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Die Gartenlaube (1893)/Heft 49

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1893
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[821]

Nr. 49.   1893.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Sabinens Freier.

Von W. Heimburg.
 (2. Fortsetzung.)

Endlich kam Tante Klara zum Erzählen. Mein Gott – thatsächlich war für die beiden Mädchen nichts gerettet, aber auch gar nichts. Alles in Spekulationen verloren – „und als Bayer dem Nichts gegenüberstand, da starb er – verstehst Du mich, Viktor? In der Kreuzzeitung war etwas von Herzschlag zu lesen – also Herzschlag. Na ja! Was man hier so munkelt, weiß ich nicht; der Wahrheit wird’s wohl nahe genug kommen. Die Kinder aber, die wissen nichts; nur das wissen sie freilich, daß ihr Vater sie als Bettlerinnen zurückgelassen hat. Nun hast Du mir ja eine Zuflucht angeboten, wir werden ein Dach über dem Kopfe haben, vor dem äußersten Hunger schützt meine Pension – aber dann, Viktor, wie dann weiter? Was soll nur werden aus den armen Geschöpfen? Die eine ganz verdreht erzogen, ein halber Junge, die Bine wie eine Mimose, und beide wie die Prinzessinnen, denn wir haben ja alle gedacht, sie würden dereinst reiche Erbinnen sein – Viktor, sage selbst, kann man Schwereres erleben auf seine alten Tage?“

Ich sah in das alte furchtbar vergrämte Gesicht der einst so stattlichen lebensfrohen Frau. Hier standen sie deutlich eingeschrieben, die letzten achtzehn Jahren mit den Sorgen, dem Kummer. die sie über dieses Haus gebracht hatten. Arme Tante! Das „Aufzäumen“ hat Dir nichts geholfen, die schwarze Perücke macht Dich nur älter, die weiße Puderschicht nur greisenhafter.

„Du siehst mich so starr an, Viktor, sagte sie. „Ach, nicht wahr, Sorgen machen alt? Wenn Du wüßtest. Aber Du, mein Junge, Du siehst gut aus, Du bist ja auch noch jung – wie alt bist Du denn?“

„Zweiundvierzig, Tante.“

„Ja, ja. ein junger Mann, ein Mann in den besten Jahren. Warum nur hast Du nicht geheirathet?“ Und ohne eine Antwort abzuwarten, sah sie plötzlich starr vor sich hin, als versenkte sie sich mit ganzer Seele in irgend einen Plan. „Viktor, Du sahst doch die Mädel schon?“ sagte sie endlich nach langer Pause.

„Ja, Tante!“

„Und findest Du nicht, daß Bine meiner armen Leni recht ähnlich ist?“

„Sehr ähnlich, Tante; ich war ganz überrascht.“


Sorrent.
Nach dem Prachtwerke „La bella Napoli“ von C. W. Allers.
Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.

[822] „Nicht wahr?“ flüsterte sie, und abermals zeigte ihr Gesicht den nachdenklichen Zug, wie wenn jemand sich müht, eine schwierige Rechenaufgabe im Kopfe zu lösen. Sie saß mäuschenstill da, in einen alten indischen Shawl gewickelt, den sie schon vor zwanzig Jahren getragen hatte, Ich erkannte ihn wieder; Leni und ich hatten uns einst überzeugt, daß sie dieses Kleidungsstück in verzweifelten Stimmungen umzunehmen pflegte.

Sie mochte meine beobachtenden Blicke bemerkt haben, die über sie hinglitten. „Ja,“ sagte sie, „wenn man achtzehn solche Jahre hinter sich hat, Viktor“ – und nun begann sie eigentlich erst ihr Herz ganz auszuschütten. „Er trank, Viktor; er spielte, er war roh, er war – ach, welche schlechte Eigenschaft besaß er nicht! Und wie hat Leni gelitten!“

Ich stand auf, bis ins Herz getroffen bei dieser Wendung. „Tante, ich bitte Dich, erzähle mir nichts davon – es ist geschehen, es ist nicht mehr zu ändern.“

„Nicht mehr zu ändern,“ wiederholte sie scharf „aber es wäre zu ändern gewesen, wenn – –“ Ihre Augen sahen vorwurfsvoll und zugleich kreuzunglücklich auf mich.

„Wenn Du ihr nicht zugeredet hättest, Bayer zu nehmen,“ wollte ich ergänzen, verschluckte es aber. Sie schien diese Thatsache vollständig vergessen zu haben.

„Na, Du hast rechst, es ist vorüber,“ sprach sie weiter, „auch Sabine kann er nicht mehr quälen. Ach, wie hat es das Kind schlecht gehabt von dem Augenblick an, wo Leni ihre Augen schloß! Schon als kleines Würmchen war sie ihm überall zuviel, und nun gar zuletzt, als die Geldnoth ihm zu schaffen machte, als er den ganzen Tag mit weingeröthetem Kopfe umherlief! Das arme Ding, soviel Athemzüge, soviel Thränen! Und die andere, die sein Abgott war, die half noch, das Maß unseres Elends voll zu machen, denn aus der Angst um den Wildfang kam man nicht heraus, und je toller sie es trieb, um so mehr lobte sie der Vater. Ich denke noch immer daran, wie wir sie entdeckten oben im Glockenthurm der Marienkirche in den Schallfenstern stehend, um ein Dohlennest auszunehmen. Wochenlang habe ich nachts davon geträumt, daß sie herunter gestürzt sei, und bin mit einem Schrei emporgefahren. Ach Gott, Viktor, und schließlich, als er tot war – wie da die Gläubiger gekommen sind, was wir da hören mußten, die Kinder und ich! Wie sie den Vater entschuldigen wollten, die armen Dinger, wenn ihn die Leute einen Betrüger nannten! Ich kann ja sagen, die alten Bekannten, die uns in der letzten Zeit fast ganz verlassen hatten, die sind zurückgekehrt, mich und die Kinder zu trösten; aber was nützte der Trost, damit war uns nicht geholfen. Alles wurde versiegelt, alles verkauft. Diese paar alten Möbel, die meinigen, mit denen ich, als ich nach Lenis Tode hierher zog, meine Zimmer einrichtete, sind das Einzige, was wir mitnehmen in das Brenkenhaus, und wenn Du nicht wärst, Viktor –“

Sie brach abermals in Thränen aus, die sie mit dem stark nach Patchouli duftenden Taschentuch zu trocknen bemüht war. Und dabei sah ich ihre alten mageren zitternden Hände und sah, daß ihr Stolz fehlte, ihr Brillantring, von dem sie sich selbst in ihren dürftigsten Witwentagen nicht getrennt hatte.

„Lieber Viktor,“ setzte sie endlich hinzu, „Gott hat mir im Leben viel Schweres geschickt, aber dies ist doch das Schlimmste, und wenn ich denke, es hätte alles so ganz anders sein können – Und glaube mir, Leni wäre nicht so rasch gestorben, in glücklichen Verhältnissen lebte sie heute noch!“ Und sie nickte mir zu mit denselben vorwurfsvollen Augen wie vorhin.

„Ja, ja!“ stieß ich hervor. „Aber wann willst Du denn einziehen, Tante? Ich bleibe natürlich solange hier, bis Du eingerichtet bist.“

„Heute noch, Viktor; es wird ja bald geschehen sein, Sabine arbeitet drüben schon seit aller Morgenfrühe. Du glaubst nicht, was für ein gutes Geschöpf dieses Mädchen ist, ganz wie ihre Mutter, Viktor, ganz so. Nicht wahr, wenn man sie sieht, vergißt man die Jahre, man denkt, es ist wieder wie damals, als Leni noch ein Mädchen war und in der getäfelten Stube im Brenkenhause uns den Thee einschenkte? Wie freute sich das Kind immer auf Dein Kommen, Viktor; ihr jubelndes ‚Guten Tag, Vetter!‘ wenn Du in die Stube tratest, das hör’ ich immer noch. Und Du kamst oft, Viktor!“

„Wozu denn das alles?“ dachte ich, peinlich berührt.

„Ich wünsche nur eines,“ fuhr sie unbarmherzig mit ihrer eintönigen blechernen Stimme fort, „daß sie sich gut verheirathen möchte, die Bine.“

„Nun?“ fragte ich und griff nach dem Wochenblättchen, das auf der Sofalehne lag. Dabei war mir auf einmal ganz wunderlich zu Muth und es wurde mir schwer, die Worte gleichgültig zu sprechen – „nun, hat sie etwa schon einen Freier? Bei ihrer Schönheit wär’s kein Wunder.“

„Einen Freier?“ fragte Tante Klara zurück, „Hm!“ Ihre Augen senkten sich und sie zupfte am Taschentuch, dann blitzte es hinter den gehobenen Lidern auf. „Ja freilich,“ sagte sie rasch, „sie hat einen Freier, Viktor, warum soll ich es Dir nicht erzählen? Den Radowitz auf Oetzen!“

„Ist denn da ein Sohn? Wohl ein Verwandter von Rudolf Radowitz?“ Und wie die Frage selbst beantwortend, setzte ich hinzu: „Aber der Rudolf Radowitz ist ja gar nicht verheirathet gewesen, lebt wohl auch nicht mehr?“

„Doch, mein Junge! Der Rudolf Radowitz ist’s selbst.“

Na, Gott sei Dank, Tante, Deinen Humor hast Du noch!“ bemerkte ich.

„Wahrhaftig, Viktor, es ist mein Ernst!“ betheuerte sie.

„Aber Tante, der alte Saufaus – er muß ja an die Sechzig sein – und ein achtzehnjähriges Mädchen!“

„Ja, es ist aber so!“ erwiderte sie mit einem tiefen Seufzer.

„Ich bitte Dich um alles in der Welt,“ fuhr ich auf „das ist ja – das ist –“

„Mein goldener Junge,“ sagte Tante Klara wehmüthig, „sie ist ein armes, ein ganz armes Mädchen, und arme Mädchen dürfen nicht – hm“ – sie hustete heftig – „dürfen nicht – ach, der schreckliche Husten!“

„Was dürfen sie denn nicht?“ fragte ich ungeduldig.

„Nicht wählerisch sein!“ hauchte sie.

„Und Du glaubst, daß das Mädchen fähig wäre, einen – einen solchen – es ist einfach unmöglich, Tante Klara!“

„Ich habe kein Wort mit ihr darüber gesprochen, Viktor, ich mische mich nie in solche Sachen, das muß man nicht. Die Jugend will ihre Erfahrungen selbst machen; je mehr man redet, desto eigensinniger ist so ein achtzehnjähriger Kopf. Wie oft habe ich damals, als der Bayer sich als Freier zeigte, zu der Leni gesagt: ,Leni, entscheide Dich nicht so rasch, warte noch, vielleicht ist er der Rechte doch nicht, aber – na, sie hatte tausend Gründe dagegen, und –“

„Lüg’ du und der Deibel!“ dachte ich, und der Zorn stieg mir in den Kopf.

„Ach Gott, und Bine ist gerade so wie ihre Mutter,“ fuhr sie fort, „redet sich vielleicht gar ein, sie thut uns allen eine Güte, wenn sie den reichen Radowitz nimmt, und – lieber Himmel, es wär’ ja auch so, wir sind eben auf so etwas angewiesen, Viktor! Es ist hart, ist prosaisch – ach ja, aber das Leben, das unbarmherzige Leben!“ Sie nickte mit ihrem wunderlichen Greisengesicht unter der jugendlichen Spitzenhaube noch einmal zu mir herüber: „Ja, ja, das Leben, Viktor!“

„Ich muß mich nun empfehlen, Tante,“ sagte ich, mich mühsam beherrschend, „will den Herren vom Regiment ’mal ‚Guten Tag!‘ sagen, muß mich auch entschuldigen, daß ich so in Civil dahergekommen bin und ohne Meldeanzug. Auf Wiedersehen heute nachmittag im Brenkenhause!“

„Viktor,“ flötete sie, „es thut mir so leid, Dich nicht auf einen Löffel Suppe hier behalten zu können, aber so mitten im Umzug –“

„Bitte, bitte, Tante, mir – ist aller Appetit vergangen,“ wollte ich sagen, hätte es auch dreist behaupten können. Ich nahm einen Anlauf, ihr die Hand zu küssen, aus alter Gewohnheit, aber auf halbem Wege ließ ich sie wieder sinken. „Leb’ wohl!“ murmelte ich, und draußen gab ich ihr, leise vor mich hinscheltend, ein paar sehr despektierliche Namen. Na, sie hatte ja schon die Tochter auf dem Gewissen, warum denn nicht auch noch die Enkelin! Hol’ der Teufel alle alten Weiber, die aufs Ehestiften aus sind! Uebrigens, da war ja der Augenblick gekommen, wo Lenis Kind meiner Hilfe bedurfte! Arme kleine süße Bine! Was mache ich nur mit Dir, wie helfe ich Dir?

In meinen Gedanken war ich rasch vorwärts geschritten, immer vorwärts, zum Thore hinaus. Da, an dem stillen langsamen Flüßchen, das beschaulich durch die Wiesen schlich, zog [823] sich dicht an der Stadtmauer ein Feldweg hin; den schlug ich ein. Ich war ihn früher tausendmal gegangen, denn der Garten des Brenkenhauses ward von dieser alten Mauer begrenzt, und ein Pförtchen führte heraus über den Weg zum Fluß hinab, wo man das Wasser zum Begießen der Gemüsebeete und Blumen schöpfte und wo der alte morsche Kahn lag, den wir, Leni und ich, so oft zum Spazierenfahren benutzt hatten oder als Brücke, um auf die Wiesen zu gelangen, denn der Kahn war gerade so lang wie das Flüßchen breit, und wenn wir ihn quer drehten, gab er die schönste Brücke.

Ich betrachtete die hohe Mauer, in deren Fugen Gras und Hauslaub wuchsen, und dachte dabei an ganz anderes. Dieser unglaubliche Plan mit dem Radowitz! Ich starrte auf die alte Thür, neben der ein Ebereschenbaum stand mit purpurrothen Fruchtbüscheln – ob etwa Bayer den Radowitz angepumpt hatte? Ueber den Wiesen braute der Nebel, durchsichtig weiß und silberschimmernd in den blassen Strahlen der Herbstsonne, so zart und duftig wie ein Brautschleier.

Donnerwetter, der Radowitz! War es denn nur möglich? Dieser – na, jetzt mußte er ja ein Mummelgreis sein, war aber damals schon kein Jüngling mehr, so ungefähr in dem Alter, in dem ich mich jetzt befand, und damals schon hatte er eine rothe Nase, die der Güte seines Burgunders ein so beredtes Zeugniß ausstellte, freilich auch seinem Durste. Und damals schon war es eine bekannte Thatsache, daß der alte Kutscher, wenn er seinen Herrn in die Stadt gefahren hatte, jedesmal fragte: „Herr Baron, wer ist heute dran? Ich glaube, Sie waren es das vorige Mal, Herr Baron!“ Und wenn der Mann recht hatte, so trank Herr von Radowitz nur zwei Flaschen Sekt oder Burgunder, um nüchtern zu bleiben und auf dem Heimweg die Pferde lenken zu können, weil der Kutscher diesmal das Recht hatte, einen über den Durst zu trinken. Das nächste Mal durfte dafür der Herr sich bezechen und Christoph blieb nüchtern. Sie hatten diesen schönen Pakt einst miteinander geschlossen, als sie, beide angeheitert, um ein Haar verunglückt wären samt den neuen ungarischen Juckern, die den Weg von Wardelingen nach Oetzen noch nicht kannten und sich die schwankende Leitung vom Bock aus nicht anders zu erklären wußten denn als eine Aufforderung, ein bißchen durchzugehen. Und der wollte Bine heirathen!

Ja, im übrigen ein Ehrenmann, der Rudolf Radowitz, aber wie kam er auf den hirnverbrannten Gedanken, heirathen zu wollen, und gar dieses Kind?

