Die Gartenlaube (1887)/Heft 31
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No. 31. | 1887. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.
Der lange Holländer.
Es ist ein Unglück geschehen!" rief Edith aus, sobald sie Morrisson erblickte.
„Ich hoffe, nein,“ sagte Morrisson, ein wenig zögernd.
„Ach, sprechen Sie schnell!" bat Edith.
Morrisson erzählte nun kurz, was zwischen ihm und Büchner vorgefallen war, wobei er betonte, daß es seine Absicht sei, diesen nach seiner Wiederherstellung von Neuem zu beschäftigen. Büchner, so setzte er hinzu, habe das Komptoir zur gewöhnlichen Stunde, gegen fünf Uhr verlassen und dabei gesagt, er werde am nächsten Tage wieder kommen, um die Bücher seinem Nachfolger zu übergeben.
„Gott sei mir gnädig!“ murmelte Edith. Sie war todtenblaß, aber sie wurde nicht ohnmächtig. „Sind Sie in einem Wagen gekommen?“ fragte sie.
„Er steht vor der Thür,“ antwortete Herr Morrisson.
„Ach bitte, dann fahren Sie gleich nach der Polizei. Es müssen sofort Nachforschungen angestellt werden.“
„Es war meine erste Sorge, dies zu veranlassen, sobald Ihr Diener bei mir erschien. In diesem Augenblick sind bereits alle verfügbaren Polizeikräfte aufgeboten, um nach Herrn Büchner zu suchen, auch meine eignen Leute sind sämmtlich unterwegs.“
„Ich danke Ihnen,“ sagte Edith flüchtig. Sie trat an das Fenster. Es regnete in Strömen.
Sie kam wieder zurück, die gefalteten Hände auf der Brust, ein Bild des Jammers. „Was kann ich thun?" fragte sie.
„Sie können augenblicklich nichts thun als warten," erwiederte Morrisson milde. „Beruhigen Sie sich, meine liebe gnädige Frau; es ist noch kein Grund vorhanden, Schlimmes zu befürchten. Herr Büchner kann sich einfach im Klub verspätet haben.“
„Er geht nie in den Klub.“ Sie klingelte und sagte dem Diener, der schnell eintrat: „Eilen Sie zu Herrn Prati, suchen Sie ihn zu finden, wo er auch sein möge. Ich müßte ihn sofort sprechen!“
Dann ging sie in fieberhafter Aufregung im Zimmer auf und ab. Morrisson folgte ihren Bewegungen mit theilnehmenden Blicken.
„Ich will auf das Polizei-Amt fahren,“ sagte er endlich. „Sobald dort Nachricht eintrifft, bringe ich sie Ihnen.“
„Vielen Dank, vielen Dank! Bitte, thun Sie das.“
Gleich darauf vernahm sie das Geräusch des davonrollenden Wagens, aber nach wenigen Minuten schon kehrte derselbe zurück.
Sie öffnete das Fenster und sah Herrn Morrisson aus dem Wagen springen und durch den kleinen Garten dem Hause zueilen. Noch ehe er die Thür erreicht hatte, trat sie ihm schon entgegen. Er führte sie in das Haus zurück und rief ihr zu:
[502] „Sie können ganz ruhig sein. Alles ist in Ordnung!“ Sie athmete tief auf und seufzte leise.
„Aber erschrecken Sie nicht …“
„Sie täuschen mich!“ rief sie, plötzlich wieder auf das Aeußerste geängstigt. – „Was ist vorgefallen? Ich beschwöre Sie, sagen Sie mir das Schlimmste.“
„Es ist nichts Schlimmes vorgefallen, Frau Büchner. Hören Sied“ – Sie war zurückgetaumelt, einer Ohnmacht nahe. – „Frau Büchner, ich gebe Ihnen mein Wort, Ihr Mann lebt, er wird in wenigen Minuten hier sein, und morgen so gesund, wie er Sie heute verlassen hat. Es ist ihm ein kleiner Unfall zugestoßen, aber ohne jede bedenkliche Folgen. Ohne jede! Hören Sie? Aber nun seien Sie ruhig, bitte, seien Sie ruhig.“ Er nahm sie am Arm und führte sie in den Salon, wo sie leise weinend auf einen Sessel zusammenbrach.
„Was ist denn geschehen?“ fragte Edith nach einer kleinen Weile, noch immer weinend, aber durch die Versicherung, die Morrisson ihr gegeben hatte, augenscheinlich beruhigt.
„Nichts Erschreckliches, liebe Frau Büchner“ … Er lächelte gezwungen und verlegen „Ich fürchte … ich fürchte …“ fuhr er fort … „nun, Sie werden es ja selbst sehen, und es wäre unnütz, es Ihnen verheimlichen zu wollen … Ich fürchte, Büchner … Büchner hat sich betrunken.“
Sie nickte langsam mit dem Haupte. „Ich will lieber allein sein, wenn er ankommt,“ sagte sie nach einer kleinen Pause mit sanfter Stimme. „Ich danke Ihnen, Herr Morrisson.“
Dieser entfernte sich darauf schnell.
Nach einigen Minuten lag Büchner sinnlos betrunken auf dem Bette, wo ihn ein paar grinsende Kulis niedergelegt hatten: die Kleider besudelt, zerrissen, vom Regen durchnäßt, hilflos, die Haare wüst auf der bleichen Stirn, – ein Bild des Ekels noch mehr als des Jammers. Seine Augen waren halb geschlossen und er sah und vernahm nichts von dem, was um ihn her vorging.
Frau Edith schien kein Auge zu haben für das Abschreckende des Anblicks vor ihr, sondern nur zu sehen, wie jammervoll derselbe war: in ihrem stillen Antlitz war kein Zug von Verachtung oder Abscheu, nur Erbarmen und Traurigkeit waren darin zu lesen und diese Traurigkeit hatte etwas eigenthümlich Ruhiges, Entschlossenes. Wie sie in dem matt erleuchteten Zimmer geräuschlos hin- und herging, in sachverständiger Weise für den bewußtlosen Mann sorgend, zu dessen Pflege sie keine fremde Hilfe hatte zulassen wollen, da glich sie einer jener frommen Dulderinnen, die sich in selbstloser Barmherzigkeit für die Leiden der kranken Menschheit aufopfern. Nach einer halben Stunde mühevollen Schaffens der armen kleinen Frau war Büchner’s Anblick ein ganz anderer geworden. Sein bleiches Haupt ruhte auf weichen, weißen Kissen und glich in seiner kalten Unbeweglichkeit dem eines Mannes, der nach schweren Leiden endlich Ruhe gefunden hat. Edith schien sich in seinen Anblick ganz zu vertiefen. Ihre Züge, die in Schmerz erstarrt gewesen waren, wurden weicher, bis sich zuletzt ein Ausdruck kindlicher, herzzerreißender, hilfloser Traurigkeit darüber lagerte und sie leise weinend neben dem Bette niedersank. Sie hörte nicht, wie die Thür geöffnet wurde und Prati in das Gemach trat. Er blieb eine kleine Weile am Eingang stehen, näherte sich dann vorsichtig der weinenden Frau, die, als sie seine Nähe fühlte, zunächst erschrocken auffuhr, aber dann mit einer stummen Gebärde der Verzweiflung, die zitternde Handfläche nach oben, auf den Unglücklichen deutete und nun in ein lautes, bitteres Weinen ausbrach.
„Was ist geschehen?“ fragte Prati. Sie antwortete nicht. „Soll ich einen Arzt rufen?“ Sie schüttelte verneinend den Kopf.
Eine lange Pause trat ein. Dann trocknete Edith sich die Augen, und Prati die Hand reichend, sagte sie milde: „Ich danke Ihnen, Sie lieber, treuer Freund.“
Etwas Kläglicheres als der Gesichtsausdruck des Italieners bei diesen herzlichen Worten läßt sich kaum denken.
Am nächsten Tage war der Unfall, der Büchner betroffen hatte, Stadtgespräch. Die von Morrisson ausgesandten Konstabler hatten ihn im Matrosenviertel, in der Nähe einer elenden Schenke, wo Schwefelsäure mit Wasser als Branntwein verkauft wurde, auf der Straße liegend gefunden und ihn von dort nach seiner Wohnung geschafft. Die Entrüstung in der Kolonie war allgemein. Wenn ein Junggeselle sich betrank, so war das schon schlimm genug – man konnte es jedoch zur Noth noch hingehen lassen; aber daß ein verheiratheter Mann, mit einer Frau wie Edith Rawlston, sich zum Thier herabwürdigte, das war unverzeihlich. Kein Wort schien zu stark, um die sittliche Empörung der Kolonie und Büchner’s Benehmen zu kennzeichnen. Nur vier Personen stimmten nicht ein in den Entrüstungschorus, eigentlich sogar nur drei. Prati, Morrisson und Frau Onslow. Herr Onslow sagte zwar auch nichts gegen Büchner, aber dies geschah ausschließlich aus Furcht vor seiner Frau. Hätte er den Muth gehabt, seine Meinung zu äußern, so würde er auf Seiten der Ankläger Büchner’s gestanden haben. Ein sonderbarer Heiliger der Gemeinde kam auf den Gedanken, es sei die Pflicht der anständigen Amerikaner von Shanghai, für Frau Büchner zu sorgen, und da er bei einigen seiner Landsleute Zustimmung fand, so redete er sich ein, er habe eine Mission zu erfüllen, und begab sich mit einer nicht geschriebenen Vollmacht, die er sich selbst ausgestellt hatte, zu Frau Büchner, um ihr zu verkünden, daß, falls sie sich von ihrem Gatten trennen wollte, sie die Sympathien der ganzen Kolonie zu einem solchen Schritt für sich habe, und daß diese sie sicherlich auch thatsächlich unterstützen werde. – Der Empfang, der ihm zu Theil wurde, übertraf die kühnsten Erwartungen derjenigen, die vorsichtig genug gewesen waren, von einem Einmischen in die häuslichen Angelegenheiten des Büchner’schen Ehepaares abzurathen. Frau Edith wies dem unberufenen Beschützer, sobald sie dessen Absichten erkannt hatte, in so energischer Weise die Thür, daß jener, ein eitler und würdevoller Mann, der Dank und Ehre zu ernten gehofft hatte, mehrere Tage lang ganz verwirrt blieb und – wenn man von seinem Abenteuer sprach – nur die Hände zusammenschlagen und verzweifelnd gen Himmel blicken konnte. Die erste Aeußerung über Frau Büchner, die man von ihm vernahm, war: „Eine furchtbare Frau – schlimmer als ihr Mann!“ Aber er hatte damit keinen Erfolg und wurde nur hinter seinem Rücken ausgelacht. Die verheiratheten Männer sagten von Frau Edith mit aufrichtiger Bewunderung: „Eine muthige kleine Frau, die das Herz auf dem rechten Flecke hat.“
Büchner erwachte erst nach vierundzwanzig Stunden aus der schweren Betäubung, in der er gelegen hatte, und war noch mehrere Tage lang krank. Nicht ein Wort wurde zwischen ihm und seiner Frau über das, was vorgefallen war, gewechselt. Aber er würdigte diese Schonung in seiner Weise. Er nahm ihre kleine Hand und streichelte sie leise, wie es seine Art war, und blickte sie dabei stumm mit dankbaren Augen an. – Und Edith? – Sie sagte: „Mein armer guter Georg!“ – Das war seine ganze Strafe. Aber die Geschichte war ihm doch sehr nahe gegangen. – Er zog sich von jedem Umgang zurück. Selbst vor Frau Onslow versteckte er sich, wenn diese in das Haus kam. Nur mit Edith verkehrte er noch und mit Prati, der, so oft seine Geschäfte es erlaubten, mit Büchner zusammen war und diesem wie ein treuer Hund folgte, der schon dafür dankbar ist, wenn er nur in der Nähe seines geliebten Herrn geduldet wird. Edith und Büchner fanden dies ganz natürlich – Prati gehörte zum Hause.
Acht Tage etwa nach seiner Genesung empfing Büchner einen Brief von Herrn Morrisson mit einem Check für das Gehalt, das Büchner noch für die nächsten drei Monate zu empfangen hatte. Der Brief schloß mit den Worten: „Ich hoffe, daß Ihr Gesundheitszustand Ihnen bald gestatten wird, Ihre Dienste meinem Hause wieder zu widmen, in dem ich Ihre alte Stellung bis auf Weiteres für Sie offen halte.“
Büchner zeigte diesen Brief zuerst Edith und sagte dazu: „Morrisson ist ein guter Mensch.“
„Ja, in der That,“ antwortete Edith darauf.
Am Abend sprach Büchner sodann mit Prati über Morrisson’s Anerbieten. Auch der Italiener erkannte die wohlwollende Gesinnung des Engländers bereitwillig an. Aber er hatte seinem Freunde ein anderes Anerbieten zu machen. Das Geschäft ging sehr gut. Prati hatte während des letzten Jahres sein Kapital mehr als verdoppelt, er wollte seine Beziehungen jetzt noch mehr ausdehnen und schlug Büchner vor, sich zu dem Zweck mit ihm zu verbinden.
„Rawlston, dem ich geschrieben habe,“ sagte er, „ist damit einverstanden, daß ich, unbeschadet meiner Stellung in seinem [503] Hause, für eigene Rechnung Geschäfte mache. Er stellt nur die Bedingung, daß ich mich seines Hauses als Agenten bediene. Das paßt mir ganz und gar. Aber ich brauche Jemand zur Buchführung und Korrespondenz. Ich möchte mich auch mit einem zuverlässigen Tea-taster (Einkäufer von Thee) in Verbindung setzen. Früher verstanden Sie sich, wie ich mich sehr wohl erinnere, vortrefflich auf diesen Artikel, und wenn Sie Ihre Zunge schonen, wenig rauchen und keinerlei scharfe Sachen trinken wollen, so werden Sie bald in der Lage sein, allen Ansprüchen zu genügen, die ich an Sie für das Theegeschäft stellen würde. Ich habe mich schon lange nach einem Partner umgesehen, und da Sie jetzt frei sind, so frage ich, ob Sie Ihr Glück mit mir versuchen wollen. Wir sind Beide vorsichtige und sachverständige Leute, und ich kann mir nicht denken, daß Sie als mein Socius nicht ebenso viel verdienen sollten wie als Morrisson’s Buchhalter.“
Büchner erbat sich Bedenkzeit. Er wollte mit seiner Frau sprechen. Diese besaß für Geschäftsfragen wenig Verständniß und zog nur in Erwägung, daß, wenn Georg sein eigener Herr würde, er nicht wieder Vorwürfe wie die ihm einmal von Francis Morrisson gemachten zu fürchten habe. Das war eine beruhigende Aussicht. „Ich würde Prati’s Vorschlag annehmen,“ sagte sie – und damit war die Sache abgemacht.
