Hülle des ruhelosen, nach stürmischem Lebenslaufe heimgegangenen Herzogs Ludwig mit dem Beinamen „der Gebartete“ barg.

Weiter führt uns die Straße. Hart an ihr zur Rechten führen Stufen einen Berg hinan. Eingeschlossen vom Walde liegt hier die Wallfahrtskirche Heiligenkreuz, für welche Maria Plain bei Salzburg zweifellos als architektonisches Vorbild diente; auf der Terrasse, welche die Kirche umgiebt, öffnet sich ein prächtiger Ueberblick.

Zwischen den steilen Uferwänden strömt die Salzach fort nach Norden. Da schiebt sich eine schmale Bergzunge gegen sie vor; die Fluten umrauschen sie in leichtem Bogen, während auf der anderen Seite, im Westen, in weiter Ausbuchtung der Thalsohle ein lieblicher tiefsmaragdgrüner kleiner See, die „Wöhr“ genannt, den Fnß des Felsens bespült. Nur nach Norden hängt die Felsenzunge mit dem Hinterlande zusammen, von der Natur zu einem festen Horste geschaffen, und von der unersteigbaren Höhe herab schauen die Türme, Mauern und Zinnen einer weitausgedehnten Burg nieder in das Thal, über die Stadt hinweg, die sich in ihrem Schirm an die Berghalde schmiegt. Burghausen heißt darum sprechend der Name. Nicht mit Unrecht besteht die Vermutung, daß schon in der Urzeit die Einwohner auf dem Felsengrate hinter schützenden Wällen Zuflucht suchten doch fällt geschichtliches Licht auf die Stätte erst im 11. Jahrhundert, als die Grafen von Burghausen und Schala (dieses in Oberösterreich) hier ihren Sitz hatten. Mit dem Tode des letzten derselben fiel 1146 die Grafschaft an das bayerische Herzogtum und ein Jahrhundert apäter, nach der Teilung in Ober- und Niederbayern, von 1255 ab, ist Burghausen neben Landshut zweieinhalb Jahrhunderte lang eine Residenzstadt, die Burg eine Hofburg, in der alle während dieser Zeit herrschenden Fürsten, von Heinrich XIII. bis Georg dem Reichen, 14 Herzoge, 1 Kurfürst und 1 Kaiser, längere oder kürzere Zeit Aufenthalt nahmen. Außerdem barg die feste Burg auch in ihren sicheren Gewölben die von den drei letzten niederbayerischen Herzögen, gar guten Haushältern, gesammelten Schätze, wegen deren jeder von ihnen den Beinamen „der Reiche“ empfing.

Unter eben diesen drei Herzögen, Heinrich, Ludwig und Georg, erlebte Burghausen die Periode seines Glanzes und aus diesen Tagen stammt auch die Gestalt, in welcher die Burg – eine der ausgedehntesten in Deutschland – auf uns gekommen ist. Auf eine Viertelstunde in die Länge erstreckt sich der Komplex der Gebäude über den schmalen, mauer- und zwingerumsäumten Felsengrat, dessen beide Enden ursprünglich je durch eine eigene Burg, heute noch das „vordere“ und das „hintere“ Schloß genannt, bewehrt waren. Hierdurch zerfällt sie in drei Abschnitte, deren jeder durch einen tiefen, aus dem Felsen geschroteten Graben und durch ein festes zugbrückebewehrtes, mit mächtigen, aufgemalten, noch gut erhaltenen Wappenschildern geschmücktes Thor gesichert war. Von der alten Herrlichkeit des Fürstensitzes ist nun freilich wenig mehr übrig geblieben, denn in den letzten drei Jahrhunderten dienten die Schloßgebäude zu Wohnungen und Amtsstuben der Beamten oder als Kasernen.

Welch malerischer Reiz die alte Burg und Stadt umkleidet, davon zeugen die herrlichen, poesieumflossenen Bilder des Zeichners. Wie pittoresk stellt sich der Anblick der Stadt und des „vorderen“ Schlosses vom österreichischen (östlichen) Salzachufer dar! Die Ansicht links darunter zeigt das Eingangsthor in das „vordere“ Schloß, zu dem man durch die in Terrassen ansteigenden winkligen

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Burghausen
Eingang zur Burg (Ostseite).     Ehemalige Richtstätte.      Blick von der Burg auf den Pulverturm. Partie aus dem Burghof.


Gassen und Gärten des Hofberges gelangt; das mittlere Bild führt uns an die Westseite des Schlosses, an die ehemalige „Richtstätte“. Wir treten durch einen offenen Thorbogen hinaus. Steil fällt der Abhang hinunter bis an das Ufer der im Sonnenlicht funkelnden smaragdgrünen Wöhr, über deren spiegelnde Fläche oft buntbewimpelte Gondeln mit lebensfroher Gesellschaft gleiten und in deren Wellen sich die Jugend der zahlreichen Schulen Burghausens tummelt. Darüberhin beherrscht die Ferne mit der hochragenden Kirche vom Heiligen Kreuz der trutzige „Pulverturm“. Das Bildchen darunter zeigt das Thor zum mittleren Teile der Burg.

Entzückend ist ein Rundgang um die Burg im Mondenschein, wenn die „Wöhr“ wie ein Silberbecken blinkt, die Salzach wie ein gleißendes Band schimmert, die Türme und Giebel in nächtigem Duft verschmelzen, die feuchten Schieferdächer blitzen, Totenstille über dem Städtchen ruht, alles, alles traumhaft wie in längstverschwundenen Zeiten vor dir liegt und nur das strahlende elektrische Licht in den Straßen der Stadt davon spricht, daß wir in der Gegenwart leben!

