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Die Gartenlaube (1885)/Heft 6

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1885
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[89]

No. 6.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die Frau mit den Karfunkelsteinen.

Roman von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


Die jüngere Schwester der Frau Amtsräthin war an einen Universitäts-Professor verheiratet, dessen Name einen weithingeltenden Klang hatte. Er war Historiker und Archäolog, und da ihm bedeutende Mittel zur Verfügung standen, so reiste er viel, um für seine wissenschaftlichen Werke aus den Quellen selbst zu schöpfen, und dabei war ihm seine Frau ein treuer Kamerad - Kinder hatten sie nicht. Nach langem Aufenthalt in Italien und Griechenland waren sie nun auch wieder einmal in die Heimath zurückgekehrt, und die Frau Amtsräthin hatte sich glücklich geschätzt, die Durchreisenden auf einige Tage beherbergen zu können, denn sie war sehr stolz aus den Ruhm ihres Schwagers.

Am ersten Tage war der „unmanierliche Backfisch“, die Grete, für die zürnende Großmama nicht zu finden gewesen - wer mochte denn auch einem hochnothpeinlichen Verhör so geradeswegs in die Hände laufen? Der famose gelehrte Großonkel in Berlin hatte dem Mädchen von jeher einen gelinden Schauder über die Haut gejagt. Das war so Einer, der die unglücklichen Schulkinder einfing, sie zwischen seine Kniee klemmte und examinirte, bis sie vor Angst schwitzten. Gesehen hatte sie ihn nie; aber er war selbstverständlich lang und steif wie ein Stock, lachte nie und sah mit strengen stechenden Augen durch große, runde Brillengläser. Am zweiten Morgen aber hatte sie sich im Flursaal, der offenen Salonthür schräg gegenüber, hinter dem Büffet verkrochen – Professors frühstückten beim Papa. Und sie hatte große Augen gemacht; denn der schöne alte Herr konnte lachen, wirklich so recht aus Herzensgrunde lachen. Er hatte einen herrlichen, weißen, bis auf die Brust herabwallenden Vollbart und dazu prächtige helle Augen ohne Brillengläser. Und wie ein Junger hatte er das Glas mit dem funkelnden Goldwein gehoben und einen schalkhaften Toast ausgebracht. Dann hatte er von den Schliemann’schen Ausgrabungen auf dem Berge Hissarlik erzählt, und sehr verwunderlich war es dabei gewesen, daß seine Frau, die Großtante mit dem glattgescheitelten, vollen Grauhaar über dem klugen Gesicht, auch drein gesprochen, und zwar ganz mit demselben Verständniß wie der große Gelehrte. Ja, eine weite, wunderherrliche Welt voll alter, versunkener und nun wieder erstehender Geheimnisse hatte sich da aufgethan, und die lauschende junge Unwissende hinter dem Büffet hatte sich allmählich aus ihrer kauernden Stellung aufgerichtet; dann war es gewesen, als schleiche ein leiser, nachtwandelnder Fuß über den Flursaal her, bis das langaufgeschossene Mädchen unsicheren Blickes, in fluchtbereiter Haltung, aber in athemlosem Hören die verschränkten Hände auf die Brust gepreßt, unter der Salonthür erschienen war ...


Hessisches Bauernmädchen. 0Nach dem Gemälde von Joseph Lieck.

[90] „Meine Grete – ein scheuer Vogel, wie Sie sehen!“ hatte der Papa mit der Hand nach ihr hingewinkt und damit den Zauber gebrochen. Im panischen Schrecken war der scheue Vogel von der Schwelle geflohen, hatte, verfolgt von einem vielstimmigen heiteren Gelächter, die Flursaalthür klirrend hinter sich zugeschlagen und war die Treppe hinab mehr gestürzt als gelaufen.

Allein Flucht und trotziger Widerstand hatten nichts mehr genützt, die wilde Hummel hatte sich rettungslos auf ein fremdes Gebiet verflogen; Lernbegierde und Wissensdurst waren in der jungen Seele erwacht und hatten sie immer wieder zu Füßen der Erzähler geführt, und als nach acht Tagen der Wagen vor dem Lamprecht’schen Hause gehalten hatte, um die Fortreisenden nach der Bahn zu bringen, da war auch die „unmanierliche Grete“ in Schleierhut und Reisemantel aus der Hausthür getreten, verweinten Gesichts zwar und den letzten Jammerlaut eines schweren Abschiedes auf den Lippen – aber man hatte sie mit nichten in den Wagen schleppen müssen, und sie hatte auch nicht geschrieen, daß die Leute auf dem Markte zusammenlaufen mußten, fest entschlossen und freiwillig war sie mitgegangen, um bei Onkel und Tante zu lernen und sie auf ihren Reisen zu begleiten.

Darüber waren fünf Jahre hingegangen. Margarete war neunzehnjährig geworden und hatte das väterliche Haus nicht wiedergesehen. Ihre Verwandten, vorzüglich den Papa, hatte sie in der langen Zeit öfter, theils in Berlin, theils auf Reisen bei verabredeten Rendezvous gesehen, und in den letzten zwei Jahren waren die Besuche der Großmama in Berlin immer häufiger geworden; sie wollte die Enkelin heimholen; allein Onkel und Tante zitterten bei dem Gedanken an eine Trennung, und das junge Mädchen selbst verspürte nicht die geringste Lust, sich am heimischen Hofe vorstellen zu lassen, und so mußte die Frau Amtsräthin zu ihrem bittersten Verdruß immer wieder allein zurückreisen.

Tante Sophie war, außer Herbert, die Einzige der Familie gewesen, die sich ein Wiedersehen mit „der Gretel“ hatte versagen müssen. Nein, das sollte ihr einmal Niemand nachsagen können, daß sie um einer Freude, eines Herzensbedürfnisses willen den Haushalt je, auch nur für ein paar Tage im Stiche gelassen hätte! Es ging eben nicht und ließ sich vor dem Gewissen nicht verantworten, und da hatte das dumme, alte Herz mit seiner Sehnsucht absolut nichts drein zu reden ... Nun machte sich aber der Ankauf neuer Teppiche und Portieren für die „guten Stuben“ durchaus nöthig, und Tante Sophiens Pelzmantel verlor, trotz Steinklee und Pfeffer, seit Jahren die Haare – er mußte pensionirt werden. Ein neuer Pelzmantel war aber ein theures Stück, das konnte man nicht nur so verschreiben und wie die Katze im Sacke kaufen, eben so wenig wie die kostbaren Teppiche und Portièren; da hieß es gleich vor die rechte Schmiede gehen, und deßwegen dampfte Tante Sophie – viel eiliger als es nöthig, aber doch nur „aus wirthschaftlichen Rücksichten“ – eines Tages nach Berlin und stand plötzlich unter strömenden Freudenthränen in Margaretens Mädchenstübchen. Und was alle bittenden, süßen und strengen Worte der Frau Amtsräthin nicht vermocht, das that der Anblick der unvergessenen mütterlichen Pflegerin; eine heiße Sehnsucht wallte in dem jungen Mädchen auf – sie wollte heim auf einige Zeit, heim, um über Weihnachten zu bleiben; Tante Sophie sollte ihr, wie einst dem Kinde, den Christbaum in der trauten Wohnstube anbrennen. Und so wurde verabredet, daß sie in der Kürze der heimkehrenden Tante folgen solle, aber ganz im Stillen, Niemand durfte es wissen, Papa und Großpapa sollten überrascht werden. –

So geschah es an einem stillen milden Abend zu Ende des Septembers, daß die junge Dame, zu Fuße von der Bahn kommend, den Thürflügel des Packhauses hinter sich schloß und einen Augenblick lächelnd unter dem dunklen Thorwege stehen blieb – sie schien noch auf das Knarren und Aechzen des alten Holzgefüges zu horchen, obschon es sofort verhallt war. Gerade diese Laute hatten in ihr Kindesleben hineingeklungen, so weit sie zurückdenken konnte, in ihre Spiele im Hofe und oft noch aufschreckend in das süße Hindämmern des ersten Schlafes hinein. Und wie oft hatte Tante Sophie erzählt, daß gerade durch dieses Thor, Jahrhunderte hindurch, die Leinenfrachten, dieses goldbringende Handelsgut der Lamprechts, in die Welt hinausgegangen waren! Das hatte die wilde Hummel damals nicht sonderlich interessirt; jetzt aber flog ihr Blick unwillkürlich empor, als müsse er, trotz der Dunkelheit, an der Steinwölbung noch die Spuren der hochgethürmten Planwagen finden können.

In welchem Lichte erschien ihr überhaupt jetzt der stille Hof des alten Patricierhauses, seit sie durch Studium und belehrende Reisen sehenden Auges geworden war! ... Wie festgebannt blieb sie stehen, nachdem sie mit erregt pochendem Herzen einige Schritte vorwärts gelaufen. Unter ihren Füßen raschelte dürres Laub; die mächtig gewachsenen lieben Linden hatten bereits zum größten Theil die Blätter abgeworfen und hinter den Stämmen dunkelten die Mauern des uralten Weberhauses. Heute wie an jedem Abende kam der starke Lichtstrom der großen Wandlampe drüben aus den Küchenfenstern; er legte sich breit über den Hof hin, beschien grell wie immer seitwärts ein ganzes Stück des anstoßenden spukhaften Flügels und hob das mächtige, steinerne Brunnenbecken inmitten des Hofes weiß aus dem Abenddunkel. Und jenes beleuchtete Stück Façade des zwischen das Packhaus und das große, nüchterne, stillose Vorderhaus geklemmten Seitenbaues zeigte zur Ueberraschung der Heimkehrenden den edelsten Renaissancestil, und die Steinfigur, die sich hoch über den vier wasserspendenden Brunnenröhren hell bestrahlt erhob, und nach welcher einst Herbert und später auch Reinhold mit Kieseln geworfen, sie war eine feingegliederte Brunnennymphe vom schönsten Ebenmaße – jeder der vandalischen Steinwürfe von damals entrüstete in diesem Augenblicke noch nachträglich die junge Kunstverständige. ... „Die Thüringer Fugger“ hatten die Kauf- und Handelsherren Lamprecht einst um ihres Reichthumes willen im Volksmund geheißen – in dem Erbauer des Seitenflügels mit dem dazu gehörigen Brunnen hatte aber auch etwas von dem Kunstsinn der berühmten Augsburger Leineweber gelebt; nur daß er seine Schöpfung, in herber, stolzer Verschmähung alles Rühmens und Preisens, der Oeffentlichkeit entzogen und sie lediglich zur eigenen Augenweide und Befriedigung in der Verborgenheit aufgerichtet hatte. So war es recht! Die Tochter des alten Hauses hatte auch ihre Dosis Bürgerstolz im Blute mitbekommen – er trug in diesem Momente der Heimkehr seinen Theil an dem freudig erregten Schlage ihres Herzens. O ja, so ein ganz klein wenig „hochmüthig“ war man! ...