Ein Zimmer in der Büchner’schen Villa wurde als Komptoir eingerichtet; dort verbrachte Büchner fortan den größten Theil seines Tages in ruhiger, wenig anstrengender Beschäftigung, der er vollständig gewachsen war und der er sich mit Interesse für die Sache hingab. Die Einkäufe und Verkäufe sowie die Verschiffung von Thee und Seide besorgte Prati durch Vermittelung von Rawlston & Co. Büchner hatte nur mit der Korrespondenz und Buchführung und mit dem „Kosten“ und der Abschätzung der zu versendenden Thees zu thun. Das Theegeschäft gewann schnell an Umfang und gab Büchner viel zu schaffen.
Eines Tages, während Büchner im Komptoir beschäftigt war, stattete Prati Frau Edith einen kurzen Besuch ab, um sich mit ihr, wie dies bei solchen Gelegenheiten fast immer der Fall war, über Büchner’s Gesundheitszustand zu unterhalten.
„Ich kann Ihnen niemals genug danken, Herr Prati,“ sagte Edith. „Sie haben ihn gerettet. Ein Bruder hätte nicht mehr für ihn thun können. Sie sind sein guter Engel. Sein Gesundheitszustand wird täglich besser, und seine Entmuthigung, die eine vollständige geworden war, beginnt zu schwinden. Gestern machte er Zukunftspläne! Ich dankte Gott im Herzen dafür und ich danke Ihnen, lieber Freund. Wissen Sie, daß er das Rauchen ganz aufgegeben hat, und … und –“ sie stockte etwas – „und das Andere auch. Wenn das nur dauern wollte! Ach, wenn ich meinen alten Georg wieder wie früher vor mir sehen könnte!“
Büchner’s Gesundheit verbesserte sich in der That augenscheinlich – aber doch nur langsam. Auch war er noch immer außerordentlich schweigsam und nachdenklich, und seine Menschenscheu hatte seit seiner Besserung womöglich noch zugenommen. Namentlich schien er vor Morrisson und Frau Onslow Furcht zu haben und vermied es ängstlich, mit ihnen zusammenzutreffen.
Prati, der ohne Büchner’s Wissen über dessen Zustand mit einem Arzte gesprochen hatte und mit diesem in regelmäßiger Verbindung geblieben war, erhielt von ihm gegen Ende des Frühjahrs den Rath, Büchner zum Sommer eine längere Reise machen zu lassen. Es würde seinem Gemüthe wohlthun, sagte der Doktor, andere Menschen und ein hübscheres Land als Shanghai zu sehen. Nagasaki sei zu heiß im Sommer; er solle nach Yokohama oder Hakodate gehen; man könnte dort schon irgend Jemand zu seiner Ueberwachung finden. Doktor Jenkins in Yokohama zum Beispiel würde eine geeignete Persönlichkeit dazu sein. Wenn Prati es wünsche, so wolle er, der Doktor, seinem Kollegen schreiben und ihm alle nöthigen Anleitungen bezüglich Büchner’s Behandlung geben.
„Wäre es gut, wenn seine Frau mit ihm ginge?“ fragte Prati.
„Besser nicht,“ meinte der Doktor. „Sie würde ihn zu sehr verhätscheln und er mit Niemand verkehren wollen als mit ihr. Er muß wieder mit fremden Menschen umzugehen lernen, und dazu ist es am besten, daß er allein in Yokohama ankommt.“
„Aber fürchten Sie nicht, daß er von neuem anfängt zu trinken, wenn er sich nicht mehr so streng beobachtet fühlt wie hier?“
„Es ist möglich, aber ich fürchte es nicht. In dem Falle würde übrigens mein Kollege einschreiten und mit einem Bericht nach Shanghai drohen. Büchner hat den Entschluß gefaßt, sich zu bessern, und die Energie, mit der er ihn nun seit sechs Monaten durchführt, läßt mich hoffen, seine Heilung sei bereits soweit vorgeschritten, daß wir ihn sich selbst überlassen können. Sie behaupten, er trinke jetzt nur noch Thee und Rothwein und Wasser. Sagen Sie ihm, er müsse dabei beharren, und …“ fügte der Doktor lächelnd hinzu – „lassen Sie sich wöchentlich einen Theebericht von ihm geben und verlangen Sie von ihm die Einsendung von Mustern mit Gutachten. Sendet er keine Berichte oder erfahren wir, daß er wieder angefangen hat zu trinken, nun, so lassen wir ihn schleunigst zurückkommen. Aber wir müssen einmal den Versuch machen, ob man ihn sich selbst überlassen kann, und nach meinem Gefühl ist der richtige Zeitpunkt dazu gekommen.“
Es kostete nicht geringe Mühe, Frau Edith zu bewegen, sich auf mehrere Monate von ihrem Mann zu trennen. Schließlich siegte jedoch die vereinigte Onslow’sche und Prati’sche Beredtsamkeit. Kein Opfer war der kleinen Frau zu groß, wenn es dem Wohle ihres Mannes gebracht werden sollte, und nachdem sie einmal überzeugt worden war, es sei zur vollständigen Wiederherstellung Büchner’s nothwendig, daß er Shanghai eine Zeit lang allein verlasse, wurde sie Prati’s Verbündete, um dahin zu wirken, daß Büchner im Monat Mai nach Japan gehe. Den Vorwand zur Reise gaben kaufmännische Unternehmungen, die Büchner in Yokohama gründlich studiren sollte, und von deren Ausführung Prati sich, wie er seinem Socius mit ernstem Gesicht versicherte, großartige Erfolge versprach.
„Lassen Sie nur Niemand merken, was Sie vorhaben,“ sagte er geheimnißvoll. „Sagen Sie, Sie kämen als Leidender, um Ihre Gesundheit herzustellen. Geben Sie sich viel mit Doktor Jenkins ab, der übrigens ein liebenswürdiger Mensch sein soll. Ich werde Ihnen eine Einführung bei ihm verschaffen; unter der Hand ziehen Sie dann genaue Erkundigungen über die Seidenkultur im Innern ein und studiren Sie den Theemarkt. Rawlston & Co. – dies ganz vertraulich – machen in San Francisko und in New-York ein großartiges Geschäft mit Japan-Thees. Schreiben Sie mir regelmäßig und ausführlich, ich werde Ihnen von hier aus weitere Anweisungen geben, je nachdem Sie mir die Lage des Marktes darstellen.“
Büchner nickte bedeutungsvoll. „Ich habe wohl verstanden,“ sagte er, „verlassen Sie sich auf mich.“
„Wie auf mich selbst.“
„Das können Sie.“
„Büchner, noch ein Wort … nehmen Sie es mir nicht übel.“ Der lange Holländer sah seinen Freund fragend und ängstlich an. „Sie müssen da drüben leben wie hier, in jeder Beziehung: nicht rauchen und …“
Er hielt inne. Büchner wurde roth und sah verlegen zu Boden.
„Ich darf mich auf Sie verlassen?“
Eine kurze Pause. Dann sagte Büchner mit leiser Stimme, aber entschlossen: „Mein Wort darauf!“
„Das ist recht,“ versetzte Prati und drückte herzhaft die ihm dargereichte Hand.
Und so kam der lange Holländer in geheimer Sendung nach Japan, im Mai 1862, vier Monate, ehe ich an Bord der „Aurora Belisle“ seine Bekanntschaft machte und ihm freie Ueberfahrt nach Shanghai anbot.
Büchner hatte in Yokohama während der vier Monate, die er dort verweilte, ruhig gelebt, sicherlich hatte er nicht getrunken. Aber heiter und gesellig war er nicht geworden. Er hatte außer mit Doktor Jenkins mit keinem Europäer verkehrt. Der Grund seiner Zurückhaltung in dieser Beziehung war folgender: Jenkins hatte Büchner in den Klub einführen und ihn, da er mehrere Monate in Japan zu bleiben beabsichtigte, als Mitglied vorschlagen wollen; aber einige der jungen Leute, die seine Geschichte
[504][505] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.
Am Bache.
An des Baches Felsenmauern
Spielt des Farrenkrautes Grün;
Nach den langen Regenschauern
Wieder neu die Blumen blühn.
Brombeerblüth’ und Rosmarin;
Aber dem ich’s gerne gäbe,
In die Fremde zog er hin.
Meine Blumen will ich fragen,
Wenn die Bäume Früchte tragen,
Ist dein Liebster wieder da.
Ed. Paulus.
[506] von Shanghai her kannten, hatten die Nase gerümpft: er habe im Verdacht eines Diebstahls gestanden, er sei ein Säufer und mache seine Frau unglücklich; in Shanghai erscheine er seit Jahr und Tag nicht mehr im Klub, weil er fürchten müsse, man könne seinen Austritt beantragen, und wenn er für den Shanghaiklub zu schlecht wäre, so sei er für den von Yokohama auch nicht gut genug. Die Gesellschaft in Japan könne schließlich ebenso anspruchsvoll sein wie die in China.
Doktor Jenkins war ein angesehenes Mitglied der fremden Gesellschaft in Yokohama, aber er gehörte nicht zu den Leitern der öffentlichen Meinung. Seine Thätigkeit brachte es mit sich, daß er gern gut mit aller Welt stand. Er wollte sich nicht des Fremden aus Shanghai wegen mit alten Bekannten in Yokohama streiten, möglicherweise überwerfen. Er ließ den Sturm auf Büchner über sich hinweg gehen und begnügte sich damit, diesem in schonender Weise mitzutheilen, er, Büchner, würde wohl daran thun, sich nicht in den Klub einführen zu lassen.
Jenkins war durchaus kein hartherziger Mensch, aber er dachte zuerst an „Nummer Eins“, an sich selbst. Das thun die meisten anderen Menschen ebenfalls – und man darf den Doktor nicht wegen seines Kleinmuths schelten. Er selbst empfand jedoch darüber eine gewisse Beschämung; es kam ihm vor, als ob er Büchner gegenüber etwas wieder gut zu machen habe, und dies äußerte sich dadurch, daß er persönlich den ihm anempfohlenen Gast aus Shanghai mit großer Herzlichkeit empfing. Er zweifelte nicht, daß der Verdacht der Unterschlagung, der sich auf Büchner gelenkt hatte, ein ungerechter sei; was des Genannten Leidenschaft für den Trunk anging, so wußte Jenkins als Arzt, daß der lange Holländer dieselbe mit seltener Energie zu beherrschen bemüht war.
Der Doktor hatte anfänglich gewissermaßen ein Opfer gebracht, indem er sich Büchner gegenüber freundlich gezeigt. Bald änderte sich dies jedoch, und er faßte eine eigenthümliche Zuneigung zu dem fremden Mann. Es giebt Menschen, die gar nichts zu thun brauchen, um zu gefallen. Gewöhnlich sind es weiche, gutmüthige, stille Naturen und sie müssen, um möglichst vollkommen in ihrer Art zu sein, ein gutes Aeußeres, klare, ehrliche Augen, gesunde Zähne und eine angenehme Stimme besitzen. Alles dies war Büchner eigen. Sein herzgewinnendes Wesen war in letzter Zeit nur noch Edith und Prati gegenüber zu Tage getreten. Aber auch den freundlichen Doktor Jenkins gewann er sich schnell, nur weil er diesem für die Aufnahme, die er bei ihm fand, dankbar war und deßhalb ihm gegenüber das finstere Wesen ablegte, das ihm seit seinem Unglück fremden Menschen gegenüber eigen war und ihn unliebenswürdig erscheinen ließ.
Büchner hatte die vorsichtigen Aeußerungen, die Jenkins in Bezug auf den Besuch des Klubs gemacht hatte, bei den ersten Worten verstanden. Er hatte darauf nichts erwiedert, aber sein Leben danach eingerichtet, indem er nicht nur den Klub, sondern überhaupt jeden Fremden in Yokohama vermied. Er hatte sich ein Pferd gekauft und ein Boot gemiethet und trieb sich einen guten Theil des Tages auf dem Meere und in der Umgegend von Yokohama umher. Da er Niemand grüßte und mit Niemand sprach, so wurde er auch von keiner Seele behelligt, denn die jungen Leute von Yokohama, und unter diesen auch seine Gegner, waren keine boshaften Klatschschwestern. Nachdem sie den Verdächtigten von sich fern gehalten hatten, ließen sie ihn unbehelligt seiner Wege ziehen. Im Uebrigen verkehrte Büchner viel mit Japanern und Chinesen, von denen er sich über Alles belehren ließ, was auf den Handel von Yokohama Bezug hatte. Am Abend saß er gewöhnlich bei Jenkins auf der Veranda und hörte den langen Geschichten zu, die der Doktor zu erzählen liebte und für die er nur selten so aufmerksame Zuhörer fand, wie Büchner einer war.
Der Doktor bemerkte nach einiger Zeit, daß Büchner mit einer an Geiz grenzenden Sparsamkeit lebte. Während die jungen Leute in Yokohama damals mit dem Gelde um sich warfen, hoch wetteten und spielten, zahlreiche Diener besoldeten und das Beste an theueren Speisen und Getränken gerade für gut genug für ihren Tisch hielten, lebte der lange Holländer wie ein Eingeborener mit Reis, Fisch und Thee und gestattete sich, außer für ein Pferd und ein Boot, nicht die geringste überflüssige Ausgabe. Nun aber paßte Geiz gar nicht zu seinem Charakter, wie Jenkins ihn zu kennen glaubte, so daß dieser ihn eines Tages geradezu fragte, weßhalb er sich so sehr einschränke; ob er etwa Geldsorgen habe. In diesem Falle möge er über seine Börse verfügen.