[197] Was wüßten die Mauern und die Hallen zu erzählen, wenn sie zu sprechen vermöchten, von dem Prunk und der Pracht des Hofhaltes der „reichen“ Herzöge, von den ungeheuern Reichtümern, die ihrer Hut anvertraut waren! Als Herzog Georgs des Reichen Eidam den Schatz seines Schwiegervaters nach Neuburg a.D. wegführte, waren dazu 70 sechsspännige Wagen nötig! Aber auch die Klagen unsagbaren Kummers und Herzeleids verhallten in diesen Gemächern: unglückliche Frauen trauerten über das Weh ihrer Ehe. Amalie von Sachsen, die Gemahlin Ludwigs des Reichen, und Hedwig von Polen, die Gemahlin Georgs des Reichen, von deren über die Maßen glänzender Hochzeit einst die Welt als von einem vordem nie erlebten Schauspiel gesprochen hatte, beide von den Gatten verbannt und gemieden. Auch manchen berühmten Gefangenen beherbergte die Burg; den unruhigen Herzog Ludwig den Gebarteten von Ingolstadt, der hier in Acht und Bann das Zeitliche segnete (1447), den berühmten Kanzler Georgs des Reichen, Wolfgang Grafen zu Neukolberg, und den in der Nördlinger Schlacht in Gefangenschaft geratenen schwedischen Feldmarschall Horn, diesen acht Jahre hindurch in ritterlicher Haft.

Vor Alt-Oetting.

Kriegslärm umtobte oft die Türme. Im Landshuter Erbfolgekriege (1504) diente Burghausen den Pfälzern als Stützpunkt für ihre Verheerungszüge nach Oberbayern, 1611 sammelte Herzog Maximilian hier seine Scharen zum Zuge gegen Salzburg; viel Blut floß um die festen Wehren, so oft Bayern und Oesterreich im Kampfe lagen. Im spanischen Erbfolgekriege erstürmte der Anführer der niederbayerischen Bauern, der Student Plinganser, 1705 die von den Kaiserlichen besetzte Stadt und Burg, während des Oesterreichischen Erbfolgekrieges waren sie im Wechsel in den Händen der Bayern und der Oesterreicher und wurden drei mal vom bayerischen General Prinzen von Hildburghausen erstürmt, wobei ein Bürger von Burghausen, der tapfere Kaminkehrer Cura, sich besonders hervorthat. Die französischen Kriege um die Wende unsres Jahrhunderts führten viel Kriegsvolk an die Ufer der Salzach; 1809 ging der Rückzug der bei Landshut und Eggmühl geworfenen Oesterreicher über Burghausen. Napoleon folgte ihnen auf dem Fuße und hatte ursprünglich hier die Anlage großer Verschanzungen im Auge. Noch trägt seinen Namen der Napoleonshügel, von welchem aus er dem Uebergang seiner Truppen über den Fluß zusah.

Seit dem Uebergang Burghausens (1505) an die Herzöge von Oberbayern wohnten nur noch die jungen Prinzen Ludwig und Ernst längere Zeit (1512) auf der Burg, wo man noch heute die Behausung ihres Lehrers, des berühmten Geschichtschreibers Aventin, zeigt. Dann nahmen die herzoglichen Hauptmänner und Viztume hier ihren Sitz, aber stiller und stiller wurde es in der Stadt, namentlich als sie durch die Abtretung des Inn- und Hausruckviertels an Oesterreich (1779) ihr Hinterland und im Anfang unsres Jahrhunderts die 300 Jahre hier bestandene Regierung, dazu vor wenigen Jahren noch die altgewohnte Garnison verlor. So ist ihr, der Perle des bayerischen Salzachthales, von der alten Herrlichkeit nichts geblieben als die romantische Lage und die malerischen, mit dem Edelrost des Alters und der Geschichte geschmückten Gebäude.

Noch eine Meile unterhalb Burghausen begleiten steile Felswände den Fluß, dann senken sie sich und durch buschige Auen strömt die Salzach dem brausenden Inn entgegen. Wir wandern von der Burg aus gen Nordwesten über den wie ein Wall aus der Hochebene aufragenden Höhenberg mit der „Kümmernißkapelle“, eine der Endmoränen des Salzachgletschers. Von da aus eröffnet sich noch einmal eine wunderbare Rundsicht. Nach Norden schweift der Blick über unabsehbare dunkle Nadelwaldungen, über welche die Kuppen des Bayerischen und Böhmerwaldes emporragen, gegen Osten blitzen aus dem gesegneten Innthal zahlreiche Kirchtürme entgegen und starren die kahlen, jäh abfallenden vielfach zerklüfteten Uferwände der Salzach, hinter denen die Massen des Weilharter Forstes in ungemessene Ferne sich dehnen; im Süden aber erheben sich gleich einer riesigen Mauer vom Traunstein in Oberösterreich bis zur Zugspitze die Wände, Grate und Hörner der Alpen, beherrscht von dem schimmernden Eisstrom der „übergossenen Alp“ und den in die Wolken ragenden Häuptern des Großglockner und des Venediger. Nur zögernd wenden wir uns, über die grüne Alz und durch den dunklen Tann wandern wir fort. Da lichtet sich der Wald und auf grüner Fluroase liegt im Sonnenglanz das weihrauchumduftete Alt-Oetting vor uns, die uralte Kaiserpfalz der Karolinger und das „Loretto“ des bayerischen Landes. Von fernher schallt der Klang der Glocken und über den Feldern wehen die bunten Fahnen der Wallfahrtszüge, denn Hunderttausende frommer Pilger – selbst von der ungarischen Grenze her – wallen alljährlich an die Gnadenstätte, wo in einer aus dem 12. Jahrhunderte stammenden romanischen Kapelle ein byzantinisches, schwarzes Madonnenbildnis aus Holz mit dem Jesuskind auf dem Arme die höchste Verehrung der Gläubigen genießt. Die Sage meldet, daß hier in grauer Zeit ein Heidentempel gestanden; die alte Kultstätte hat die christliche Kirche übernommen und sie der Gottesmutter geweiht, welche die Herrscher von Bayern zur Patronin des Landes erkoren haben. Darum ist es auch ein frommer Brauch, daß die Herzen der bayerischen Landesfürsten hier in silbernen Gefäßen beigesetzt werden.