Von der Brunnenfigur hinweg glitt ihr Blick über die Küchenfenster, und sie empfand eine helle Wiedersehensfreude und lachte in sich hinein – da war freilich von griechischen Linien nicht die Rede; Bärbe tauchte aus der Tiefe der Küche auf und trat in den hellen Lampenschein. Sie war noch ebenso bärenhaft vierschrötig und ungeschlacht wie ehemals; das dünne, graue, um den Kamm gewickelte Zöpfchen am Hinterkopfe hatte sich in seiner Position ausgezeichnet konservirt, und das Mundwerk ging flott wie immer – einzelne Laute ihrer spröden Stimme kamen durch das offene Fenster.

Es ging überhaupt sehr lebhaft zu in der Küche. Verschiedene Hände mußten beschäftigt sein, das Geschirr abzuwaschen, denn es klirrte und klapperte ohne Aufhören; Bärbe und der Hausknecht trockneten die Teller, und ein hübscher, junger Bursch in feiner Livrée ging eilfertig ab und zu.

Ohne Zweifel war Diner im Hause. Margarete hatte schon beim Heraustreten aus der finsteren Thorwölbung durch die Flurfenster gesehen, daß droben in der Beletage, im großen Salon, der Kronleuchter brannte. Das überraschte sie nicht; Tante Sophie hatte ihr bereits in Berlin gesagt, daß jetzt immer „Etwas los sei“ zu Hause; zwischen den Leuten bei Hofe und Amtsraths sei große „Herrlichkeit“ und der Papa sei dadurch ein gar gesuchter Mann – und die braunen Augen hatten dabei lustig gezwinkert. ... Ei nun, da war ja die beste Gelegenheit, sich die Herrlichkeit in Bausch und Bogen zu besehen, ohne sich selbst sehen zu lassen, gleichsam von der Tiefe einer Theaterloge aus! Es galt einen Versuch! –

Sie ging durch den Hausflur in die Wohnstube. Da war es sehr dämmerig; das Gaslicht kam schwach durch die Fenster herein und warf nur einen intensiveren Lichtfleck auf die eine Wandfläche, auch auf das Zifferblatt der schönen, großen, wohlbekannten Standuhr. Das behäbig langsame Ticken des alten Inventarstückes berührte die Heimkehrende herzbewegend wie ein Gruß von lieber Menschenstimme.

Tante Sophie war nicht da, sie hatte selbstverständlich oben „alle Hände voll zu thun“; dafür war das ganze, große Zimmer von dem Dufte ihrer Lieblingsblumen erfüllt – auf dem Eßtische [91] stand ein mächtiger Strauß von Levkoyen und Reseda, wohl der letzte für dieses Jahr aus Tante Sophiens eigenem kleinen Garten vor dem Thore – wie das Alles anheimelte!

Margarete warf Hut und Mantel auf einen Stuhl, schwang sich auf den hohen Fenstertritt und sah hinaus, über den gashellen Markt hin. ... Alles wie sonst, da sie noch in den Kinderschuhen gesteckt und die scharfen Steinkanten des holprigen Pflasters unter den Sohlen gefühlt, da der kleine, zum Theil noch von uralten Vertheidigungsmauern eifersüchtig umschlossene Straßenkomplex, Stadt B. genannt, für sie die Welt bedeutet hatte, in der sie um jeden Preis leben und sterben gewollt! ... Alles wie sonst, der bemooste Neptun auf dem Marktbrunnen, das Eckhaus schräg gegenüber mit seinem Steinbild über der gewölbten Thür – welches besagte, daß der Hausbesitzer zum Bierbrauen berechtigt sei – die schrille, kleine Glocke auf dem Rathhausthürmchen, die eben halb acht Uhr schlug, das ferne Klingeln verschiedener Schellen an den Ladenthüren, und auch die edle Wißbegierde der guten Landsmänninnen, die dort in einem Trupp an der Straßenecke standen und, schlafende Kinder in ihre weiten, runden Kattunmäntel gewickelt, lange Hälse machten; sie konnten sich nicht satt sehen an dem Kronleuchter, der droben in Lamprecht’s guter Stube brannte, und zischelten wacker durch einander – der richtige, rechtschaffene Klatsch an der Straßenecke!

Die junge Dame verließ ihren hohen Standpunkt am Fenster und lachte – sie machte es ja nicht besser als die schnatternde Gesellschaft da drüben, sie huschte ja jetzt auch hinauf, um zu sehen, was Alles dieser Kronleuchter beschien. ...




8.

Das lautlose Huschen wurde ihr nicht schwer. Ein neuer, breiter Läufer von dickflaumigem Teppichstoff verschlang jeden Fußtritt auf der Treppe. Vor Margarete her eilte der Livréebediente mit einer Platte voll Selterswasserflaschen hinauf; er bemerkte die junge Dame nicht, und droben ließ er achtlos die Thüre offen, weit genug für einen Flederwisch wie sie, meinte sie und huschte durch den Spalt.

Der Flursaal war spärlich beleuchtet; nur aus der weit offenen Salonthüre strömte der Kerzenglanz und theilte als breiter Streifen den mächtigen Raum in zwei Hälften, und in dem Moment, wo der Bediente mit seinen Flaschen in die offene Salonthüre trat, schlüpfte Margarete hinter ihm weg in den dunkelnden Hintergrund und trat in eine der Fensternischen.

Sie konnte einen großen Theil des Salons überblicken; und es war wirklich, als säße sie in der Theaterloge und sähe ein interessantes Lustspiel ... Der ersten Liebhaberin – das war die junge Fremde dort an der Tafel zweifellos – konnte sie gerade in das Gesicht sehen; es war ein hübsches, volles, ruhig lächelndes Gesicht auf schneeweißem, rundem Halse und breiten, üppig schönen Schultern. Die junge Dame saß so, daß für die Beschauerin draußen der alte berühmte Lamprecht’sche Tafelaufsatz, ein mächtiges, mit Früchten und frischen Blumen beladenes Kauffahrteischiff von gediegenem Silber, dicht neben ihr zu stehen schien – das gab ein farbenprächtiges Bild; frischer waren die Blumen auch nicht, als der blonde Mädchenkopf mit seinem strahlenden Teint ... Also, das war sie, diese Heloise von Taubeneck, die gegenwärtig eine so dominirende Rolle bei „Amtsraths“ spielte! ... Nun, verwunderlich war es gerade nicht, daß die Großmama über diese neue Beziehung so „ganz und gar aus dem Häuschen“ sein sollte, wie Tante Sophie sich in Berlin ausgedrückt hatte. Eine Nichte des Herzogs – sei es auch nur die Tochter des verstorbenen apanagirten Prinzen Ludwig aus einer unebenbürtigen Ehe – dereinst Schwiegertochter nennen zu dürfen, das übertraf ja weit, weit Großmamas kühnste Wünsche! Wie sie wohl dies unmenschliche Glück trug?

Nun, die ehrgeizige alte Dame lehnte denn auch dort an der Schmalseite der Tafel mit stolzseligem Gesichtsausdruck und die Hände fast andächtig gefaltet, in ihrem Stuhl und verwandte kein Auge von der blonden Schönheit neben dem Sohn, dem einzigen, vergötterten, der in rapider Geschwindigkeit Staffel um Staffel im Staatsdienst erstieg und mit neunundzwanzig Jahren schon „ein Herr Landrath“ war. Wie oft hatte Margarete als Kind ihn aus Papas Munde spottweise „unser zukünftiger Minister“ nennen gehört! Nun war er in der That dem hochgesteckten Ziel nahe, wie Tante Sophie in Berlin erzählt. Sie hatte gesagt, man munkele bereits im Lande, „daß ein Wechsel in Sicht sei – der bisherige Chef des Ministeriums kränkele und habe den Wunsch, nach dem Süden zu gehen. Schlechte Leute aber behaupteten, Seiner Excellenz thue keine Ader weh; die Diagnose rühre nicht vom Arzt, sondern von einer hohen Persönlichkeit her, und der Herr Landrath Marschall würde, trotz seiner wirklich ausgezeichneten Fähigkeiten, keinesfalls den Harrassprung in die hohe Stellung machen, wenn nicht eben – jenes Fräulein Heloise von Taubeneck wäre. „Ja, die Welt ist gar schlecht mit ihrer losen Zunge!“ Damit waren diese neuesten Nachrichten aus der Heimath unter bedauerlichem Achselzucken geschlossen worden; aber der Schalk hatte der Tante aus jedem Augenwinkel gelacht. Uebrigens sei Herbert wirklich ein vornehmer Mann geworden – hatte sie sich beeilt hinzuzusetzen – wie geboren zu einer hohen Beamtenstellung, wo man sich gegen Krethi und Plethi abschließen müsse ...

Nun ja, er war ein hübscher Mann geworden, eine rechte Diplomatenfigur mit seiner vornehmen Sicherheit in Thun und Wesen. Wenn sie ihm in der Fremde plötzlich begegnet wäre, da hätte sie vielleicht gestutzt, aber auf den ersten Blick ihn sicher nicht erkannt ... Sie hatte ihn lange nicht gesehen, es mochten wohl sieben Jahre darüber vergangen sein. Als Student hatte er seine Ferienzeit meist auf Reisen verlebt, und wenn er ja einmal nach Hause gekommen, da war sie dem „eingebildeten Studiosus“, der immer noch keinen Bart und deßhalb auch kein Anrecht auf den diktatorisch geforderten Onkeltitel gehabt, klüglich aus dem Wege gegangen, und er hatte nie gefragt, wo sie stecke – selbstverständlich! –

Nun war ihm aber der Bart gewachsen, ein schöner, dunkler, am Kinn leicht getheilter Vollbart, und aus dem mißachteten Studenten war ein Herr „Landrath“ geworden, der noch dazu mit vollen Segeln auf seine Verheirathung lossteuerte und binnen kurzem eine Tante an seiner Seite haben würde; da konnte man mit gutem Gewissen „Onkel“ sagen – ja wohl, unbedenklich! Das junge Mädchen in der dunklen Fensterecke lächelte schelmisch und ließ die Augen weiter schweifen.