Ich war vor dem altbekannten Pförtchen stehen geblieben, zog, in tiefe Gedanken versunken, die beiden Brenkenhausschlüssel heraus, die ich vorsorglich und trotz aller Eile vor der Abreise eingesteckt hatte, und schloß auf. Dann blieb ich noch einmal stehen und schaute mir die hohe Mauer an. Könnte auch nicht schaden, wenn die mal ein wenig mit Cement verputzt würde; natürlich, ich war zu lange nicht hier gewesen, und andere Menschen kümmerte es nicht, ob – – Dann blieb mein Auge an dem braun und purpurroth schimmernden Gerank der alten Laube hängen, die über diese Mauer hinwegschaute und auf einem künstlich geschaffenen Hügel im Garten errichtet war, nur einen Blick ins Land zu verstatten. Und da stand wie in einem Rahmen von Purpursammet die Leni, oder vielmehr ihr schönes Töchterlein, und schaute, die Hand an die Stirn gelegt, mit träumerischen Augen in die Ferne. Reizend sah sie aus in dem schwarzen Trauerkleid und der rothen Umgebung. Sie mußte eben erst hergekommen sein und mich noch gar nicht erblickt haben.

„Morgen!“ rief ich. „Interessante Aussicht, Bine – was?“

Sie erschrak und erglühte; als sie mich erkannte, nickte sie freundlich und verschwand. In den Garten tretend, sah ich sie die morschen Holzstufen des Hügels heruntereilen. Sie hatte Füßchen wie – wie die Leni sie gehabt, so schmal, so zierlich.

„Lieber Onkel“ rief sie, „ich hatte Dich gar nicht gesehen!“

„Glaub’ ich schon, Binchen; Du gucktest ja so angelegentlich in den Nebel hinaus, als könntest Du ihn durch und durch schauen; der Schloßthurm von Oetzen war aber wohl doch nicht zu erkennen?“

Sie sah mich groß an mit einem eigenthümlich forschenden Blick, als wollte sie fragen: wer hat Dir denn das schon verrathen? Aber sie antwortete nicht. Sie trug über ihrem Trauerkleidchen eine weiße Schürze – denn sie habe Gardinen aufgesteckt – und oben an der Krepprüsche einen kleinen Ebereschenzweig mit einigen der dunkelrothen Beeren, die sonderbar aus dem düstern Schwarz hervorleuchteten.

Schweigend schritt sie neben mir durch den Mittelweg des Gartens, und ich wußte auch nichts zu sagen. Es ging mir am hellen Tage wie gestern abend beim Mondschein: die ganze Vergangenheit wurde mir lebendig an der Seite meines schönen Pathenkindes.

Mit Gewalt riß ich die Augen von ihr los und bemühte mich, meine Aufmerksamkeit dem Garten zu schenken.

„Ja, sieh nur ’mal, Onkel,“ begann sie freundlich, „wie vernachlässigt hier alles ist! Die Wege grün von Unkraut, die Buchseinfassung nicht beschnitten und auf den Rabatten die unglücklichen verkommenen Stachel- und Johannisbeersträucher! Thut Dir so etwas nicht auch weh? Ich kann es gar nicht sehen. Schau nur die Obstbäume an – ein Wunder, daß sie noch getragen haben! Ich darf hier doch ein bißchen Ordnung schaffen, nicht wahr? Und das ist mir ein lieber Gedanke, daß ich wenigstens an den Bäumen Dir ein wenig Deine große Güte vergelten kann.“

„Aber, liebes Kind, Du –“

„Sag’ nur nichts, Onkel, es ist so; und denke Dir, ich bin sogar noch obendrein schrecklich unbescheiden. Darf ich Dich um etwas bitten?“

„Natürlich, Leni – bitte nur, bitte!“

„Aber Du mußt ehrlich sagen, wenn Du es nicht gern erlaubst!“ Sie bog das erröthende Gesicht vor und sah mich ernsthaft, treuherzig an, so ganz wie Leni einst.

„Ich erlaube Dir alles, Leni,“ murmelte ich.

„Bine, Onkel, Bine! Aber wenn Du mir das erlaubst, um was ich Dich bitten will, erlaube ich Dir auch etwas, dann darfst Du ,Leni‘ zu mir sagen, und ich will immer darauf hören. Ich könnte ja doch auch eigentlich wie Mama heißen,“ setzte sie nachdenklich hinzu, „warum nur nicht, Onkel?“

Ich schluckte ein paarmal. „Na, so wünsche nur!“ sagte ich dann.

„Also, Onkel, wenn Du mir jetzt antwortest, da sagst Du entweder ‚Ja Leni!‘ oder ‚Nein, Bine!‘ – aber nicht böse sein, lieber Onkel!“ Sie erfaßte meine Hand und über ihre thränenschimmernden Augen senkten sich die dunklen Wimpern.

„Die Buschen hat mir nämlich vorhin die Stube gezeigt, in der Mama als junges Mädchen gewohnt hat, und da wollte ich Dich fragen, ob – die Buschen sagt freilich, das erlaubtest Du nicht – bist Du böse, Onkel? Ach, Du siehst auf einmal ganz blaß aus! Nein, nein, ich will’s auch gar nicht, Onkel, es war auch so unbescheiden, nur daran zu denken, daß ich dort gern gewohnt hätte – ach, Onkel!“

Ich hatte mich hinunter gebeugt und befreite ein paar verkrüppelte Astern von welken Blättern; ich mochte mich etwas hastig zu dieser Arbeit entschlossen haben. Sie stand regungslos hinter mir und ich hörte ihre letzten flehenden Worte nur wie einen Hauch.

„Himmeldonnerwetter, nimm Dich zusammen!“ schimpfte ich innerlich auf mich, und laut sagte ich, so ruhig ich kannte: „Zieh’ hinein Leni, zieh’ nur hinein!“

„Ja? O, ich danke Dir viel, vielmal, Onkel!“

Als ich sie ansah, rannen ihr ein paar Thränen über die Wangen, aber sie lächelte. „Komm’ doch ’mal mit hinauf in die Stube, Onkel Viktor!“ bat sie.

„Später, Leni, später!“ wehrte ich hastig. Um die Welt hätte ich nicht mit ihr zusammen da eintreten können, in das Zimmer, das, so lange ich lebte, nicht wieder hatte bewohnt werden sollen; das ich Tante Klara nach Lenis Hochzeit einfach fortnahm unter dem Vorwand, Bücher dort hineinstellen zu wollen, die mir in meinem Junggesellenheim zuviel Platz versperrten, in Wahrheit aber, weil – weg damit!

„Onkel, ich will das Stübchen halten wie ein Heiligthum,“ fuhr das Mädchen fort. „Ach, Du kannst Dir ja nicht denken, wie lieb ich jede Erinnerung an Mama habe! Siehst Du, ich kann mich noch genau besinnen, wie sie mich geküßt hat, so lieb und weich, und wie es dann so schrecklich wurde, als sie plötzlich nicht mehr da war, und wie ich geschrien habe, als mir Großmama das kleine blauseidene Kissen, das Mama sich immer unter den Kopf schob, wenn sie ruhen wollte, fortnahm – weil es ansteckend sei. Es war mir immer, wenn ich mein Gesicht darauf preßte, als fühlte ich das ihrige neben mir. Ich bin wohl recht [824] thöricht, Onkel? Nein? Das denkst Du nicht? Ich freue mich so sehr, droben zu schlafen! Die Buschen sagt, es sei dasselbe Bett, in dem Mama als junges Mädchen schlief, so ein altmodisches Himmelbett mit gedrehten Säulen, Ist das wahr, Onkel? Und dann stelle ich mir das Nähtischchen hinein und meine Bilder, und die alte Kommode ist auch noch da – ach, ich danke Dir, Onkel!“

Sie drückte mir die Hand und ich bückte mich abermals nach irgend etwas, aus Angst, sie könnte mir die frischen Lippen zum Kuß bieten; ich hätte ihr keinen Onkelkuß geben können. Und, gottlob, dann kam Mutter Buschen und rief, daß da ein paar Ulanen seien, die Möbel brächten, und das Fräulein möge kommen, um zu bestimmen, wohin sie gestellt werden sollten.

Sie lief eilends dem Hause zu. An der Thür wandte sie sich noch einmal um. „Aber Onkel, heute abend mußt Du Thee bei uns trinken, um Sieben, dann ist alles so in Ordnung, als ob wir schon hundert Jahre hier wohnten.“

Sie wartete meine Antwort nicht ab, und ich folgte ihr, um durch das Haus auf die Straße zu gelangen, Im Vorübergehen sagte ich Mutter Buschen, daß das Zimmer, in dem die alten Bücherkisten ständen, von dem gnädigen Fräulein bewohnt werden würde und daß daher die Kisten auf den Boden gebracht werden sollten.

„Herr Du mein Leven!“ rief die Alte, „nee, und ich sag’ noch zu ihr, bilden Sei sich man bloß das nich ein, gnä Fräulein, daß er Sei die Stube giebt! Da könnt’ der Kaiser selber kommen! Hat erst im vorigen Jahre geschrieben, als ich ihm gemeldet hab’, daß der olle Ofen so wackeln thät, in die Stube soll gar nichts gemacht werden – nee! Und nu? Na, mir kann’s recht sind, Herr General – Herr Major, wollt ich sagen.“

Ich machte, daß ich aus dem Hause kam, suchte den mir von früher bekannten Kommandeur auf, fand ihn glücklicherweise nicht zu Hause, und schließlich aß ich wohl oder übel an der Offizierstafel. Es speisten nur vier Herren da, ein unverheiratheter Rittmeister und drei Lieutenants. Ich erfuhr auch, daß alles, was abkömmlich war, bei Radowitz zum Diner sei. Es wurde eine ziemlich langweilige Geschichte. Die Herren genierten sich vor mir, sich aus vollem Herzen über die Vorgesetzten auszusprechen, und ich war verstimmt, schauderhaft verstimmt; ich ärgerte mich über die Fliege an der Wand, über das blöde Gesicht des kleinen Kellners, über einen winzigen Zweig dunkelrother Ebereschen, den der Herr Lieutenant von Felsenberg zwischen den Fingern drehte und bald behutsam, als sei er von Glas, neben seinen Teller legte, bald unter seine Nase brachte, als röchen die rothen Dinger wie Rosen. Dabei sprach er kaum ein Wort, sondern heftete nur, wenn er glaubte, ich sei mit meinem Essen beschäftigt, einen forschenden fragenden Blick auf mich, der ich ihm gegenüber saß. Ich nahm ihn auch ein paarmal aufs Korn. Bildhübsch war er, aber er hatte etwas Zigeunerhaftes in seinem Gesicht – mochten es nun die dunklen Augen sein, der kecke schwarze Schnurrbart, die bräunliche Gesichtsfarbe oder die blitzenden Zähne – beneidenswerthe Zähne!

Ich redete ihn schließlich an, fragte, ob das Regiment beim letzten Rennen betheiligt gewesen und wie die diesjährigen Remonten ausgefallen seien, und erhielt sehr höflichen Bescheid, wobei er mich immer in dritter Person anredete: „Befehlen der Herr Major“ u. s. w.

„Ist wohl Jagd heute auf Oetzen?“ fragte ich dann.

„Nein, nur Diner, großes Diner – wird spät werden, bis die Herren zurückkommen, geht da immer ein bißchen lustig zu.“

„Waren wohl dienstlich verhindert, mitzuthun, Herr Lieutenant?“ forschte ich.

Er sah mich mit seinen dunklen Augen an, in denen ein unendlich verächtlicher Ausdruck aufblitzte, „Ich hatte nicht die Ehre, eingeladen zu sein,“ lautete die ironische Auskunft, und er roch an dem Ebereschenzweig.

Der Rittmeister lachte. „Kennen Sie den Rudolf Radowitz, Herr Major? Der gemüthlichste Kerl unter der Sonne, hat aber eine Abneigung gegen den liebenswürdigsten und schneidigsten Kameraden, der je eine Ulanka trug.“

„Gegenseitigkeit!“ sagte der schöne Zigeuner kurz, aber er konnte nicht hindern, daß ihm eine jähe Röthe ins Gesicht flog. Dann zog er die Uhr, warf einen Blick darauf, ließ Butter und Käse auf seinem Teller unbenutzt liegen, machte ein paar sporenklirrende Verbeugungen und verließ das Zimmer.

„Kennen Sie den Radowitz, Herr Major?“ fragte der Rittmeister nochmals. „Natürlich, Sie müssen ihn ja kennen! Hat einen förmlichen Haß auf Felsenberg, geht so weit, daß er dem armen Jungen die Pferdepreise in die Höhe treibt, obgleich er weiß, daß dessen Zulage kaum für die waschledernen Handschuhe reicht; kauft ihm sogar die Gäule vor der Nase fort, wenn er merkt, daß Felsenberg sich darum bemüht, weil er sie just haben muß, und das alles, weil – na, so geben Sie zum Kuckuck doch her!“ herrschte er die Ordonnanz an, die schon eine Weile mit dem Parolebuch hinter ihm stand. Und dann vergaß er über dem Regimentsbefehl, was er noch sagen wollte, und begann mörderlich zu schimpfen über irgend etwas, das er da gelesen hatte und das nach seinen Ansichten höchst unzweckmäßig war.

Und ich, ich saß da, rührte in meinem Mokka und hatte nicht den Muth, zu fragen, warum der dicke Rudolf Radowitz und der schöne Felsenberg sich haßten und einander das Leben schwer machten. Schließlich saß ich ganz allein da und dachte darüber nach, bis mich die Wirthin aus meinen Träumen aufjagte mit der Frage, ob ich mich ihrer noch erinnere.

Ich hatte allerdings Mühe, in der kleinen dicken Madame das niedliche schnippische Mädchen von ehedem wiederzuerkennen. Aber natürlich that ich doch so, und da niemand mehr im Zimmer war und um diese Zeit auch keiner der Kameraden zu kommen pflegte, so hielt sie sich für verpflichtet, mich zu unterhalten, und nahm natürlich an, daß mich Stadtneuigkeiten am meisten interessieren würden. Sie begann unter einem tiefen Seufzer, es sei doch früher viel schöner gewesen und viel lustiger, und das Offizierscorps viel flotter, und doch seien augenblicklich lauter schwer reiche Herren beim Regiment. Der einzige, von dem man sagen könne, daß er keine Mittel habe, sei Herr von Felsenberg, und der, nun der sei eine Seele von einem Menschen, und sie, die Wirthin, habe immer nur den einen Wunsch, daß ihr eigener Bengel einmal ebenso werde wie der, so solid, so brav und so ein guter Sohn. „Keine Karte rührt der an, Herr Major sag’ ich Ihnen! Sehen Sie ’mal, Herr Major, er hat seine alte Mutter noch, und zu Weihnachten vorigen Jahres hat er mich gefragt, ob ich ihm wohl behilflich sein möchte, eine Gans einzukaufen – eine gemästete, wissen Sie – die wollte er der alten Frau hinschicken. Na, Herr Major, andere wollen immer bloß haben von den Eltern und hätten für das Geld lieber ihren Sekt getrunken –“

Ich konnte nicht einmal lächeln über den Gänsebraten und den guten Sohn, der seiner Mutter damit eine Weihnachtsfreude machte, und als nun die ehemalige kleine Emilie plötzlich ganz unvermittelt fragte, wie es denn den Bayerschen Damen gehe, sah ich sie nur starr an und ließ wie ein Opferlamm ihren Redestrom über mich dahinfließen.

Am meisten leid sei es doch allen Menschen um das schöne Fräulein Sabine. „Nein, Herr Major, wie so’n Engel ist die doch! Der Herr Major hätte sie nur sehen sollen auf ihrem ersten Ball im vorigen Winter, da droben im Saal, der übrigens jetzt Parkett hat und einen Kronleuchter mit dreißig Lampen. Ganz in Weiß ist sie gewesen, selbst das Kränzchen im braunen Haar von weißen Blüthen. Wissen Sie Herr von Brenken, die alte gnädige Frau hat sich immer auf die Toilette verstanden; wenn man nur an die selige Mama von Fräulein Sabine denkt – wie ein Püppchen war sie immer angezogen. Ich war also, wie früher auch, ein bißchen hinaufgegangen, um zuzuschauen, und da habe ich gesehen, wie sie alle ganz weg waren von Fräulein Bine Bayer, und am meisten der alte Radowitz. Es war zum Schieflachen, wie er herumgekugelt ist um sie; als wenn unser Küfer ein Weinfaß dreht, accurat so, habe ich zu Jean gesagt. Aber weil der Herr von Radowitz doch nicht tanzt und weil die jungen Herren das Fräulein beinahe zerreißen wollten, da hat er sich zu der Frau Großmama gesetzt und hat ihr Süßholz geraspelt und dabei immer auf das Fräulein geschielt.“

„Na, guten Tag, Frau Emilie!“ schnitt ich ihr die Rede ab, „ich will nur ’mal ein bißchen Nachmittagsruhe halten. Möglicherweise reise ich noch mit dem Nachtzuge weiter; ich will nämlich nach Italien.“ (Fortsetzung folgt.) 