Büchner dankte ohne übertriebene Wärme für das Anerbieten und antwortetete: nein, er habe keine Geldsorgen, er empfinge sogar von seinem Partner in Shanghai Nachrichten, aus denen hervorginge, daß sie dort sehr gute Geschäfte machten. Aber in Yokohama könne er nicht recht vorwärts kommen. Die kleinen Unternehmungen, in die er sich eingelassen habe, seien zwar nicht mißglückt, aber hätten auch nicht viel abgeworfen. An das Geld, das in Shanghai verdient werde, wolle er jedoch nicht rühren. Er habe noch einige Schulden, die ihn zwar nicht drückten, aber die er doch möglichst bald abzutragen wünsche, und sodann müsse er auch daran denken, seiner Frau, falls er sterben sollte, etwas zu hinterlassen.
„Wie können Sie, ein junger, kräftiger Mann, an Sterben denken?“ fragte Jenkins.
„Ich denke nicht viel daran und ich fürchte mich nicht davor. Aber es wird eine Beruhigung für mich sein, wenn ich mir sagen kann, daß meine Frau auch nach meinem Tode genug zu leben haben wird.“
„Ich habe gehört, Ihre Frau sei wohlhabend.“
„Das ist sie in der That. Aber ich habe mir nun einmal in den Kopf gesetzt, ihr durch das, was ich selbst verdiene, eine ruhige Existenz zu sichern. Ich lege mir keine Entbehrungen auf: ich habe jetzt nur noch wenig Bedürfnisse, und es macht mir Vergnügen, nachzurechnen, wie klein meine heutigen Ausgaben im Vergleich zu den früheren sind.“
Alles das war schön und gut, aber Jenkins war damit nicht zufrieden. Der Gemüthszustand seines Patienten hatte sich seit Monaten nicht verbessert. Büchner war, ohne je zu klagen, wortkarg, nachdenklich und traurig.
„Sehnen Sie sich vielleicht nach Shanghai zurück?“ fragte ihn Jenkins eines Abends.
„Ja, ich möchte meine Frau und meinen Freund Prati bald wiedersehen,“ antwortete Büchner. „Ich lebe nun schon lange von ihnen getrennt. Aber Geschäft geht vor Vergnügen! Ich muß hier ausharren, bis Prati mich zurückruft. Ich fürchte, meine Reise hat nicht viel genützt. Doch habe ich mir große Mühe gegeben, Alles in Erfahrung zu bringen, worüber Prati unterrichtet sein wollte.“
„Sie ernten vielleicht später die Früchte Ihrer Thätigkeit,“ tröstete der Doktor.
Aber mit der nächsten Post schrieb er an seinen Kollegen in Shanghai, er solle veranlassen, daß Büchner dorthin zurückberufen werde, er verzehre sich in Sehnsucht nach seiner Frau und eine weitere Ausdehnung der Trennung von ihr könne ihm nur schaden. Von der Trunksucht erscheine er vollkommen geheilt. Darauf traf mit umgehender Post ein Brief von Prati an Büchner ein, der glänzende Berichte über ein von Prati unternommenes großes Seidengeschäft enthielt.
„Ich hoffe, Sie werden am Ende des Jahres alle Ihre Schulden abbezahlt und noch etwa achttausend Dollars übrig haben. In der Beurtheilung des japanischen Marktes bin ich aber, so scheint es mir jetzt, auf falscher Fährte gewesen. Sicherlich ist augenblicklich hier mehr zu verdienen als dort. Also wickeln Sie die kleinen Geschäfte, die noch laufen mögen, baldmöglichst ab und kommen Sie herüber: je eher je lieber.“ So schloß Prati’s Schreiben.
Auch von Edith war gleichzeitig ein liebevoller Brief eingetroffen, in dem sie ihre Freude ausdrückte, ihren alten Georg nun bald wiederzusehen.
Büchner’s kleiner Hausstand war in wenigen Tagen aufgelöst, nachdem aber die Miethe bezahlt und die Diener abgelohnt worden waren, blieben dem langen Holländer nur noch wenige Dollars übrig. Er hatte darauf gerechnet, für sein Pferd denselben Preis wieder zu bekommen, den er dafür gegeben. Es fanden sich jedoch keine Käufer, und er überließ das Thier als Geschenk dem Doktor, zum Andenken an die Stunden, die sie zusammen verlebt hatten. Jenkins hätte dem Scheidenden sicherlich und gern die kleine Summe geborgt, die zur Reise nach Shanghai mit dem Dampfschiff „Costarica“ nöthig war. Er konnte aber nicht ahnen, daß Büchner sich in Geldverlegenheit befand, und dieser, sei es, daß es ihm unangenehm war, Jenkins um Geld zu bitten, sei es, daß ihm die billige Ueberfahrt auf dem Segelschiff besser zusagte, als die theuere auf dem Dampfer, sei es endlich, daß er die [507] Gesellschaft anderer Passagiere vermeiden wollte, die er auf der „Costarica" unfehlbar angetroffen haben würde – Büchner zog es vor, mit der „Aurora Belisle“ zu fahren und sich wegen der Zahlung des Ueberfahrtsgeldes mit mir zu verständigen.
Die letzte Stunde seines Aufenthaltes in Yokohama verbrachte Buchner mit Jenkins, dem er bei dieser Gelegenheit auch den Inhalt von Prati’s Brief mittheilte. Dazu bemerkte er, daß er nun, Dank seinem Partner, am Ende des Jahres ziemlich genau wieder in derselben Lage sein werde wie vor seinem Austritt aus dem Hause Rawlston & Co.
„Ich besaß damals achttausend Dollars,“ sagte er, „die durch einen Unglücksfall verloren gingen. Die achttausend Dollars habe ich wieder bekommen, das Unglück kann nicht wieder gut gemacht werden.“
Es war dies die erste Anspielung auf seine Vergangenheit, die Jenkins von ihm hörte.
„Alles kann wieder geheilt werden,“ tröstete er freundlich.
Büchner schüttelte den Kopf. „Wenn mir ein gesunder Zahn ausgeschlagen worden ist, so kann ich mir einen falschen einsetzen lassen, den Fremde für einen gesunden ansehen mögen; aber die Bekannten wissen, daß es ein falscher Zahn ist. Und wenn sie es auch vergessen wollten, ich müßte doch jeden Abend und jeden Morgen daran denken."
Das deutsche Jubiläumsschießen in Frankfurt am Main.
Ein Volksfest in des Wortes schönster Bedeutung ist in den ersten Julitagen in der alten Kaiserstadt am Main gefeiert worden. Nicht bloß ein „Fest“ in großartigem Maßstabe, ein Fest, das eine Fülle bunter Bilder, ein bewegtes Menschentreiben, fröhlich anmuthende Volksscenen bringt, das Hoch und Nieder, Arm und Reich bei heiterem Spiel vereint und das Alltagsleben für ein paar Stunden oder Tage hinter schimmernden Märchenschleiern entschweben läßt, sondern eine nationale Feier voll schöner großer Erinnerungen und nicht ohne praktischen Werth für die Zukunft. Hat sich das Ideal, das einst die deutschen Schützen zu einem Bunde vereinte, inzwischen auch verwirklicht, ist aus dem zerklüfteten Staatswesen auch längst ein einiges, mächtiges, großes Reich geworden, beseelt das Gefühl der Zusammengehörigkeit auch alle Bewohner dieses großen Reiches in Nord und Süd und Ost und West, so sind doch Gelegenheiten, bei welchen dieses Gefühl sich bethätigt, bei welchen es neue Nahrung empfängt und in lebhafteren Flammen emporschlägt, um so weniger gering zu schätzen, als ja alle diese Stämme in ihrem Wesen zum Theil so verschieden geartet sind, daß auch mit dem Trennenden der Charakteranlage und nicht bloß mit dem einigenden Band der Nationalität und Sprache gerechnet werden muß. Und deßhalb ist es auch in einer Zeit erfüllter Ideale sicher nicht ohne Bedeutung, wenn die äußerlich Geeinten sich auch innerlich näher treten, und es wird wohl keinen Theilnehmer an diesem Feste geben, der nicht gerührt und ergriffen wurde, wenn er sah, mit welchem Jubel gerade die Fernerstehenden begrüßt wurden, wie herzlich sich die stämmigen Gestalten, die von den blauen Gletschern der Alpen herkamen, zu den Männern fanden, deren zartgesäuseltes st und sp den Söhnen des Südens wie ein Weltwunder erscheint. Und zu dieser Vereinigung und Verbrüderung kam die Erinnerung an das erste Fest, das vor fünfundzwanzig Jahren den kurz vorher gegründeten deutschen Schützenbund in Frankfurt zusammenführte – der Gedanke an die ereignißreiche Spanne Zeit, der immer und immer wieder mit ernstem Klange aus den Festreden tönte und den auch die Jubiläumsgruppe des Festzuges und die ehrwürdigen Gestalten der „Jubiläums-Schützen" wach erhielten. Fünfundzwanzig Jahre! Ein furchtbares Gewitter ging damals dem Feste voran, ein Orkan, der aus dem Festplatz eine Stätte der Zerstörung machte und sogar Opfer an Menschenleben gekostet hatte. Ein Symbol dieser ereignißreichen fünfundzwanzig Jahre! Diesmal lachte die Sonne zu dem neunten Bundesschießen. Ruhig konnte die kleine Feststadt im Norden Frankfurts emporwachsen, und kein Wölkchen trübte den klarblauen Himmel, als die Gäste ihren Einzug hielten. Möchte auch das ein Symbol für die Zukunft sein! Dieser Einzug bildete natürlich den Höhepunkt des Festes nach außen hin. Nicht bloß ganz Frankfurt war an diesem Tag – dem ersten Juli-Sonntag – auf den Beinen; von allen Windrichtungen her brachten fast endlose Eisenbahnzüge die Bewohner der Umgebung, die Landleute vom Main, aus der Wetterau, dem Odenwald, die Städter aus Wiesbaden, Mainz, Darmstadt, Offenbach etc., und schon am frühen Morgen strömten in den festlich geschmückten Straßen unabsehbare Menschenmengen hin und wider. Dann, als der Festzug, der sich jenseit des Mains, in Sachsenhausen, aufgestellt hatte, über die alte Brücke herüberzog, war der Verkehr in den Straßen längst ins Stocken gerathen, und wie Mauern standen die Menschenmassen zu beiden Seiten der Fahrdämme.
Es waren aber auch unvergeßlich schöne Bilder, die sich da dem Auge boten: hier im alten Frankfurt die enge winkelige Gasse mit den alterthümlichen, schlank in die Höhe geschossenen Giebelhäusern, dort in dem neuen Stadttheil die lange Flucht prächtiger Paläste – Alles mit Guirlanden und Kränzen, mit Grün und Blumen, mit Fahnen und Fähnchen, mit Wappenschildern und Bildwerken geschmückt, und als schönster Schmuck in den zahllosen Fenstern ein reizendes Köpfchen neben dem andern. Dann der Regen von Blumen, der sich auf die Einziehenden ergoß, das Tücherschwenken und die freudigen Zurufe, die strahlenden Gesichter oben und unten, die Küsse, die von den galanten Schützen nach den Fenstern hinauf gesendet wurden, die fröhlichen Klänge der Musikkapellen, die farbigen Einzelbilder des Zuges und der milde, sonndurchglänzte Himmel darüber! Länger [508] als eine Stunde brauchte der Zug zu seiner vollen Entwickelung; drei Stunden währte es, bis er den Weg von seinem Ausgangspunkte nach dem Festplatz zurückgelegt hatte. Die Schützen zogen fast sämmtlich mit, ihre Fahnen voran, nach den Landestheilen geordnet. Dazwischen kamen die Vertreter der Behörden und die Ausschüsse, die zahlreichen Vereine der Stadt und die eigentlichen, Handel und Gewerbe der empfangenden Stadt darstellenden Festgruppen, von denen die „Jubiläums-Gruppe“ die glänzendste war. Musik, Reiter und Bannerträger eröffneten sie; dann folgten Ehrengäste, Bundesvorstand, städtische Behörden, Deputationen der früheren Feststädte, und der Jubiläumswagen. Dieser, von Professor Klimsch entworfen, bietet eine allegorische Darstellung der Feststadt Frankfurt. Ein phantastisches Fahrzeug, das sich nach vorne zu einem von einer goldenen Merkursstatue gekrönten Schiffsschnabel zuspitzt und rückwärts sich zu einem Baldachin erhebt, unter dem eine majestätische Frauengestalt, die Frankofurtia, mit dem Banner des Schützenbundes thront. In dem vorderen Theile altarartig ein Aufbau mit kostbarer Manteldecke, auf der die Krönungsinsignien und Reichskleinodien prangen, allegorische Frauen- und Knabengestalten im übrigen Raume. Das Ganze stolz emporgebaut, in prächtigen Farben und reicher Schnitzerei, Gold und Purpur und dazwischen das tiefe Grün des Pflanzenschmucks, sechs Prachtschimmel voran und neben dem Wagen Reichsherolde in reicher Festtracht. Von den übrigen Wagen seien noch jener der Gärtner – ein luftiger Bau, Grün und Blumen und dazwischen reizende Mädchengestalten in duftiger Gewandung; dann das zierliche Segelboot der Rudervereine, die allegorische Darstellung der Bienenzucht – im Bogen des reichdekorirten „Eschenheimer-Thurms“ die „Edelkönigin“ und an den Ecken vier junge Mädchen als „Arbeitsbienen“ und „Drohnen“ – sowie der Wagen vereinigter Innungen, endlich jene der Brauer, der Küfer und der Metzger hervorgehoben. Der letztere imponirte namentlich durch seine Begleituug, denn Meister und Gesellen hatten sich sämmtlich in „Uniform“ geworfen – rothe Mütze, die Meister weißes, die Gesellen rothweißes Hemd, die Meister das Messer am Gürtel, die Gesellen das Beil geschultert. Unter den Schützengruppen selbst boten die bayerischen Aelpler mit Lodenjacke und grünen Strümpfen und die Südtiroler in der malerischen Tracht der Umgebung von Bozen einen prächtigen Anblick.