Vor der Berufswahl.

Warnungen und Ratschläge für unsere Großen.
Die deutsche Lehrerin im Ausland.

Wenn meine Nichte im Examen durchfällt, schicke ich sie nach England,“ sagte vor zwei Jahren meine Tischnachbarin im Hotel in Friedrichroda zu mir. „Dann lassen Sie sie gut kochen lernen,“ erwiderte ich, „sie kann, wenn sie sich erst mit der englischen Küche vertraut gemacht hat, mehr verdienen als manche Lehrerin, die nicht im Examen durchgefallen ist, der es aber an fremdsprachlichen Kenntnissen und Musik fehlt.“

Etwas von oben herab wurde ich von der Dame belehrt, daß es sich um die Nichte einer Dame von Stellung handle, welcher der Deutsche Lehrerinnenverein in London schon eine gute Stelle verschaffen würde, wenn der Herr Direktor selber darum schriebe. Meine bescheidene Bemerkung, daß genannter Verein sich durch die Empfehlung einer ungenügenden Kraft doch wohl nicht würde schaden dürfen, würdigte die Frau Direktorin keiner Antwort, sie wußte ja nicht, daß der Zufall sie gerade neben ein Vorstandsmitglied des Vereins gesetzt hatte. Meine damalige Tischnachbarin ist aber die einzige nicht, die da meint, für das Ausland seien alle die längst gut genug, die in Deutschland nicht vorwärts kommen, und doch stellt kaum eine andere Nation der Erde größere Ansprüche an die Lehrerin als gerade die englische. Dazu kommt, daß die Konkurrenz durch englische Lehrerinnen, denen die Universitätsstudien offen stehen, immer stärker wird [198] und daß die Leute für ihr Geld daher immer mehr verlangen. Man kann darum deutsche Lehrerinnen nicht eindringlich genug davor warnen, ohne gründliche wissenschaftliche Ausbildung und ohne mindestens eine Fremdsprache zu beherrschen oder eine gründliche musikalische Ausbildung zu besitzen, nach England oder auch nach Amerika gehen und Geld verdienen zu wollen. Stellen für die deutsche Sprache allein giebt es in guten Schulen nur für solche, die schon lange in England waren, gründliche Literaturkenntnisse haben und des Englischen vollkommen mächtig sind. Auch um Musik und Harmonie zu lehren, muß man das Englische ziemlich gut innehaben. Als Anfängerin im Lande kann selbst die tüchtigste Kraft nicht mehr als 50 bis 60 Pfund Sterling, also 1000 bis 1200 Mark Gehalt bei freier Station beanspruchen. Ohne Musik, für Sprachen allein werden etwa 30 bis 40 Pfund Sterling gegeben. Schulen zahlen weniger als Familien. Eine sogenannte finishing governess, die allen wissenschaftlichen Unterricht erteilt, Klavier, Zeichnen, Sprachen, dazu oft auch noch Latein und Mathematik unterrichtet, kann 100 bis 130 Pfund Sterling erlangen. In vielen, ja in den meisten Fällen wird allerdings das scheinbar hohe Gehalt dadurch illusorisch, daß die Lehrerin dreimal im Jahre während der im ganzen 10 bis 14 Wochen dauernden Ferien das Haus verlassen und aus ihrer eigenen Börse leben muß. Bei geringem Gehalt empfindet die Lehrerin diese erzwungenen Urlaubsreisen als eine besondere Härte, der sie dann durch den Notbehelf der sogenannten Ferienengagements zu begegnen sucht. Handarbeits- und Turnlehrerinnen werden nicht gesucht.

Wenn Eltern ihre Tochter als Lehrerin in die Fremde ziehen lassen, so geschieht das gewöhnlich unter dem gewiß begreiflichen Vorbehalt, daß sie nicht „aufs Ungewisse“, aufs Geratewohl fortgehe. Sie soll eine Stelle „in der Tasche“ haben. Die Besorgnis der Eltern, die ihre Tochter in guten Händen wissen möchten, ist ohne Zweifel überall da am Platz, wo dieselbe allen Gefahren preisgegeben wäre, ohne den Rückhalt befreundeter Familien oder eines „Heims“ zu haben, wie es deren jetzt in den ausländischen Großstädten giebt. Meistens wissen solche Eltern nicht, daß nichts ungewisser, nichts bedenklicher ist als eine Stelle, die man sich von Deutschland aus in England gesichert zu haben glaubt. Der einigermaßen gebildete Engländer hat den berechtigten Wunsch, die künftige Lehrerin seiner Kinder persönlich zu kennen, ehe er ihr sein Vertrauen schenkt. In England giebt es jederzeit so viele deutsche Lehrerinnen, daß er hier finden kann, was er sucht. Wendet er sich nach Deutschland, so hat er seine Gründe, die man oft zu spät verstehen lernt, wenn man in die Familie oder Schule eingetreten ist. In vielen Fällen ist Armut oder auch Geiz die Veranlassung; eine aus Deutschland direkt bezogene Lehrerin ist oft für wenig oder nichts zu haben! Sie wird meist aufs gewissenloseste ausgebeutet, schlecht ernährt, und die vorher gemachten Versprechungen in Bezug auf englischen Unterricht werden selten eingehalten. Solche Stellen sind es dann immer, die den besorgten Eltern in Deutschland nebelhaft als das gesuchte „Gewisse“ entgegen winken!