[825]

Eine Schönheit von Anacapri.
Aus dem Prachtwerke „La bella Napoli“ von C. W. Allers.
Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.

[826]

Fischzucht.

Von Carl Vogt.
II.

Die freie Fischerei liefert das Fischfleisch zu bestimmten Preisen, die man nicht überschreiten darf bilpch die Kosten der Züchtung und Ernährung.

Wenn auch die Studien über die Ernährung der freien Fische noch bei weitem nicht abgeschlossen sind, so wissen wir doch soviel, daß die Thiere im jugendlichen Alter gänzlich, später großentheils und viele ausschließlich auf lebende Nahrung angewiesen sind. Die junge Brut nährt sich vorwiegend von kleinen, fast mikroskopischen Krebsthierchen, welche die Gewässer bevölkern; je älter die Fischlein werden, je mehr ihr Maul sich vergrößert, desto größere Beute wird verschluckt; alles, was im Wasser lebt, ist willkommen, Insektenlarven, Würmer, Schnecken, Eier von Fischen und anderen Thieren; wenn ihnen die Kiefer und die Zähne gewachsen sind, fallen sie über kleinere Fische, Froschlarven, ja selbst Vögel und Säugethiere her, und viele verschonen die eigene Art nicht. Die jüngsten Fischlein, die eben ihren Dottersack verloren haben, mögen sich sogar von Infusorien und anderen mikroskopischen Wesen so lange nähren, bis sie die kleinen Krebsthierchen bewältigen können. Arten, die einzig und allein von Pflanzenstoffen leben, giebt es überhaupt wohl nicht unter den Fischen, weder des süßen noch des salzigen Wassers; die Wasserpflanzen werden meist nur abgeweidet, um der darin wimmelnden Thiere habhaft zu werden, wobei freilich der Genuß von leblosen Nahrungsstoffen, gehacktem Fleisch etc. nicht ausgeschlossen ist. In dem Wasser wie auf dem Lande wüthet beständig der Krieg aller gegen alle und diesem Kriege muß die Züchtung Rechnung tragen.

Die Bestrebungen zur Beschaffung der Nahrung gingen nach zwei Richtungen auseinander: einerseits suchte man Ersatz für die von der Natur gebotenen Nahrungsmittel, anderseits suchte man die natürlichen Nährthiere und Pflanzen durch zweckmäßige Bewirthschaftung zu vermehren. Man züchtete also nicht nur die Fische, sondern auch das für ihre Nahrung nöthige Gethier bis zu den wenig geschätzten Fischarten hinaus. Halten wir uns zuerst an die Salmonen.

Zur künstlichen Fütterung verwendete man thierische Stoffe, Fleisch, Hirn, Blut, Abfälle, Eingeweide von Thieren aller Art, von Fischen, Fröschen und Säugethieren, Würmer, Muscheln, durch Hacken, Zerstoßen, Zerreiben in eine Form gebracht, welche der Größe des Maules der zu ernährenden Fischlein entsprach. Man kam, nach genauen Versuchen, zu dem Ergebniß, daß man etwa 6 Kilo Fischfleisch oder 5 Kilo Pferdefleisch verfüttern muß, um 1 Kilo Forellenfleisch zu erhalten, das einen durchschnittlichen Marktwert von vier Mark hat; kostet das Kilo Pferdefleisch (von Thieren, die abgethan werden) 16 Pfennig, so ergiebt sich etwa ein Bruttogewinn von 60 Prozent; kostet es 24 Pfennig, so ergiebt sich immer noch ein Bruttogewinn von 40 Prozent, aber bei einem Preise des Pferdefleisches von 32 Pfennig sinkt der Bruttogewinn auf 20 Prozent und deckt kaum noch die allgemeinen Kosten der Unternehmung, die von allen diesen Bruttoerträgnissen abgezogen werden müssen. Da nun infolge der Preissteigerung des Fleisches überhaupt sich überall Pferdeschlächtereien aufgethan haben und der Preis dieses früher zur menschlichen Ernährung nicht verwendeten Materials ebenso wie derjenige der anderen thierischen Abfälle in die Höhe gegangen ist und stets noch in die Höhe geht, so wird bald die künstliche Ernährung der Salmonen durch Fleisch und thierische Abgänge keinen Gewinst mehr abwerfen können.

Sie hatte aber noch andere Nachtheile. Die Fische sind nicht so dumm, als sie aussehen; sie haben namentlich ein gutes Gedächtniß, sowohl in Beziehung auf die Liebe als auch auf die Nahrung. Alle unsere Veranstaltungen von Fischleitern, Fischtreppen etc. beruhen auf der Beobachtung, daß die erwachsenen Fische zum Laichen die Orte aufsuchen, wo sie ihre erste Jugend zugebracht haben; man erleichtert ihnen durch diese Veranstaltungen die Rückkehr oder macht ihnen Orte zugänglich, von welchen sie durch die natürlichen Hindernisse abgesperrt waren. Um sie aber an solche Orte zu bringen, muß man Setzlinge dort aufziehen. Aehnlich verhält es sich mit dem Nahrungsgedächtnisse. Man gewöhnt in geschlossenen Zuchtanstalten die Fische leicht, sich zu bestimmten Stunden an denjenigen Uferstellen zu versammeln, wo ihnen regelmäßig das Futter gereicht wird, auch ohne Glocke; sie kommen herzu, wie die Spatzen an das Fenster kommen, wo man ihnen Körner giebt. Aber, da sie ihr Futter ohne weitere Mühe erhalten, werden die Fische faule Gäuche; ihr Fleisch wird nicht so fest, derb und schmackhaft wie dasjenige der Forellen, die auf lebhafte Jagd im Freien angewiesen sind. Zudem ist es schwierig, das richtige Maß der toten Nahrung zu treffen; zwar hat man berechnet, daß zur Fütterung von tausend zweijährigen Forellen täglich anderthalb Kilo Pferdefleisch nöthig sind, aber dies ist doch nur eine annähernde Schätzung. Bekommen sie nicht Nahrung genug, so wachsen die Fische nur langsam, wodurch der Gewinst an ihrem Fleisch verringert wird; wird ihnen zu viel gereicht, so fault das unverzehrte Fleisch am Boden, verunreinigt das Wasser und verursacht Krankheiten. Man kann sogar behaupten, daß bei ausschließlicher künstlicher Fütterung die Fische sich die Mühe nicht mehr geben, das zu Boden fallende Fleisch aufzulesen.

So mußte man sich denn mehr und mehr der lebendigen Fütterung zuwenden und, wie ich schon sagte, in den geschlossenen Gewässern dieses Material züchten oder auch es in der Umgegend aus Tümpeln, Bächen und Flüssen zusammensuchen. Letzteres war namentlich für die ersten Zeiten eine kümmerliche Aushilfe; die kleinen Krustenthiere so massenhaft zu fischen, als sie zur Ernährung von Tausenden von Setzlingen nöthig sind, war nicht immer leicht, besonders im Frühjahre, wo der Appetit der Setzlinge groß, die Zahl der in den Gewässern lebenden Krustenthierchen nicht so bedeutend ist als im Sommer.

Die Aufzucht von Coregonen zu marktfähigen Individuen war überhaupt in geschlossenen Gewässern unthunlich oder wenigstens sehr schwierig. Abgesehen von dem Umstande, daß Renken, Felchen und Maränen größere Seen mit entsprechender Tiefe verlangen, mußte schwer ins Gewicht fallen, daß diese Fische während ihres ganzen Lebens fast ausschließlich von Krebsflöhen (Cyclopiden), Wasserflöhen (Daphniden) und einigen größeren Arten der letzteren Gruppe (Leptodora, Bythotrephes) leben, die aber auch nur einige Millimeter lang werden. Wie alle anderen Forscher habe ich in dem Magen dieser Fische nie etwas anderes gefunden als massenhaft verschluckte kleine Krustenthierchen; ja selbst der Magen einer ausnahmsweise großen Fera aus dem Genfersee, die über drei Pfund wog und mir von einem Freunde zur Untersuchung übergeben wurde, enthielt nur solche Krustenthierchen. Wie viele Tausende dieser Thierchen von einer so großen Renke täglich verschluckt werden müssen, um die Ernährung im Gleichgewicht zu halten, kann man sich kaum vorstellen. Mag auch hier die menschliche Thätigkeit nicht imstande sein, die nöthige Nahrung für solche große Fische zu beschaffen, so bleibt doch soviel festgestellt, daß für Setzlinge aller Arten, nicht nur der Edelfische, die kleinen Krustenthierchen entweder ganz unentbehrlich sind oder doch eine schätzbare Zugabe zu anderer Nahrung bilden, welche das Gedeihen der Setzlinge wesentlich fördert.

Die Vermehrung dieser Krustenthierchen war also unerläßliches Bedürfniß, und um sie herbeizuführen, mußten die Bedingungen ihrer Ernährung und Fortpflanzung gründlich untersucht und die gewonnenen Kenntnisse praktisch verwerthet werden.

Dies geschah. Man weiß jetzt, daß die meisten dieser Thierchen sich im Sommer massenhaft vermehren, im Herbst aber zu Grunde gehen, nachdem sie sogenannte Wintereier gelegt haben, welche die kalte Jahreszeit überdauern. Sobald sich wieder Wärme einstellt, schlüpfen Junge aus, die unter günstigen Bedingungen so zahlreich wimmeln, daß das Wasser von röthlichen oder bräunlichen Wolken getrübt scheint und man mit einem Zuge eines feinen Netzes viele Tausende erbeuten kann.

Noch auf eine andere, für die Fischzucht selbst höchst bedeutungsvolle Besonderheit wurde man aufmerksam. Man hatte schon lange beobachtet, daß gewisse Kruster plötzlich in Tümpeln erscheinen, die jahrelang trocken lagen und zufällig durch einen Regenguß angefüllt wurden. Die Eier dieser Thiere mußten also oft mehrere Jahre hindurch im trockenen Schlamm ausgedauert haben und entwicklungsfähig geblieben sein. Ja, man fand endlich, [827] daß diese periodische Austrocknung für eine Menge von Thieren, Eiern und Keimen eine Lebensbedingung sei; daß ihre Fortpflanzungsfähigkeit, ihre Lebensfülle bedeutend abnahm, wenn beständig, Sommer wie Winter, die Tümpel und Bäche mit Wasser gefüllt blieben, dagegen in hohem Grade gefördert wurde durch zeitweilige Austrocknung.

Auf dem Grundsatze der nothwendigen zeitweiligen Austrocknung der Gewässer, die einerseits der Hervorbringung von Krustenthierchen Vorschub leistet, anderntheils aber auch eine Menge von kleineren und größeren feindlichen Wasserbewohnern, sei es im ausgebildeten Zustande, sei es als Eier oder Larven, tötet, beruht das Verfahren von Dubisch, welches wenigstens in Deutschland und der Schweiz, sowie im Osten jetzt allgemein eingeführt ist, während es in Frankreich noch immer lebhaften Widerspruch findet. Es ist ohne Zweifel die wesentlichste Errungenschaft, welche die Fischzucht in den letzten Jahren zu verzeichnen hat, und gilt ebenso für die Züchtung der Edelfische wie für diejenige der eigentlichen Teichfische, namentlich der Karpfen. Es ist wesentlich eine Wechselwirthschaft in großem Stile, auf deren nähere Beschreibung wir hier verzichten müssen.

Kehren wir zu unseren Edelfischen zurück. Für den Lachs kann es keine geschlossene Züchtung geben; er ist ein Wanderfisch, der in das Meer zurückgehen muß, um von dort aus zum Laichen in die Flüsse aufzusteigen; für den Rheinlachs ist es wenigstens mit vollkommener Sicherheit festgestellt, daß er während dieses Aufsteigens fastet und keine Nahrung zu sich nimmt; für die Lachse der übrigen deutschen Flüsse ist das Verhalten wenigstens wahrscheinlich. Die Coregonen bedürfen der Seen, aus deren Tiefe die meisten von ihnen nur zu den Ufern aufsteigen, um dort zu laichen, während andere in der Tiefe selbst ihre Eier ablegen. Für diese beiden Kategorien ist also geschlossene Züchtung unthunlich; ihre Vermehrung kann nur durch Aussetzung von Brut geschehen.

Bei den Forellen und Saiblingen äußert sich der Wandertrieb weit weniger. Wohl gehen die Seeforellen in die ein- und ausmündenden Flüsse und Bäche, wo sie geeigneten Kiesgrund für ihr Laichgeschäft finden; aber sie entfernen sich nur auf kurze Strecken und begnügen sich mit klarem, kühlem Wasser und gutem Futter, um zu wachsen und selbst sich zu mästen. Saiblinge, See- und Bachforellen, europäische wie amerikanische, lassen sich also in geschlossener Züchtung bewirthschaften und verwerthen. Nur sind die Bedingungen für diese Züchtung weit enger begrenzt als diejenigen für die eigentlichen Teichfische, und namentlich sind es die Beschaffenheit und Temperatur des Wassers sowie sein Gehalt an gefährlichen Kleinwesen, wie die Saprolegnia, welche vor allen Dingen berücksichtigt werden müssen.

Sobald die Edelfische, die ja alle Raubfische sind, zu einer gewissen Größe gelangt sind und auf andere Fische, namentlich Weißfische, Jagd machen, muß diesem Bedürfniß Rechnung getragen werden. Wasserflöhe und andere kleine Krustenthierchen vorzugsweise in der ersten Jugendzeit, später, bis die Forelle etwa 15 bis 20 Centimeter Länge erreicht, Insekten, Insektenlarven und Würmer, dann kleinere Weißfische – das sind etwa die drei Stufen der Ernährung der im Freien lebenden Forellen und diesen muß sich die geschlossene Züchtung soviel wie möglich annähern. Die erwachsene Bachforelle springt nach Insekten und künstlichen Fliegen an der Angel; die Seeforelle auch, aber für die letztere ist dies nur eine Beigabe – eine Forelle, sagen die Fischer an den Seen von Neuchatel und Genf, hält täglich drei Mahlzeiten, zu welchen sie, je nach ihrer Größe, ein bis zwei Weißfischchen, sogenannte Sardinen, verspeist. In der That habe ich in dem Magen von Forellen, die etwa 20 Centimeter Länge hatten, schon kleine Fische in halbverdautem Zustand vorgefunden.

Wenn so die Grundlagen einer rationellen Züchtung und Mästung der Edelfische festgestellt wurden und ihre praktische Verwerthung fanden, während dieselben Grundsätze auf die Teichwirthschaft, für Karpfen besonders, einen wahrhaft umgestaltenden Einfluß übten, so konnte es nicht fehlen, daß die erworbenen Erfahrungen über die natürliche und künstliche Befruchtung, die Entwicklung der Eier und der Jungen, die Möglichkeit ihrer Versendung in weite Entfernungen neue Ziele steckten, deren Erreichung mit Emsigkeit verfolgt wurde. Sollte man nicht Gewässer mit Fischen besetzen können, die sie vorher nicht besaßen?

Man hatte früher Versuche gemacht, die großentheils fehlgeschlagen waren. Ich erinnere mich noch aus den Zeiten meines Pariser Aufenthaltes des endlosen Gespöttes, welchem der dicke Valenciennes, der Mitarbeiter Cuviers an dem großen Fischwerke, das beider Namen trägt, ausgesetzt war wegen eines sehr kostspieligen Versuches, den Zander in Frankreich einzubürgern. An Humboldts Tisch in Berlin hatte Valenciennes, ein anerkannter Feinschmecker, den Zander schätzen und lieben gelernt. Es gelang ihm, die Kosten einer Zanderexpedition von der Regierung und der Akademie zu ergattern. Zuchtfähige Exemplare wurden unter besonderen Vorsichtsmaßregel nach Paris befördert. Die meisten Fische starben unterwegs, bei späterer Untersuchung der wenigen Ueberlebenden fand es sich, daß sie alle Männchen waren. Man kannte freilich, bis noch vor wenigen Jahren, die Eigenthümlichkeiten des Lebens des Zanders so wenig, daß noch vor etwa zehn Jahren mein Freund Benecke in Königsberg seufzen konnte: „Ja! Wenn wir wüßten, wie und wo der Zander laicht!“ Heute weiß man dies nicht nur, man weiß auch, daß das Zanderweibchen seine Brut mit grimmem Muthe bewacht, selbst auf Menschen losfährt, welche sich der Brutstätte nähern (eines biß einen Fischwärter in Hüningen tief in die Hand), und heute liest man in allen Fischereizeitungen Angebote von Zandereiern und Zanderbrut und die Anstalt von Hüningen hat durch thatkräftige Bemühungen die Ansiedlung des Fisches in anderen Gebieten, wie am Bodensee und im Donaugebiete, soweit ermöglicht, daß jetzt schon der Zander auf den Fischmärkten dieser Gegenden mit den eingeborenen Fischen zusammen erscheint!