Und nun marschiren wir mit dem Znge hinaus nach dem Festplatze im Norden der Stadt. Er ist selbst eine kleine Stadt, freilich eine Stadt, die am besten eine allegorische Darstellung des Durstes im Wappen führen sollte. Den Mittelpunkt des Platzes bildet ungefähr die Festhalle; dahinter liegt die Schießhalle, zur Rechten nach vorne zu der Gabentempel, zur Linken der „Juxplatz“ mit allerlei Buden, mit Rutschbahn und Flohcirkus, Geisterbannern und Riesendamen, Kasperltheater und „anatomischen Räthseln“. Was sich sonst noch aufgethan hat von Hütten und Hallen, von stolzen und zierlichen Bauten, ist Gambrinus und Bacchus gewidmet, und beide Götter können zufrieden sein mit dem Tribut, der ihnen gezollt wurde. Eigenartig war namentlich das Treiben in der „Oberbayerischen Gebirgsschenke“, einem schmucken Holzbau mit Butzenscheiben und allerlei, den Trunk verherrlichenden Fresken, in dem hübsche Originalbayerinnen die „Moaßkrüagln“ und „hoaßen Würstln“ umherreichten – so weit es überhaupt möglich war, etwas zu reichen. War doch diese Schenke schon vor Beginn des Festes, zur Zeit, da nur erst die Frankfurter „probten“, stets so überfüllt, daß nur der mit kräftigen Armen Begabte sich in dem Gewühle Bahn zu brechen vermochte, und dann wurden oft an einem einzigen Tage über 20 000 Liter Bier verzapft. Im Uebrigen war für jeden Geschmack gesorgt, alle trinkbaren Dinge der Welt waren vertreten, und auch die neueste Frankfurter Specialität, der Fromm’sche Heidelbeerwein, floß für Schütz und Nichtschütz in einem zierlichen Pavillon. Schreiten wir an diesem vorüber mit einer leichten Wendung nach links, so stehen wir vor der Festhalle, einem imposanten Holzbau, der 140 Meter lang und 37 Meter breit ist und an seinen Tischen 4000 Personen Raum zum Sitzen giebt, während auf dem Podium 700 Sänger und 100 Musiker Platz haben. Unzählige Fahnen und Flaggen in allen möglichen Landesfarben schmücken den Bau; sinnige Verse heißen den Nähertretenden willkommen, und was für ein Blick erschließt sich dem Auge, wenn wir uns nach dem Portal zu drängen und dann in den Riesenraum, der von einer milden, goldigen Helle erfüllt ist, hineinschauen! Diese hohen Strebebogen mit 36 Meter Spannweite sind bei einem ähnlichen Festhallenbau wohl kaum noch in Anwendung gekommen – der Eindruck, den man zunächst empfängt, ist denn auch ein gewaltiger. Und wie in diesem Riesenraume die Menschen verschwinden! Wie man, trotzdem sich Mann an Mann drängt, trotzdem alle Tische dicht besetzt und die Gänge kaum zu passiren sind, doch immer über die kleinen Alltagsverrichtungen, die da Essen und Trinken genannt werden, hinausgeführt wird! So paßt sich dieser Bau dem Charakter des Festes vorzüglich an, er erweckt unwillkürlich eine weihevolle Stimmung, und wenn man an den meisten Punkten von den Festreden auch nur wenig vernimmt – die da beim Bankett sitzen, brauchen nur ihre Augen in die Tiefe und Höhe dieses Raumes zu richten und mit der Erinnerung an den Zweck des Festes, an den die Transparentfenster und die Schützenbanner, das Tannengrün und der Scheibenschmuck überall mahnen, wird auch ihre Brust geschwellt und der Gedanke, der die Festredner beseelt, steht klar und leuchtend vor ihnen.
Das Bankett vereinte die Schützen unmittelbar nach Eintreffen des Festzuges. Oberbürgermeister Dr. Miquel begrüßte die Gäste mit herzlichen Worten. „Möge das Fest“ – sagte er unter Anderem – „das deutsche Nationalgefühl, die brüderliche Gesinnung aller Stämme noch mehr heben, beleben und befestigen, möge es zur Stärkung der Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes beitragen und allen Theilnehmern zur vollen Befriedigung gereichen.“ Der Präsident des Deutschen Schützenbundes, Oberlandesgerichtspräsident Sterzing aus Gotha, antwortete; dann folgten weitere Tischreden, die sämmtlich mit Jubel aufgenommen wurden, eben so wie das herzliche Telegramm des Kaisers und jenes des um die Schützensache so viel verdienten Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg. Später traf auch, eine Begrüßung der Schützen beantwortend, ein Telegramm des Kaisers von Oesterreich ein. Sofort nach Beendigung des Banketts wurde es dann in der Schießhalle – einem 260 Meter langen Bau – lebendig und bald gab es ein Knallen und Knattern und Dröhnen, das für den Eifer der Gäste genügend zeugte. Das Resultat war denn auch schon an diesem ersten Tage ein sehr erfreuliches, und unter den prämiirten Schützen befanden sich Männer aus allen Gauen. Die Vertheilung der Gaben selbst erfolgte von der Terrasse des Gabentempels aus, einem graziösen Holzbau mit zehn großen Fenstern, hinter welchen die Gaben zu hübschen Gruppen arrangirt waren. Das gab ein reizendes Bild, bei dem namentlich den Damen das Herz im Leibe lachte – so viel funkelndes Silber und Gold findet man ja selten beisammen. Becher und Uhren, Kaffee- und Theeservices, Figurengruppen, Eßlöffel, Messer und Gabeln aus Silber und Anderes mehr. Und daneben eine Fülle anderer Gegenstände, die aus allen Theilen unseres Vaterlandes zusammengekommen waren: Teppiche, Waffen, Damastgedecke, Reisetaschen, Urnen, Albums, Cigarretten, Bilder, Möbelstücke und das Letzte, aber nicht das Schlechteste – funkelnde Goldstücke in hübschen Etuis. Einen prächtigen Preis – ein kunstvoll gearbeitetes Trinkhorn – hatte Kaiser Wilhelm gesandt; ein siebzig Centimeter hoher Pokal mit dem Frankfurter Adler und den Denkmünzen der neun Schützenfeste war die Ehrengabe des Magistrats und der Stadtverordneten der Feststadt. Diese selbst hatte zwei Preise gestiftet, einen Pokal und eine Prunkschüssel nebst Baarsummen im Gesammtwerth von je 2000 Mark.
So fehlte es auch an reichlichem Lohn, an schönen Siegeszeichen nicht, und der Eifer, mit dem man sich schon nach den Aufregungen des ersten Tages Becher erschoß, nahm in der Folge natürlich nur zu. Tag für Tag, von Morgen bis Abend, gab es ein unaufhörliches Knallen und Prasseln, Einzelschüsse und Salven, daß es sich oft wie ein Gefechtschießen anhörte. Und auf all die Arbeit folgten dann die schönen Abende beim schäumenden Krug, während der Festplatz in ein Meer von Licht getaucht war und allerorts Gesang und Musik ertönte. Kopf an Kopf drängten sich da die Besucher des Festplatzes, und die Damenwelt mit ihren hellen Sommerkleidern brachte Farbe und Glanz in das bewegte Bild. Und so ging es bis tief in die Nacht hinein, Tag für Tag, bis wieder geschieden sein mußte.
Es war ein herrliches Fest, das allen Theilnehmern lange in der Erinnerung bleiben wird. Mehr noch als das farbige Gewühle, die festlich geschmückte Stadt und die bunten Bilder des Zuges, das herzliche Zusammenfinden draußen auf dem Festplatz wie in den engeren Kreisen, in welche der Eine und der Andere gerathen war. Manches freundliche Band mag dabei geknüpft, mancher Gegensatz überwunden, manches Vorurtheil gebrochen worden sein. Die Sonne war ihm hold, diesem Feste, und ohne einen Mißklang verlief die ganze Woche – eine herrliche Woche nicht bloß für die Gäste, sondern auch für die Einheimischen, deren ganzes Sinnen und Trachten in diesen Tagen das Fest und der Festplatz war. „Frankofurtia“ fährt zwar der Sage nach mit Vorliebe vierspännig; aber sie setzt sich trotz dieser Eigenart gern unter ihre Gäste und plaudert und trinkt mit ihnen nach Herzens Lust. Sie ist eben unter der rheinischen Sonne herangewachsen, und die läßt die Trauben manchmal noch heller blinken als – das Gold.
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Von der totalen Sonnenfinsterniß.
Was ist eigentlich während der am nächsten 19. August zu erwartenden Sonnenfinsterniß so gar Sonderliches zu sehen, da man schon seit langer Zeit im Voraus so viel Aufhebens davon macht?
Diese Frage wird gewiß sehr vielen Lesern auf den Lippen schweben, welche schon, seit den Schuljahren, sich oft durch berußte Gläser solche Himmelserscheinungen angesehen haben. Sie sahen dabei, wie sich über die strahlende Scheibe der Sonne an einer bestimmten Stelle die Himmelsbläue der Umgebung mehr und mehr hinschob, als löse sich die Sonne hier in Luft auf. Man erfuhr bald und begriff es auch leicht, daß um diese Zeit der Mond theilweise vor die Sonne trat, dessen übrige Scheibe, soweit sie noch nicht vor der Sonne stand, deßhalb nicht erkennbar wurde, weil die allgemeine Helligkeit der Luft Alles mit blaustrahlendem Lichte überzog. Aus demselben Grunde sieht man ja auch die Sterne am Tage nicht.
Der Mond trat bei diesen Sonnenfinsternissen allerdings niemals ganz und gar vor die Sonne. Es blieb immer eine mehr oder minder große Sichel vom Tagesgestirn strahlend am Himmel stehen. Die Finsterniß war eben nur eine „partielle“, und man mußte sich, wenn man kein ganz ungewöhnlich großes Interesse an Himmelsereignissen zu nehmen pflegte, eingestehen, daß eigentlich nichts sonderlich Merkwürdiges dabei zu sehen war.
Diesmal aber soll die Sonnenfinsterniß eine „totale“ werden. Wird dabei wesentlich mehr zu sehen sein?
Man erfährt, daß dabei die ganze Sonne vom Monde bedeckt wird, und könnte deßhalb, da man ja die Erscheinung selbst noch nicht gesehen hatte, verleitet sein zu glauben, daß eben dann die ganze Sonnenscheibe verschwunden zu sein scheine und ein blauer Himmel ohne Sonne zu uns herableuchte; denn selbst wenn bei partiellen Finsternissen nur noch eine sehr schmale Sichel herabschien, war dennoch der ganze Himmel blau und heiter geblieben, wie zuvor. Nichts hatte sich an dem allgemeinen landschaftlichen Bilde unserer Umgebung verändert.
Aber man wäre sehr im Irrthum, wollte man den Eindruck einer totalen Sonnenfinsterniß mit dem einer partiellen überhaupt in Vergleichung ziehen. Sobald die Totalität eintritt und die Erde an den betreffenden Stellen in den Mondschatten einhüllt, verwandeln sich ganz plötzlich Himmel und Erde wie von dem Zauberspruche eines bösen Dämons verdammt. Ein Schrecken überkommt Alles, was lebt; der Pulsschlag der Natur scheint zu stocken, und wie im grauen Alterthum, so stürzen auch heute die abergläubischen Völker verzweifelt auf die Kniee und bitten reumüthig um Abwendung des fürchterlichen Zornes, in welchem die Gottheit vom verdunkelten Himmel herab mit Vernichtung alles Lebens und Lichtes droht. Die Erzählungen, welche sich in Bezug auf diesen tiefen Eindruck totaler Sonnenfinsternisse, die dann gewöhnlich mit großen Ereignissen im Staatsleben in Verbindung gebracht wurden, bis auf uns überliefert haben, sind ja zum Theil Jedermann bekannt. Der Anblick des Phänomens muß deßhalb zu den mannigfaltigsten kulturhistorischen Reminiscenzen anregen.
Am Morgen des 19. August werden die Bewohner des nordöstlichen Deutschlands bis selbst nach Mitteldeutschland herab die äußerst seltene Gelegenheit haben, diese tiefgehende Wirkung des über ihnen vorbeiziehenden Mondschattens zu bewundern. Denn obgleich wohl totale Sonnenfinsternisse auf der Erde überhaupt beinahe alle Jahre stattzufinden pflegen, so bewegt sich doch der Mondschatten dabei nur sehr selten über Gebiete, die nicht allzuweit von einem bestimmt ins Auge gefaßten Orte entfernt liegen, und man kommt aus diesem Grunde sehr selten in die Lage, die wunderbaren und ganz unbeschreiblich eigenartigen Erscheinungen zu beobachten, welche eben nur unter dem Mondschatten selbst sichtbar werden; denn zu einer größeren Reise bloß zu dem Zwecke, eine totale Sonnenfinsterniß zu beobachten, werden sich doch wohl nur Astronomen entschließen.
Durch Theile Deutschlands zog der Mondschatten zuletzt am 28. Juli 1851, wobei er auch nur unsere östlichsten Provinzen berührte, und das nächste Mal wird der letztere uns erst wieder am 11. August 1999 besuchen. Da es uns nun diesmal ganz besonders leicht gemacht wird, wäre es geradezu bei Jedermann als eine ganz unverantwortliche Gleichgültigkeit aufzufassen, wenn er die gute Gelegenheit, das eindrucksvollste aller Himmelsschauspiele zu bewundern, unbenutzt an sich vorübergehen lassen wollte. Man braucht dazu ja nur ein offenes Auge und ein empfängliches Herz mitzubringen.