In der höchsten Not, nachdem man sein Geld für schwere Agentengebühren u. dergl. umsonst ausgegeben hat – sogar eine Stelle ohne Gehalt von Deutschland aus beträgt 42 Mark Gebühren, in England 21 –, wendet man sich an den Deutschen Lehrerinnenverein. Stöße von Klagebriefen sind innerhalb der 18 Jahre, die der Verein besteht, im Vereinsbureau eingelaufen. Dann ist es aber oft gar schwer, zu helfen! Einer tüchtigen jungen Kraft kann man weit leichter einen ersten Posten besorgen als einen zweiten, wenn die vom ersten gewonnene Referenz unbrauchbar ist.

Früher bestand das Hauptgewerbe eines großen Teils der englischen Agenturen in dem Herüberlocken junger unerfahrener Lehrerinnen in solche schlecht oder gar nicht bezahlte Stellen. Diesem Treiben setzten unsere ausländischen Vereine in Verbindung mit dem Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein kein geringes Hindernis entgegen. Alle Vereine deutscher Lehrerinnen im Inlande und Auslande haben durch die Centralleitung der Stellenvermittlung in Leipzig, Pfaffendorfer Straße 17, die genaueste Fühlung miteinander, und wer irgendwohin ins Ausland gehen will, kann nichts Besseres thun, als sich nach dem Bescheid richten, der ihm von der Centralleitung in Leipzig wird. Allerdings placiert man in den Vereinen überall nur wirkliche Lehrerinnen und Erzieherinnen. Für solche, denen die nötige Ausbildung fehlt, kann durch ihn nichts geschehen. Daß nur Sachverständige (Lehrerinnen) die Stellenvermittlung leiten, ist natürlich ein großer Vorteil.

Eltern, welche ihre Tochter eine einigermaßen sichere Laufbahn in England anfangen lassen wollen, thun gut, dieselbe mit dem Deutschen Lehrerinnenverein, 16 Wyndham Place, Bryanston Square, London W., in Verbindung treten zu lassen, ehe sie irgend einen entscheidenden Schritt thut. Durch die Agentur des Deutschen Lehrerinnenvereins in England wurden im ersten Jahre seines Bestehens schon 45 Lehrerinnen mit Arbeit versorgt; seitdem hat sich die Zahl der alljährlich besetzten Stellen auf 200 und darüber vermehrt. Wem Sprachstudium in England Hauptzweck ist und wer über die Mittel zu einem sechsmonatigen Aufenthalt gebieten kann, den verweisen wir an das St. Albans College, 19 Lansdown Crescent, West Kensington Park, London W. Der Pensionspreis in diesem Haus stellt sich einschließlich vierstündigen täglichen Unterrichts auf 25 bis 35 Mark die Woche.

Die Lehrerin, die nach England und Amerika gehen will, sei nicht zu jung, aber auch nicht zu alt, nicht unter 23 und nicht über 40 Jahre, wenn sie es zum erstenmal in der Fremde versucht. Ohne Ausweis über erfolgreiche Lehrtätigkeit ist es in jedem Alter sehr schwer unterzukommen. In Oesterreich, Rumänien und Ungarn werden meistens ältere Damen gesucht, die schon in England gewesen sind. In Frankreich findet die Deutsche selten gut bezahlte Stellen als Erzieherin, aber eher noch Privatstunden als in London, wenn sie auch oft herzlich schlecht bezahlt werden. Der dortige Verein hat im Jahre 1894 siebzig Stellen besetzt. Aus Italien kommen fortwährend Warnungen, sein Glück als Erzieherin dort lieber unversucht zu lassen. Der vor zwei Jahren in Florenz gegründete Deutsche Lehrerinnenverein arbeitet unter den äußersten Schwierigkeiten und mit noch geringen Resultaten. In Florenz und Neapel sind durch die unermüdlich thätige Frau Salis-Schwabe vortreffliche deutsche Kindergärten ins Leben gerufen worden, und die in den Hauptstädten Italiens gegründeten Schulen für die Kinder deutscher Kolonisten sind zweifellos höchst segensreiche Einrichtungen, es ist aber eine Illusion, wenn deutsche Lehrerinnen deswegen hoffen, an diesen Orten auch ein Arbeitsfeld zu finden. Um die französische Sprache zu erlernen, gehen viele deutsche Lehrerinnen gern nach der französischen Schweiz oder nach Belgien. Doch giebt es in diesen Ländern sehr wenige annehmbare Stellen. Gewöhnlich wird nicht einmal Gehalt gewährt, ja es wird häufig noch die Zahlung einer kleinen Pension zu aller Arbeit verlangt. Vor solchen Stellen kann erfahrungsgemäß nur dringend gewarnt werden. In der Türkei stellt man mit Vorliebe Französinnen an. Nach Konsulatsberichten war Japan niemals ein Feld für ausländische Lehrerinnen, was auch von anderer Seite bestätigt wurde. In Rußland sind seit ungefähr 15 Jahren die Gehälter nicht nur mehr und mehr gesunken, sondern für die deutschen Lehrerinnen ist dort überhaupt kein Boden mehr. Früher, unter dem Kaiser Alexander II., galt Rußland als Eldorado für die deutschen Erzieherinnen, die fertig Französisch sprechen und gut Klavier spielen konnten. Der wissenschaftliche Unterricht wurde und wird auch jetzt noch meist von Russen erteilt.