Bei Betreten des Flursaals war ihr ein lautes Stimmendurcheinander entgegengekommen; man hatte sehr lebhaft gesprochen, und sie meinte auch, Großpapas geliebte, rauhe Stimme herausgehört zu haben. Mit dem Eintritt des Bedienten jedoch war es stiller geworden, und jetzt sprach nur eine einzige, ganz angenehme, wenn auch etwas fette Frauenstimme; sie schien gewissermaßen zu dominiren und in der Modulation lag, besonders wenn es galt, eine eingeworfene Frage zu beantworten, eine merkliche Herablassung. Margarete konnte die Sprecherin nicht sehen; sie mochte dem Papa zur Rechten sitzen, während Fräulein von Taubeneck links seine Nachbarin war.

Die unsichtbare Dame erzählte einen Vorfall bei Hofe, hübsch und anschaulich, und unterbrach sich nur manchmal mit einem „nicht wahr, mein Kind?“ – was die schöne Heloise stets mit der Antwort „gewiß, Mama!“ prompt und gleichmüthig bestätigte. So war es also Frau Baronin von Taubeneck, die Wittwe des Prinzen Ludwig, welche neben dem Papa saß ... Wie stolz er aussah! Die finstere Melancholie, welche die Tochter bei jedem Wiedersehen aufs Neue erschreckt hatte, schien heute wie weggewischt von den schönen, wenn auch stark alternden Zügen. Die Großmama war somit nicht die Einzige, die sich in den Strahlen des über der Familie aufgehenden Glücksgestirmes sonnte ...

Frau von Taubeneck beschrieb eben mit gesteigerter Lebendigkeit, wie das Pferd des Herzogs alle Anstrengungen gemacht, seinen Reiter abzuwerfen, als sie plötzlich aufhorchend verstummte. Ueber ihre ziemlich laute Stimme hinweg schwebte ein Klang in das Zimmer herein, ein langausgehaltener Ton – er schwoll und schwoll und blieb doch geisterhaft zart und unirdisch, bis er plötzlich abriß, um eine Terz tiefer einzusetzen.

„Magnifique! Was für eine Stimme!“ rief Frau von Taubeneck halblaut.

„Bah – ’s ist ein Junge, gnädige Frau, ein aufdringlicher Bengel, der Einem seine Kehltöne an den Kopf wirft, wo man geht und steht!“ sagte Reinhold, der an der Tischecke neben der Frau Amtsräthin saß – seine schwache knabenhafte Stimme bebte im verhaltenen Aerger.

[92] „Ei, nun ja – Du hast Recht – die Singerei im Packhause wird auch mir nachgerade zu viel!“ bestätigte die Großmama und sah ihn besorgt von der Seite an. „Aber es fällt mir doch im ganzen Leben nicht ein, mich darüber zu ärgern! Hübsch ruhig, Reinhold! Die Familie im Packhause ist für uns ein notwendiges Uebel, an welches man sich mit der Zeit gewöhnt – Du wirst es auch lernen.“

„Nein, Großmama, grundsätzlich nicht!“ versetzte der junge Mann, während er mit nervöser Hast seine Serviette zusammenfaltete und sie auf den Tisch warf.

„Puh, wie heftig!“ lachte Fräulein von Taubeneck – was für herrliche Zähne sie hatte! „Viel Lärm um Nichts! Es ist mir nicht erfindlich, wie sich Mama durch die paar Töne unterbrechen lassen konnte, noch weniger aber begreife ich Ihren Zorn, Herr Lamprecht – so Etwas höre ich gar nicht.“ – Sie hob den weißen, bis an die Schulter entblößten Arm, nahm eine schöne Orange von dem Tafelaufsatze und fing an, sie zu schälen.

Reinhold’s bleiches Gesicht röthete sich ein wenig – er schämte sich seiner Heftigkeit. „Ich ärgere mich nur,“ entschuldigte er sich, „daß man den Singsang so widerspruchslos hinnehmen muß. Der eitle Bursch sieht jedenfalls, daß wir Gesellschaft haben, und meint, er gehöre auch dazu – unverschämt! – Er will um jeden Preis bewundert sein.“

„Wenn Du das denkst, da bist Du aber stark auf dem Holzwege, Reinhold!“ sagte Tante Sophie eben hinter ihm weggehend. Sie hatte bisher an der Kaffeemaschine ihres Amtes gewaltet und einen starkduftenden Trank gebraut, dessen erste Tasse sie auf einem Silbertellerchen der Frau von Taubeneck persönlich präsentirte. Sie war in ihrem schweren, schwarzseidenen Ripskleide; das volle, graue Haar saß wie immer in zwei glänzenden Scheitelpuffen zu beiden Seiten der hellen Stirn, und darüber her fiel eine schöne schwarze Spitze. Sie sah ganz vornehm aus, die mittelgroße, gutkonservirte Gestalt mit ihrem sicheren Auftreten. Und die Zuckerschale von der Tafel nehmend, setzte sie hinzu: „Der Kleine fragt viel nach Unsereinem; der singt für sich selber wie der Vogel auf dem Zweig. Das quillt ihm nur so aus der Brust, und ich hab’ zu jeder Stunde meine Freude dran – ’s ist die reine Pracht und Herrlichkeit, eine wahre Gottesstimme! Hören Sie’s?“ Sie sah sprechend über die Tafelrunde hin und neigte den Kopf nach der Richtung des Hofes.

„Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre!“ sang der Knabe drüben im Packhause – eine lieblichere Stimme hatte wohl noch nie zur Ehre Gottes gesungen.

Reinhold warf der Tante einen Blick zu, der die Lauscherin im Fensterwinkel empörte. „Wie kannst Du Dich unterstehen, in diesem auserwählten Kreise mitzureden?“ Diese Frage lag deutlich genug in den hochmüthigen, fast farblosen Augen, und daneben sprühte die tiefste Erbitterung. Margarete kannte ja das schmale, fleischlose Gesicht, auf welchem das Muskelspiel so harte, scharfe Linien zog, in jeder Regung, sie hatte es als Kind ängstlich studiren gelernt, aus schwesterlicher Liebe und auch, weil man gewohnt war, sie für jeden Heftigkeitsausbruch des schwächlichen Knaben verantwortlich zu machen. Geändert hatte er sich nicht; er war immer gewohnt gewesen, um seines Leidens willen in Allem seinen Kopf durchsetzen zu dürfen; auch jetzt trieb ihm sein bodenloser Eigensinn das Blut dunkel nach dem Gesicht; nervös unruhig griff seine Hand nach verschiedenem Geräthe auf der Tafel und stieß es durch einander, bis ein scharfes Klirren die unwillkürlich Lauschende aufschreckte.

„Pardon, ich war sehr ungeschickt!“ stammelte er kurzathmig. „Aber die Stimme macht mich ganz nervös – sie klingt mir im Ohre, wie wenn ein Trinkglas mit nassem Finger bestrichen wird.“

„Nun, dem ist ja abzuhelfen, Reinhold,“ sagte Herbert beruhigend. Er stand auf und kam heraus in den Flursaal, um die der Salonthür gegenüberliegenden offenen Fensterflügel zu schließen. ...

Also auch darin hatte sich nichts geändert. Reinhold war stets Herbert’s Protegé und Liebling gewesen, und wie einst der Primaner und Student beeifert gewesen war, dem kränklichen Neffen alles Aergerliche und Verstimmende aus dem Wege zu räumen, so that es auch zu dieser Stunde noch der Herr Landrath. ...

Den Flursaal entlang gehend, inspizirte er auch die anderen Fenster und kam an Margaretens Versteck heran. Sie drückte sich tiefer in die finstere Ecke, und dabei rieb sich ihr Seidenkleid knisternd an der Wand.

„Ist Jemand hier?“ fragte er aufhorchend.

Sie lachte in sich hinein. „Ja,“ sagte sie halblaut; „aber kein Dieb oder Mörder, auch nicht die Ahne Dorothee aus der Spukstube – Du brauchst Dich nicht zu fürchten, Onkel Herbert – es ist nur die Grete aus Berlin!“

Damit trat sie aus dem Fensterwinkel – ein schlankes Mädchen, das sich lächelnd, mit lässiger Grazie ein wenig vorbog, um sich zur Bestätigung von dem letzten Schrägstreifen des Kerzenlichtes bescheinen zu lassen.

Er war unwillkürlich zurückgewichen und sah sie an, als traue er seinen eigenen Augen nicht. „Margarete?“ wiederholte er ungewiß, fragend und reichte ihr etwas zögernd die Hand hin; sie legte die ihre kühl hinein, und er ließ sie ohne Druck wieder fallen – eine recht steife Begrüßung, aber ganz in der Ordnung. „So bei Nacht und Nebel kommst Du heim?“ fragte er wieder. „Und Niemand im Hause weiß um Dein Kommen?“

Ihre dunklen Augen blitzten ihn muthwillig an. „Ja weißt Du, einen Kurier wollte ich nicht vorausschicken – das kommt ein bischen zu theuer für meine Einkünfte; und da dachte ich mir, unterbringen werden sie Dich schon zu Hause, auch wenn Du unverhofft kommst.“

„Nun, wenn ich einen Augenblick im Zweifel war, ob die junge Dame da wirklich die übermüthige Grete sei, so weiß ich’s jetzt – Du kommst zurück, wie Du gegangen bist!“

„Ich will’s hoffen, Onkel!“

Er wandte das Gesicht halb zur Seite, und da war’s, als gehe ein leises Lächeln durch seine Züge. „Was soll aber nun werden?“ fragte er. „Willst Du nicht herein kommen?“

„O, beileibe nicht! Die Herbstkühle in den Kleidern, Staub und Ruß auf dem Gesicht; dazu eine heruntergetretene Falbel am Rock und ein Paar zerplatzter Handschuhe in der Tasche – ein schönes Debüt vor dem Staatsfrack und brillanten Hofschleppen!“ – Sie deutete nach dem Salon, wo bereits wieder eine laute, lebhafte Konversation im Gange war. „Auf keinen Fall, Onkel! Du wirst Dich doch nicht so mit mir blamiren wollen?!“

„Nun, wie Du willst,“ sagte er kühl und zuckte die Schultern. „Willst Du, daß ich Dir den Papa oder Tante Sophie herausschicke?“

„Gott behüte!“ Sie trat unwillkürlich weiter vor und streckte die Hand aus, um ihn zurückzuhalten; dabei tauchte ihr Kopf für einen Moment tief in das herüberströmende Licht – ein feiner, anziehender Kopf, den dunkle Locken umwogten. – „Gott behüte – was denkst Du? Zu einer Begrüßung im Dunklen sind mir die Beiden viel zu lieb! – Ich muß ihre Gesichter klar vor mir haben, muß sehen, ob sie sich auch freuen ... Und müssen denn die da drüben durchaus wissen, daß Du mich als Horcherin an der Wand ertappt hast? – Ich schäme mich ohnehin genug. Aber das Licht hier oben lockte zu verführerisch, und da taumelte die dumme Motte hinein! ... Nun gehe ich wieder – ich habe genug gesehen!“ –

„So? Und was hast Du denn gesehen?“

„O, sehr viel Schönheit, wirkliche, bewunderungswürdige Schönheit, Onkel! Aber auch viel Vornehmheit, viel – Herablassung – zu viel für unser Haus!“

„Die Deinen finden das nicht!“ sagte er scharf.