Allerdings früh aufstehen muß man zu dem Zwecke. Der Mondschatten beginnt eben seine lange Reise, welche diesmal, nachdem er Deutschland verlassen hat, durch Rußland, Sibirien, China, Japan und einen großen Theil des Stillen Occans führt, bei uns. Der lange dunkle Kegel, welchen der Mond beständig hinter sich her durch das Universum schleppt, berührt die Erde [510] überhaupt zuerst auf einer Linie, die etwa von Holzminden herab bis nach Jena oder Rudolstadt führt. Auf dieser Linie geht deßhalb die Sonne total verfinstert auf. Da sich nun der Mond von Westen nach Osten um die Erde bewegt, so läuft auch der Mondschatten in dieser Richtung hin über die Erdoberfläche und bedeckt dabei einen langgestreckten Erdstrich, welcher jedoch nur etwa 22 Meilen Breite hat. Durch die auf S. 511 beigegebene Karte kann man sich über den Verlauf des Mondschattens und der Sonnenfinsterniß überhaupt orientiren. Der dunkler schraffirte Streifen giebt den Weg des Mondschattens an; die schräg etwas nach rechts von oben nach unten verlaufenden Linien lassen die mittlere Ortszeit erkennen, zu welcher der Moment der Totalität für die betreffenden Gegenden eintritt. Die dem Wege des Mondschattens parallel laufenden Linien deuten an, wie groß hier die größeste Phase der Finsterniß wird. Letztere wird bekanntlich in Zollen angegeben, von denen zwölf auf den Durchmesser der Sonne gehen. Zur besseren Anschaulichkeit sind auch noch fünf kleine landschaftliche Bilder mitgetheilt, welche die Finsterniß in verschiedenen Gegenden darstellen und dem Leser zugleich die verschiedenen Phasen der Erscheinung veranschaulichen sollen. Das erste Bild stellt uns den Sonnenaufgang bei Nordhausen vor und zeigt also die Sonne gänzlich verfinstert, umgeben vom Glanze der Corona, welche uns sogleich noch näher beschäftigen wird. Das zweite giebt die Größe und Lage der Sonnensichel im Momente des Aufgangs für Berlin. Die Sonne ist hier also um diese Zeit erst zum Theil verfinstert. Indem sie nun weiter emporsteigt, schiebt sich der Mond immer mehr vor die Sonne, um sie etwa eine Viertelstunde nach Aufgang gänzlich zu verfinstern. Das dritte Bild versetzt uns nach Köln gleichfalls im Momente des Sonnenaufgangs. Der Mond ist hier schon wieder im Davonziehen. Die Sonnensichel ist also nach oben ausgebogen und sieht vollkommen anders aus, als zur Zeit, da sie in Berlin aufgeht. Die beiden letzten Bilder endlich stellen den Moment der größesten Phase für zwei außerhalb des Mondschattenweges, nördlich und südlich von demselben gelegene Orte dar, nämlich für Kiel, wo die Finsterniß noch 11½ Zoll beträgt, und für Wien mit 11 Zoll in der entgegengesetzten Richtung. Der Leser wird sich aus diesen Darstellungen leicht ein Bild der Finsterniß´für seinen besonderen Standpunkt im Vornherein entwerfen können, um dadurch sogleich auf die Beobachtung genügend vorbereitet zu sein. Nöthigenfalls sollte man eine kleine Reise nicht scheuen, um einen möglichst günstig gelegenen Ort aufzusuchen. Es wird sich zweifellos der Mühe lohnen.
In je östlicheren Gegenden man den Mondschatten aufsucht, desto höher wird die Sonne bereits zur Zeit der Totalität über dem Horizonte stehen, desto sicherer wird man also sein, das Phänomen unbehindert von den Dünsten des Horizontes, die der Morgendämmerung selten fehlen, zu beobachten. Andererseits kann man indeß auch in den westlichen Gebieten des Mondschattens Seltsames genug sehen. Der gewaltige Schattenkegel, welcher hier zuerst mit lang gestrecktem Leibe die umschwingende Erdkugel trifft, kommt dort von der Höhe der Atmosphäre her zu uns herab; er berührt zuerst die Wolken über unseren Häuptern, ehe er uns trifft. Man wird ihn hier wie eine dunkle Kluft, die sich in weitem Bogen mit außerordentlicher Schnelligkeit auf uns herabstürzt, herannahen sehen. Kurz bevor er die Erde berührt, erscheinen dann jene seltsamen Schattenstreifen, welche man schon bei früheren Gelegenheiten wie geisterhafte, schnell vorüber züngelnde große Schlangen wahrnahm und über deren Ursprung man noch nicht vollkommen im Klaren ist. Die Richtung der Bewegung dieser schattenhaften Schlangen scheint mit der des jeweilig herrschenden Windes in Beziehung zu stehen. Sie rühren deßhalb höchst wahrscheinlich von jenen Wallungen her, welche für uns der Sonnenrand oft zeigt, wenn wir ihn durch eine ungleichmäßig erhitzte und bewegte Luft beobachten. Jedermann, der die Sonnenfinsterniß ansieht, kann hierüber, zum Beispiel an weißen Häuserwänden, interessante und dankenswerthe Beobachtungen sammeln, indem er sich die Bewegungsrichtung und Größe dieser Streifen merkt.
Sobald die Sonne total verfinstert ist, verwandelt sich das ganze Bild der Landschaft; denn nun trifft gar kein direkter Sonnenstrahl mehr rings umher die Atmosphäre, und ihre heiter blaue Färbung verliert sich deßhalb ganz plötzlich. Der ganze Himmel färbt sich gewittergrau und wir sehen mit einem Male den Mond tiefschwarz an Stelle der Sonne stehen, umgeben von dem mysteriösen silbergrauen Glanze der „Corona“, jener weiten, räthselhaften Atmosphäre der Sonne, welche sich nur in diesen Momenten dem menschlichen Auge enthüllt.
In diesem Augenblicke beginnt deßhalb erst die geradezu fieberhafte Thätigkeit, welche während der kurzen Minuten der Totalität die Astronomen der nächsten Umgebung des Tagesgestirnes widmen müssen, um jenen Geheimnissen abermals einen Schritt näher zu kommen, welche sich hier, in gar seltsamem Widerspruche mit der gewöhnlichen Anschauung, wegen allzu starken Lichtes selbst vor unseren geschärftesten Blicken beharrlich verborgen zu halten wissen. Die veränderliche Gestalt, die Ausdehnung, die physische Beschaffenheit dieser „Corona“ können absolut nur während totaler Sonnenfinsternisse ergründet werden. Die Totalität dauert aber in den günstigsten Fällen nicht über acht Minuten an; im Falle der zu erwartenden aber währt dieselbe für uns nur höchstens (für die deutschen Orte in der Mitte des Schattenweges) zwei Minuten. Es ist ganz unmöglich, in dieser kurzen Zeit auch nur einen kleinen Theil der gestellten Aufgaben mit Ruhe zu erledigen, und gerade deßhalb ist die Mitwirkung des Publikums, wo sie überhaupt möglich ist, ungemein wünschenswerth.
Es sei aus diesem Grunde ganz besonders darauf hingewiesen, daß Zeichnungen der Form jener Corona, die bei jeder Sonnenfinsterniß sich gänzlich verschieden darstellt, auch von astronomischen Laien, welche eben nur ein geübtes Auge haben, stets als sehr erwünschte Beiträge aufgenommen sein werden. Arbeitstheilung wird dabei zweckmäßig sein, so daß mehrere Zeichner sich darüber einigen, welches Stück der Sonnenumgebung jeder aufnehmen soll.
Es kann auch von wissenschaftlichem Interesse werden, wenn farbengeübte Augen sich die Vertheilung der Dämmerungsnüancen während des Eintritts der Totalität merken. Die vielen Besucher [511] der Berliner Jubiläums-Kunstausstellung vom vergangenen Jahre werden sich gewiß des so ungemein wirkungsvollen Gemäldes von Gabriel Max erinnern, welches den Heiland am Kreuze darstellt, während, der allerdings irrthümlichen Ueberlieferung gemäß, die Sonne sich verfinstert hat. Der berühmte Maler hat hier, um die eigenthümlich bedrückende Farbenvertheilung über den Himmel hin naturgetreu wiederzugeben, vom Astronomen lernen müssen. Nun gilt es einen vergeltenden Dienst: die Maler mögen auch einmal den Astronomen helfen. Gleichzeitig aber möchten wir auch vor andauerndem Hineinschauen in die Sonnenscheibe warnen, da dieses oft Augenleiden und sogar eine theilweise Erblindung des Auges zur Folge hat.
Ferner kann es möglicherweise wichtig werden, die Sterne, welche in diesem kritischen Momente plötzlich erscheinen, nach ihrer Lage zur verfinsterten Sonnenscheibe aufzuzeichnen. Die Astronomen suchen längst bei solchen Gelegenheiten nach einem kleinen Planeten ganz in der Nähe der Sonne. Wenn auch die Wahrscheinlichkeit für dessen Existenz nach der neueren Forschung bedeutend abgenommen hat, so ist es dennoch nicht unmöglich, daß selbst der Laie die allerwichtigste diesbezügliche Entdeckung mit einem bloßen Opernglase oder kleinen Fernrohre machen kann. Der blendende Schleier ist eben diese wenigen Minuten hindurch von den Geheimnissen der nächsten Sonnennähe weggezogen. Jedermanns Auge hat dann in diese sonst ganz unzugänglichen Räume Zutritt und kann sich von den aufgedeckten Wissensschätzen aneignen, was ihm die Eile und der Zufall des Augenblicks in die Hände spielt.
Wer also glaubt, daß Wissen Goldes werth ist, für den wird das schöne Sprichwort, daß Morgenstunde Gold im Munde führt, sich am 19. August glänzend bestätigen.
Magdalena.
Um den innerlichen Kampf einigermaßen zu beschwichtigen und seine heiße Stirn zu kühlen, stieg Richard in den abendlichen Garten hinab. Er athmete auf in der lauen Dämmerung und Stille, während er langsam die Kastanienallee hinabschritt.
Plötzlich hielt er inne, voll freudigen Schreckens: dort, in kurzer Entfernung vor ihm, ging die Gestalt, welche seinem innern Auge schon den ganzen Tag vorgeschwebt, auch sie langsam und nachdenklich, den Kopf gesenkt, ein leichtes Tuch um die Schultern geschlagen. Noch ahnte sie seine Gegenwart nicht; er konnte noch den Rückzug nach dem Hause nehmen; statt dessen aber war er mit wenigen Schritten an ihrer Seite.
Sie schien nicht einmal sehr überrascht. „Ich gehe hier schon eine Weile auf und ab – ich konnte es droben nicht aushalten. Sie waren bei Papa, nicht wahr? Ich sah Sie vor einer halben Stunde hineingehen und war so unruhig – haben Sie ihm am Ende gesagt –?“ Ihre Augen hefteten sich angstvoll fragend auf sein Gesicht.
Es kostete ihn schwere Ueberwindung, die halboffenen Lippen nicht mit einem Kuß zu schließen und die zarte Gestalt in seine Arme zu nehmen, aber er blieb standhaft und sagte, wenn auch nicht ohne merkliche Bewegung:
„Ich wollte es, aber ich konnte nicht dazu kommen. Er war mit einer anderen Angelegenheit so dringend beschäftigt, daß ich nicht von mir hätte reden können.“
„Ach, Gott sei Dank!“ rief sie mit der völligen Natürlichkeit, die ihr so reizend stand. „Hören Sie, ich habe viel nachgedacht heute, und es ist mir nach und nach ganz klar geworden, was wir thun müßten. Aber ich weiß eben Eines, das dazu gehört, nicht ganz gewiß –“
Sie hob halb keck und halb zaghaft in einer erröthenden Verwirrung die Augen zu ihm empor. Diesmal konnte er nicht widerstehen, den Arm um sie zu legen.
„Und was ist das, liebste Gabriele?“
„Ob Sie mich wirklich so lieb haben –“ flüsterte sie und legte die Stirn an seine Brust.
Was er nun in heftigen, glühenden Betheuerungen vorbrachte, mußte wohl sehr überzeugend klingen; denn sie hob nach kurzer Frist den Kopf wieder empor, schüttelte ihn mit ihrer kurzen trotzigen Art und rief:
„Nun also! Warum sollen wir denn nicht ein paar Jahre auf einander warten können? Hat die Prinzessin X. einen Professor geheirathet, kann es die Gräfin Hochberg wohl auch, wenn sie nicht nachgiebt. Ihr haltet mich immer für ein Kind; aber Ihr kennt mich nicht, ich bin viel fester und ernsthafter, als Jemand denkt. Treu bleiben ist doch so leicht, wenn man eben gar nicht untreu werden könnte!“
Richard stand wie geblendet und überwältigt von der hereinbrechenden Macht einer solchen Vorstellung. Was er nicht gewagt hatte, auch nur einen Augenblick im Ernste zu denken, das sollte möglich, sollte wirklich sein? Es faßte ihn einen Augenblick wie körperlicher Schwindel. Dann aber rief er ausbrechend, indem er sie stürmisch in die Arme schloß:
„O Gabriele, wie wollte ich arbeiten und ringen, wenn Dir das wirklich Ernst wäre!“
„Es ist mir Ernst, Du böser pedantischer Mann,“ sagte sie zwischen Lachen und Thränen; „ich kann keinen Anderen heirathen als Dich; deßhalb muß ich schon sehen, daß ich Dich auch wirklich bekomme. Aber es hat schwer gehalten, Dir dies begreiflich zu machen –“
Seine heißen Küsse schlossen ihr die Lippen, aber sie entwand sich ihm rasch und sagte:
„Nun werde ja wohl ich die Vernünftige spielen müssen, hören Sie, weiser Herr Doktor? Aber kein Wort zu Papa vorerst – es scheint mir nämlich nicht ganz unmöglich, Mama auf unsere Seite zu ziehen, und wenn das glückt, haben wir halb gewonnen. Ich werde es sehr klug und vorsichtig anstellen. Und nun muß ich hinauf. Ach, wie glücklich bin ich doch jetzt im Herzen!“
Sie nickte ihm zärtlich zu und wandte sich leichtfüßig zum Enteilen.