Wo heutzutage die Privatlehrerin noch gut bezahlt wird, da verlangt man von ihr, daß sie ohne die Hilfe anderer Lehrkräfte den gesamten Unterricht erteilen kann, besonders wenn die Familien auf dem Lande wohnen. Selbst in der Stadt, wo die Schüler Kurse besuchen, erfordern die Vorbereitungsstunden für diese Kurse besonders deshalb viel Wissen, weil sehr oft die Lehrerinnen den Schülerinnen das verständlich zu machen haben, was die Lehrer nur andeuten.

Um das Gesagte zusammen zu fassen: heute kommt überall im Auslande nur die deutsche Lehrerin vorwärts, die etwas Gründliches gelernt hat. Eltern, die ihre Töchter in der Fremde nach dem Erwerb suchen lassen wollen, den das Vaterland ihnen nicht bietet, sollten bedenken, daß sie sie damit in erhöhtem Maße dem Kampf ums Dasein aussetzen und daß sie dazu einer geistigen und sittlichen Ausrüstung bedürfen, die sie befähigt, in jedem Treffen zu stehen und dem deutschen Namen im Auslande Ehre zu machen. Helene Adelmann.     


[199] 0


Blätter und Blüten.



Das Porträt des Fürsten Bismarck, welches unsere heutige Kunstbeilage den Lesern darbietet, ist die Nachbildung eines der neuesten Gemälde von Franz von Lenbach. Seit die „Gartenlaube“ den „eisernen Kanzler“ zum erstenmal abgebildet hat – es war im Jahre 1870 auf jenem Bild von Camphausen, das die erste Begegnung des Kanzlers mit dem gefangenen Franzosenkaiser auf der Straße von Sedan nach Donchery darstellt – hat das Alter und das Schicksal in Bismarcks Erscheinung gar manche Veränderung hervorgebracht. Aber noch leuchtet unter der buschigen Braue das Auge, in dessen Ausdruck sich so energisch der tiefblickende und weitschauende Geist ausprägt, der an der Gründung des Deutschen Reichs und seiner Ausgestaltung zu Macht und Ansehen einen so gewaltigen und maßgebenden Anteil gehabt hat. Von allen Malern, welche die Erscheinung des Fürsten Bismarck unmittelbar nach dem Leben in Bildnissen festgehalten haben, ist Lenbach derjenige, der den Charakter des willensgewaltigen Staatsmanns am lebenswahrsten zur Darstellung gebracht hat. Es ist ihm auch wie keinem anderen vergönnt gewesen, das Wesen des Fürsten im persönlichen Umgang eingehend zu studieren, was der Lebenswahrheit seiner vielen Bismarckporträts natürlich zum Vorteil gereichen mußte. Vor allem aber ist es doch die Lenbach innewohnende geniale Begabung für die Darstellung bedeutender Charakterköpfe, sein künstlerischer Trieb, historische Persönlichkeiten in ihrem innersten Wesen und ihrer bleibenden Bedeutung zu erfassen und im Bilde wiederzugeben, welche ihn wieder und wieder antreibt, in der Darstellung des von ihm mit Begeisterung Verehrten seinem Talente das Höchste abzuringen, und die seinen Bismarckporträts wiederum einen Wert von historischer Bedeutung verliehen hat.

Für die hilfsbedürftigen Weber im Glatzer- und Eulengebirge, deren Schicksal wir in Nr. 42 des vorigen Jahrg. aufs neue zur Sprache gebracht haben, hat sich im Kreise Waldenburg in Schlesien und mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse dieses Kreises erfreulicherweise ein Frauenverein gebildet, der, wie uns mitgeteilt wird, in verhältnismäßig kurzer Zeit recht günstige Resultate aufweisen kann. Dieser unter der Bezeichnung „Arbeitsvermittelung für hilfsbedürftige Weber zu Michelsdorf, Kreis Waldenburg in Schlesien“ bestehende Damenverein verfolgt sein Ziel nach verschiedenen Richtungen. Wir entnehmen einem uns aus der Mitte dieses Vereines zugegangenen Schreiben das Nähere. Zunächst suchen sie bessere Erwerbsverhältnisse für diejenigen Weber zu schaffen, welche infolge ihrer geschwächten Körperkonstitution schlechterdings irgend etwas anderes als das von Kindheit an Geübte zu thun nicht mehr imstande sind. Das geschieht dadurch, daß die Rohmaterialien im ganzen eingekauft und die armen Handweber und Spuler nicht allein mit regelmäßiger Arbeit versehen werden, sondern auch für die Ausführung der Arbeiten noch um 20 bis 40 % erhöhte Arbeitslöhne erhalten. So gelangen sie zu einem sicheren und besseren Verdienst, so daß sie sich auch besser ernähren können, was langsame Hebung der Kräfte des Einzelnen zur Folge hat. Dies haben die Damen in einigen Bezirken erreicht und dieses Liebeswerk verdient thatkräftige Unterstützung. Um nun die fertig abgelieferten Waren sofort verkaufen zu können, ist in Michelsdorf eine Verkaufsstelle – Hauptniederlage – errichtet, wo die gewebten Stoffe verkauft werden, und dadurch ist dem Publikum Gelegenheit gegeben worden, beste, haltbarste Stoffe jeder Art zu billigem Preise zu erwerben. Auch das Warenhaus des Offiziervereins in Berlin, Dorotheenstraße, hat den Verkauf dieser Webereien übernommen, ohne Gebühren dafür zu berechnen, so daß die Stoffe durch den Vertrieb und Zwischenhandel nicht verteuert werden. Hierdurch – also durch den Wegfall des Zwischenhandels – ist es möglich, der Weberhilfskasse von jeder Bestellung noch einige Prozent Gewinnanteil zuzuführen. Auf diesem Wege hat der Damenverein in den letzten beiden Jahren eine besondere Einnahme von rund 5000 Mark erzielt, welche zur Gewährung von fortlaufenden oder einmaligen Unterstützungen verwandt worden ist. Die letzten Rechenschaftsberichte des Vereins ergeben das Nähere, dieselben sind von der „Arbeitsvermittelung“ in Michelsdorf zu erhalten. Wenn aus weiteren Kreisen des Publikums durch umfangreiche Einkäufe ihres Bedarfs, die dem eigenen Vorteil entsprechen würden, das hochherzige Streben der Damen unterstützt würde, könnten diese ihr wirklich praktisches Liebeswerk noch mehr erweitern.