„Es scheint so,“ gab sie achselzuckend zu. „Die sind aber auch viel gescheiter als ich. Mir hat von jeher der Dünkel meiner Ahnen, der alten Leinenhändler, im Blute gesteckt – ich lasse mir nicht gern Etwas schenken.“

Er trat von ihr weg. „Ich werde Dich wohl nun Deinem Schicksal überlassen müssen,“ sagte er trocken, mit einer leichten, steifen Neigung des Kopfes.

„O, bitte – nur noch einen Augenblick! Wäre ich die Frau mit den Karfunkelsteinen, dann könnte ich ungefährdet verschwinden und brauchte Dich nicht zu inkommodiren; so aber muß ich Dich bitten, für einen Moment die Salonthür zu schließen, damit ich vorüber kann.“

Er schritt rasch nach der Thür, ergriff beide Flügel und zog sie hinter sich zu. Margarete flog durch den Flursaal; sie hörte, wie drinnen einstimmig gegen das Schließen der Thür protestirt wurde, und ehe sie die äußere Thür hinter sich zudrückte, sah sie noch, wie die beiden Flügel langsam wieder

[93]

Unterwegs.
Nach dem Oelgemälde von Wilh. Diez.

[94] aufgingen, wie sich der bärtige Männerkopf noch einmal verstohlen herausbog, jedenfalls um zu sehen, ob der Eindringling den Ausweg gefunden habe – lustig! Der steifnackige Herr Landrath und die übermüthige Grete im Komplott! Das hätte er sich wohl zehn Minuten zuvor auch nicht träumen lassen! …

Ein Aufschrei empfing sie, als sie wieder in die dämmerdunkle Wohnstube trat. Die nach der Küche führende Thür wurde aufgerissen, und Bärbe rannte hinaus, daß ihr die Röcke flogen.

„Sei gescheit, Bärbe!“ rief Margarete lachend und ging ihr nach bis auf die Schwelle der hellerleuchteten Küche. „Ich sehe ihr ja gar nicht ähnlich, der im rothen Salon, und so durchsichtig wie die spinnwebige Frau Judith bin ich doch wahrhaftig auch nicht! … Komm her und gieb mir eine Hand, alte, treue Seele – hab’ mich gar manchmal nach Dir gesehnt! Da“ – sie streckte ihre schöne, schmale Hand hin – „sie ist warm und von Fleisch und Blut! Du kannst sie getrost anfassen!“

Und „die alte, treue Seele“ war plötzlich wie närrisch vor Freude. Sie faßte nicht nur die Hand, sie schüttelte sie auch, daß dem jungen Mädchen Hören und Sehen verging, und die Thränen stürzten ihr aus den Augen … Ja, da waren nun fünf Jahre nur so verflogen, der Mensch wußte nicht wie! Und aus dem Gretel war eine Dame geworden, fix und fertig, wie ein Döckchen! Aus dem Ausbund! – „Wie eine kleine, wilde Katze ist sie mir gar manches Mal von hinterrücks auf meinen breiten Buckel ’naufgesprungen, wenn ich kein Arg hatte und in meinen Aufwasch vertieft war,“ sagte sie zu der Küchenmagd und wischte sich lachend die Augen; „ja, zum Umstürzen war der Schreck allemal! – Aber,“ ihre laute, grelle Stimme sank zum Flüstern herab, „das sollten Sie doch nicht, Fräulein – ich mein’, mit Solchen wie die oben im Gange, soll sich der Mensch nicht vergleichen! ’s ist ein ‚Aber‘ dabei, und Sie sind ohnehin so blaß, gar so blaß!“

Margarete verbiß mit Mühe das Lachen. „Also auch da Alles beim Alten! Nun ja,“ – ihre Mundwinkel zuckten in leiser Ironie – „‚an uns ist kein Tadel, gut konservativ sind wir!‘ sagte Tante immer, wenn Reinhold die abgerissenen Arme und Beine meiner Puppen sorgfältig sammelte und als alten Besitz respektirte … Hast Recht, Bärbe, blaß bin ich, aber doch frisch genug, um mich meines Leibes und Lebens gegen Deine Gespenster zu wehren. Und Du sollst sehen, in unserer starken Thüringer Luft werden meine Backen bald rund und roth wie Borsdorfer Aepfel sein … Aber horch!“ – durch das offene Küchenfenster klang wieder die Knabenstimme herein – „jetzt sage mir, wer singt denn drüben im Packhause?“

„’S ist der kleine Max, ein Enkelchen von den alten Lenzens. Seine Eltern sollen gestorben sein, und da haben ihn die Großeltern zu sich genommen. Er geht hier auf die Schule und muß wohl das Kind von einem Sohn sein – er heißt auch Lenz. Sonst kann ich nichts sagen. Sie wissen’s ja, es sind so stille Leute; ob sie Freud oder Leid erleben, ein anderer Christenmensch erfährt’s nicht. Und unser Herr Kommerzienrath und die Frau Amtsräthin können’s partout nicht leiden, wenn Unsereiner auch nur thut, als wohnten Leute im Packhause. ’S ist von wegen der Klatscherei, wissen Sie, Fräulein; und richtig ist’s ja, so gemein darf sich ein Haus, wie unseres, nicht machen … Der Kleine freilich fragt viel darnach, was bei uns Brauch ist – ’s ist ein schönes Kind, Fräulein Gretchen, ein Staatsjunge! Aber der ist vom ersten Tag an mir nichts dir nichts in den Hof ’runtergestiegen, und da spielt er wie von Rechtswegen, accurat wie Sie und der junge Herr Reinhold klein da ’rumgetollt haben.“

„Brav, mein Junge! Ein tapferer kleiner Kerl! Da ist Kraft und Selbstbewußtsein drin!“ nickte Margarete vor sich hin. „Was sagt denn aber die Großmama?“

„Ja, die Frau Amtsräthin, die ist freilich toll und böse, und der junge Herr erst – ach, ach!“ – sie fuhr mit der Hand durch die Luft – „da giebt’s viel böses Blut! Aber es hilft Alles nichts, und wenn’s noch so deutlich durch die Blume gegeben wird, der Herr Kommerzienrath hat keine Ohren … Ich glaube, im Anfang hat er’s gar nicht gesehen, daß das fremde Kind da ’rumgelaufen ist, wo’s nicht hingehört – er ist ja immer so in tiefen Gedanken – das kommt vom schwarzen Geblüt, Fräulein, nur davon! Nun ja, und solche Leute sehen manchmal nicht rechts und nicht links, und andere Menschen sind für sie nicht auf der Welt. Wo’s ihm aber doch endlich beigebracht worden ist, da hat er gesagt, sie sollten das Kind nur spielen lassen, wo es wollte, der Hof wär’ groß genug – und dabei ist’s geblieben und der Aerger muß ’nuntergewürgt werden.“

Sie nahm eine Stecknadel aus ihrem Halstuch und steckte eine halbgelöste Schleife am Kleid der jungen Dame fest, dann zupfte sie die Spitze am Halsausschnitt zurecht und strich mit beiden Händen glättend über den etwas zerknitterten Seidenrock. „So, nun kann’s losgehen!“ sagte sie zurücktretend. „Die werden gucken da oben! So unverhofft und so mitten hinein in die große Gesellschaft –“

Margarete schüttelte den Kopf, daß die Locken flogen.

Das war nun freilich nicht nach dem Sinn der alten Köchin. Es sei heute „extra schön“ oben, meinte sie, und beim Champagner würde es wohl richtig gemacht worden sein zwischen der vom Hofe und dem Herrn Landrath … „Ein Paar schöne Menschen, Fräulein und eine große Ehre für die Familie!“ schloß sie ihre Mittheilungen. „Gesehen hab’ ich freilich von der ganzen Herrlichkeit noch nichts, ich, in meiner Küche hier unten; aber die Leute sagen’s, und die Neidhammel in der Stadt sagen auch, die Frau Amtsräthin würde ja wohl noch zerplatzen vor lauter Hochmuth … Ja, die losen Mäuler! Der Mensch kann sich nicht genug in Acht nehmen!“ …

Mit diesen Worten nahm sie eine Tischlampe vom Sims, um sie für Margarete anzubrennen; aber die junge Dame verbat sich alle Beleuchtung. Sie wollte im Dunklen warten, bis droben Alles vorüber sei, und stieg wieder auf den Fenstertritt in der Wohnstube.

(Fortsetzung folgt.)

Ferienstudien am Seestrande.

Weiber und Männlein.
(Schluß.)


Bei keinem Thiere ist, soviel ich weiß, das Mißverhältniß zwischen beiden Geschlechtern so weit ausgebildet, wie bei der Bonellie, bei keinem zeigen sich so durchgreifende Unterschiede im äußeren und inneren Bau. Man findet zwar, wie schon erwähnt, bei an Fischen und anderen Wasserbewohnern schmarotzenden Krustenthieren häufig solche Zwergmännchen, aber das Mißverhältniß in der Größe ist nicht so bedeutend, und diese immer auf der Außenfläche des Weibchens angehefteten Männchen lassen stets im Bau ihrer Füße und Glieder ihre Natur als Krustenthiere auf den ersten Blick erkennen. Mehr nähert sich das Verhältniß der winzigen Männchen der Räderthiere zu ihren Weibchen dem der Bonellien, auch diesen fehlt meist der Darmkanal oder ist nur in seinen Rudimenten zu erkennen, aber diese Räderthiermännchen haben doch das charakteristische Räderorgan, das Nervensystem, sowie eigenthümliche innere Organe in Uebereinstimmung mit ihren Weibchen, und jeder Beobachter, dem sie aufstoßen, muß sie auf den ersten Blick in das Mikroskop als Räderthierchen erkennen, während es bei den Bonellienmännchen eines eingehenden Studiums bedurfte, wie Spengel es durchgeführt hat, um die Uebereinstimmung im Bauplane festzustellen. Noch auffallender aber ist der Umstand, daß die Bonellien in dieser Hinsicht durchaus isolirt dastehen in der Gruppe der Sternwürmer. Bei allen übrigen Gephyreen, soweit sie bis jetzt bekannt sind, unterscheiden sich die Männchen in keiner Hinsicht von den Weibchen; erst durch die mikroskopische Untersuchung der inneren Organe kann man die Geschlechter unterscheiden. Nirgends findet sich bei den übrigen Gattungen der Gruppe auch nur eine leise Andeutung, die zu dem bei den Bonellien obwaltenden Mißverhältnisse hinleiten könnte.