In dieser Beziehung machten sich zwei Richtungen geltend, einerseits diese Ueberführung von werthvollen Fischarten aus europäischen Gewässern in Gebiete Europas, worin dieselben nicht heimisch waren, anderseits die Ansiedlung von außereuropäischen, namentlich nordamerikanischen Fischen in Europa.

Die Einführung und Züchtung nordamerikanischer Fische und ihre Kreuzung mit einheimischen Arten ist jetzt nicht nur ein Gegenstand industrieller Ausnutzung, sondern auch eine Art Sport geworden und wird von einigen hervorragenden Fischzüchtern fast ausschließlich gepflegt. Es sind hauptsächlich Forellen, Saiblinge, Renken und Barsche, welche man einzubürgern versuchte.

Alle diese nordamerikanischen Fische haben für den industriellen Züchter in geschlossenen Gebieten den Vortheil, daß sie bei genügender Nahrung schneller wachsen und eher eine marktfähige Größe erreichen als ihre einheimischen Verwandten. Von manchen großen Fischzuchtanstalten aus haben sie schon einige Märkte erobert und werden gewiß noch manche weitere Eroberungen machen. Aber sie kommen mir unter den europäischen Fischen vor wie etwa die Neger unter der weißen Rasse. In den Schulen machen die Negerkinder meist weit schnellere Fortschritte als die weißen Kinder – dann aber tritt ein stets langsamer werdendes Tempo auf, während der Weiße sich anhaltend weiter entwickelt. Sodann sind diese Nordamerikaner bis jetzt Zuchtfische geblieben, Stallvieh, Hausthiere; sie haben in den freien Gewässern Europas keinen festen Fuß gefaßt, und wenn auch hier und da ein versprengtes oder entwischtes Exemplar im Freien gefangen wurde, so hat eine wirkliche Einbürgerung in unsere Fauna nicht stattgefunden. Mit Ausnahme eines einzigen Bastardes, des von Direktor Haack in Hüningen gezüchteten elsässischen Saiblings (Salmo alsaticus), von unserem Saibling und dem nordamerikanischen Quellensaibling (Salmo fontinalis) scheinen auch alle übrigen durch Kreuzung erzeugten Bastarde sich bis jetzt noch nicht im Freien fortgepflanzt zu haben.

Dies ist um so auffallender, als europäische Fische, welche man in Gebiete verpflanzt hat, wo sie früher nicht vorhanden waren, sich dort vollständig und zwar in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit eingebürgert haben. Man hat in der That diese Verpflanzung erst weit später ausgeführt als die Uebersiedelung der Nordamerikaner. Ich habe hier besonders Renken aus der Schweiz, den Zander und den Aal im Auge. Renken kamen früher in den norditalienischen Seen nicht vor. Jetzt fischt man Renken im Lago maggiore, die von den Fischern als „pesci Pavesi“ bezeichnet werden, nach dem Namen eines meiner Freunde, des Professors Pavesi. Die Ansiedelung und Verbreitung des Zanders und des Aales ist jetzt eine wesentliche Aufgabe der Anstalt von Hüningen geworden. Mit welchem Erfolge die Zucht des ersteren betrieben wurde, haben wir schon erwähnt.

[828] Anders verhält es sich mit dem Aal. Hochgeschätzt in manchen Gegenden, wird er an anderen Orten kaum gegessen. Als ich in Neuchatel wohnte, war das Haus von Agassiz das einzige, welches den Fischern die seltenen Aale abnahm, die zuweilen nach Gewittern gefangen wurden; in Genf findet man den Aal fast nie bei den Fischhändlern. Dagegen wandern Genuesen, Mailänder und Turiner in Scharen zur Fangzeit nach Ponte Tresa im Tessin, um sich dort durch übermäßigen Aalgenuß den Magen zu verderben, und der Neapolitaner, der auf Weihnachten keinen „Capitone“ verzehren könnte, würde sich für den unglücklichsten der Sterblichen halten.

san kann aber den Aal nicht im süßen Wasser züchten wie andere Fische. Die Männchen, die man erst seit wenigen Jahren kennt, leben im Meere und steigen höchstens einige Kilometer weit in die Flüsse und in die Lagunen. Noch heute weiß man nicht, wo die weiblichen Aale, die allein in den süßen Wässern sich finden, ihre Eier ablegen, jedenfalls geschieht dies nicht im süßen Wasser. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die weiblichen Aale nach der Eiablage im Meere absterben.

Die zur Gestalt ihrer Eltern entwickelten jungen Flußaale, feine Fischchen von Nadelgestalt, steigen in Scharen von Millionen zu bestimmten Zeiten in den Flußmündungen auf, schlängeln sich überall durch, sogar an steilen Wasserfällen hinauf und leben im süßen Wasser, bis der Fortpflanzungstrieb sie wieder dem Meere zuführt.

Hier läßt sich also weder künstliche Befruchtung noch erste Anzucht der Jungen veranstalten. Man muß die „Montée“, wie die Franzosen diese jungen Aalscharen benennen, auffischen und nach den Orten verpflanzen, wo man sie einbürgern will. Glücklicherweise haben sie ein außerordentlich zähes Leben und lassen sich leicht versenden, Direktor Haack reist alljährlich nach Pisa, wo er eigene Einrichtungen getroffen hat, um Millionen der im Arno aufsteigenden Aalbrut fangen zu lassen und sie nach Hüningen zu befördern, wo sie in besonderen Teichen gehalten und gefüttert werden bis zur Versendung an die Abnehmer. So hat man jetzt den Aal im Donaugebiete und an verschiedenen Orten, wo er früher nicht zu finden war, eingebürgert, und sobald er einmal zum Gemeingut wird herangewachsen sein, wird sich auch der Geschmack der Bewohner zu seinen Gunsten ändern.


Die Fischzucht, deren neueste Entwicklung ich hier nur in ihren allgemeinsten Umrissen zu schildern versucht habe, dient sowohl allgemeinen als privaten industriellen Zwecken. In allen Kulturländern haben sich zahlreiche Vereine gebildet, welche bestrebt sind, die rationelle Bewirthschaftung der Binnengewässer in jeder Art zu fördern und durch Bereicherung derselben den nationalen Wohlstand zu mehren. Viele Anstalten wirken nur in diesem Sinne und haben keinen Gewinn im Auge. Unter diesen Anstalten dürfte die Reichsanstalt in Hüningen, die von dem ebenso kenntnißreichen als thätigen Direktor Haack geleitet wird, den ersten Rang einnehmen. Sie ist klein, hat nur 48 Hektare Oberfläche; ihre Bäche, Kanäle und Teiche werden theils von Quellwasser, theils vom Rheine aus gespeist. Die Kosten tragen die einzelnen Uferstaaten des Rheins und das Elsaß, welchen dafür Eier und Junge von Salmoniden geliefert werden, theils ohne Entgelt; theils unter Ermäßigung des Verkaufspreises, und den Rest bezahlt das Reich, da der Verkauf von mehreren Millionen Eiern und Setzlingen die Kosten nicht deckt. Für den Markt liefert die Anstalt nichts; sie hat also nur Zwecke des Gemeinwohles.

Daß unter den Anstalten, welche privaten Zwecken gewidmet sind, sich auch Kleingewerb und Großbetrieb herausgebildet haben, kann nicht auffallen. Der kleineren, mehr spezialisierten Anstalten giebt es unzählige; zum Großbetrieb, der alles für den Markt züchtet, Edelfische wie Karpfen und ausländische Arten, gehören begreiflicherweise weite Güter in geeigneter Lage, welche nur Großgrundbesitzer sich leisten können.

Hier mag nun Wittingen, die Besitzung des Fürsten Schwarzenberg im südlichen Böhmen, obenan stehen. Die dortige Anstalt leitet einer der erfahrensten und denkendsten Fischzüchter, Joseph Susta, der 6292 Hektare Teichfläche zu bewirthschaften hat, worunter Teiche von 3000 und 2000 Morgen Flächengehalt. Kein Wunder, wenn Herr Susta den Wiener Markt beherrscht, wenn die Fischhändler, seine Kunden, nicht nur aus den größeren Städten Oesterreichs, sondern auch von München, Berlin, Hamburg und anderen Orten zusammenströmen, sobald diese großen Teiche ausgefischt und Tausende von Centnern lebender Karpfen und anderer Nutzfische auf langen Wagenreihen fortgeführt werden; kein Wunder auch, wenn in solchen großen und tiefen Teichen sogar eigentliche Seebewohner, wie die Madui-Maränen, sich wie in ihrem natürlichen Elemente befinden, laichen und gedeihen! Wittingen liefert alljährlich zwischen 5- bis 6000 Centner Karpfen auf den Markt und verbraucht dafür nahezu 2000 Zollcentner Futter, weiches zur Hälfte aus Fleischmehl, zur Hälfte aus Lupinen besteht. Gegen eine solche Riesenanstalt stehen alle ähnlichen Wirthschaften im Deutschen Reiche weit zurück, denn die bedeutendste derselben, Königswartha im Königreich Sachsen, welche etwa 2500 Hektare Teichfläche umfaßt und Herrn von Rabenau angehört, liefert im Durchschnitt nur etwa 2500 Centner Karpfen im Jahre.

Glücklicherweise sind diesen großen Anstalten, welche auf den sogenannten Fischbörsen die Preise bestimmen können, doch Grenzen gesetzt, die nicht leicht überwunden werden können. Das Kleingewerbe, welches nur wenige Hektare Teichfläche zur Verfügung hat, kann noch durch gründliche Bewirthschaftung mit Erfolg in Wettbewerb treten. Die Fischzucht wird sich also weiter entwickeln, wenn auch die Hindernisse, welche ihr besonders durch anderweitige Benutzung der Gewässer in den Weg gelegt werden, sich vermehren sollten, wie wohl vorausgesetzt werden kann. Von den süßen Gewässern aus aber wird sich nach und nach die Bewirthschaftung auf das Meer ausdehnen, wo in unserer Zeit nur die sinnlos raubende Ausbeutung betrieben wird, ohne daß man daran dächte, einen Ersatz dafür zu schaffen. Freilich müssen wir auch gestehen, daß uns hier die wissenschaftlichen Grundlagen für rationelle Maßnahmen fast gänzlich abgehen, denn wenn schon unsere Kenntnisse über die Lebensbedingungen der Süßwasserfische sehr mangelhaft sind, so wissen wir von denjenigen der Meerfische fast gar nichts.


Ein Lieutenant a. D.

Roman von Arthur Zapp.
 (Schluß.)

Erwin war fürs erste geborgen. Jänicke war sehr stolz und glücklich, daß er sich in der Lage befand, etwas für „seinen“ Lieutenant zu thun. Und wenn auch sein Onkel ihm unter vier Augen vorstellte, daß sie ja eigentlich im Geschäft niemand weiter nöthig hätten – er bestand darauf, mit seinem ehemaligen Herrn, der ihm die harten Militärjahre so sehr erleichtert habe, Brot und Obdach zu theilen.

Erwin fand sich schwer in die neue Lage der Dinge. Er war jedoch von den Entbehrungen der letzten Tage so niedergedrückt, daß er froh war, wenigstens unter Dach und Fach zu sein. Nur des Abends, wenn er nach vollbrachtem Tagewerk mit Jänicke in die kleine Bodenkammer hinaufstieg und in dem großen amerikanischen Bett neben seinem früheren Burschen sein Lager einnahm, kam ihm der Gegendatz zwischen Einst und Jetzt überwältigend zum Bewußtsein, vollends wenn dann Jänicke allerlei Erlebnisse aus dem Soldatenleben auszukramen begann. Derselbe war unerschöpflich in diesem Punkt und gerieth dabei nicht selten so in Hitze, daß er im Ueberschwang seiner Gefühle mit seiner rauhen Stimme das eine oder andere der alten Soldatenlieder anstimmte. Und es machte sich wunderlich genug, wenn es hier auf amerikanischem Boden begeistert durch die Stille der Nacht klang:

„Drum, Brüder, stoßt die Gläser an:
Hoch lebe der Reservemann!“

Auch über Erwin kam dann die Erinnerung mit doppelter Macht und legte sich ihm schwer aufs Herz; und wenn Jänicke von Müdigkeit überwältigt, plötzlich abbrach und in tiefen Schlaf fiel, so drückte Erwin sein Gesicht in die Kissen und wälzte sich noch lange schlaflos in bitteren Gedanken an die Vergangenheit.

Die Arbeit, die er im Geschäft des Kaufmanns zum Entgelt für die ihm gewährte Unterkunft verrichtete, bestand darin, mit [829]

Federn sammelnde Kinder bei den Gänseherden zu Rummelsburg.
Nach einer Originalzeichnung von W. Zehme.


Jänicke auf den Markt zu gehen und Einkäufe zu machen oder den Kunden die von ihnen bestellten Waren ins Haus zu tragen. Da diese Thätigkeit seine Zeit nicht ganz in Anspruch nahm, so blieben ihm fast täglich einige Stunden übrig, in denen er sich mit allem Eifer nach einer anderen Beschäftigung umsah, denn er merkte wohl, daß ihn die Familie des Krämers mit mißgünstigen Augen betrachtete und nur ihres Neffen wegen duldete.

Auch zu Schuckmann war Erwin gegangen, um sich nach dem Befinden des kleinen Henry zu erkundigen und den Freund um Rath und Hilfe zu bitten. Aber er traf es ungünstig; Schuckmann war gar nicht zu Hause, Frau Libby aber so ausschließlich von ihrem kleinen Kranken in Anspruch genommen, der, immer noch nicht außer aller Gefahr, bleich und hinfällig in seinem Bettchen lag, daß Erwin sich kaum fünf Minuten aufhielt. Schließlich schied er mit der Empfindung, daß seine Freunde genug mit ihren eigenen Sorgen zu thun hätten.

So waren fast zwei Monate verflossen, als er eines Morgens, nachdem er sich eben in der Bodenkammer zu einem Ausgang umgekleidet hatte, zum Laden hinabstieg. Als er sich der Ladenthür näherte, schallte ihm ein heftiges Stimmengewirr entgegen und jetzt vernahm er deutlich seinen Namen. Unwillkürlich blieb er stehen und horchte. Jänicke führte mit seinem Onkel in der heimathlichen Mundart einen lebhaften Streit, dessen Gegenstand niemand anders war als Erwin selbst.