Der Spielkamerad.
Nach einem Gemälde von Th. Kleehaas.

Ein zweites Ziel des Vereins ist, die neue Generation einer lohnenderen Berufsart zuzuführen. Sind die erwachsenen Weber in trostloser Lage, gegen die sie durch lange Gewöhnung freilich abgestumpft wurden, so ist das Elend der armen Kinder geradezu herzbrechend: schon vom fünften Jahre an, oft sogar noch früher, müssen sie vom frühen Morgen bis zum Abend spulen; Kinderlust und Freude sind ihnen unbekannte Begriffe, denn sie sind unablässig an die geisttötende Arbeit gefesselt, wobei sie durch das Staubschlucken in dumpfiger Stube, den sauren Kleistergeruch verkümmern. Da ist Hilfe nun schwer. Einmal können viele Eltern die paar Pfennige wirklich nicht entbehren, welche auch die noch nicht schulpflichtigen Kinder wöchentlich durch Spulen verdienen müssen, dann aber ist auch der Unverstand der Eltern, ihre stumpfe Gleichgültigkeit, durch lange physische Not und Entbehrung erzeugt, so groß, daß sie nicht einsehen wollen, was zum Wohl ihrer Kinder dient.

Manche freilich würden diesen auch gern eine bessere Zukunft sichern, wenn sie irgend dazu imstande wären. Dies wird vom Verein teilweise dadurch erreicht, daß Prämien bezw. Beihilfen teils in bar, teils in Naturalien an solche Weberkinder bewilligt werden, welche sich einem anderen Berufe als der Weberei zuwenden. Auf diese Weise ist schon eine ganze Anzahl Kinder, Knaben wie Mädchen, dem Weberelend entrissen und anderen Berufen zugeführt worden. Erfreulich ist es, zu sehen, wie sich diese Kinder unter anderen gesunden Lebensbedingungen überraschend schnell erholen; aus den bleichen, hohläugigen Jammergestalten werden frische, fröhliche Kinder, die fleißig und willig ihre kleinen Hände rühren und die auf sie verwendete Mühe reichlich lohnen. Leider ist es bisher nicht möglich gewesen, diese Wohlthat allen Kindern zu gewähren, für die sie Rettung aus lebenslänglichem Elend bedeutet. Hier die helfende Hand zu reichen, wird gewiß mancher Menschenfreund bereit sein, nun er davon erfahren.