Wir müssen auch offen bekennen, daß wir in den Existenzbedingungen, welchen sich diese Thiere angepaßt haben, keine [95] Erklärung dieser auffallenden Thatsache finden können. Die meisten Sternwürmer leben in ähnlicher, wenn auch etwas verschiedener Weise wie die Bonellien am Grunde des Meeres in Sand oder Schlamm, in welchem sie sich mühsam umher bewegen und den die meisten verschlingen, um die darin enthaltenen kleinen Organismen zu verdauen; in ähnlicher Weise leben Tausende von Wurmarten, bei welchen kein grelles Mißverhältniß zwischen den beiden Geschlechtern obwaltet. Wir stehen hier vor einem noch ungelösten Räthsel, in welches auch die allgemeinen Betrachtungen, die wir aus den Beziehungen der beiden Geschlechter zu einander ableiten können, kein Licht zu werfen vermögen.

Suchen wir nach einer allgemeinen Ursache des Mißverhältnisses der beiden Geschlechter, so tritt uns wohl in erster Linie ein rein mechanisches Moment entgegen.

Betrachten wir zunächst das Weibchen. Fast alle Eier enthalten, außer dem ersten Bildungsmateriale des Embryos noch eine mehr oder minder bedeutende Beigabe von Nahrungsmaterial, das nach und nach zu dem Aufbau und Ausbau des Körpers des Jungen benutzt wird. Diese Beigabe, die in dem Hühnerei z. B. den gelben Dotter bildet, kann sehr bedeutend sein, je nachdem das Junge in mehr oder minder ausgebildetem Zustande das Ei verläßt. Sind die Eier ursprünglich fast verschwindend klein, wie z. B. bei den Säugethieren, so wachsen sie in dem mütterlichen Organismus während der Entwickelung des Jungen zu beträchtlicher Größe an. Die Eier, welches auch ihre weitere Entwickelung sein möge, fallen demnach unter allen Umständen in das Gewicht; der weibliche Organismus muß, während einer bestimmten Zeit, eine schwerere Bürde mit sich herumschleppen, als der männliche. Dazu kommt noch, daß in vielen Fällen die Zahl der Eier sich fast in das Unendliche vermehrt. Diese Vermehrung findet nachgewiesener Maßen in umgekehrtem Verhältniß zu der Wahrscheinlichkeit statt, welche die Fortdauer der Art bietet. Ein Thier, dessen Brut vielfachen Zufälligkeiten ausgesetzt ist, in welchen dieselbe zu Grunde gehen kann, wird und muß mehr Eier und Junge produciren, als ein anderes, dessen Nachkommen vor solchen Zufälligkeiten geschützt sind. Mäuse und Kaninchen pflanzen sich fast das ganze Jahr hindurch fort und jeder Wurf bringt eine bedeutende Zahl von Jungen, während der Elefant nur in längeren Zwischenräumen ein Junges erzeugt. Bei manchen Thieren geht das in das Ungeheuerliche – ein Bandwurmkopf muß Tausende von Gliedern, die Millionen Eier enthalten, erzeugen, damit nur einige derselben die Wanderungen, welche sie von dem Körper des Schweines zu dem Darmkanale des Menschen bestehen müssen, ungehindert überstehen. Aber alles dieses fällt als Masse in das Gewicht, und dieses Gewicht muß getragen werden.

Ist es nun zu verwundern, wenn wir zu dem Schlusse kommen, daß der weibliche Organismus, wenn nicht andere Bedingungen einwirken, größer und kräftiger sein müsse, als der männliche? Offenbar ist das Mißverhältniß zu Ungunsten des Männchens das ursprüngliche, gesetzmäßige Verhältniß, und in der That sehen wir es auch bei den meisten niederen Thieren obwaltend.

Durch welche Ursachen kann nun dieses ursprüngliche Verhältniß ausgeglichen und sogar umgekehrt werden?

Gehen wir, um uns davon Rechenschaft ablegen zu können, von den soeben angedeuteten mechanischen Momenten aus.

Der weibliche Organismns producirt mehr Stoff zur Fortpflanzung, als der männliche, und dieser Stoff fällt mehr in das Gewicht. Bei sonst gleichen Existenzbedingungen wird also der weibliche Organismus um so weniger Stoff zur Ausbildung seiner übrigen Organe zur Verfügung haben; er wird, bei vergrößertem Gewichte seines Körpers, mehr Kraft zur Bewegung desselben aufwenden müssen, als der männliche. Er wird träger, unbeholfener sein und als natürliche Folge die Tendenz zur Ruhe, zum Festsitzen bis zu fast vollständiger Unbeweglichkeit ausbilden.

So sehen wir denn auch wohl allgemein in der Thierwelt das männliche Element als das beweglichere, suchende. Es ist ursprünglich leichter, bildet seine Bewegungsorgane, seine Sinnesorgane, die ihm zum Aufsuchen der träge in Ruhe sitzenden oder selbst am Boden haftenden Weibchen dienen, besser aus. Wir haben Tausende von Beispielen, welche dies belegen; ich will nur an die träge stillsitzenden oder selbst der Flügel beraubten Weibchen vieler Schmetterlinge erinnern, deren Männchen lustig umherschwärmen und durch ihre besser ausgebildeten Sinnesorgane die sich bergenden Weibchen zu finden wissen.

Aus der weiteren Entwickelung dieser Tendenz mag sich denn auch die Thatsache erklären, daß viele Männchen nur eine sehr kurze Lebensdauer den Weibchen gegenüber besitzen – sie gehen zu Grunde, sobald sie den Zweck ihrer Existenz, die Befruchtung der Eier, erfüllt haben. Auf diese Weise mag sich die Zwergennatur so vieler Männchen erklären, die immerhin beweglicher, als die Weibchen, in der Nähe derselben umherschwärmen, auf den festsitzenden umherkriechen und schließlich bei den ihnen zugetheilten Kolossen Schutz und selbst Nahrung suchen. Das verhältnißmäßig riesige Weibchen sitzt dann fest an einem anderen Thiere als Schmarotzer oder an dem Boden, das Männchen sucht in seinem Mantel Schutz und klammert sich schließlich an dasselbe an, schlüpft sogar in seine inneren Organe, um dort endgültig zu verweilen. Dadurch wird denn auch wieder seine Beweglichkeit verringert; die Schwimmfüße wandeln sich zu Klammern, Haken etc. um.

Die größere Beweglichkeit des Männchens kann aber, bei weiterer Ausbildung in abweichender Richtung, besonders dann zu dem entgegengesetzten Resultate führen, wenn sie mit einem anderen Momente, nämlich mit der Brutpflege im weitesten Sinne in Verbindung tritt.

In den meisten Fällen ist das Weibchen mit der direkten Brutpflege betraut. Es besitzt besondere Organbehälter, Säcke, Glieder, in oder an welchen die Eier, die es mit sich trägt, sich weiter entwickeln. Ich will nur, um bekannte Beispiele anzuführen, an die Eier unter dem Schwanze der Krebse erinnern, welche an eigenthümlich modificirten Beinen befestigt sind, oder an die Eisäcke, welche viele Spinnen mit sich umherschleppen.

Wir kennen nur wenige Fälle, wo die Männchen mit solcher direkten Brutpflege sich befassen. Die Männchen der niedlichen Seepferdchen (Hippocampus), die man in jedem Aquarium sehen kann, füllen einen Beutel, den sie am Körper haben, mit den befruchteten Eiern an und tragen dieselben schwimmend herum, bis die Jungen ausschlüpfen. Dem mechanischen Gesetze entsprechend, sind diese Männchen größer als die Weibchen. Im See Tiberias in Galiläa hat Professor Cortet von Lyon einen Fisch, eine Chromis-Art, entdeckt, die er den „Familienvater“ (Chromis pater familias) genannt hat und deren Männchen eine weit ausgedehnte Rachen- und Kiemenhöhle besitzt. Das Männchen schluckt die befruchteten Eier ein und trägt sie im Maule, ohne Nahrung zu nehmen, so lange herum, bis die Jungen ausschlüpfen. Wenn das Männchen der Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) kleiner ist, als das Weibchen, so liegt der Grund offenbar darin, daß bei dessen Brutpflege das mechanische Element nicht in Betracht kommt. Das Männchen umwickelt sich die Schenkel mit der vom Weibchen erzeugten Eierschnur und vergräbt sich mit dieser Bürde tief in den Lehm, worin es bewegungslos und ohne Nahrung zu nehmen, verharrt, bis die Jungen ausschlüpfen. Ich habe Männchen besessen, welche sich die Eier so fest um die Beine gewickelt hatten, daß diese brandig wurden und abstarben.

Wenn aber die direkte Brutpflege durch die Männchen in der Thierwelt selten vorkommt, so findet man die indirekte um so häufiger und namentlich bei Wirbelthieren. In Folge seiner größeren Beweglichkeit und Sinnesschärfe wird das Männchen der Schützer und Vertheidiger der Brut, der Hüter und Beschirmer der Familie.

Schon bei Fischen finden wir zahlreiche Erscheinungen, die in diese Kategorie gehören. Wer kennt nicht aus vielen populären Schilderungen das Gebahren des Stichlings, der aus Wasserpflanzen ein Nest baut, in welches das Weibchen seine Eier legt, die das Männchen nachher bewacht und mit mannhaftem Muthe gegen Feinde aller Art vertheidigt? Mit gesträubten Stacheln und offenem Rachen fährt es nicht nur gegen andere Stichlinge, sondern auch gegen viel größere Fische los, die sich dem Neste nähern, und hütet sogar noch längere Zeit die ausgeschlüpfte Brut, wie ein Schäferhund seine ihm anvertraute Heerde. Schmiedlein erzählt nach Beobachtungen, die er in dem so reichen und sehenswerthen Aquarium der zoologischen Station in Neapel gemacht, Aehnliches von gewissen Meergrundeln (Gobius). Das Männchen vertheidigte siegreich während mehrerer Tage die von dem Weibchen an einen Felsen geklebten Eier gegen gefräßige Junker-Fische (Julis), die wenigstens doppelt so groß waren, als es selber; die listigen Angreifer theilten sich in zwei Haufen und während das Männchen grimmig gegen die nächsten losstürmte und sie in die Flucht schlug, fiel der andere Haufen über die Eier her und verschlang sie.

[96] Streit und Kampf! Hier mit den Rivalen um den Besitz der Weibchen, dort mit den Feinden für den Schutz der Familie und der Nachkommenschaft!