„,Min Leitnant‘ und nix as ,min Leitnant‘!“ hörte der Lauschende den Krämer mit höhnischer Stimme ausrufen. „Du bist ’n rechten Dämelklas mit Din ,Leitnant‘. Wat geiht uns de Snurrer an? Mag sülben sehen, wo hei blivt! Uns schenkt ok keiner ’n Cent!“

„Ik segg Di, Unkel, dat Du so von min Leitnant redst, dat – dat lid ik nich. Un wenn Du so ’n Geizhammel bist, dat Du em den Happen Eten nich günnst, denn – na, denn kannst mi man ok glik de Dör wisen.“

„Den Happen Eten? Gott sall mi bewahr’n, min Jung! Din Herr Leitnant haut in as ’n Döscher[1]. Wenn hei bi de [830] Arbeit blot halv so fix wir! Ja, dat geiht jo nich, hei künn sik dorbi die finen Fingerkens swart maken!“

Ein lauter Schlag ertönte, der offenbar davon herrührte, daß Jänicke wuthentbrannt mit der Faust auf den Ladentisch schlug. „Denx Dunner, Unkel, nu hörst äwer up! Sünst, wahrhaftigen Gott, sünst pack’ ik min Siebensachen und verlat mit min Leitnant Din Hus. Kein Minsch sall mi hinnern, för min Leitnant to arbeiden, wenn’t nödig deit, un den letzten Happen mit em to deelen!“

„Meinswegen gah, wenn Du abslut so ’n Esel bist, dat Du Di schinnst för einen, de Di schimpt un schuriegelt hett, Du weitst doch, bi'n Kommiß!“

„Bi’n Kommiß? Wat weitst Du von Kommiß? Bi’n Kommiß gehürt sik dat so, un dat is de Subordnatschon. Freilich, Du hest jo den bunten Rock nie nich dragen. Un wenn mi uns’ Herr Leitnant ok männigmal anschnauzt hett, dat mir Hürn un Sehn vergahn is, god was hei dorum doch un för min Leitnant gah ik dörch’t Füer.“

„Denn gah! Awwer in min Hus bin ik Herr, un ik bruk kein afgedankten Leitnant in min Geschäft. Un eh' ik so ’n Lüderjahn und Dagdeev noch länger föden[2] do -“

Mehr hörte Erwin nicht. „Lüderjahn! Tagedieb!“ Der rohe Schimpf traf ihn wie ein Peitschenhieb und trieb ihn in wilde Flucht. Keuchend eilte er auf der Straße vorwärts, unablässig gellten ihm die höhnischen Worte des Krämers in die Ohren. Endlich mäßigte er schweißtriefend seine Schritte. Unwillkürlich sah er sich ängstlich um. Gott sei Dank, es folgte ihm niemand, er war ihnen glücklich entkommen, dem einen mit seiner treuen, opferbereiten Liebe, die er nicht länger mißbrauchen durfte, dem andern mit seinem brutalen Haß. Doch wohin nun? Er wußte es nicht. Aber nur immer vorwärts! Nur fort von denen, die ihn kannten und die ihn verachten mußten!

Erschöpft, nach Athem ringend, hielt er endlich in seinem ungestümen Laufe an. Der „East River“ lag vor ihm, das breite Gewässer, das New York von der Schwesterstadt Brooklyn trennt. Beim Anblick des Wassers durchzuckte es ihn jäh wie eine Erleuchtung. Wer dort unten ruhte, der konnte vergessen, der hatte Ruhe für immer. Eine bessere Zuflucht gab es nicht. Dort unten war er für alle Zeit von Elend und Schmach erlöst. Eine unüberwindliche Müdigkeit erfüllte ihn, ein Ekel vor den Erniedrigungen neuer Kämpfe und Entbehrungen. Scheu blickte er um sich. Lebhaftes Treiben herrschte in der Straße am Wasser. Die Pferdebahn, Geschäfts- und Lastwagen aller Art rollten vorüber, unaufhörlich drängte die Fluth der Fußgänger an ihm vorbei. Unmöglich, ungehindert zu thun, was er thun mußte!

Da fiel sein Auge auf ein niedriges, braun angestrichenes Holzgebäude, das sich, ungefähr zwanzig Schritte von ihm entfernt, dicht am Ufer erhob. Eine dichte Menschenmenge, Fuhrwerke aller Art strebten unablässig den Thoren des Hauses zu. Es war offenbar eine Anlegestelle der großen Dampf-Fähren, die den Verkehr zwischen New York und Brooklyn vermitteln. Und einer plötzlichen Eingebung folgend, eilte er dem Landungsplatze zu. In seiner Tasche fanden sich noch ein paar Kupfermünzen, die ihm Zutritt in die Halle verschafften. Hastig eilte er auf das Deck des Dampfbootes, das sich eben zur Abfahrt bereit machte.

Und nun stand er am Bugspriet des Fahrzeuges, das pustend und keuchend der Mitte des Flusses zusteuerte. Seinen Hut hatte er in die Hand genommen, um die erhitzte Stirn in dem frischen Luftzug, der vom Meer her wehte, zu kühlen. Vor seinem fieberisch erregten Geiste zogen die Erlebnisse der letzten Monate noch einmal vorüber. Wie feig und thöricht, seine Zukunft auf die Laune eines Geschöpfes wie Miß Sumner aufbauen zu wollen! Wie plump, wie schmachvoll, sich in den Netzen dieser Kokette zu verstricken! Und das unter den Augen Klaras, der einzigen, die ihn je aufrichtig, um seiner selbst willen geliebt hatte! Ein heißes Weh durchzuckte ihn. War er nicht an seinem Glück vorübergegangen, hatte er es nicht durch eigene Schuld für immer verscherzt? Warum hatte er nicht mit Ausdauer und Geduld, mit der Kraft reuiger Liebe gestrebt, die Zürnende zu versöhnen? Bewies nicht ihr Verhalten gegen ihn deutlich, daß ihr Herz noch immer für ihn schlug? Warum war er dem Beispiel Schuckmanns nicht gefolgt, der das Mädchen seiner Neigung heimgeführt hatte, ohne einer anderen Stimme als der seines Herzens Gehör zu geben, und der nun ein glücklicher Mann war? Wie anders stünde es jetzt um ihn! Er aber, ein kurzsichtiger Thor, noch immer im Bann der alten Vorurtheile, hatte einem äffenden Trugbild von Glück und Ehre nachgejagt und war in sein Verderben gerannt. Nun kam die Reue, die nagende brennende Reue und – das Ende.

Verstört blickte er sich um und fuhr zusammen. Das Boot war schon weit über die Mitte hinaus und näherte sich dem jenseitigen Ufer. Es war die höchste Zeit. Noch ein Blick nach oben und zu den hinter ihm Stehenden, ein kräftiger Schwung über die Brüstung – hinab in die Fluth! Die Wellen schlugen über ihm zusammen, die Besinnung verließ ihn . . .


Erwin schlug die Augen auf, um sie sogleich wieder voll Schreck zu schließen. Neben einem bärtigen bebrillten Gesicht, das ihm fremd war, schaute voll Spannung ein Paar Augen auf ihn nieder, deren Blick er nicht ertragen konnte, ein Antlitz, das er mehr scheute als irgend ein anderes in der Welt. Welch ein garstiger Traum! – Aber träumte er denn wirklich? Wo war er denn? Er fühlte eine seltsame Schwere in seinen Gliedern. War er krank gewesen? Und was war mit ihm geschehen?

Das alles zuckte blitzschnell durch sein Gehirn. Und jetzt raffte er sich zu einem Entschluß auf. Er öffnete von neuem die Augen und richtete sich mühsam empor. Erstaunt schaute er von einem Gegenstand, von einem Möbelstück zum anderen. Er befand sich in einem hübsch eingerichteten Zimmer, das er nie in seinem Leben gesehen hatte. Die beiden Männer aber, die er vorher erblickt oder zu erblicken gemeint hatte, waren verschwunden. Verwirrt faßte er sich an die Stirn und rathlos, bestürzt bemühte er sich, einenn Zusammenhang zwischen seiner früheren Lage und seinem jetzigen Zustand zu finden. Doch ehe ihm das gelang, öffnete sich eine Thür in der Seitenwand, und als er sich hastig umwandte, da durchloderte ihn ein ungestümes Entzücken.

„Klara!“ kam es jubelnd von seinen Lippen, und in übermächtigem Verlangen streckte er die Arme nach der Eintretenden aus.

Und – o Wunder – aller Groll war aus ihrem Gesicht verschwunden, aus dem die lauterste Freude, der sieghafte Strahl der Liebe glänzte. Nun stand sie neben ihm und drückte ihn mit sanfter Bewegung in die Kissen nieder. „Ruhe! Bitte, bitte! Der Doktor will es!“ flüsterte sie mit so innigem Tone, daß er sich gehorsam fügte und die Augen schloß. Und so lag er ruhig, nur ab und zu durch du halbgeöffneten Lider spähend, um sich zu vergewissern, daß das alles Wirklichkeit sei und nicht etwa ein neckendes Traumbild. Eine unbeschreiblich wohlige, selige Empfindung überkam ihn, ein beglückendes Gefühl der Ruhe und Sicherheit. Dann gewann die Müdigkeit die Oberhand und sanft entschlummerte er.

Als er gestärkt und frisch wieder erwachte, befand er sich abermals allein. Eifrig damit beschäftigt, sich die Ereignisse der letzten Vergangenheit in die Erinnerung zurückzurufen und Klarheit über seine Lage zu gewinnen, kleidete er sich langsam an. Kaum war er damit zu Ende, als es an der Thür klopfte. Erregt blickte er auf. „Herein!“

Wagner war es, der über die Schwelle trat und dessen Blick Erwin suchte, jedoch nicht zürnend und drohend wie ehedem, sondern ruhig, mit ernster Freundlichkeit. „Herr von Buschenhagen,“ redete er den gänzlich Fassungslosen, in peinlichster Verwirrung Dastehenden an, indem er sich ihm lebhaft näherte, „ich bitte Sie, mir die Hand zu geben zum Zeichen daß die Vergangenheit vergeben und vergessen sein soll.“

Erwin faßte wortlos die ihm dargebotene Hand, bemüht, der auf ihn einstürmenden Gefühle Herr zu werden. „Gerne – o wie gerne!“ stammelte er. „Ich allein muß ja um Verzeihung bitten –“

„Nein, Herr von Buschenhagen, auch ich habe ein Unrecht gutzumachen. Ich bin damals bei Herrn Hopkins grausam gegen Sie gewesen, ich mißbrauchte mein zufalliges Uebergewicht und das – das war brutal von mir. Sie waren in Noth, da durfte ich nicht den Feind in Ihnen erblicken, sondern nur den Hilfsbedürftigen.“ Er athmete tief auf und fuhr dann, ohne die abwehrende Gebärde Erwins zu beachten, eifrig fort: „Als es gelungen war, von dem Fährboot aus, das ich heute morgen zufällig bei der Rückkehr von einem Geschäftsgang benutzte und das dem Ihrigen entgegenkam, Sie aufzufischen, als Sie nun bleich, regungslos, anscheinend ohne Leben vor mir auf dem Verdeck lagen, da schrie etwas in mir auf und rief mir zu: ‚Mörder! Mörder! Du bist die Ursache seines Todes!‘ Verzweifelt mühte ich mich mit einem Arzte, der glücklicherweise zur Stelle war, Sie [831] ins Bewußtsein zurückzurufen, und nach einigen bangen Minuten gaben Sie ein schwaches Lebenszeichen von sich. Da der Landungsplatz des Dampfers nicht weit von meiner Wohnung entfernt war, so ließ ich Sie hierher schaffen und zugleich gelobte ich mir: wenn es gelänge, Sie zu retten, so wollte ich wieder gutmachen, was ich an Ihnen verschuldete.“

Das alles wurde mit so gewinnendem Freimuth, mit so aufrichtiger, schlichter Empfindung gesprochen, daß es Erwin aufs tiefste bewegte; aber noch betäubt von dem jähen Wechsel seiner Lage, vermochte er nicht sogleich Worte des Dankes zu finden. Stumm ergriff er beide Hände des neugewonnenen Freundes, Wagner aber zog seinen Gast aufs Sofa, und sich an seiner Seite niederlassend, begann er von neuem: „Es wäre ein Leichtes, Ihnen in der Fabrik meines Prinzipals eine Anstellung zu verschaffen, aber damit wäre Ihnen wenig und auch nur für die nächsten Wochen geholfen. Eine solche Thätigkeit ist nichts für Sie. Was Ihnen noth thut, ist eine sichere, feste Lebensstellung, eine Beschäftigung, die Ihnen zusagt. Da ist mir nun vorhin ein Gedanke gekommen, der – der –“

Der Sprechende kam plötzlich ins Stocken, und als er jetzt Erwins fragenden Blick auf sich gerichtet sah, sagte er ablenkend: „Ich ermüde Sie, Sie fühlen sich gewiß noch angegriffen und –“

Doch Erwin verneinte, und inzwischen hatte auch Wagner seine Verlegenheit überwunden. In seiner frischen, entschiedenen Weise fuhr er fort: „Was ich Ihnen vorschlagen möchte, ist eine Art Kompagniegeschäft. Meine Stellung ist ziemlich einträglich und so habe ich schon ein nettes Sümmchen beiseite gelegt. Dazu besitze ich ein kleines Vermögen von meinen Eltern her, das Klara, nachdem der Tod unsere arme Mutter von ihrem langjährigen Leiden erlöst hatte, mit herüberbrachte. Es liegt mir daran, das Geld, wenigstens zum Theil, zu besseren Zinsen als bisher anzulegen. Zugleich möchte ich für meine Schwester, die ihre Stellung bei Beelitz aufgegeben hat und die sich wieder nach Thätigkeit sehnt, eine möglichst selbständige Beschäftigung finden. Wie wäre es, Herr von Buschenhagen, wenn Sie nach dem Muster der Beelitz-Schule drüben in Brooklyn eine Sprachschule errichteten? Sie ertheilen den Unterricht, Klara, die gut englisch spricht, versieht das Geschäftliche und ich – ich strecke Ihnen das nöthige Geld vor. Fünfhundert Dollar werden vorderhand reichen. Natürlich“ – Wagner sprach das Folgende mit einer gewissen Hast und bemühte sich, eine kalte, geschäftliche Miene anzunehmen – „natürlich verzinsen Sie mir das Geld, zu sechs Prozent. Billiger kann ich es Ihnen nicht geben.“

Erwin war ganz roth geworden. Eine Minute lang kämpfte er einen schweren Kampf mit sich, dann entgegnete er fest: „Herr Wagner, Ihr Anerbieten und die Art und Weise, wie Sie es mir machen, zeugt von einer so vornehmen Gesinnung und einem so guten Herzen, daß mir das, was ich Ihnen einst zugefügt habe, doppelt schwer auf die Seele fällt. Ich bitte Sie für das alles nochmals aufrichtig um Verzeihung. Für Ihr edles Anerbieten aber muß ich Ihnen herzlich danken – ich kann es nicht annehmen.“

„Nicht?“ Wagner schaute ihn ganz bestürzt an. „Aber warum denn nicht, warum?“

Erwin blieb einen Augenblick still, dann sagte er langsam: „Ich kann es von Ihnen nicht annehmen, weil – weil Sie Klaras Bruder sind.“

Wagner suchte Erwin zu unterbrechen, aber dieser fuhr fort: „Sie wissen, daß ich einst gewissenlos gegen Klara gehandelt habe. Ich lebte und handelte im Bann ererbter Anschauungen, von denen ich mich – ich gestehe es zu meiner Schande – auch noch hier lange Zeit nicht frei machen konnte. Jetzt freilich habe ich erkannt, und Sie, Herr Wagner, haben nicht wenig zu dieser Erkenntniß beigetragen, daß der Werth eines Menschen sich nicht nach seinen äußeren Verhältnissen richtet, sondern nach dem, was in ihm steckt, nach seinem Charakter, seinem Herzen. Nach diesem Maßstab gemessen, steht Ihre Schwester weit über mir und ich, der ich nichts sehnlicher wünsche, als ihre Achtung, ihre Liebe, die ich so leichtsinnig verscherzte, wiederzugewinnen – ich muß dermaleinst mit gutem Gewissen, frei von jeder Nebenabsicht vor sie hintreten können, damit ihr nichts den Glauben an meine Aufrichtigkeit zu stören vermag. Und darum, Herr Wagner, darum kann ich Ihr Anerbieten, so gut es gemeint ist und so dankbar ich Ihre Güte empfinde, nicht annehmen.“

Franz hatte den Worten seines Gastes in athemloser Spannung gelauscht. Nun, da Erwin schwieg, leuchteten seine Augen, während sein Gesicht sich langsam bis zur Stirn mit dunkler Röthe färbte. Und dann kam es in überquellender Freude aus seinem Munde: „Daß Sie, Herr von Buschenhagen, so sprechen und so handeln, das – das freut mich von Herzen, denn es beweist mir, daß Klara doch die rechte Wahl getroffen hat. Und nun kann ich es Ihnen ja auch verrathen, daß sie nie aufgehört hat, Sie zu lieben, so bitter sie auch gegen Sie gewesen ist. Ich kann es Ihnen nicht sagen, wie glücklich mich Ihre Worte machen und nun – nun ist es erst recht schade, daß Sie meine Hilfe nicht annehmen wollen. Aber ich verstehe Sie und vermag Ihnen nachzufühlen.“

Nach einer Weile, während der die beiden Männer schweigend dasaßen, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt, fügte Franz mit hoffnungsloser Miene hinzu: „Haben Sie denn gar keinen Freund, keinen Bekannten, der Ihnen das bißchen Geld vorstrecken könnte?“

Erwin wollte schon verneinen, da durchzuckte ihn plötzlich ein Gedanke: Schuckmann! Der hatte ihm ja als treuer Kamerad das Versprechen abgenommen, sich seiner Hilfe zu erinnern, wenn er sich sonst keinen Rath wisse! Und Schuckmann hatte Geld. Wieviel freilich, das wußte er nicht. Aber im Nothfall ließ sich auch mit wenig etwas anfangen; jedenfalls bot sich hier eine Aussicht.