Parsifal zeigt den Gral. (Zu dem Bilde S. 185.) Die großartige Dichtung Wolframs von Eschenbach, in welcher die idealen Elemente der ritterlichen Romantik und Mystik des Mittelalters sich zu der erhabensten poetischen Wirkung vereinigt haben, ist von Richard Wagner der Bühne erobert worden, freilich zunächst nur der Bayreuther Festbühne; denn man traute den Alltagsbühnen des Deutschen Reichs nicht zu, daß sie eine Stimmung hervorrufen könnten, welche der Hoheit und Feierlichkeit dieses Feststückes gerecht wurde. Nachdem verschiedene Konzertinstitute es neuerdings unternommen haben, einzelne Partien, namentlich die feierlichen Liebesmahls- und Gralscenen, ohne Bühnenapparat zum Vortrag zu bringen, ist das Interesse für das große „Bühnenweihfestspiel“ des Bayreuther Meisters noch im Wachsen begriffen. Die Dichtung Wolframs von Eschenbach ist von Richard Wagner, vielfach umgeschaffen, zur Grundlage seines Musikdramas gewählt worden. Parcival – Wagner schreibt „Parsifal“ – ist der Sohn Gahmurets und der Herzeloide; mit jenem Namen, der so viel bedeutet wie „reiner Thor“, begrüßte sein Vater den noch Ungeborenen – dieser starb vor der Geburt des Sohnes. Die Mutter aber, die durch des Gatten wilde Kriegsabenteuer und seinen Tod viel Leid erfahren, erzog den Sohn in der Einsamkeit, fern vom Lärm der Menschen und dem Geräusch der Waffen, damit er vor allen Gefahren behütet sei. Doch einmal verschwand der Knabe und seine Spur war verloren. Da brach das Leid der Mutter das Herz. Der Knabe aber war glänzenden Männern nachgeeilt; mit dem Bogen bewaffnet, hatte er sich zur Wehr gesetzt und des Lebens Unterhalt erworben. Im ersten Akt des Musikdramas, als er die Bühne betritt, hat er mit seinem Bogen einen Schwan erlegt, was im Reiche des heiligen Gral für eine Frevelthat gilt. Mit Reue hört er die Mahnungen des weisen Gurnemanz an und dieser geleitet ihn zum heiligen Gral, der ihn speisen und tränken wird, wenn er weise ist. Der Hüter des Grals, [200] König Amfortas, ist schwer erkrankt infolge einer Speerwunde, welche nur derselbe Speer wieder zu heilen vermag, der Speer, der auch dem Erlöser die Wunde stach. Durch die Krankheit des Amfortas ist die Zucht der Templeisen gelockert und die Gebote des heiligen Grals werden oft übertreten. Doch Parsifal bringt dem Könige und dem Gral das Heil zurück. Er dringt in die Burg des Magiers Klingsor, wo die Teufelin Kundry mit den Genossinnen haust, um durch bösen Zauber der Ritter Sinn und Thatkraft zu lähmen. Als Parsifal eingedrungen, spielen die Mädchen mit ihm, Kundry erfüllt sein Herz mit glühendem Sehnen, ihr Kuß durchschauert ihn; aber er reißt sich los aus ihren Armen. Da ruft sie um Hilfe; Klingsor schleudert den gesuchten Speer nach ihm, welcher aber über Parsisals Haupt schweben bleibt. Dieser faßt ihn mit der Hand und schwingt ihn mit einer Gebärde höchsten Entzückens, die Gestalt des Kreuzes bezeichnend. Da stürzt die trügerische Pracht des Zauberschlosses wie durch ein Erdbeben in Trümmer, der Garten verwandelt sich in eine Einöde.

Das ist der Schluß des zweiten Aktes; im dritten wandelt Parsifal dem heiligen Grale zu. Er begegnet Kundry, die sich in eine büßende Magdalene verwandelt hat und dem ohnmächtig Umsinkenden zu Hilfe eilt und ihm die Füße salbt. Nun gipfelt sich das Stück zur großen Schlußscene, welche uns der Maler Pixis stimmungsvoll darstellt. Wir befinden uns im Allerheiligsten der Gralsburg, in der Halle des Tempels, der aus lauter Gold, Aloeholz und einem Gestein errichtet ist, welches im Sommer Kühlung, im Winter Wärme verbreitet. Hier ist der heilige Gral aufbewahrt, jenes Gefäß seltener Weihe, welches der Sage nach aus einem einzigen Smaragd geschliffen und mit Wunderkräften ausgestattet war: es war die Schüssel, aus welcher Jesus mit seinen Jüngern beim letzten Abendmahle aß und in welcher nachher Joseph von Arimathia das Blut des gekreuzigten Heilands auffing. Auf unserm Bilde sehen wir, wie Parsifal, nachdem er den schwerkranken Amfortas mit demselben Speere geheilt, der ihm die Wunde geschlagen, als neuer Gralskönig das heilige, aus dem verhüllten Schrein genommene Gefäß in Verzückung hoch emporhält, während ein Glorienschein von oben es umfließt und mitten in der Strahlenglorie die Taube, die Frieden und Segen verkündet, über dem Haupte des „reinen“ Königs schwebt. Zusammengesunken ruht Kundry auf den Stufen zu seinen Füßen; vorn steht der Sarg des eben verstorbenen früheren Gralskönigs Titurel; aber mit heiliger Begeisterung jauchzen die Templeisen dem Retter zu, der des Grals fast schon verlorene Herrlichkeit wiederherstellt. †     

Schulpause. (Zu dem Bilde S. 189.) Jugend muß austoben! Auch der wackere Dorfschulmeister auf unsrem Bilde weiß das. Wohl hält er streng darauf, die Würde seines Amtes zu wahren und den wilden Trieben seiner Buben zu wehren, aber sein Herz ist auch jung geblieben im Verkehr mit dem jungen Volke, er weiß, wie dicht bei ihnen Frechheit und Bravheit nebeneinander wohnen, und die Erfahrung hat ihm gelehrt, wie sehr blinder Eifer schaden kann, wenn er den Uebermut und die Spottlust der kleinen Rangen herausfordert. Jedoch alles hat seine Grenzen – nicht nur seine Langmut, sondern auch der Mißbrauch, den die wilde Schar in der Schulpause mit ihr treibt. Heute muß wieder einmal ein Exempel statuiert werden! Der Fall ist unerhört. Hat sich da einer der frechen Bengel auf sein Katheder geschwungen und untersteht sich, von hier aus mit näselnder Stimme ihn nachzuäffen. Und dabei gebraucht der Frechling dieselben Worte, die er selbst anwendet, wenn er nach lärmender Schulpause wieder Ordnung und Ruhe im Zimmer herstellt. In dem Munde des Buben werden die alt erprobten Worte der Autorität zum Gegenstand des Hohns für die ganze übrige Rotte; das lacht, das höhnt – und dieser Spott und Hohn rüttelt an den Grundpfeilern der Autorität des braven Mannes, der draußen vor der Thür steht und lauschend alles mit anhört. Ein kritischer Fall! Wenn er jetzt hineinginge und mit denselben Wendungen, die eben verspottet werden, die Strenge der Schulzucht zur Geltung brächte – der Eindruck könnte auf den entfesselten Uebermut der Buben nur komisch wirken. Er selbst muß lächeln bei dem Gedanken. Und da ist er auch schon auf dem rechten Wege aus seiner Verlegenheit. Jugend muß austoben – ja, und wie sie sich austobt, das darf man nicht tragisch nehmen. Aber anderseits – keine Schulzucht ohne Respekt vor dem Lehrer! Er muß die Keckheit des Burschen, der ihn da nachäfft, vor dessen Kameraden lächerlich machen, mit überlegenem Humor die allgemeine Aufmerksamkeit derselben an sich ziehen – dann wird auch der Gesamtheit die Strenge imponieren, mit der er nun der Schulzucht zu ihrem Rechte verhilft.


manicula 0 Hierzu Kunstbeilage III: „Fürst Bismarck“ von Franz von Lenbach.