Wer aber dies sagt, deutet zugleich auf die nothwendige Folge, auf die stete Ausbildung der Angriffs- und Vertheidigungswaffen, auf die Erhöhung der Muskelkraft und der Energie des ganzen Organismus hin. Und so sehen wir mit der Ausbildung des Brut- und Familienschutzes das Männchen kräftiger, größer, gewaltiger werden; wir sehen, wie sich die Sporen der Hähne, die Geweihe der Hirsche, die Hörner der Stiere, die Eckzähne der Affen und Raubthiere, die Hauer der Schweine stärker entwickeln beim Männchen als beim Weibchen und wie in Uebereinstimmung mit dieser Ausbildung der Waffen der ganze Organismus kräftiger und stärker wird, sodaß schließlich das ursprüngliche Verhältniß zwischen beiden Geschlechtern sich umkehrt und sich in der Weise gestaltet, wie wir es bei der Menschengattung und den uns besser bekannten Säugethieren und Vögeln hergestellt sehen.

Ich konnte hier nur Andeutungen geben, die vielleicht manchen Leser zu weiterem Nachdenken veranlassen werden. Ein weites Feld für fernere Beobachtungen steht hier noch offen. Unsere heutige Naturforschung verlangt nicht nur Thatsachen, sondern auch die Verknüpfung derselben zur Erfassung der Gesetze, aus welchen die Thatsachen hervorgehen.


Deutschlands Kolonialbestrebungen.

Sansibar.[1]
Von Oscar Canstadt[WS 1].

Die Sansibar- oder Suaheliküste war schon in früheren Jahrhunderten unserer Zeitrechnung den Handel treibenden Völkern des Abendlandes bekannt und lange die Hauptbezugsquelle der gesuchtesten afrikanischen und indischen Produkte, wie Reis, Gewürznelken, Kopal, Orseille, Sesam, Pfeffer, Kokosnußöl, Elfenbein etc. Schon Vasco da Gama hatte in jener Gegend reiche und ansehnliche Städte vorgefunden, deren Bewohner nicht nur aus dem Innern Afrikas Waaren jeglicher Art in großen Mengen bezogen, sondern ebenso einen regen Handel mit Indien und den Inseln der südlichen Zonen unterhielten. Politisch hat sich seitdem in den Landesverhältnissen unendlich Vieles geändert. Der portugiesischen Herrschaft, die seit der Landung der ersten Ostindienfahrer 1498, beziehungsweise vom Jahre 1503 bis zum Ausgange des 17. Jahrhunderts, von den heimischen mohammedanischen Stämmen anerkannt wurde, folgte die Landesoberherrlichkeit des Imam von Maskat und in neuester Zeit, vom Jahre 1856 ab, das unabhängige Sultanat eines illegitimen Sohnes des Imam mit Namen Saïd Medschid, nach dessen Tode, am 7. Oktbr. 1870, des Sultans jüngerer Bruder Bargasch Ben Saïd den Thron von Sansibar bestieg. Die Größe des Reiches, über welches dieser orientalische Souverän sein Scepter schwingt, ist so leicht nicht mit Genauigkeit zu bestimmen, weil die uns zu Gebote stehenden Zahlenangaben durchweg nur auf annähernder Schätzung beruhen. Geographisch fällt unter die Bezeichnung der Sansibar-, Zanzibar- oder Zanguebar-, auch Suaheliküste alles Land meilenweit landeinwärts vom Kap Delgado gegen Norden bis zur Stadt Makdeschu (10° 42′ südlicher bis 2° 2′ nördlicher Breite) und man giebt der Strecke ohne Bedenken eine Flächenausdehnung von 87 500 Quadratkilometer. Das würde also etwa der Hälfte des Königreichs Bayern gleichkommen.

Sklavinnen beim Reinigen von Orseille.

Viel wichtiger jedoch als das gesammte Festlandterritorium von Sansibar ist die Insel gleichen Namens mit der Landeshauptstadt, welche seit dem Jahre 1828 von den Sultanen der neuen Dynastie zur Residenz erkoren wurde und von Jahr zu Jahr als Handelsplatz einen mächtigeren Aufschwung nimmt. Die Insel Sansibar, die gleich den benachbarten Eilanden Pemba und Mafia kaum 30 Quadratmeilen haben mag, ist zugleich der Sammelpunkt der Bevölkerung. Will man es gelten lassen, daß die Zahl der Unterthanen des Sultans von Sansibar im Ganzen etwa 350000 beträgt, so treffen davon gut zwei Drittel auf den Centralpunkt des Reiches: Stadt und Insel Sansibar. Wie schon aus der Geschichte des Landes erklärlich, ist diese Bevölkerung von sehr verschiedener Abstammung. Speciell die Ureinwohner der Insel, die Suaheli-Neger, haben eine unleugbare Beimischung arabischen Blutes. Sie sind gewöhnlich kräftig und gut gebaut; ihre Gesichtsbildung zeigt eben so große Verschiedenheiten wie ihre Hautfarbe: man begegnet Leuten, welche die charakteristische Negerphysiognomie haben, und anderen, die den scharfgeschnittenen feinen orientalischen Typus zeigen, man sieht die hellgelbe, den vornehmen Arabern und Indiern ähnliche Hautfarbe neben der tiefschwarzen des Negers. Zwischen diesen Kontrasten sind die mannigfachsten Uebergänge bemerkbar; doch ist die helle Hautfarbe durchaus nicht immer mit der edleren Gesichtsform korrespondirend. Der Kopf wird der arabischen Sitte entsprechend vollständig rasirt, sowohl bei Männern wie Frauen, doch sieht man bei letzteren auch nicht selten das krause negerartige Haar in kurze Zöpfchen gedreht, die dem Kopfe dicht anliegen. Die Zähne sind in der Regel schön, doch vom Betelkauen röthlich gefärbt. Ueber den Charakter der Suaheli sind die Meinungen getheilt. Die Mehrzahl der Europäer schildert sie als gutmüthig, doch aufbrausend, als gastfreundlich und tolerant, allein auch als höchst gewinnsüchtig, lügnerisch und treulos.

Die Araber, die hier die Aristokratie bilden, setzen sich aus verschiedenen Stämmen zusammen; die vornehmen Maskataraber, denen auch der Sultan selbst angehört, sind von hellgelber [97] Hautfarbe; die meisten aber sind mehr oder minder schwarz schattirt und ihren reinblütigen Stammesbrüdern weder an Gestalt noch an Intelligenz gleich. Die Indier sind besonders in der Stadt Sansibar sehr zahlreich vertreten und kommen zumeist von der Malabarküste. Sie scheiden sich nach der Religion in Mohammedaner und Buddhisten. Erstere werden gewöhnlich Hindi genannt, letztere bezeichnet man speciell mit dem Namen Banyanen (Krämer), obwohl Handel als Hauptbeschäftigung Beiden gemeinsam ist. Noch sind die sogenannten Angasija zu erwähnen, die Bewohner von Groß-Komoro, welche in nicht geringer Anzahl nach Sansibar auswandern und, intelligenter als die Suaheli, besonders zu den verschiedensten Diensten in den europäischen Häusern Verwendung finden. Die genannten Stämme bilden mit den wenigen Europäern – sie betragen etwa 60 Personen – und einigen Portugiesen aus Goa die freie Bevölkerung, die an Zahl weitaus von den Sklaven übertroffen wird. Diese sind theils in Sansibar selbst geboren, die sogenannten Wassalia, theils rekrutiren sie sich aus allen erdenklichen Negerstämmen Ostafrikas, den Wanyka, Waniamwesi, Miau und wie sie noch alle heißen mögen. Die Sklaven müssen alle Arbeit verrichten, denn der freie Neger hat bei den geringen Lebensbedürfnissen und der Billigkeit der Nahrungsmittel nicht nöthig, sich dauernd und anstrengend zu beschäftigen. Die Arbeiten in der Stadt werden vorzugsweise durch weibliche Sklaven besorgt, so vor Allem die mannigfachen Verrichtungen in den Faktoreien der europäischen Kaufleute, wie das Sortiren der Kaurimuscheln, die bekanntlich in Westafrika an Geldesstatt verwandt werden, das Aussuchen der Gewürznelken und das Reinigen der Orseille, einer Flechtenart, die einen schönen röthlichen Farbstoff liefert.

Befreite Sklaven auf dem englischen Stationsschiff „London“ in Sansibar.

Die etwa sechs Stunden vom Festlande entfernte Residenz des Sultans Bargasch Ben Saïd liegt auf der dem Lande zugekehrten Seite der Insel Sansibar und gewährt vom Meere aus gesehen einen großartigen Anblick. Die langgestreckte Front mit den weißen in arabischem Stile gebauten Häusern, die bei dem grellen Sonnenschein schon von weitem dem Ankömmling entgegenleuchten, bietet einen Anblick, der seines Gleichen sucht. Die Stadt erscheint dann bedeutender und schöner, als sie in Wirklichkeit ist, indem die großen Steinbauten, die sich den Hafen entlang ziehen, die dahinterliegenden schmutzigen Negerquartiere verbergen. Unter den ersteren sind die bemerkenswerthesten die Faktorei eines französischen Handlungshauses, der Harem, der sultanische Palast und der Thurm, das Zollhaus, das Geschützhaus, die Faktorei des Hamburger Hauses O’Swald, bei welchem bisher das deutsche Konsulat sich befand, und das englische und amerikanische Konsulat. Nach Süden schließt die Häuserreihe mit dem unförmigen Gebäude des englischen Generalkonsuls Dr. Kirk ab, welches sich auf unserem Bilde (S. 100) rechts befindet. Dabei fehlt es auch der sansibarischen Hauptstadt nicht an malerischer Umgebung. Die Erderhebungen sind allerdings nur gering, denn Sansibar ist eine Koralleninsel, deren einziger größerer Kalksteinhöhenzug bei Dunga kaum 400 Fuß über den Meeresspiegel sich erhebt.