„Gabriele,“ rief er ihr leise nach.
„Nun?“
[512] „Gabriele, liebst Du mich wirklich? Sage es mir noch einmal, es scheint mir zu unglaublich!“
„Wirklich – und für immer, immer, immer!“ hörte er es durch die Nacht flüstern. Dann stand er allein unter den Bäumen, ein seliger Mann.
Konsul Felsing hatte sich auf drei Uhr des andern Tages ansagen lassen, und schon eine halbe Stunde früher saß Graf Erich, denselben erwartend, in seinem Kabinett. Seine Situation war die denkbar peinlichste: im Laufe des Vormittags war Breda dagewesen, um sich in auffallender Weise nach seinem Befinden zu erkundigen! Karkow, dem er eben begegnet, habe ihm gesagt, Graf Erich müsse krank sein! Eine nicht mißzuverstehende Erinnerung an die über Gebühr verzögerte Zahlung der fatalen Spielschuld. Sein Bankier, bei dem er heute Morgen vorgeritten, um in gewohnter Weise vom Pferde herunter einige Worte mit ihm zu wechseln, war zwar wie immer unter der Thür seines zu ebener Erde liegenden Komptoirs erschienen; aber an Stelle seiner seitherigen Liebenswürdigkeit und Devotion hatte er heute eine auffallende Zurückhaltung, einen zwar höflichen, aber sehr ernsten, gemessenen Ton angeschlagen, welcher den Grafen verstimmte. Endlich war auch noch ein Wagenfabrikant, welchem der Graf eine bedeutende Summe schuldete, wiederholt dagewesen, um ihn zu sprechen, und hatte sich, als ihm der Kammerdiener zum zweiten Male erklärte, der Graf sei nicht zu Hause, mit den Worten entfernt: er müsse den Herrn Grafen nothwendig sprechen und werde morgen mit dem Frühesten wiederkommen, um denselben sicher zu treffen.
Alle diese Dinge gingen dem Grafen jetzt durch den Kopf und peinigten ihn.
Mit gemischten Empfindungen sah er der Ankunft Felsing’s entgegen. Er wünschte sie herbei und scheute sich vor derselben. Seltsam: der Konsul war, abgesehen von seinem letzten, in der Form übrigens ebenfalls höflichen Refüs immer artig und zuvorkommend gegen ihn gewesen und doch war er ihm unsympathisch – ja, mehr noch, er konnte sich eines leisen Schauers vor ihm nicht erwehren, Felsing war ihm unheimlich! Um wie viel lieber hätte er das unselige Papier noch in den Händen des schurkischen Treiber gesehen, als in den seinen!
Das Eintreten seines Söhnchens scheuchte ihn aus diesen peinlichen Erwägungen und Befürchtungen auf. Hans räkelte sich nach seiner Gewohnheit etwas auf dem Divan, betastete dann allerhand Gegenstände, die er sonst nicht berühren durfte, und wunderte sich, daß der Papa gar nicht darauf achtete. Endlich, als er alle Cigarren- und sonstigen Kästen auf und zu gemacht hatte, sagte er: „Ich möchte Dich etwas fragen, Papa.“
„Was denn, mein Sohn?“ erwiederte der Graf zerstreut.
„Ist es wahr, Papa, daß der Konsul von Felsing gar nicht von richtigem Adel ist?“
Der Graf stutzte.
„Wer sagt Dir das, Hans?“ frug er in strengem Ton.
„Fritz, der Reitknecht, hat es mir gesagt. Er lachte und meinte: der sei vor zwanzig Jahren auch noch mit seinem Schleifstein im Lande umhergezogen, um alte Scheren und Messer zu schleifen und zu repariren. Dann habe er die Leute so lange betrogen, bis er reich genug gewesen sei, um sich den Adel zu kaufen. Ist das wahr, Papa?“
„Ein albernes Geschwätz ist es, für welches ich den Burschen gehörig zurechtweisen werde,“ erwiederte unwillig der Graf. „Der Konsul ist allerdings erst vor wenigen Jahren geadelt worden, das geht aber den Schlingel nichts an, und ich will ihm die Lust vertreiben, künftig solch’ infame Klatschereien zu machen!“
„Kann man denn den Adel kaufen, Papa?“ begann Hans nach einer kleinen Pause wieder.
„Kaufen nicht gerade, aber man kann ihn sich erwerben durch Dienste, die man dem Staat oder dem König leistet, und wenn diese Dienste respektabel sind, so muß man auch diesen neuen Adel gewissermaßen gelten lassen.“
„Aber der richtige Adel ist es doch nicht, Papa?“
„Nein, der richtige Adel ist allerdings nur der Geburtsadel, der alte Adel!“
Der Graf sprach diesen Satz mit dem vollen aristokratischen Hochgefühl aus.
„Unser Adel ist alt, Papa, nicht wahr?“ inquirirte Hans weiter.
„Einer der ältesten des Landes.“
„Wie viele Ahnen haben wir?“
„Wir kennen deren dreißig. Unser Stammbaum reicht in ununterbrochener Linie bis ins elfte Jahrhundert zurück,“ erwiederte der Graf.
„Und die Mama ist auch aus altem, adeligem Geschlechte?“
„Gewiß, sie ist eine Stralenberg!“ erwiederte nicht ohne Stolz der Graf.
„Aber, Papa, wie kommt Ihr dazu, Du und Mama, zu diesem Konsul in Gesellschaft zu gehen, wenn wir doch von so altem Adel sind?“
„Genug jetzt davon, Hans!“ rief in ärgerlichem Tone der Graf aus. „Wer setzt Dir denn solche Geschichten in den Kopf? Wiederum Fritz, der Reitknecht?“
„Ich habe gehört, Papa, wie Fritz zum Kutscher sagte: er würde an des Herrn Grafen Stelle nicht in eine Gesellschaft bei dem Messerschmied gehen, und wie dann der Kutscher erwiederte: ja, da höre Alles auf! Als er neulich Dich mit Mama und Gabriele dorthin habe fahren müssen, da habe er sich geschämt. Was dorthin käme, sei neuer oder heruntergekommener Adel; einen solchen Umgang sei er nicht gewöhnt, und wenn das so fortginge, so würde er sich lieber einen andern Dienst suchen!“
Auf der Stirn des Grafen schwoll die Zornader an.
„Dieses unverschämte, dummdreiste Bedientenvolk!“ rief er aus. „Ich verbiete Dir, Hans, künftig die Gespräche der Dienerschaft anzuhören! Dieser selbst werde ich die unnützen Reden verbieten. Geh nun zum Herrn Doktor!“
In diesem Augenblick meldete der Diener den Konsul von Felsing.
„Lassen Sie ihn eintreten!“ bedeutete er den Diener. „Geh’ nun, Hans! Adieu!“
„Störe ich?“ sagte Felsing auf der Thürschwelle, nach Hans blickend.
„Durchaus nicht, Herr Konsul,“ erwiederte Graf Erich, ihm entgegentretend und die Hand reichend. „Ich erwartete Sie – mein jüngerer Sohn Hans,“ fuhr er fort, auf den Knaben deutend – „gieb dem Herrn Konsul die Hand, Hans!“
Der Knabe zögerte. Er sah halb hochmüthig, halb verlegen drein.
„Nun, Hans, was hast Du denn?“ fragte jetzt verlegen Graf Erich.
„Bitte, lassen Sie ihn, Herr Graf,“ sagte Felsing mit ironischer Betonung. „Das Bürschchen scheint nicht in der Laune zu sein.“
„Bürschchen?“ wiederholte Hans gereizt. „Ich heiße Graf Hans von Hochberg-Eckartshausen!“
„Ja, ja, ich weiß es,“ lachte Felsing, „ein schöner Name, aber etwas lang für einen so kleinen Mann!“
Das Gesicht des Knaben färbte sich roth. Er sah den Konsul von unten mit einem feindseligen Blicke an und ging zur Thür hinaus, indem er leise das Wort „Scherenschleifer“ knirschte. Das Wort war aber doch gehört worden, sowohl von Felsing, als von dem Grafen, welcher sich anschickte, seinem ungezogenen Söhnchen zu folgen und es zu strafen. Felsing hielt ihn zurück.
„Lassen Sie ihn, Herr Graf,“ sagte er in spöttischem Tone, „die jungen Herren können nichts dafür. Sie saugen das so ein mit der Muttermilch, es ist ja ein bekanntes Wort: ,wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen!’“
Der Graf biß sich auf die Lippen; er faßte sich aber und sagte in ernstem Tone: „Der Junge hat von seinen Eltern nie Derartiges gehört. Ich werde ihn ernstlich strafen.“ Und auf eine abwehrende Bewegung Felsing’s fügte er hinzu: „Nein, ich werde ihm die Frechheit nicht ungestraft hingehen lassen; nehmen Sie mein Wort darauf und zugleich die Versicherung meines aufrichtigsten Bedauerns über den Vorfall! Bitte, nehmen Sie Platz! – Der Hofmeister meiner Kinder,“ fuhr der Graf fort, nachdem er sich in einen Fauteuil, Felsing gegenüber, gesetzt hatte, „Doktor Richard Reiter, war heute bei Ihrem Herrn Sohne, nachdem ich gestern selbst schon vergeblich versucht hatte, Sie zu treffen, um Ihnen meinen und der Gräfin Dank für den schönen Abend in Ihrem Hause zu sagen.“
[513]
[514] „Es war mir eine große Ehre,“ erwiederte Felsing höflich; „und wie befindet sich die Frau Gräfin und Ihre reizende Tochter, Komtesse Gabriele?“
„Ich danke, die Gräfin war ein wenig angegriffen, ist aber wieder munter und – wenn ich nicht irre – mit Gabriele ausgefahren. Die Damen werden sehr bedauern, Sie verfehlt zu haben.“
Felsing verbeugte sich und es trat eine kleine Pause ein. Graf Hochberg befand sich, obwohl auf die Unterredung vorbereitet, doch sichtlich in großer Verlegenheit.
„Sie werden durch Ihren Herrn Sohn gehört haben, was Doktor Reiter so freundlich war zu bestellen,“ begann er wieder, aber Felsing unterbrach ihn:
„Ein angenehmer Mann, dieser Doktor – Reiter, sagen Sie? Ich sah ihn noch im Fortgehen, er hat mir sehr gefallen. Ist er schon lange in Ihrem Hause?“
„Seit einem Vierteljahr erst,“ erwiederte der Graf. „Trotzdem genießt er mein volles Vertrauen, weßhalb ich auch keinen Anstand nahm, ihn in der bewußten Angelegenheit –“
„Seit einem Vierteljahr erst ist Doktor Reiter bei Ihnen? Ja, ja, ich erinnere mich, Emil erzählte mir, daß er mit ihm vor einigen Jahren in Heidelberg studirte. Die jungen Leute sind sehr befreundet, mein Sohn hält große Stücke auf den Doktor. Er giebt Ihren Kindern Sprachunterricht?“
„Er unterrichtet sie in fast allen Fächern. Nur für die französische Sprache haben sie eine besondere Lehrerin, eine Französin –“
„Ja, so, es ist merkwürdig, was diese jungen Leute gegenwärtig alles lernen müssen. Man sollte beinahe meinen, es sei zu viel!“
„In der That, man macht jetzt große Anforderungen,“ begann der Graf wieder, um dann mit einiger Anstrengung fortzufahren: „Der Doktor theilte mir mit, daß Sie die freundliche Absicht gegen ihn geäußert hätten, gelegentlich mit mir Rücksprache zu nehmen wegen –“
„Hm?“ machte Felsing.
„Wegen – wegen des Wechsels,“ ergänzte der Graf nicht ohne Mühe.
Felsing sah den Grafen ruhig an.
„O ja, gelegentlich,“ sagte er im gleichgültigsten Tone der Welt, „das hat ja keine Eile. A propos, haben Sie schon gehört, daß man bei Hofe von einer Verlobung des Erbprinzen mit der Prinzessin Anna spricht? Es war in unserer Sitzung davon die Rede.“
Die Stirne des Grafen umwölkte sich.
„Ich habe auch davon reden hören,“ sagte er, nach Fassung ringend, „es ist aber sicher nichts an der Sache. – Die Angelegenheit mit dem Wechsel, lieber Konsul, ist mir doch wichtiger, als Sie anzunehmen scheinen. Offen gestanden. ich wünschte sie gerne so rasch wie möglich geordnet – durch einen Rückkauf.“
„Aber warum denn?“ entgegnete mit dem Ausdruck des Erstaunens Felsing. „Der Wechsel verfällt ja erst in zwei Monaten.“
„Gewiß, aber trotzdem möchte ich ihn sofort zum vollen Betrag wieder einlösen. Ich habe meine Gründe –“
Der Graf stockte.
„Ich begreife Sie wirklich nicht, lieber Graf! Sie nehmen sechzigtausend Thaler auf zwei Monate gegen einen Wechsel im Betrage von neunzigtausend auf und schon nach einem Tage wollen Sie denselben mit neunzigtausend einlösen? Sollte man nicht glauben, es sei Ihnen unangenehm, daß statt des Herrn Treiber ich Ihre Unterschrift in Händen habe?“
„Ach, lieber Konsul, ich bitte Sie, nein, das ist es nicht, gewiß nicht –“ der Graf stockte wieder.
„Nicht?“ sagte Felsing nach einer peinlichen Pause. „Aber was denn sonst? Ich verstehe nicht – wahrhaftig nicht. Oder sollte es irgend eine besondere Bewandtniß mit dem Wechsel haben?“
Der Graf erblaßte. Auf seiner Stirn zeigten sich große Schweißtropfen.
„Nein,“ stotterte er, „– es ist nur –“
„Hm?“ – Felsing sah den Grafen ruhig, aber fest an. Die Züge des Grafen zeigten nachgerade eine tödliche Blässe.