Inhalt: Dem Fürsten Bismarck zum ersten April. Gedicht von Rudolf von Gottschall. Mit Bild. S. 181. – Echt. Erzählung von R. Artaria (4. Fortsetzung). S. 182. – Parsisal zeigt den Gral. Bild. S. 185. – Die Alkoholvergiftung bei Kindern. Ein Mahnwort an die Eltern. Von C. Falkenhorst. S. 186. – Der Fähnrich als Erzieher. Eine Backfisch-Studie von Hans Arnold (Fortsetzung). S. 188. – Schulpause. Bild. S. 189. – An den Ufern der Salzach. Von Hugo Arnold. S. 192. Mit Abbildungen S. 192, 193, 195, 196 und 197. – Vor der Berufswahl. Warnungen und Ratschläge für unsere Großen. Die deutsche Lehrerin im Ausland. Von Helene Adelmann. S. 197. – Blätter und Blüten: Das Porträt des Fürsten Bismarck. S. 199. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Für die hilfsbedürftigen Weber im Glatzer- und Eulengebirge. S. 199. – Parsifal zeigt den Gral. S. 199. (Zu dem Bilde S. 185.) – Der Spielkamerad. Bild. S. 199. – Schulpause. S. 200. (Zu dem Bilde S. 189.)



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Jeder dieser Jahrgänge enthält neben einer Fülle unterhaltender und belehrender Aufsätze, prachtvoller Illustrationen, eine Reihe spannender Romane und Novellen der hervorragendsten Schriftsteller, und zwar:

Jahrgang 1868.

Die Brüder. Von Adolf Wilbrandt.
Das Erkennungszeichen. Von A. Godin.
Lorenz und Lore. Von Paul Heyse.
Süden und Norden. Von Herman Schmid.

Jahrgang 1869.

Reichsgräfin Gisela. Von E. Marlitt.
Das Mädchen von Liebenstein. Von F. Bodenstedt.
Verlassen und Verloren. Von Levin Schücking.
Zu wirthschaftlich. Von Friedrich Gerstäcker.

Jahrgang 1873.

Das Bild ohne Gnade. Von A. Godin.
Glück auf! Von E. Werner.
Der Loder. Von Herman Schmid.
Schuster Lange. Von Ernst Wichert.

Jahrgang 1875.

Der Doppelgänger. Von Levin Schücking.
Das Geständniß einer Frau. Von A. Godin.
Hund und Katz’. Von Herman Schmid.
Die Kaiserin von Spinetta. Von Paul Heyse.

Jahrgang 1876.

Im Hause des Commerzienrathes. Von E. Marlitt.
Vineta. Von E. Werner.
Candidat Grüneisen. Von Ernst Ziel.
Ein Grab. Von A. Godin.

Jahrgang 1877.

Aus gährender Zeit. Von Victor Blüthgen.
Himmelmoos. von Herman Schmid.
Eine schwarze Kugel. Von A. Godin.
Die zehnte Sprache. Von Rudolf Gottschall.

Jahrgang 1878.

Lumpenmüllers Lieschen. Von W. Heimburg.
Um hohen Preis. Von E. Werner.
Gebunden. Von Ernst Wichert.
Daniel Siebenstern. Von Heinrich Seidel.

Jahrgang 1879.

Im Schillingshof. Von E. Marlitt.
Der wahre Glaube. Von Ernst Eckstein.
Das Haus in der Schlucht. Von B. Möllhausen.
Unter’m Schlosse. Von W. Heimburg.

Jahrgang 1880.

Ledige Kinder. Von Herman Schmid.
Frühlingsboten. Von E. Werner.
Unverstanden. Von W. Heimburg.
Martha und Maria. Von H. Lorm.

Jahrgang 1881.

Amtmanns Magd. von E. Marlitt.
Bruderpflicht. Von Levin Schücking.
Ein Friedensstörer. Von Victor Blüthgen.
Mutter und Sohn. Von A. Godin.

Jahrgang 1882.

Im Banne der Musen. Von W. Heimburg.
Der heimliche Gast. Von Robert Byr.
Der junge Geldmacher. Von P. K. Rosegger.
Der Krieg um die Haube. Von St. Keyser.


      manicula 0Bestellungen bitten wir an die Buchhandlung zu richten, welche die „Gartenlaube“ liefert. Postabonnenten erhalten die im Preise herabgesetzten Gartenlaube-Jahrgänge von der nächsten Buchhandlung oder auf Verlangen direkt von der Verlagshandlung:

Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 

Nicht zu übersehen! 0 Mit der nächsten Nummer schließt das erste Quartal dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

manicula 0 In der ersten Nummer des neuen Quartals beginnt der Abdruck des neuen Romans von W. Heimburg: „Haus Beetzen“.

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Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 


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