Die Kleidung der Sansibaren ist unendlich mannigfaltig. Die Nationaltracht der Araber und Indier wechselt mit dem lustigsten Negerkostüm, ja sogar mit wahrhaft adamitischen Bekleidungsanfängen. Den Suahelimännern genügt in der Regel eine kurze Schürze, die Frauen bedienen sich hingegen eines leichten baumwollenen Ueberwurfes, den sie mehr oder minder malerisch um den Körper zu schlingen wissen. Auf dem Bilde, welches arbeitende Sklavinnen darstellt, sehen wir die gewöhnliche Tracht der weiblichen schwarzen Bevölkerung: ein langes bis über die Kniee reichendes Baumwollentuch, das unterhalb der Achseln durch Umkrempen festgehalten wird. Schwarz, weiß und roth sind die Lieblingsfarben, welche in den verschiedenartigsten, oft absonderlichsten Mustern Verwendung finden. In Bezug auf die Zusammenstellung der Farben und die Art der Muster wechselt die Mode in nicht geringerem Maße, wie es bei uns der Fall ist. Am dürftigsten ist die Hülle der neuangelangten Sklaven, die bis auf die Neuzeit einen der kostbarsten und gangbarsten Handelsartikel auf dem Markte von Sansibar bilden. Nur an den Feiertagen sieht man auch diese lebendige Waare in besserem Schmucke. Soweit der Sklave es vermag, legt er an Festtagen Arabertracht an; ein blendend weißes Hemd, ein farbiger Gürtel, [98] die buntgestickte Weste sind hiervon die nothwendigsten Bestandtheile. Turban, Dolch und Schwert aber, welch letzteres wie ein Stock in der Hand getragen wird, sind nur die Freien zu führen berechtigt.

Bei den Araberinnen und Suahelifrauen besteht das Festtagskleid in besonders reich gestickten Gesichtsmasken mit feinem Schleier und der gewöhnlichen türkischen Tracht aus Seide. Die Abbildung (S. 102) führt uns eine vornehme Araberin in ihrem Gemache vor, in orientalischer Weise auf persischem Teppiche sitzend und mit dem für unsere Verhältnisse äußerst dürftigen Komfort umgeben, der in seidenen Kissen, Schemel, einigen Tellern, Kaffe- oder Theekanne besteht. Auch bemerkt man die aus Holz geschnitzten hohen Sandalen, deren sich die Suahelifrauen in der Küche und auf dem Hofe zu bedienen pflegen. Indierinnen und Negerinnen hängen sich so viel Geschmeide um, als sie an Nase und Ohren nur anbringen können. Gleich wunderlich wie diese Ornamente ist der Haarputz der Schönen von Sansibar mit seinem hörnerartigen Flechtwerk. Ganz unentbehrlich zur Toilette erscheinen den dunklen Damen noch die verschiedenartigsten Hautfärbemittel. Die Augenbrauen werden mit Ruß geschwärzt, die Nägel mit anderen Ingredienzien geröthet. Bei den Sklavinnen ist namentlich das Bemalen des Gesichts und der sichtbaren Körpertheile mit einer gelblichen Salbe üblich. Es soll das nicht blos der Eitelkeit zu Liebe geschehen, sondern oft auch als Kur, da dem in der Salbe enthaltenen Pulver bei Kopfweh und Fieber große Heilkraft zugeschrieben wird.

Harem und Thurm am Hafen in Sansibar.

Was die Zuträglichkeit des Klimas von Sansibar für Europäer betrifft, so muß man zwischen der Stadt und dem Lande wohl unterscheiden. Das Innere der Insel ist zum größten Theile der Gesundheit der Europäer sehr nachtheilig, während die Stadt einen verhältnißmäßig recht gesunden Aufenthalt bietet, vorausgesetzt, daß man eine geräumige, luftige und trockene Wohnung besitzt. Die hohe Temperatur wird dem Fremdling weniger empfindlich, weil meistens erfrischende Seewinde wehen. Nur in den Monaten März und November, in denen vielfach Windstillen herrschen, wird die Hitze besonders des Nachts oft sehr lästig. Um diese Zeit treten auch Gewitter auf, die im Allgemeinen aber selten sind. Uebrigens übt das Sansibarklima seiner Feuchtigkeit und seiner warmen Nächte wegen, die sich nur wenig abkühlen, einen erschlaffenden Einfluß auf den Europäer aus. Die Regenzeit, die in den ersten Tagen des April einsetzt, ist von sehr verschiedener Dauer, anhaltender Regen besteht höchstens 14 Tage; dann sinkt die Temperatur mitunter Nachts bis auf 22 Grad des hunderttheiligen Thermometers; Temperaturen von 34 Grad gehören zu den Seltenheiten, sodaß die mittlere Wärme nicht mehr wie 28 Grad beträgt.

Bedeutend vermehrt haben sich die Beziehungen des Landes zu Europa und zwischen der sansibarischen Bevölkerung und den abendländischen Nationen nach der im Jahre 1860 von einer französischen Ordenskongregation ausgegangenen Gründung einer Missionsstation auf der Insel Sansibar. Den französischen Missionären und ihren Bemühungen ist es namentlich zu danken, daß gewisse Gewerbe und Kunstfertigkeiten im Lande vollkommen heimisch geworden sind und der Sinn für viele Kulturbedürfnisse bei den Eingeborenen geweckt wurde. Auch eine englische Missionsstation rivalisirt seit 1864 mit der französischen.

Am augenfälligsten läßt sich der Fortschritt von Land und Leuten in menschlicher Kultur an der Stadt Sansibar selbst wahrnehmen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts standen daselbst nur einige Hütten und eine Burg, 1842 erst fünf Magazine; jetzt zählt der Ort über 3000 Häuser und zwar vielfach von überaus stattlicher massiver Bauart. Mehrere Konsuln fremder Staaten haben hier ihren Sitz. Was den Handel betrifft, so sind es nächst den Amerikanern erfreulicher Weise wieder die Deutschen und zwar Hamburger, welche besonders den auswärtigen Handel in Händen haben. Eine Angabe aus dem Jahre 1875 beziffert die Einfuhr Sansibars auf 2 768 000, die Ausfuhr auf 2 511 000 Maria-Theresiathaler. Letztere sind nämlich dort wie an vielen Punkten Ostafrikas und Westasiens die gangbarste Silbermünze, doch nur soweit die arabische Halbkultur reicht; im Innern herrscht ebenso wie in ganz Westafrika ausschließlich der Tauschhandel. Die zu Bagamoio – dem Ausgangs- beziehungsweise Endpunkt der meisten mit dem Innern Centralafrikas verkehrenden Karawanen, gegenüber der Stadt Sansibar – ansässigen Kaufleute senden ihre arabischen und suahelischen Vertrauensmänner mit Tauschwaaren, meist Baumwolle, Glasperlen, Steingut, Steingewehren, Pulver etc., landeinwärts und diese kehren von da mit Elfenbein, Kopal, Wachs etc. zurück.

[99] Eine sehr ergiebige Einnahmequelle für die sansibarer Spekulanten bildet, wie schon angedeutet, bis auf unsere Tage der Sklavenhandel, der aber durch die Engländer neuerdings doch ziemlich lahmgelegt wurde. 1874 wurde dieserhalb von dem Sultan mit England ein Vertrag abgeschlossen, welcher freilich den Sklavenhandel mit einem Male nicht wohl zu beseitigen im Stande war. Ein großes englisches Wachschiff liegt im Hafen mit 200 Mann Besatzung. Mehrere kleine Dampfbarkassen kreuzen immerfort zwischen Sansibar und der Küste und untersuchen jedes ihnen begegnende arabische Fahrzeug. Finden sich Sklaven auf demselben, so wird es ohne Weiteres fortgenommen, und die Eigenthümer wandern ins Gefängniß. Unsere Abbildung zeigt ein Häuflein elender halbverhungerter Sklaven, die, eben den Händen der arabischen Händler entrissen, vorläufig auf dem erwähnten Stationsschiffe untergebracht sind, um später an die verschiedenen Missionsanstalten vertheilt zu werden.

Unter den Einkünften des Sultans bildet die Verpachtung des Zollhauses auf der Insel für zwei Millionen Mark den Hauptposten. Es besteht nämlich eine Steuer von fünf Procent auf sämmtliche Importartikel. An allen Küstenplätzen befinden sich außerdem Zollpächter, meist Indier, die von allen Exportwaaren Abgaben erheben, deren Höhe ganz in dem Belieben des Sultans steht. So ruht auf dem Elfenbein die Steuer von 1,30 Mark pro Pfund; auch wird für die Gewürznelken, die nur auf Sansibar und der kleinen Insel Pemba gedeihen, noch ein Extrazoll erhoben. Der Sultan hat außerdem – entgegen den Bestimmungen der Handelstraktate – den Handel mit Pulver zu seinem Monopole gemacht. Ein nicht unbeträchtliches Einkommen erzielt er dann ferner aus seinen Zucker-, Gewürznelken- und Kokosnußplantagen, sodaß sich seine Gesammteinnahmen auf etwa fünf Millionen Mark belaufen dürften.

Der Sultan Saïd Bargasch wird von Reisenden, welche zur Audienz bei ihm vorgelassen worden, als eine wohlgebaute Gestalt mit sympathischen Gesichtszügen, unverkennbar von arabischem Typus, mit vollem schwarzen Barte, geschildert. Bei feierlichen Gelegenheiten besteht sein Anzug aus dem gewöhnlichen arabischen langen Gewande, einem langen schwarzen Kaftan ohne alle Ausschmückung darüber, einem Turban und einer Leibbinde von dem schönsten indischen Seidenstoffe. Im Gürtel steckt ein auf das Reichste verzierter krummer Dolch. Die Füße endlich sind mit goldüberladenen Sandalen bekleidet. Die Zuvorkommenheit, mit welcher die Europäer jederzeit von dem orientalischen Herrscher aufgenommen werden, hat schon oft die Anerkennung der vom Hofe europäischer Fürsten entsandten Botschaften gefunden.

Das Palais des Sultans ist ein stilloses unschönes Gebäude, das auf der Frontseite Verandas führt und mit hölzernem buntbemalten Gitterwerk verziert ist, sodaß es den Eindruck macht, als habe man ein ländliches deutsches Garten- und Vergnügungslokal vor sich. Es steht durch eine Brücke mit dem nahegelegenen Harem in Verbindung, einem massiven, schmucklosen Bau, in dem einige vierzig Weiber ein wahres Gefängnißleben führen. Der Stadttheil, in dem diese sultanlichen Gebäulichkeiten sich befinden, liegt im sogenannten Europäerviertel, inmitten einer großen Anzahl theils von Europäern, theils von der arabischen Aristokratie bewohnten reinlichen Steinhäusern. Enge, jedoch gut asphaltirte und schmutzfrei gehaltene Gassen durchschneiden dieses Quartier noble.