„Herr Konsul,“ begann er wieder, all’ seine Geistesgegenwart und Energie zusammenfassend, „Sie wissen, ich bin augenblicklich in meinen finanziellen Verhältnissen etwas derangirt. Sie glaubten meiner brieflichen Bitte nicht stattgeben zu können. Erlauben Sie mir nun, Ihnen meine Angelegenheit noch einmal mündlich vorzutragen. Wenn Sie auch augenblicklich nicht selbst in der Lage sein sollten – Sie haben große Verbindungen, unumschränkten Kredit. Sie können, wenn Sie nur wollen, Ordnung in meine Finanzen bringen und mich zum größten Danke verpflichten. Bitte, nehmen Sie sich der Sache an! Sie wissen. ich habe immer noch bedeutende Werthe. Da ist z. B. Hochberg, nicht ganz frei allerdings, es werden etwa hunderttausend Thaler darauf lasten, aber die Herrschaft ist ja das Vier- bis Fünffache werth. Ich würde mich sehr schwer von derselben trennen, aber wenn es sein muß, nehmen Sie die Besitzung zu einem civilen Preise und arrangiren Sie meine Verhältnisse, geben Sie vor Allem jenen Wechsel zurück!“
„Hochberg?“ erwiederte lächelnd Felsing. „Aber ich bitte Sie, lieber Graf, was soll ich mit Hochberg machen?“
„Sie besitzen Eckartshausen, und die beiden Herrschaften gehören ja doch eigentlich zusammen.“
„Ich besitze Eckartshausen, ja,“ erwiederte Felsing, „aber ich versichere Sie, daß mir schon das eine große Last ist. Ich kaufte die Herrschaft ja nur aus Affektion gewissermaßen, weil ich dort geboren bin.“
„Sie?“ frug der Graf erstannt und – er wußte eigentlich selbst nicht warum – erschreckt – „Sie sind dort geboren?“
„Ja, geboren und aufgewachsen, in Ruitenheim, dem kleinen Orte, eine halbe Stunde von Eckartshausen, mitten in der Herrschaft.“
„Das ist seltsam,“ murmelte Graf Erich, „wir sind von ziemlich gleichem Alter, ich habe einen großen Theil meiner Jugend in Eckartshausen verlebt, ich kam – oft nach Ruitenheim; da müßten wir uns ja früher schon gesehen haben!“
Felsing nickte wieder und sagte, abermals mit ganz eigenthümlicher Betonung. „Das haben wir auch, lieber Graf!“
Und wieder entstand eine Pause. Dem Grafen wirbelte es im Kopfe.
„Merkwürdig!“ stammelte er endlich hervor. „Ich kann mich wirklich nicht entsinnen.“
„Durchaus nicht merkwürdig, Herr Graf,“ begann jetzt in völlig ruhigem Tone Felsing wieder. „Ich habe mich sehr verändert seither und war damals in ärmlichen Verhältnissen nichts weniger als salonfähig. Der Herr Graf haben sich glücklicher Weise nur wenig verändert seit der Zeit, wo Sie als langer Garde-Officier aus der Residenz auf das Gut kamen. Ich erinnere mich noch sehr wohl – es war im Frühjahr, an einem prächtigen Maiabend, und ich stand gerade am Wege, als Sie mit dem alten Herrn Grafen – der lebte damals noch – in der Equipage mit den vier Grauschimmeln von der Eisenbahnstation nach dem Schlosse fuhren. Sie blieben ein halbes Jahr auf Urlaub und kamen während der Zeit häufig nach Ruitenheim.“
„Ja, ja, ich kam damals oft hin.“
„Als Sie dann nach der Residenz zurückgekehrt waren, hörten wir von Ihrer Verlobung mit der jetzigen Frau Gräfin. Es war eine große Freude auf der ganzen Herrschaft – auch in Ruitenheim!“
Felsing sprach das Alles so harmlos, daß die unbestimmte Furcht, welche den Grafen ergriffen hatte, allmählich zu weichen begann.
„Ja, ja,“ sagte er in ruhigerem Tone, „das ist nun lange, lange her! – Nun, mein lieber Konsul, da wären wir ja gewissermaßen Landsleute.“ Er versuchte zu lächeln, was Felsing erwiederte.
„Gewissermaßen – ja!“ sagte er freundlich.
„Und unser kleines Geschäft,“ fuhr der Graf fort. „Wollen Sie die Freundlichkeit haben? Sie glauben nicht, wie unangenehm mir diese Geldgeschichten sind, wie dankbar ich Ihnen wäre –“
Felsing erhob sich.
„Ich will sehen,“ sagte er, „was sich in der Sache thun läßt, für heute, Herr Graf, entschuldigen Sie mich, ich habe noch allerlei zu besorgen. Auf Wiedersehen!“
„Aber den Wechsel, lieber Konsul, den Wechsel werden Sie mir heute noch zusenden?“
Felsing schien erstaunt über diese Frage.
[515] „Den Wechsel?“ sagte er. „Heute noch? Sie wissen, daß ich neunzigtausend Thaler für denselben bezahlte. Haben Sie diese Summe parat?“
„Nein, nicht ganz; wenigstens nicht gleich heute,“ erwiederte Graf Erich, „aber ich dachte, Sie würden mir den fehlenden Betrag vorstrecken, wenn Sie doch einmal die Freundlichkeit haben wollen, die ganze Angelegenheit in die Hand zu nehmen?“
„Ei, lieber Graf,“ sagte Felsing, „Sie sind etwas zu hastig, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten wollen. Ich will mir die Sache denn doch noch einmal überlegen. Ein Papier, für welches man neunzigtausend Thaler bezahlt hat, giebt man doch nicht so ohne Weiteres aus der Hand.“
Bei dem Grafen machte sich jetzt die lange verhaltene Aufregung Luft.
„Aber ich muß den Wechsel wieder haben!“ rief er mit erhobener Stimme, „Sie müssen mir ihn herausgeben – heute noch!“
„Muß? Müssen?“ erwiederte Felsing kalt. „Was soll das heißen? Warum diese Eile? Diese Heftigkeit?“
„Ich bitte Sie, Herr Konsul,“ keuchte Graf Erich. „Foltern Sie mich nicht länger! Meine Nerven sind aufs Aeußerste angespannt! Ich fühle, daß sie mehr nicht ertragen könnten! Verschonen Sie mich deßhalb mit weiteren Fragen und geben Sie den Wechsel heraus! Ich werde Ihnen den vollen Betrag und mehr, wenn es sein muß, heute noch zustellen. Den Wechsel aber muß ich haben, weil ich nicht eher wieder zur Ruhe komme, bis er vernichtet ist, weil – weil –“
„Weil er gefälscht ist!“ ergänzte mit kalter Ruhe Felsing.
„Herr!“
Der Graf machte eine Bewegung, als ob er auf Felsing losstürzen wollte.
,Nun?“ erwiederte gleichmüthig Felsing.
„Wiederholen Sie das Wort nicht! Ich kann, ich will es nicht hören!“
„Aber weßhalb nicht? Warum genirt Sie denn das Wort so sehr, da die Sache selbst Sie doch nicht genirte?“
„Herr – Herr Konsul,“ knirschte der Graf und seine Hände ballten sich krampfhaft – „hüten Sie sich – gehen Sie nicht zu weit – es hat Alles seine Grenzen – ich bitte Sie – treiben Sie mich nicht zum Aeußersten!“
„Sie sind sonderbar, lieber Graf,“ unterbrach ihn Felsing. „Sie erwarten von mir eine Gefälligkeit, eine nicht gerade kleine Gefälligkeit, wollen einen Wechsel, für welchen ich neunzigtausend Thaler bezahlte, ohne Weiteres heraushaben, und dabei schlagen Sie einen Ton gegen mich an, der zum Mindesten nicht sehr artig und verbindlich ist. Sie sind zu aufgeregt, lieber Graf, und ich rathe Ihnen, mich nicht allzu sehr zu reizen, es könnte sich sonst leicht ereignen, daß auch ich meine Ruhe verlöre und der Wechsel statt in Ihre Hände in die des Staatsanwalts überginge!“
Mit diesen Worten, welche Felsing, ohne eine Miene zu verziehen, ruhig, aber fest sprach, verließ er das Zimmer.
Blätter und Blüthen.
Ein achtzigjähriger deutscher Gelehrter. (Mit Portrait S. 501.) In Stuttgart feierte man am 30. Juni den achtzigsten Geburtstag eines deutschen Philosophen, der sich um die Lehre vom Schönen große Verdienste erworben. Friedrich Theodor Vischer, geboren am 30. Juni 1807, hat mit mehrfachen Unterbrechungen wegen seines politischen Wirkens, einmal auch in Folge zweijähriger Suspension vom Amte, ein akademisches Lehramt in Tübingen und Zürich bekleidet; seit 1866 war er gleichzeitig in Tübingen als Professor der Universität und in Stuttgart als Lehrer am polytechnischen Institut beschäftigt. Seit 1869 beschränkte er sein Wirken auf die letztere Anstalt.
Es giebt viele bochangesehene Gelehrte, um deren Leben und Wirken, um deren Jubelfeste sich zu kümmern ein Volksblatt keinen Anlaß hat. Und in der That, auch Vischer’s Hauptwerk, seine „Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen“ (3 Bände, 1847 bis 1858) geht in einem gelehrten Gewande einher, welches dasselbe für das große Publikum unzugänglich macht. Von einem eisernen Paragraphennetz umgittert, trägt es den schweren Harnisch einer philosophischen Weisheit, die sich keine Mühe giebt, sich dem Verständniß des großen Publikums einzuschmeicheln, aber Andere haben sich diese Mühe gegeben und es muß auch den Lesern unseres Blattes gesagt werden, daß sehr viel von dem, was sie in der Tagespresse lesen, und zwar in dem bessern Theil derselben, bei Besprechung von neuen Dichtungen, Theateraufführungen, von Werken der malerischen und plastischen Kunst, aus dem Quell jenes Vischer’schen Hauptwerkes geschöpft ist. Und wenn man einzelne Abtheilungen desselben, wie die Lehre vom Naturschönen und der Phantasie und vieles, was er über die einzelnen Künste sagt, aus dem Ganzen loslösen könnte, so würde auch einem großen Kreise von Laien ein Urtheil über das Anregende, Geistreiche, Tiefsinnige des hervorragenden Werkes ermöglicht werden.
Doch F. Th. Vischer hat in seinen „Kritischen Gängen“ sich auch einem größeren Publikum als ein Denker von frischer, freier, kampflustiger Haltung gezeigt, er hat in seinem „Faust, der Tragödie dritter Theil“ sowie in seinen wissenschaftlichen Fauststudien sowohl eine satirische Ader wie ein von blinder Vergötterung unabbängiges Urtheil bewährt. Ein kernhafter Humor beseelt seinen Roman „Auch Einer“; er hat die Mode gegeißelt in seiner Schrift „Mode und Cynismus“, kurz, er hat auch in vielen Schriften seinen Gelehrtentalar abgelegt und mit einer in hohen Lebensjahren seltenen unverwüstlichen Frische sich direkt an weitere Kreise gewendet.
Nicht allzugroß ist die Zahl der Achtzigjährigen unter den deutschen Dichtern und Gelehrten gewesen, wenn auch ein Goethe und Grillparzer, ein Raumer und Ranke sich unter ihnen befinden. Die Feier eines so verdienstlichen Wirkens ist vollkommen berechtigt. Auch Vischer hat an seinem Ehrentage viele Huldigungen empfangen. Das Festbankett am Vorabend fand im Koncertsaal der Liederhalle statt. Nach der ersten Ansprache an den Gefeierten hob der Stadtdirektor Oberregierungsrath von Hofer hervor, wie es schon lange der Gedanke und Wunsch Vieler gewesen sei, Friedrich Vischer zu seinem 80. Geburtstag ein Zeichen der Verehrung, die man für ihn hege, darzubringen. So habe sich eine Zahl von Männern der Wissenschaft und Kunst aus Württemberg und dem übrigen Deutschland, aus Oesterreich und der Schweiz vereinigt, um ihm, dem maßgebenden Führer auf dem Gebiete des Schönen zu huldigen, indem sie ihm als eine Stiftung für Haus und Familie seine von Künstlerhand gefertigte Büste überreichten. Bei diesen Worten wurde der Schleier von einem Marmorbilde Friedrich Vischer’s hinweggezogen, welches Professor Donndorf’s Meißel geschaffen hatte, einem vorzüglich getroffenen Bilde. In der Stiftungsurkunde heißt es unter Anderem: „Wie der schwäbische Stamm Sie mit Stolz den Seinigen nennt, so nimmt andererseits das ganze deutsche Volk Sie als einen seiner ausgewähltesten Geister, als einen seiner besten Patrioten für sich in Anspruch. Wir alle verehren in Ihnen den Mann, der nicht bloß die deutsche Wissenschaft auf dem von ihm erwählten Forschungsgebiete mit unvergänglichen Schätzen bereichert, sondern auch nach allen Seiten hin das Reich des Geistes ausgebreitet und die Sache der Wahrheit und Freiheit in Wort und Schrift verfochten hat.“ In seiner bescheidenen Dankrede schilderte Vischer seinen Lebenslauf, zum Theil in humoristischer Weise. Er erwähnte, daß er sich auch in der schaffenden Dichtung versucht babe. Denken und Dichten sei eine schwere Sache, Eines aber theile die Dichtung mit der Wissenschaft, soweit die Wege sonst aus einander gehen: das sei die Geistnatur, die geflügelte Geistnatur des Wortes. Und durch diese sei es ihm zu Theil geworden, daß Deutschland heute ihm seine Grüße sende. „Das Einzelne verschwimmt im Ganzen, das Ich verschwindet im Strom, der Rest ist Schweigen. Alles aber faßt sich in einem Worte zusammen: es heißt: Dank!“
Ein Echo dieser bedeutsamen Worte wird aus dem Reiche der Wissenschaft auch in weitere Kreise hinaustönen, wo man ein tüchtiges Wirken und eine tapfere Gesinnung zu schätzen weiß. †
Deutsche Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung in München 1888. Der nächste Sommer wird, wenn der Weltfrieden erhalten bleibt, die schöne Isarstadt zum Mittelpunkt des deutschen Reiseverkehrs machen. Kunst und Kunstgewerbe wollen, wie im Jahre 1876, aber in viel umfassenderer Weise, ihre Leistungen zeigen. Dazu wird als Glanz- und Höhepunkt des Ganzen die verschobene Säkularfeier Ludwig’s I. in Gestalt eines großartigen Künstlerfestes stattfinden, und schon jetzt beginnen die Vorbereitungen. Die Lokalfrage ist aufs Glücklichste gelöst: statt an den zu eng gewordenen Glaspalast, der die Kunstausstellung umschließt, unschöne und den botanischen Garten schädigende Annexe anzubauen hat sich der Kunstgewerbeverein einen neuen, herrlich und frei gelegenen Platz zwischen Mariannen- und Zweibrückenstraße an der Isar ausgesucht, wo in nächster Nähe der Maximiliansbrücke und der frisch strömenden Wasser, in Verbindung mit den waldigen Inseln eine Architekturanlage geschaffen werden soll, die mit Terrassen, Springbrunnen, Säulengängen und Ruheplätzen einen entzückenden Anblick und Aufentbalt gewähren wird. Verschiedene Pferdebahnlinien vermitteln den Verkehr mit der innern Stadt, und in kürzester Frist können die Besucher der Kunstausstellung vom Glaspalast hierher gelangen, um dann im Schatten, mit dem Blick auf Fluß und Gebirge, den Abend zu verbringen. Koncerte, Feuerwerke u. dergl. fehlen selbstverständlich nicht.