Das drängte sich Erwin mit der Schnelligkeit einer Sekunde durch den Sinn, und ganz erfüllt von dieser Möglichkeit, erzählte er dem aufmerksam Zuhörenden von den Schicksalen seines Freundes, von dessen treuer Kameradschaft. Und Wagner pflichtete seinem Plane bei, Schuckmann für die Gründung einer Sprachschule zu gewinnen.

Noch am Abend desselben Tages machte sich Erwin auf den Weg zu Schuckmann. Die Hoffnung auf eine neue schönere Zukunft hatte ihm mit einem Schlag seine Kraft wiedergegeben. Er fühlte sich voll Lust, zu leben, voll frohen Vertrauens in das Gelingen seines Planes. Als ihm Frau Libby die Flurthüre geöffnet hatte, schallte ihm das helle Jauchzen einer Kinderstimme entgegen und vom Gesicht der kleinen Frau leuchtete ein freudiges Willkommen. Im Wohnzimmer bot sich ihm ein wunderlicher Anblick. Schuckmann lag auf Händen und Füßen um Fußboden und auf dem Rücken saß ihm der kleine Henry, vergnügt mit den Beinchen strampelnd und luftig ein über das andere Mal ein helles: „Hühl Hüh!“ ausrufend.

Erwin nahm den Kleinen in seine Arme und küßte ihn auf die Wangen, die wieder in der alten gesunden Frische prangten. Schuckmann erhob sich und reichte dem Freunde herzlich die Hand.

„Na, Buschenhagen,“ redete er ihn an und seine Augen blitzten, „lassen Sie sich endlich wieder einmal sehen? Wir glaubten wahrhaftig schon, Sie wandelten nicht mehr unter den Lebenden.“

Erwin lächelte ernst. „Hätte um ein Haar so kommen können, Schuckmann,“ antwortete er. Und nachdem sie alle Platz genommen hatten, legte er eine vollständige Beichte über seine Erlebnisse der letzten Wochen ab. Mit ernstem Gesicht hörten die beiden seine Schicksale an. Als er zu dem Anerbieten Wagners gekommen war, ihm in der Fabrik von Hoe und Kompagnie eine Stelle zu verschaffen sprang Schuckmann lebhaft auf. „Ein prächtiger Mensch, dieser Wagner, mit dem müssen Sie mich bekannt machen, Buschenhagen! Und was wollen Sie thun? Wollen Sie die Stelle annehmen?“

Erwin zögerte mit der Antwort, dann entgegnete er stockend: „Wagner meinte, eigentlich wäre das doch keine Arbeit für mich, es sei auch nicht von Dauer. Darum machte er mir einen anderen Vorschlag.“ Er hielt inne und wußte nicht recht, wie er sein Anliegen am besten vorbringen sollte.

„Und dieser Vorschlag ist?“

Erwin besann sich nicht länger. „Sagen Sie ’mal, Schuckmann,“ fragte er rasch, „wollen Sie ewig Pferdebahnschaffner bleiben?“

„Bin ich längst nicht mehr! Die Stelle war natürlich besetzt, als ich mich wieder zum Dienst meldete. Etwas mir Zusagendes habe ich noch nicht gefunden. Inzwischen habe ich mich mit allerlei Handlangerarbeiten so durchgeschlagen, um nicht vom Baren zu leben.“

„Kamerad“ – Erwin raffte seinen ganzen Muth zusammen – „ich will Ihnen einen Vorschlag machen, wie uns beiden zu helfen ist.“

Schuckmann blickte den Sprechenden erstaunt an.

„Sie wissen,“ fuhr Erwin fort, „Beelitz ist auf dem Wege, ein reicher Mann zu werden. Seine Schule hier in New York steht im Flor, ebenso die Zweiganstalten in Philadelphia und Chicago. Na, was Beelitz kann, sollten wir beide zusammen auch fertigbringen. Was meinen Sie, wenn wir drüben in Brooklyn eine Sprachschule gründeten, nach ähnlichem Muster?“

Schuckmaun starrte den Freund an, als entdeckte er plötzlich [832] an ihm etwas Wunderbares, noch nie Gesehenes. Dann aber kam Leben in ihn und stürmisch trat er auf Erwin zu. „Buschenhagen, das – das hat Ihnen ein guter Geist eingegeben! Das ist ein Gedanke, der Goldes werth ist. Ja, das ist das Wahre, da kommt man endlich einmal in andere Verhältnisse! Und – passen Sie auf, Buschenhagen, wir machen Geld, Geld wie Heu. Und dann ist für meinen Henry“ – er hob seinen Knaben empor und drückte sein Gesicht zärtlich an die blühende Kinderwange – „für meinen Henry ist dann auch gesorgt.“

Erwin machte zu der Begeisterung seines Freundes ein bedenkliches Gesicht. „Aber Geld gehört dazu, Schuckmann, schweres Geld. Und ich, Sie wissen –“ er zuckte die Achseln.

„Geld?“ Schuckmann lachte. „Ist vorhanden! Sechshundert Dollar! Reicht’s?“

„Ich denke.“

„Also! Ich setze alles dran! Entweder – oder! Uebrigens, Gefahr ist kaum dabei. In einer Stadt von dieser Größe! Konkurrenz ist keine da?“

„Ich denke, nicht!“

„Und die Methode?“

„Was die Methode betrifft,“ fiel Erwin begeistert ein, „die ist großartig und schließt jeden Mißerfolg aus!“

„Also!“ Schuckmann streckte dem Freunde die Hand entgegen. „Schlagen Sie ein, Buschenhagen, die Sache ist abgemacht! Wir gründen die Schule!“

Erwin schüttelte dem Freunde freudestrahlend die Hand. So leicht hatte er es sich nicht vorgestellt. Schuckmann aber war ganz aus dem Häuschen. Er umfaßte Libby und tanzte mit ihr durchs Zimmer, bis die kleine Frau ganz außer Athem war. – –

Als Erwin eine Stunde später in Wagners Wohnung zurückkehrte, um ihm über das glückliche Ergebniß seiner Bemühungen Bericht zu erstatten, fand er nur Klara im Wohnzimmer. Unwillkürlich that er einen Schritt zurück, denn all das, was zwischen ihnen lag, drängte stürmisch auf ihn ein. Als er dann aber in ihr Gesicht blickte, das von milder, verzeihender Liebe strahlte, als sie wortlos vor tiefer Bewegung ihm die Hand entgegenstreckte, da stürzte er mit einem Jubelruf vorwärts und warf sich, von Glück und Dankbarkeit überwältigt, vor ihr auf die Knie, sein zuckendes Antlitz in ihren Händen verbergend.

Da klang es leise innig von ihren Lippen: „Erwin!“

Der Laut berührte ihn mit magischer Gewalt. Ungestüm sprang er auf, die Arme nach ihr ausbreitend, und hingebend wie einst sank sie ihm an die Brust. Er aber neigte sein Haupt und küßte sie auf die Stirn voll ehrfürchtiger Liebe. Worte für die Seligkeit, die ihre Herzen erfüllte, fanden sie nicht. Sie wußten ja doch, daß sie sich gefunden hatten, um sich nie wieder zu verlieren. – –

Schon am andern Tage begannen die beiden Freunde mit der Verwirklichung ihres Planes. In einer günstigen Lage von Brooklyn mietheten sie drei Zimmer, von denen sie zwei als Schulzimmer, das dritte als Bureau verwendeten. Dann wurden überallhin in die Stadt Ankündigungen versandt und Anzeigen in einigen der gelesensten Tageblätter aufgegeben.

Der Anfang war hart, es dauerte geraume Zeit, bis das erste Dutzend Schüler voll war. Dann aber hatte man leichtes Spiel. Erwin sowohl wie Schuckmann boten all ihre Kraft auf, um ihre Schüler vorwärts zu bringen, und der Erfolg, den sie erzielten, war die beste Empfehlung für die neue „internationale Sprachschule“, wie die Freunde ihr Unternehmen genannt hatten.

Mit Herrn Beelitz hatten sie einen Vertrag abgeschlossen, durch den sie sich verpflichteten, ihm drei Prozent des Reingewinns abzugeben. Dafür erlaubte er ihnen, sich seiner Methode zu bedienen, und ging ihnen auch im übrigen mit seinen Erfahrungen und Kenntnissen an die Hand. Erwin unterrichtete im Deutschen, während Schuckmann, der in seinem Elternhaus schon als kleines Kind das Französische wie seine Muttersprache sprechen gelernt hatte, die französischen Stunden übernahm. Klara aber empfing die sich anmeldenden Schüler, besorgte das Geschäftliche und gab auch selbst in einigen Kinderklassen Unterricht. Mit Beginn des zweiten Vierteljahres waren es schon sechzig Schüler für die beiden Sprachen und der Fortbestand der Schule war gesichert.

Damit hatten auch Erwin und Klara endlich das Ziel ihrer Wünsche erreicht. Die Hochzeit fand in Wagners Wohnung statt und wurde fröhlich, aber in schlichter Weise gefeiert. An dem Essen, das nach der Trauung die Gäste vereinigte, nahm auch der gute Jänicke theil, der sich durch die Einladung sehr geehrt fühlte, anfangs jedoch mit einigen Beklemmungen zu kämpfen hatte. Erst nach dem vierten Glas kam auch über ihn eine behagliche Feststimmung, und als die ihm gegenübersitzende, von Glück und Schönheit strahlende junge Frau ihm freundlich zunickte, da faßte er sich ein Herz und erhob sein Glas. „Auf eine lange, glückliche Ehe, Frau Leitnant!“

Am nächsten Tage kam ein Brief aus der Heimath an, der die Freude der Neuvermählten vollendete. Erwins Eltern, denen er seine Schicksale mitgetheilt hatte, mit der Bitte, ihm zu verzeihen und ihren Segen zu seiner bevorstehenden Hochzeit zu geben, sandten ihre herzlichsten Glückwünsche. Eine Stelle in dem Schreiben des alten Majors war es besonders, die Erwins Herz höher schlagen machte.

„Aus Deinen Mittheilungen sehe ich, mein lieber Junge,“ so schrieb sein Vater, „daß Du auf dem Wege bist, ein ganzer, ein rechter Mann zu werden. So wollen wir denn die alten Wunden nicht mehr aufreißen und das Vergangene begraben sein lassen. Die harte Lehrzeit, die Du drüben durchgemacht hast und die nun wohl zum Abschluß gelangt ist, wird, so hoffe ich, gute Früchte für Dein ganzes zukünftiges Leben reifen. Du wirst einsehen gelernt haben, daß das Glück des Lebens nicht in äußeren Genüssen zu suchen ist, sondern in strenger, treuer Pflichterfüllung, in dem Bewußtsein, das Rechte zu thun. Dein neuer Beruf ist gewiß ein schöner, denn Du hilfst, dem Deutschthum im fremden Lande neue Freunde gewinnen. Im übrigen weißt Du, daß ich bei aller Liebe für den Soldatenstand nie zu denen gehört habe, die auf alle andere Arbeit mit Hochmuth herabsehen. In meinen Augen ist jeder, der seinen Beruf ehrlich ausfüllt, ein achtungswerther Mann. Zu Deiner Wahl aber sende ich Dir aus vollem Herzen meinen Segen. Was Du uns über Deine Braut mittheilst, hat uns allen ein warmes Interesse für sie eingeflößt. Daß sie das Herz auf dem rechten Fleck hat, geht schon aus dem Brief hervor, den sie Deinen Zeilen beifügte. Sie wird Dir eine gute Frau sein, und so heiße ich, heißen Deine Mutter und Deine Schwestern sie als Mitglied unserer Familie aufrichtig willkommen. Wir alle werden sie, wenn Deine Verhältnisse es Dir einmal erlauben, sie uns persönlich zuzuführen, mit offenen Armen aufnehmen.“

„Bist Du zufrieden, Geliebte?“ fragte Erwin, nachdem er diese Worte vorgelesen hatte.

Da warf sich Klara in seine Arme, und während sich ihre Augen mit Thränen der Freude füllten, sprach sie leise: „O Erwin, ich bin die stolzeste, die glücklichste Frau der Welt.“


Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Jugendzeit.

Plauderei von Emil Roland.

Wir sprachen wie so oft, wenn alte Leute beisammen sind, von der Jugendzeit.

Mein Nachbar hatte seinen Enkel mitgebracht, ein blondes Bürschchen, dem die unbeirrteste Siegesgewißheit aus den Augen sah und zugleich jene anmuthende Unbefangenheit der noch nicht ausgelernten Lebenskünstler. Wir neckten ihn, wenn er mit seinen jungen unvorsichtigen Lippen etwas recht Altkluges gesagt hatte. Es zuckte auch jemand ungeduldig die Achseln, als er einmal eine so unfehlbare Weisheit aussprach, wie man sie einem Greise gerade noch verzeiht. Eines aber stand fest – beneiden thaten wir ihn alle.

Die Stimmung wurde bald ein wenig sentimental: es ist ein verfängliches Gebiet, die Jugendzeit!

„Merkwürdig!“ sagte ein alter Herr mir gegenüber, „Erinnerungen werden ein eigen Ding, sobald die Jugend hinter uns liegt. Ob es nicht besser wäre, wenn man sie vergessen könnte, jene schönste Vergangenheit, die nie wieder eine Gegenwart hat? Mir scheint es meist mehr schmerzlich als beseligend, sich jener Zeit der süßen Thorheit zu erinnern. Ich wollte, ich wüßte gar nicht mehr, daß auch ich einmal jung und thöricht war.“

[833]

Weihnachtspost.
Nach einem Gemälde von L. Blume-Siebert.

[834] Wir anderen lächelten – es lebten in unserem Kreise noch ein paar unverschollene Geschichten aus der Zeit seiner Thorheiten.

Nur einer, Hans Hartenstein, blieb ernst – er, den wir insgeheim des Dichtens bezichtigten, der ein ziemlich mittelmäßiger Beamter, aber menschlich gerechnet von bester Sorte war, Hans Hartenstein, den man neulich vergebens auf dem Schöffengericht erwartete, nach dem man Boten über Boten schicken mußte wie der Herr nach dem Jockel und der indes, zeitvergessen in das selige Frühlingsblau hineinträumend, an einem Waldrain im Grase lag und der ersten Lerche ihre ägyptischen Reiseerlebnisse abfragt. Der Mai kam ja ins Land; da konnte Hans Hartenstein doch nicht aufs Schöffengericht kommen!

„Würden wir unsere Erinnerungen hingeben,“ sagte er feierlich, „so rissen wir ja unserem Leben die beste Blume aus – dann bliebe ja nichts übrig als traurige dunkle blüthenlose Erde.“

Wir stimmten ihm bei. Der junge Enkel lächelte ein wenig mitleidig; man sah ihm an, daß er uns alle seltsam kindisch fand im Vergleich zu ihm, dem Achtzehnjährigen. O, du glücklicher Enkel!

„Das hat mich oft seltsam berührt,“ fuhr Hans Hartenstein fort, „wie selbst in den härtesten verknöchertsten Menschen unerwartet, unaufhaltsam Augenblicke aufleuchten in denen plötzlich das Spiegelbild der Jugend flammt. Meist ist es ein Zufall, der sich auf solches Feuerwerken versteht – aber wunderbare Reflexe sind es, und ob sie noch so schnell vergehen, für den Augenblick haben sie etwas Rührendes, Verschönendes, gleichsam ein geistiges Centrallicht, das minutenlang alles Gewöhnliche von einer Persönlichkeit herabtäuschen, sie förmlich verklären kann.