Der Glaspalast wird das gewohnte Bild seiner Kunstausstellungen zeigen; der Kunstgewerbeverein in seiner Märchenburg strebt Neues an. Nicht wie 1876 sollen der „Väter Werke“ in Kästen geordnet zur Schau stehen, sondern aus dem Banne der Vergangenheit heraus in volle, lebendige Wirkung treten. Romanische Zimmer mit ausschließlich echtem Geräth und Schmuck werden den Eintretenden empfangen; ihnen schließen sich die gothischen an, die Räume der Renaissance und Zopfzeit etc., bis ihn endlich die Gegenwart mit ihren schönsten und prächtigsten Leistungen umfängt. München birgt so große Schätze von alten Stücken, daß vermuthlich das Bild der Vergangenheit aus seinen Mitteln allein wird hergestellt werden können; an dem der Gegenwart betheiligen sich dann die Kräfte von ganz Deutschland.
[516] Die Ansicht der projektirten prächtigen Anlage an der Isar (entworfen von dem bekannten Architekten Seidl) hängt zur Zeit vielumdrängt in den Schaufenstern aus, und die allgemeine Meinung ist, daß dieser Ausstellungsplatz einzig in seiner Art dastehen wird. Möge ein günstiges Geschick die Wolken vom politischen Horizont verscheuchen, dann ist dem Unternehmen wohl der Erfolg sicher.
Universal-Kinderstühle. Es ist ein charakteristischer und wohl mit dem Streben nach Sparsamkeit und mit dem Raummangel großstädtischer Wohnungen zusammenhängender Zug unserer gegenwärtigen Industrie, mehrere Möbel in einem Stück zu vereinigen. Der Speisetisch, der sich in ein Billard umwandeln läßt, die Kommode, die zugleich als Badetisch dient, die Fauteuils, die leicht zu einem Bett umgestaltet werden können, sind Beispiele solcher Metamorphosen. Wir erinnern uns dabei an die Badewanne und das Kinderbett, die im zusammengelegten Zustande Form und Größe eines Koffers hatten, an das praktische Universal-Thermometer für Zimmer-, Bade- und Krankenmessung, welches durch R. H. Paulcke in Leipzig große und berechtigte Verbreitung gefunden hat, und an Oswald Faber’s (Leipzig) beliebten Universal-Turnapparat, der sich zu Ringen, Schwebereck und Schaukel umwandeln läßt.
Ganz besonders ist man neuerdings auch bestrebt, die Kinderstühle möglichst „vielseitig“ zu machen. Schon seit Jahren existiren bekanntlich derartige solide Fabrikate, so z. B. von Näther in Zeitz (Leipzig, Reichsstraße 14 bei H. Lange), welche hohen Stuhl mit Spielbrett, niederen Stuhl und Fahrstuhl in einem Stück darstellen. Bald dieser, bald jener Bestimmung gemäß läßt sich solch ein Möbel leicht verstellen, und man hat somit die Annehmlichkeit, statt zweier oder dreier Gegenstände nur einen anzuschaffen.
Dieser Vorzug verstellbarer Kindermöbel hat dazu geführt, daß ein Theil des Publikums daran in ähnlicher Weise, wie seiner Zeit an dem Universal-Instrument, welches gleichzeitig Hammer, Schraubenzieher, Zange etc. bildete, Geschmack fand und daß sich die Fabrikanten nun bestrebten, einem solchen Kinderstuhl noch größere Vielseitigkeit zu geben. Rudolf Leonhardt in Leipzig (Petersstraße 24 II.) hat jetzt einen Universalkinderstuhl „Ultimatum“ konstruirt, der sich 1) aus einem hohen feststehenden Stuhl in 2) einen niedrigen, nebst Spieltisch, 3) in einen Fahrstuhl mit selbstthätigem Musikwerk, 4) in ein fahrbares Bett, 5) in eine Wiege, 6) in einen Laufstuhl umwandeln läßt. Erfreuen sich auch die beiden letzterwähnten Verwendungen durchaus nicht der unbedingten Zustimmung ärztlicher Kreise, muß auch erst die Erfahrung lehren, ob ein so vielseitig verwandlungsfähiges Möbel einem wirklichen Bedürfnisse entspricht und dabei einfach genug ist, um sich einzubürgern, so zeigt doch die Neuerung, wie man sich heut zu Tage bemüht, auch auf diesem Gebiete immer Vollkommeneres zu ersinnen. Solche Bestrebungen haben naturgemäß eine gewisse, durch Bedarf, Preis, Solidität und Einfachheit bestimmte Grenze; aber innerhalb derselben sind sie nicht ohne Berechtigung. Laufen sie doch alle darauf hinaus, dem Kinde in verschiedenen Altersstufen Annehmlichkeiten zu bieten, die man ihm früher nur durch verschiedene Möbelstücke verschaffen konnte. Sie sind, etwa wie die Spazierstöcke, welche mit einem Handgriff zu Waffen, Tabakspfeifen, Fernrohren, Feldsesseln oder Angeln werden, eine moderne Illustration zu den Worten: „Wer Vieles bringt, wird Manchem Etwas bringen.“
Kriegergräber bei Metz. Der Turnverein Metz schmückt die Gräber bei Metz in diesem Jahre am 14. und 15. August und wird auch die ihm von Angehörigen aus der Heimath zugehenden Kränze gern und kostenlos auf den betreffenden Gräbern niederlegen.
B. in H. Die Wissenschaftliche Ausstellung, welche mit der im September in Wiesbaden tagenden 60. deutschen Naturforscher-Versammlung verbunden werden soll, verspricht eine äußerst interessante zu werden. Aus allen Theilen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz sind bereits über 300 Anmeldungen zum Theile ganz neuer Apparate und Instrumente eingelaufen, und ist nun als letzte Anmeldefrist definitiv der 31. Juli festgesetzt. Die Adresse des Ausstellungs-Komités ist: 44 Frankfurterstraße, Wiesbaden.
S. R. in Z. Die „Boulle-Möbel“ aus Ebenholz mit Einlagen von Elfenbein, Schildpatt, Perlmutter und mannigfacher Metallverzierung haben ihren Namen von dem berühmtesten Pariser Kunsttischler Charles André Boulle 1642 bis 1732, der unausgesetzt für Ludwig XIV. und dessen Hof arbeitete. Die Werke seiner Hand, noch heute hochgeschätzte Prachtstücke in den Schlössern von Versailles, Sanssouci, Windsor u. A. zeugen von dem feinen Künstlerblick ihres Verfertigers, der, nach der Ueberlieferung der Renaissance-Zeit, seine Möbel nach architektonischen Gesetzen baute und selbst Architekt, Bildhauer, Maler und Graveur war. Mit ihm ging der strenge Stil zu Ende; die Technik seiner Metalleinlagen und Verzierungen aber wurde aus dem Stil Ludwig’s XIV. in den Ludwig’s XV. übertragen und feiert mit diesem in unsern Tagen eine glänzende Auferstehung. In der That geben auch die Boulle-Möbel einem Salon ausschließlicher den Charakter heiterer Pracht, als die auf ruhige Behaglichkeit hinweisenden schweren Kastenmöbel aus geschnitztem Eichenholz. Nur sollte man bei der Wahl nie vergessen, daß eine Boulle-Einrichtung über gewöhnliche bürgerliche Verhältnisse hinausgeht. Sie schmückt den Festsaal der Reichen, das Boudoir der verwöhnten Dame – für das Zimmer einer einfachen Hausfrau des Mittelstandes paßt sie nicht.
R. S. in Hamburg. Sie haben Recht: „Vanity fair“ ist von Thackeray, nicht von Dickens.
P. B. Wir können nach dem uns eingesandten Fragment ein Urtheil nicht abgeben!
H. V. in Antwerpen. Die betreffende Behauptung ist bis jetzt wissenschaftlich noch nicht bewiesen und wird vielfach bestritten.
Inhalt: Der lange Holländer. Novelle von Rudolph Lindau (Fortsetzung). S. 501. – Am Bache. Illustration. Mit Gedicht von Ed. Paulus. S. 504 und 505. – Das deutsche Jubiläumsschießen in Frankfurt am Main. Von Emil Peschkau. S. 507. Mit Illustrationen S. 507, 508 und 513. – Von der totalen Sonnenfinsterniß. Von M. Wilhelm Meyer. S. 509. Mit Abbildungen S. 509, 510 und 511. – Magdalena. Von Arnold Kasten (Fortsetzung). S. 511. – Blätter und Blüthen: Ein achtzigjähriger Gelehrter. S. 515. Mit Portrait S. 501. – Deutsche Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung in München 1888. S. 515. – Universal-Kinderstühle. S. 516. – Kleiner Briefkasten. S. 516.
Soeben ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
für das Jahr 1888.
Der Kalender bringt wieder neben einem ausführlichen Kalendarium, verbunden mit haus-, garten- und landwirthschaftlichen Notizen, zahlreiche praktische Nachweise und Tabellen, populär-wissenschaftliche, belehrende und unterhaltende Artikel, besonders auch gute Erzählungen, Humoresken, Gedichte und vorzügliche Illustrationen. Aus dem reichen Inhalte geben wir im Nachstehenden einen kurzen Auszug:
Uebersichtskarte der deutschen Schutzgebiete und Konsulate. – Franzi. Illustration von F. Defregger. – Kalendarium, statistische Nachweise, Tabellen etc. etc. – Mutterglück. Illustration von L. Blume-Siebert – Zum neuen Jahr. Gedicht von Frida Schanz. – Die goldene Hochzeit. Erzählung von M. Lenz. Mit Illustrationen von Arthur Lewin. – Die Sonnenfinsterniß des Herrn Kuschbert. Humoreske von Oskar Justinus. – In der letzten Stunde! Aus den hinterlassenen Papieren eines Kriminalbeamten. Von F. F. Engelberg. Mit Illustrationen von Arthur Erwin. – Nur ruhig Blut! Eine Mahnung an Hitzköpfe und alle Anderen, die es angeht. – Die neue Brücke über den Douro bei Oporto. Mit Illustration. – In der „Rose“ zu Betzingen. Eine Skizze aus dem Schwabenlande von Karl Weitbrecht. Mit Illustrationen von Fritz Bergen. – Aus meinen vier Pfählen. Erzählung von W. Heimburg. Mit Illustrationen von C. Koch. – Gute Freunde. Illustration von Br. Piglhein. – Blätter und Blüthen. Mit Illustrationen. – Das Hutten-Sickingen-Denkmal. Von A. Hackenberg. Mit Illustration. – Die Ernährung des Säuglings. Ein Briefwechsel zwischen Mutter und Arzt. Mitgetheilt von Sanitätsrath Dr. L. Fürst. – Wirksames Wohlthun. Von A. Lammers. – Das Tegetthoff-Denkmal in Wien. Mit Illustration. – Goldene Lebensregel für junge Eheleute. – Unser Maulwurf. Von Adolf und Karl Müller. Mit Illustrationen. – Die Frau des „kleinen Mannes“. Zeitgemäße Betrachtungen von Emil Peschkau. – Vom Büchermarkt. Von Rudolf von Gottschall. – Kaiser Wilhelm im 90. Lebensjahre. Illustration. – Rückblick auf die merkenswerthen Ereignisse vom Juli 1886 bis 1887. Von Schmidt-Weißenfels. Mit Illustrationen. – Polytechnische Umschau. Mit Illustrationen. – Post- und Telegraphen-Tarife. – Verzeichniß der wichtigsten deutschen Messen und Märkte. – Die kleine Wäscherin. Illustration von P. Wagner etc.
Der reiche gediegene Inhalt, die geschmackvolle Ausstattung und der überaus billige Preis, welche auch den dritten Jahrgang unseres „Gartenlaube-Kalenders“ vortheilhaft auszeichnen, werden ihm, so hoffen wir zuversichtlich, die Gunst des Publikums in immer größerem Maße erwerben und ihm zu den vielen seitherigen, viele neue Freunde gewinnen.
Die ersten Jahrgänge 1886 und 1887 des „Gartenlaube-Kalenders“ stehen denjenigen Abonnenten, welche dieselben noch nicht besitzen, soweit der Vorrath reicht, zum Preise von 1 Mark für den Jahrgang ebenfalls noch zur Verfügung.
Bestellungen auf den „Gartenlaube-Kalender“ wolle man gefl. der Buchhandlung übergeben, welche die „Gartenlaube“ liefert. – Postabonnenten erhalten den „Gartenlaube-Kalender“ in jeder beliebigen Buchhandlung oder gegen Einsendung von 1 Mark und 20 Pfennig (für Porto) in Briefmarken direkt von der unterzeichneten Verlagshandlung.
Leipzig, August 1887. Ernst Keil’s Nachfolger.