Ich fuhr einmal im Nachtschnellzug quer durch die Heimath; da hab’ ich solch ein plötzliches Wachwerden einer halbvergessenen Jugend mit angesehen.

Die blaue Schirmkappe verschleierte das Licht im Wagen. Ich sah für Stunden nicht, wer mir gegenübersaß. Was ging es mich auch an? Reisegefährten sind heutzutage füreinander nichts als bewegliche Nullen, denen man höchstens die Anmaßung übelnimmt, daß sie überhaupt eine Ausdehnung besitzen.

Da dämmerte grau und verschlafen der fahle Morgen herauf. Unser Licht verlor auch den letzten Schein, und durch die Fenster starrte der werdende Tag, blaß und verträumt wie jemand, der erwachen will und doch die Augen nicht öffnen kann.

Der Zug hielt. Irgend ein Name wurde gerufen. Da schnellte plötzlich ein dickverpackter Herr aus dem Schlummer auf. Ein rothes Gesicht fuhr an das Fenster, dieses flog herab, daß ein kalter schneidender Wind hereindrang, und der rücksichtslose Reisende rief auf den leeren Bahnsteig hinaus: ,Was? Liebenau? Liebenau in Baden?‘

In derselben Sekunde schon schnob der Eilzug davon. Eine ebenfalls aufgeschreckte Dame zog den Störer der nächtlichen Ruhe drohend auf seinen Platz zurück.

‚Aber Mannerl!‘ rief sie auf gut Schlesisch, ‚denkst Du denn gar nicht an die Herrschaften hier?‘

Nein, an die hatte das ‚Mannerl‘ nicht gedacht, Sein Blick hing immer noch wie gebannt an der dem Nebelgrau entsteigenden Stadt, die nun wie ein bleiches Bild an dem nächtigen Zuge vorüberschwand, und noch ehe er es mir sagte, wußte ich bereits, daß er dort einmal jung gewesen war, jung und glücklich.

‚Mein Gott; da wächst ja lioch immer die Tanne aus dem Schloßthurm heraus!‘ murmelte er halb für sich. ,Und die Stadtmauer – der Epheu liegt noch so dicht wie damals über ihr! Und dort das Haus mit dem Zackendach, da wohnte die kleine Anni – und da kommt ja auch die Wiese mit dem Schützenhaus!‘ Weiter sagte er nichts; irgendetwas schnürte ihm die Kehle zu, aber sein Athem klang fast wie Stöhnen, und die Hand, die den Wust der Reisedecken achtlos beiseite schob, griff in verdächtiger Hast nach dem Auge.

‚Aber Mannerl, Du könntest doch wenigstens um Entschuldigung bitten! Das ganze Coupé ist ja aufgewacht!‘ drängte die Frau vorwurfsvoll, und nun that er’s denn auch mit verwundertem Gesicht. Natürlich begriff er gar nicht, wie jemand ungehörig finden konnte, was er gethan! Und doch sahen ihn die Augen eines jungen Reisenden in Seife sehr vernichtend an und bewiesen ihm mit deutlichen Blicken seine Ungehörigkeit.

‚Ich – ich bin nämlich dort auf die Schule gegangen, drei Jahre lang, die besten Jahre!‘ schloß er, zu mir gewendet. ,Ich wußte gar nicht, daß die Fahrt an Liebenau vorbeiging und da – da kam es über mich – die Jugendzeit!‘

Er fühlte, daß ich ihn verstand.

Bald dämmerten der Reisende und die Schlesierin wieder ein – er aber fand keinen Schlaf mehr. Seltsam genug sah er zwar aus mit seiner orientalischen Reisemütze, dem Luftkissen im Rücken und den zahllosen gehäkelten Decken und Tüchern; aber sein Blick behielt noch stundenlang eine geheime Weihe bei. Es zog in diesem Blicke herauf, was vielleicht vor Jahren darauf geleuchtet hatte, ehe die Jugend vorbei, ehe er an seine Schlesierin und in die zimperliche Verhätschelung jener Deckenmenge gekommen war. Das Bild der Heimath, der graue fahle Nebelschleier, aus dem die vergessenen Dächer eines seligen Thals den Vorübersausenden gegrüßt hatten, stand ihm vor den Augen und strahlte aus ihnen zurück.

Das ,Mannerl‘ war plötzlich für mich aus einer reisenden Null zu einem Menschen geworden.“

Der Erzähler schwieg. Wir fühlten alle den Sinn der kleinen Geschichte nach, nur der Enkel spielte unaufmerksam mit Brotkrumen.

„Mich wundert, daß das ‚Mannerl‘ nicht geweint hat!“ meinte jemand. „Ich denke mir, die Thränen müßten einem aus den Augen stürzen, und in solchem Falle wäre es ja wohl fast erlaubt. Die Erinnerung entschuldigt vieles.“

„Ja,“ sagte Hans Hartenstein, „es werden auch oft genug Thränen um solche Dinge geweint. Da war auf einem Lloyddampfer, der nach der Neuen Welt fuhr, ein junger zerlumpter Mensch im Zwischendeck, einer jener sonderbaren Vagabunden, bei denen man zuweilen zweifelt, ob es wirklich herabgekommene Thunichtgute sind oder verkappte Prinzen, denen die Lumpenrolle Spaß macht. Er hatte immer ein Lachen auf dem Gesicht und war, glaub’ ich, der einzige, der im Zwischendeck zu lachen verstand.

An dem Nachmittag nun, als der Länderstreif, dem die Fahrt zuging, über den Wellen aufschimmerte, grüßte jeder die neue Scholle der neuen Illusionen mit einem leisen Ausruf, einem Seufzer oder einem lauten Jauchzen. Die Kapelle spielte auf dem Verdeck der ersten Kajüte lustige Weisen, oben war alles Freude und Bewegung.

Da sah ich vom Geländer herab den jungen Vagabunden vor einem alten grauen Menschen stehen, der mühsam eine Drehorgel aus ihrer Umhüllung löste, seinen Talisman, an den er seine Hoffnungen in der Neuen Welt knüpfen wollte. Der rüstige Kerl half ihm lachend und machte allerhand Späße dabei. Schließlich bat er den Alten, daß er ihm eins aufspielen solle, ihm allein, nur ein paar Takte!

Und der Alte begann zu drehen. Da, während von oben eine tolle Tanzweise herabrauschte, von unten das Meer heraufgrollte und hinter dem Bug des Dampfers blendend die ersehnte Welt emporstieg, das glänzende New York und die breiteinströmende Fluth seines Stromes – da ertönte mit einem Male leise anschwellend, an ein fernes verklungenes Einst gemahnend, die Melodie ‚Lang, lang ist’s her!‘

Und plötzlich lachte der Vagabund nicht mehr. Er sah ins Weite, nicht auf das schillernde Meer, nicht auf den Himmel, sondern nach etwas, das sein leibliches Auge nicht zu schauen vermochte, und dann sank er auf einen Koffer, der in seiner Nähe stand, legte die Arme auf den Schiffsrand und schluchzte leise zu dem Brausen des Oceans hinab. – Wer weiß, wo er das Lied zuletzt gehört hatte, wo es ihm einst zuerst gesungen worden war! Ob ihn der Sinn des Liedes ergriff oder die sanfte schwermuthtrunkene Melodie?

Ich erfuhr vom Steuermaun den Namen jenes Menschen. Mehrere Wochen später kam mir dieser Name wieder vor das Auge. Durch die New Yorker Blätter ging in jenen Tagen die Nachricht von einem großen Diebstahl. Eine der bedeutendsten Banken war im Spiel. Zweier Verbrecher war man bereits habhaft, der eine hieß – da las ich jenen Namen wieder.

Natürlich, er war ein Verbrecher, ich zweifelte nicht daran, und doch – ein kleiner unberührter Theil mußte in seiner Seele gewesen sein, eine reine Saite, auf der das alte Volkslied seinen melancholischen Widerhall gefunden.

Selbst verhärtete Herzen entziehen sich nicht ganz dem nachklingenden Zauber der Jugendzeit.“

Hans Hartenstein schwieg. Auch wir andern sprachen kein Wort. Ich schaute verstohlen nach dem Enkel hin, dem einzigen, dem die beneidete Jugendzeit, die für uns alle nun ein verschlossenes Paradies war, noch mit offenen Thüren winkte. Er gähnte verstohlen in die Fläche seiner linken Hand und sah heimlich auf seine neue, mit den modernsten Verbesserungen ausgestattete Uhr. „Ich begreife aber doch nicht,“ sagte er plötzlich tadelnd, „wie der Mann über das Lied weinen konnte! Weinende Männer sind immer unschneidig.“

Wir lächelten alle. Ich aber dachte noch einmal: „Du glücklicher Enkel!“


[835]

Befördern Kaffee und Thee die Verdauung?

Nach dem Mittagsmahl ein Täßchen Kaffee – das ist bei uns längst Sitte geworden und viele loben diesen Brauch, indem sie meinen, daß der Kaffee verdauen hilft. Andere widersprechen dieser Ansicht und jeder glaubt, aus Erfahrung reden zu können. Es ist nicht so leicht, in diesem Streit der Meinungen den Schiedsrichter zu machen; denn genaue Untersuchungen über den chemischen Einfluß, welchen so gewöhnliche Getränke wie Kaffee und Thee auf die Verdauung ausüben, lagen bisher nicht vor. Erst in allerjüngster Zeit hat Schultz-Schultzenstein in der „Zeitschrift für physiologische Chemie“ die Ergebnisse einer Arbeit veröffentlicht, die geeignet ist, in dieses Dunkel einiges Licht zu werfen.

Der geschickte Chemiker bereitete aus der frischen Schleimhaut des Schweinemagens einen Auszug, der dem natürlichen Magensaft sehr nahe kam, und ließ ihn in Glasgefäßen gekochtes Hühnereiweiß verdauen. Das brachte der Saft wohl fertig, indem er im Laufe von 8 Stunden 94% der Eimasse in verdautes Eiweiß verwandelte. Hieraus bereitete Schultz-Schultzenstein aus 100 kbcm Wasser und 12 g gebrannter Kaffeebohnen eine Kaffeeabkochung und aus 100 kbcm Wasser und 6 g schwarzen Tees eine Theeabkochung und setzte davon entsprechende Mengen dem Magensafte zu. Jetzt war das Ergebniß der künstlichen Verdauung ein anderes: bei Kaffeezusatz wurden nur 61% und bei Theezusatz nur 66% der Eiweißmasse verdaut. Daraus geht hervor, daß die Abkochungen der beiden Genußmittel den chemischen Prozeß der Verdauung in erheblichem Maße beeinträchtigen. Diese Ergebnisse bestätigen die Erklärungen, welche von gut beobachtenden Aerzten im praktischen Leben gemacht wurden und die wir zu Nutz und Frommen aller Kaffee- und Theetrinker unter unseren Lesern kurz beleuchten möchten.

Fassen wir zunächst den Kaffee ins Auge, der für den Deutschen viel wichtiger ist als der Thee. In der Kaffeebohne ist eine Menge verschiedener Stoffe enthalten, von denen jeder auf unseren Körper besonders einwirkt. Doch können wir uns auf die wichtigsten beschränken. Zunächst kommt das Coffein in Betracht, welches die Herzthätigkeit hebt, in kleinen Mengen einen wohlthätigen anregenden Einfluß hat, in größeren aber als Gift schädlich wird. Ferner enthält die gebrannte Kaffeebohne aromatische Stoffe, die vor allem auf das Nervensystem einwirken und jene Belebung der Phantasie erzeugen, die so oft dem Kaffeegenuß nachgerühmt wird. Drittens ist in der Bohne noch ein bitterschmeckender, zusammenziehender Körper, der sogenannte „Gerbstoff“, vorhanden; von ihm weiß man, daß er sich mit Eiweißstoffen zu unlöslichen und sehr schwer verdaulichen Verbindungen vereinigt.

Diese drei Hauptstoffe müssen wir stets im Auge behalten, wenn wir die Wirkung einer Tasse Kaffee beurtheilen wollen. Ihre Menge im Kaffee ist großen Schwankungen unterworfen und hängt auch von der Art der Zubereitung ab, denn diese Hauptstoffe lösen sich nicht gleichmäßig in heißem oder kochendem Wasser auf. Nehmen wir gepulverte Kaffeebohnen und übergießen sie mit siedend heißem Wasser, das sofort abläuft, dann bereiten wir einen Kaffeeaufguß; in diesem finden wir die aromatischen Stoffe, wenig Coffein und fast gar keinen Gerbstoff gelöst. Lassen wir aber das Kaffeepulver im heißen Wasser eine Zeitlang kochen, so ändert sich die Zusammensetzung des Getränkes. Die aromatischen Stoffe werden durch die Hitze verflüchtigt und entweichen mit den Dämpfen; es löst sich mehr Coffein im Wasser auf und, je länger das Kochen dauert, auch um so mehr Gerbstoff. Diese dunkle bittere Lösung ist dann eine Kaffeeabkochung. Man behauptete schon lange, daß sie durch ihren Gerbstoffgehalt den Verdauungsprozeß hemme, und diese Behauptung erhält, wie wir gesehen haben, durch die Untersuchungen von Schultz-Schultzenstein eine neue Stütze.

Die Wirkung des Kaffeeaufgusses es ist eine ganz andere. Der Gerbstoff fehlt in ihm, das Coffein ist mir in geringen Mengen vorhanden, vor allem kommen die aromatischen Stoffe zur Geltung, die das Nervensystem anregen. Dem Kaffeeaufguß rühmen Magenärzte eine die Verdauung befördernde Wirkung nach, aber sie ist keine chemische, sie würde sich in einem mit Magensaft gefüllten Glase nicht nachweisen lassen, sondern eine physiologische. Mit anderen Worten gesagt: der Kaffeeaufguß verdaut nicht die Speisen, er reizt nur die Magennerven, so daß der Magen mehr Saft ausscheidet, energischer arbeitet.

Wenden wir uns dem Thee zu, so finden wir hier eine ganz ähnliche Zusammensetzung. Auch in den Blättern des Thees sind Coffein, auch „Theein“ genannt, aromatische Stoffe und ein Gerbstoff vorhanden. Wir müssen also, was die Wirkung anbelangt, beim Theetrinken gleichfalls zwischen Theeaufguß und Theeabkochung unterscheiden.

Die Sache ist einfach. Wer auf dem Marsche seinen Körper stärken will, der braucht das Coffein und dem wird eine Kaffeeabkochung gute Dienste leisten. Wer aber nach einem reichlichen Mahle seinem Magen einen Peitschenhieb versetzen und auch seine stumpfer gewordenen Nerven aufregen will, dem wird der Kaffeeaufguß zu empfehlen sein. Allerdings paßt die Regel nicht auf alle; denn es giebt eine schier unendliche Stufenleiter in der Empfindlichkeit der menschlichen Nerven, und was dem einen an Aroma behagt, macht den anderen ohnmächtig. So muß man auch im Kaffeegenuß, namentlich aber im Trinken eines voll aromatischen Aufgusses „individualisieren“, d. h. jeder muß sich nach seinen eigenen Verhältnissen richten.

Die oben dargelegten Grundsätze sind einfach und klar, aber sie werden selten im praktischen Leben befolgt, und gerade am Schluß des Mittagstisches pflegt eine möglichst starke Kaffeeabkochung gereicht zu werden. Solche Mittel zur Förderung der Verdauung sind bei gesunden Menschen unnöthig; ein gesunder Magen verdaut alles, mit und ohne Kaffee; erst wenn der Magen schwach geworden ist, pflegen die Menschen nach der Verdaulichkeit der Speisen und Bekömmlichkeit der Getränke zu fragen. C. Falkenhorst.     



Blätter und Blüthen


Das erste Urtheil über Anzengrubers „Meineidbauer“. Anfangs der siebziger Jahre wurde Anzengruber zu einer Festvorstellung des „Pfarrers von Kirchfeld“ nach Graz geladen, Als ihm dort Rosegger, der sich ihm in jugendlicher Begeisterung anschloß, auf einem Spaziergang nach dem waldigen Mariagrün vorschwärmte, es würde ihm niemals ein besseres Volksstück gelingen, antwortete der Wiener gelassen, „ich werde ein noch größeres schreiben“. Denn schon stand ihm die dämonische Gestalt des Matthias Ferner vor Augen, der nach dem Tod seines erstgeborenen Bruders vor Gericht schwört: das Testament, in dem die unehelichen Kinder des Gestorbenen zu Erben eingesetzt wurden, „sei nicht da“, d. h. in der vom Aufbewahrungsort meilenweit entfernten Gerichtsstube. Heimgekehrt, verbrennt der „Meineidbauer“ das Testament, wird aber dabei von seinem zwölfjährigen Sohn Franz überrascht, den er nun um jeden Preis unschädlich machen will. Er schickt den Jungen in die Stadt, wo er „geistlich“ werden soll, um dem Vater dereinst in der letzten Stunde die Beichte zu ersparen und vollen Ablaß zu gewähren. Statt dessen bildet sich Franz dort nach dem Wunsch seiner Großmutter zum Landwirth aus, der das Gut des „Meineidbauers“ in eigenen Betrieb übernehmen will. Der Alte fürchtet den Jungen als seinen grimmigsten und gefährlichsten Gegner, ja, er hält ihn der Frevelthat fähig, der Angeber des eigenen Vaters zu werden. Im Wahn, daß Franz sich eines Schriftstückes bemächtigt habe, das die Schuld des Meineidbauers schwarz auf weiß erhärtet, verfolgt er den Sohn in stürmischer Wetternacht bis in die weltabgeschiedene Schwärzerschlucht, von deren schwankendem Steg er den Fliehenden nach einem wilden Wort- und Ringkampf herunterschießt. Franz indessen wird nur verwundet und durch die Schwärzer gerettet, während der alte Ferner bald nach seiner That unter den durch ein zufälliges Wort aufgerührten Qualen seines Gewissens zusammenbricht und stirbt.

Der sittliche Ernst, der das geniale Werk durchwaltet, hat von Anfang an die Bewunderung der Kenner gefunden. „Mit packender Kraft,“ so schrieb Berthold Auerbach 1878 in seinen „Dramatischen Eindrücken“, „weiß der Dichter die Geschichte des Meineids zu erzählen – alles von Scene zu Scene gegipfelt, wie breit und in festen Quadern der Unterbau, und immer eine Spannungskraft, die wahrhaft staunenerregend.“ So verständige Anerkennung wurde dem Dichter aber nicht von Anfang an zu theil; der erste Mann, dem Anzengruber das Stück im November 1871 zu lesen gab, ein ehrenfester, namhafter Altwiener Schriftsteller, „ging nicht auf Eine Intention, auf Eine Charakterzeichnung ein. Ich habe den Schmerz erlebt“ – so schrieb unser Dramatiker damals an Rosegger – „mich von einem Mann, den wir beide schätzen, nicht verstanden zu sehen. Ich saß eine halbe Stunde vor ihm wie ein Schulbub, dem ein Professor das Pensum korrigiert, wie ein litterarischer Bettler. So ließ er mich sitzen – eine peinvolle halbe Stunde“.

Aus der ersten, gelinden Verzweiflung über dies unverständige Urtheil, das sein tragisches Meisterwerk traf, befreite Anzengruber erst ein enthusiastischer Brief Roseggers, der dem Wiener Freunde jubelnd zurief, er habe das Beste gewollt und vollbracht. „Wie ein Lichtstrahl kam Ihr Schreiben in mein verstimmtes Gemüth – da jauchzte ich auf! Verstanden! Ihr Urtheil gilt mir in einem und allem für maßgebend, mag der äußere Erfolg dieses Stückes wie immer sein!“ Nun denn, der Erfolg hat mittlerweile gegen den grämlichen Wiener Tadler dem Urtheil des steirischen Volksdichters recht gegeben.

Der „Meineidbauer“ gehört zu den Schmuckstücken der deutschen Volksbühne. Und die Meisterspieler des Burgtheaters, allen voran die von Heinrich Laube entdeckte Katharina Schratt, zur Stunde wohl die erste deutsche Volksschauspielerin, haben ihre ganze reiche Kraft eingesetzt, um dies „wahrhaft bedeutende, gut und sittlich wirkende Volksstück“, das die Verkettung von Schuld und Sühne nach Roseggers Wort in dem Leben des „Verbrechers aus dem Volk“, des Meineidbauers, dichterisch überzeugend, menschlich versöhnend dem Gedächtniß in unvergeßlichen Gestalten einprägt, in würdiger Darstellung auf der Nationalbühne von Kaiser Joseph zu vergegenwärtigen. --o--     

Neue Vorlagen für Majolika- und Porzellanmalerei. Daß etwas Tüchtiges herauszukommen pflegt wenn wirkliche Künstler ihren Pinsel in den Dienst des Kunstgewerbes stellen, davon legt wieder einmal das vorliegende Werk Zeugniß ab, welches sich in glücklicher Besonderheit aus der Menge der anderen Porzellanmalvorlagen heraushebt. Der Gedanke, daß die soviel reizvollere Majolikatechnik noch sehr arm an solchen Vorlagen ist, war die Veranlassung zur Entstehung, und vier Persönlichkeiten der frisch aufstrebenden Karlsruher Kunstgemeinde haben sich zur Herstellung verbunden, indem jeder sein Eigenstes und Bestes gab: Franz Hein, der bedeutende Aquarellist, reizende farbige Köpfe und Figuren zu Zierschüsseln und Tischplatten, der bekannte Landschafter Gustav Kampmann feingestimmte Marine- und andere Bilder in Delfter Blau, Otto Fikentscher, der Spezialist in humoristischen Thierbildern, Teller und Schalen mit köstlichen Käferversammlungen und Froschidyllen. [836] Die Herausgeberin endlich, Irene Braun, hat einen Reichthum von elegant und phantasievoll gemalten Majolikavasen, Schalen, Tellerchen und Kannen in Meißner und japanischer Art beigesteuert und außerdem noch als Vorwort eine gut geschriebene Auseinandersetzung über die Technik, die Farben und ihre Anwendung hinzugefügt.

Auf sämtlichen Blättern ist neben der künstlerischen Formenschönheit und reizvollen Darstellungsweise die praktische Brauchbarkeit im Auge behalten, bei den Gefäßen, Tellern, Krügen etc. sind die überall vorkommenden oder leicht erhältlichen Formen zu Grunde gelegt. Eigene Konturblätter erleichtern das Auftragen der Zeichnung für ungeübtere Hände.

Die Ausstattung der Mappe seitens der Verlagshandlung (Bassermann in München), besonders die Reproduktion der Bilder ist ganz vorzüglich. Man glaubt, die Aquarelle selbst in der Hand zu haben, wo jeder Ton und jede Form genau so hingesetzt ist, wie sie am fertigen Gegenstand herauskommen sollen. Wer die charakterlose Verschwommenheit mancher Vorlagenhefte kennt, weiß, was dies für den Unterricht bedeutet.

Bei dem künstlerischen Werth des verhältnißmäßig sehr billigen Werkes, das sowohl im ganzen, als in einzelnen Heften abgegeben wird, glauben wir, unsere majolikenmalenden Leserinnen ganz besonders darauf aufmerksam machen zu sollen.

Alexander Graf von Hartenau †. In jugendlichem Alter ist er ein stiller Mann geworden, der kühne Prinz Alexander von Battenberg, der einst das Volk der Bulgaren zu Sieg und Einheit führte, dann, als Rußlands Ungnade ihn seinen Thron im Balkanlande gekostet, sich mit Würde in das Unvermeidliche fand und sich eine neue Thätigkeit schuf. Der glänzende Aufstieg dieses Mannes vom einfachen Prinzen aus einer hessischen Nebenlinie zum regierenden Fürsten von Bulgarien ist bei früherer Gelegenheit in der „Gartenlaube“ erzählt worden (Jahrg. 1885, Nr. 52). Nach seiner Abdankung hatte er sich (1889) ganz zurückgezogen von der Welt, war in die Dienste der österreichischen Armee getreten und hatte sich mit der Sängerin Johanna Loisinger verheirathet – damals war’s auch geschehen, daß er seinen Namen änderte und ein einfacher „Graf von Hartenau“ wurde. Schlecht und recht hatte er so zu Graz sein Dasein genossen als österreichischer Offizier, in glücklichem Familienleben – bis die schwere Krankheit, eine Darmentzündung, bei ihm einzog, die am 17. November seinem Leben ein Ziel setzte. Er war erst 36½ Jahre alt und hinterläßt außer seiner Witwe einen 3 Jahre alten Sohn und ein Töchterchen von wenigen Wochen. Die Welt aber wird vielleicht bald den Grafen Hartenau, nicht so rasch jedoch den „Battenberger“ vergessen.

Alexander Graf von Hartenau † 17. Nov. 1893.
Nach einer Photographie des k. u. k. Hofateliers
von F. Mayer in Graz.

Nervöse Hunde. Jüngst hat der berühmte französische Irrenarzt Féré höchst eigenartige Beobachtungen an Hunden gemacht, aus welchen man beinahe den Schluß ziehen möchte, daß Hunde geisteskrank werden können.

Es ist bekannt, daß nervöse Leiden in gewissem Sinne ansteckend, übertragbar sind. Unter Kindern entstehen oft förmliche Epidemien von Veitstanz oder hysterischen Anfällen; ebenso oft wurde beobachtet, daß Menschen, die mit Geisteskranken dauernd verkehren, in derselben Art geisteskrank werden können. Féré theilt uns mit, daß Hunde in ähnlicher Weise durch den Verkehr mit ihren leidenden Herren an einem Nervenleiden erkrankt sind.

Es handelt sich dabei um ein bestimmtes, sehr charakteristisches Leiden, das den Uebergang der Nervosität zur Geisteskrankheit bildet. Nervöse Menschen sind in der Regel unruhig und ängstlich, und nicht selten nimmt das Angstgefühl bestimmte Formen an, die zuweilen als „Zwangszustände“ das Seelenleben der Kranken beherrschen. Eine dieser Formen ist z. B. die Berührungsfurcht; der Kranke wagt nicht, gewisse Gegenstände zu berühren, indem er glaubt, daß sie ihm Schaden bringen, ihn verletzen oder vergiften würden.

Eine andere, namentlich bei geistig Ueberangestrengten häufig vorkommende Form ist die „Platzangst“ oder „Agoraphobie“. Der Kranke befindet sich anscheinend ganz wohl und betritt einen großen Platz oder eine geräumige Kirche. Mit einem Male fühlt er sich von unnennbarer Angst erfaßt, er zittert, Schweiß bedeckt seine Stirn; der weite freie Raum wirkt auf ihn unheimlich ein; er kann nur mit Mühe, auf seinen Stock sich stützend, über den Platz wegschreiten, oder er sucht ihn zu umgehen, indem er sich an den Mauern der ihn umgebenden Häuser vorwärts tastet.

Féré hat nun beobachtet, daß einige Luxushunde, die in stetem Verkehr mit „platzscheuen“ Kranken sich befanden, schließlich selbst platzscheu wurden. Auf der Straße hielten sie sich dicht an der Mauer und geriethen in Angst und Zittern, wenn sie den Fahrdamm überschreiten mußten. Féré bemerkte bei ihnen als ein besonderes Zeichen der Furcht auch ein plötzliches Austrocknen der Nasenschleimhaut.

Diese Hunde genasen, wenn man sie von ihren kranken Herren oder Herrinnen trennte, wurden aber rückfällig, wenn man sie zu den Kranken zurückführte. So scheint die Nervosität, die schlimme Plage des neunzehnten Jahrhunderts, selbst das Hundegeschlecht nicht zu verschonen.

Ein neues Werk von Allers. (Zu den Bildern S. 821 und 825.) Vor Jahresfrist haben wir den Lesern von C. W. Allers erzählt, von seinen Malerfahrten, von seiner liebenswürdigen Art, sich zu geben, von seinen Werken und Erfolgen, von seinem Haus in Karlsruhe, seiner Burg am Rhein und seiner Villa auf der Insel Capri. Damals ging eben seine Bismarckmappe in die Welt und zeigte ihn als den glücklichen Meister der persönlichen Charakteristik – aber der Süden, der schöne Süden, die Villa auf der Punta Tragara haben ihn wieder in ihren Bann geschlagen, sein rastloser Stift mußte sich von Neuem an der Verherrlichung jenes klassischen Schönheitslandes genug thun und es entstand unter seinen Fingern ein neues Werk, das jetzt vollendet vor uns liegt: „La bella Napoli“, ein reicher Band voll Anmuth und Humor, wie der Boden, auf dem er erwachsen ist, ein treuer Spiegel von des Landes Naturpracht und Menschensitte. Allers selbst hat auch mit Walther Trede und Alexander Olinda zusammen den begleitenden Text geliefert. Statt aller Worte zeigen wir dem Leser zwei Proben: das unvergleichliche Sorrent, Neapels malerisches Gegenüber an dem prächtigen Golfe, und – eine hübsche Nachbarin von Allers, „La bella Mariuccia da Anacapri“, einen echten Typus kapresischer Frauenschönheit. Diese beiden Bilder mögen einen Begriff geben von den Reizen, welche das stattliche Werk umschließt, von den Schätzen, welche der Unerschöpfliche dem unerschöpflichen Boden abgewonnen hat.

Federn sammelnde Kinder bei den Gänseherden zu Rummelsburg. (Zu dem Bilde S. 829.) Rummelsburg, der westliche Vorort von Berlin, ist besonders in den Monaten September bis Dezember der Schauplatz eines eigenartigen Erwerbszweiges. Während der genannten Zeit werden dort fast täglich Tausende von Gänsen ausgeladen, die, vom Lande herbeigeführt, dazu bestimmt sind, den Bewohnern der nahen Riesenstadt als leckerer Braten zu dienen. Scharen armer Kinder, die aus Berlin herbeigeströmt sind, folgen den Gänseherden, wenn sie zu weiterem Transport hierhin und dorthin getrieben werden, und sammeln die Federn, welche die Thiere verlieren.

Je nach der Güte der Ware erhalten diese Kleinen von den Berliner Händlern 50 Pfennig bis 2 Mark für das Pfund Federn und schaffen sich so einen verhältnißmäßig sehr lohnenden Verdienst.

Aufforderung. Die Rechtsnachfolger des verstorbenen deutsch-amerikanischen Schriftstellers Herrn Carl Pflaume ersuche ich, sich bei mir zu melden, um ihnen ein Resthonorar von 50 Mark, welches nachträglich für ein mir seinerzeit zur Verwerthung anvertrautes Romanmanuskript eingegangen ist, ausliefern zu können.

Berlin, Hohenzollernstr. 12. Friedrich Spielhagen.     


Kleiner Briefkasten.

Albertine F. in G. Wer der Erfinder der Stahlfeder war? Genau wird Ihnen das niemand sagen können, denn ihre Einführung ist nicht als einzelnes Ereigniß im Gedächtniß der Mitwelt haften geblieben. Soviel nur ist sicher, daß schon in den zwanziger Jahren in Birmingham der Versuch gemacht wurde, an die Stelle der rasch abgenutzten Gänsekiele Federn von Metall zu setzen, die indessen mit dem Federhalter eins waren und sehr mühsam durch Handarbeit hergestellt werden mußten. Der Preis war ein entsprechend hoher, fünfzehn Schillinge, also mehr als ebensoviele Mark. Wenn sich die Feder abstumpfte, so kostete es viele Mühe, sie wieder zu schleifen, der Gebrauch dieser neuen Stahlfeder konnte also kein allgemeiner sein. Erst im Jahre 1831 erfand ein Mechaniker Gillot in Birmingham eine Maschine zur Herstellung der Stahlfeder, nahm ein Patent darauf, und von dieser Zeit an schreibt sich die Fabrikation im großen und der immer steigende Verbrauch. Ganz allgemein eingeführt wurde die Stahlfeder bei uns in Deutschland erst gegen Ende der vierziger Jahre, die älteren unter uns haben alle noch die Kunst des Federschneidens erlernen müssen, von welcher die heutige Jugend keine Ahnung mehr hat, und manche der Alten schreiben heute noch mit dem Gänsekiel, weil sie sich nicht mehr an die „neue Feder“ zu gewöhnen vermochten!


[ Verlags-Werbung J. G. Cotta für „Cotta’scher Musen-Almanach“, 4. Jahrgang. ]


Inhalt:

[ Verzeichnis der Beiträge in Heft 49/1993. ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Drescher.
  2. füttern.