Obwohl die Europäer sich meistens nur so lange in Sansibar aufhalten, als sie benöthigen, um ein entsprechendes Vermögen zu erwerben, so richten sie sich doch nach Möglichkeit elegant und bequem ein. Die Gebäude, die sie innehaben, sind gewöhnlich Besitzthum der Handelshäuser und gehen von einem Vertreter auf den anderen über. Die Anlage des Baues ist halb portugiesisch, halb spanisch. Den reingehaltenen, gepflasterten, oft mit üppigen Pflanzen gezierten Hof umschließen im Erdgeschoß die Komptoirs und Vorrathsräume. Im ersten Stocke befinden sich dann die in Bau und Ausstattung ganz dem heißen Klima angepaßten Wohnzimmer. Der Lieblingsaufenthalt der Hausbewohner in den Abendstunden ist aber die Terrasse auf dem flachen Dache des Gebäudes. Von einem hölzernen Aufbau genießt man da eine prachtvolle Rundschau über die Stadt, den Hafen und die weite See. Auch kleine Liebesabenteuer spinnen sich häufig gerade hier von Terrasse zu Terrasse zwischen den Wasungus (Europäer) und den dunkeläugigen Frauengestalten der Nachbarschaft an. Die seinerzeit vielbesprochene Entführung einer sansibarischen Prinzessin durch einen deutschen Kaufmann war ebenfalls die Folge einer solchen Dachbekanntschaft. Die Dame hat später ihr ständiges Domizil in einer deutschen Großstadt aufgeschlagen, die allerdings vor Sansibar noch Manches voraus hat, und wo sie jedenfalls den Zorn des Sultans über die Mésalliance in Gestalt der landesüblichen Bastonnade nicht zu fürchten brauchte.

An die Europäerstadt schließt sich das Bazarviertel. Dasselbe ist zumeist von Indiern bewohnt und erschreckend unreinlich, übelriechend und widerlich. Beschreiben läßt sich das ungeordnete Wesen dieses Stadttheils kaum. Die herumwimmelnden Menschen scheinen gleichwohl sich ganz behaglich dabei zu befinden, da sie nicht müde werden, ihre freie Zeit zwischen Unrath und Gestank mit Tanz und Gesang ganze Nächte hindurch zuzubringen.

Sehr unansehnlich sind die wenigen öffentlichen Gebäude und Moscheen der Stadt, deren Inneres in maurischem Stile gehalten ist. Auffallender erscheint die große Zahl von allerwärts mitten in den belebtesten Vierteln befindlichen Friedhöfen. Fast jede reichere Familie besitzt nämlich ihren eigenen Beerdigungsplatz wo thunlich in unmittelbarer Nähe des Hauses. Die Gräber erfreuen sich gleichwohl keiner entsprechend sorgfältigen Pflege.

Erquickend ist ein Spaziergang in nächster Umgebung von Sansibar, etwa nach der Nasimoja, einem ehemaligen Palmenhain, von dem heutzutage freilich nur dürftige Ueberreste noch vorhanden sind. Wer übrigens diesen kleinen Ausflug nicht zu Fuß machen will, kann dies leicht zu Pferde thun. Besitzt doch der Sultan einen vorzüglichen und prächtigen Marstall, dessen Pferde Fremden und Einheimischen immer zur Verfügung stehen. Es kostet das nur ein kleines Trinkgeld an die Stalldiener. Vor eben diesem fürstlichen Marstall hat merkwürdiger Weise ein großes Schwein seinen ständigen Platz, um etwaige böse Geister, welche Gelüste tragen, in die Pferde zu fahren, von solchem Vorhaben abzuleiten. Liebhaber von Schweinebraten, der den Mohammedanern bekanntlich verboten ist, können sich für gutes Geld hier auch den im Morgenlande seltenen Genuß eines gebratenen Spanferkels verschaffen, da dieselben ganz nach Bedarf von den Marstallwächtern abgegeben werden.

Das zur Landesvertheidigung bestimmte „stehende Heer“ besteht aus etwa 1400 Söldnern, welche meist aus dem südlichen Arabien stammen. Im Falle eines Krieges würde diese in den kleinen Forts auf Küste und Insel vertheilte schwache Schaar allerdings nicht genügen; in solchem Falle sind jedoch die arabischen Grundbesitzer verpflichtet, nach Maß der Größe ihrer Besitzungen eine Anzahl Sklaven zu stellen, und es soll in kurzer Zeit die für sansibarer Verhältnisse außerordentlich bedeutende Macht von 20- bis 30 000 Mann zusammengebracht werden können. Reiterei besitzt das kleine Heer nicht, wohl aber etwas schlechte Artillerie, welche von persischen und türkischen Kanonieren bedient wird. Neben diesen irregulären Truppen hat sich der Sultan in den letzten Jahren auf Veranlassung der Engländer eine sogenannte Garde angeschafft, die, an 1500 Mann stark, durchweg aus gepreßten Negern oder Sklaven besteht, die Officierstellen sind meist mit Komeroleuten[WS 2] besetzt. Nach englischem Muster gekleidet, wird sie auch von einem englischen Marine-Officier befehligt. Nach unseren Begriffen von militärischer Disciplin und Tüchtigkeit genügt diese Truppe auch nicht den allerbescheidensten Ansprüchen, in den Augen der Araber und Neger dagegen leistet sie ganz Außerordentliches in Gehorsam und militärischen Exercitien.

Ebenso kann die Seemacht Sansibars nicht beträchtlich genannt werden. Sie besteht aus der schönen Korvette „Glaskow“ zu 22 Kanonen und drei kleineren Bugsirbooten „Star“, „Deerhound“ und „Sultana“, von welchen ersteres in Hamburg erbaut ist. In kriegstüchtigem Zustande sind diese Schiffe aber keineswegs; vor allem fehlt es an wohlgeschulter Mannschaft. Eine große Anzahl früher erworbener Schiffe ist durch Vernachlässigung gänzlich unbrauchbar geworden und verloren gegangen. In letzter Zeit hat aber der Sultan begonnen, sich eine Handelsflotille anzulegen, mit der er zwischen Madagaskar, Sansibar, Aden und Bombay fährt. Sie besteht aus fünf zum Theil großen Dampfern: „Urzanza“, „Swordsman“, „Akola“, „Malaka“, „Marka“. Hervorgehoben muß werden, daß alle diese Schiffe mit deutschen Kapitänen, Steuerleuten und Ingenieuren besetzt sind.

Zu seinem besonderen Vergnügen hält sich der Sultan nebenbei eine 50 Mann starke Leibgarde, die nach Art der indischen Sipoys

[100]

Ansicht der Stadt Sansibar vom Hafen aus.

[101]

„Persische Artillerie“ vor dem Palaste des Sultans in Sansibar.

[102] herausgeputzt ist. Die bei dieser wie bei den übrigen Truppen herrschende Disciplin, die Mißwirthschaft unter den Beamten und Officieren lassen sich nicht anders als durch die Bezeichnung „orientalisch“ annähernd charakterisiren. Da es zu Sansibar weder eine „Oberrechnungskammer“ noch „Revisoren“ und „Inspektoren“ giebt, ist wohl nicht zu befürchten, daß der gutmüthige Herrscher so leicht hinter die Schliche seiner Diener kommen dürfte.

Die Strafrechtspflege wird theils vom Sultan selbst, theils vom Kadi gehandhabt und hat in Bezug auf manche Verbrechenssühne einen grausamen Charakter. So haut man z. B. dem rückfälligen Dieb die rechte Hand ab und taucht hernach, um die Blutung zu stillen, den Armstumpf in siedendes Oel. Die einzige Aehnlichkeit mit europäischen Zuständen auf diesem Gebiete besteht allenfalls darin, daß man bei festlichen Gelegenheiten die Gefangenen, allein mit Ausnahme der Hochverräther, freiläßt. – Im Uebrigen sind nur Araber und Suaheli den Landesgesetzen unterthan: die indischen Staatsangehörigen Englands gehorchen aber dem Spruche ihres Konsuls. Die Europäer, welche gewissermaßen einen Staat im Staate bilden, stehen außer aller Gerichtsbarkeit. Den niedriger gestellten Wasungu kann allerdings der Konsul eine Strafe zuerkennen; Kaufleute hingegen dürften wohl kaum zur Unterwerfung unter ein Urtheil gezwungen werden können, wenigstens nicht von einem Handelskonsul. In Bezug auf Verbindung mit der Heimath waren die Europäer zu Sansibar früher übel dran. Ein regelmäßiger Postverkehr fehlte die längste Zeit hindurch gänzlich; nur zeitweilig und zu unbestimmten Zeiten erhielt man durch Kriegs- oder Handelsschiffe die Briefe und Zeitungen von den Sechellen, von Bombay oder einer anderen Poststation. Oft blieb auch Monate lang jegliche Nachricht aus. Seit einigen Jahren besteht aber eine regelmäßige monatliche Verbindung mit Europa, indem die Dampferlinie „British India“, die eine Unterstützung vom englischen Gouvernement erhält, eine Zweiglinie Aden-Sansibar-Delagoa-Bay eingerichtet hat. Endlich ist Sansibar seit drei Jahren durch die Legung eines Kabels von Aden zu den südafrikanischen Besitzungen Englands auch in telegraphische Verbindung mit Europa getreten.

Vornehme Araberin in Sansibar.

Wenn auch Sansibar keinen Vergleich mit anderen tropischen, besonders indischen Handelsplätzen aushalten kann, so ist es doch für Reisende an Afrikas Ostküste dasselbe und mehr, was Kairo und Chartum für den Nordosten sind. In dieser an Hilfsmitteln reichen und der Küste so nahe gelegenen Stadt versorgt man sich mit allen Reisebedürfnissen, verschafft sich Empfehlungsbriefe des Sultans und findet die gastfreundlichste Unterstützung der europäischen Kaufleute und Konsuln.

Ein Bild aus dem Schauspielerleben.

Von Anna Löhn-Siegel.

Eine um ihrer Abkunft und Erscheinung willen interessante Persönlichkeit war Emilie Devrient, verehelicht gewesene Höffert, die einzige Tochter Ludwig Devrient’s, des im Jahre 1832 verstorbenen, berühmten Schauspielers, aus seiner einjährigen Ehe mit Margarete Neeffe. Ich lernte sie im Jahre 1848 am Oldenburger Hoftheater kennen, wo sie für das Fach der Anstandsdamen und ernsten Mütter engagirt war. Ihre Züge glichen so auffällig denen ihres Vaters, daß dieser sie schon als junges Mädchen scherzweise „verweiblichter Ludwig“ zu nennen pflegte. Mit den Jahren mochte die Aehnlichkeit noch stärker hervorgetreten sein, wie aus der Vergleichung mit dem Portrait des großen Künstlers, das Emilie besaß, deutlich hervorging.

Dieses wunderbare Portrait, von welchem die Tochter sagte: „es lebt, es athmet“, wurde für mich zum Magnet. Auch ohne zu wissen, daß es einen der genialsten Menschendarsteller wiedergab, hätte man das Außerordentliche ahnen müssen, das diese Hülle einst umschlossen hat.

Welch ein Kopf! Der Maler hatte ihn lebensgroß wiedergegeben, aber von Hals und Schultern fast nichts sichtbar werden lassen. So hockte das merkwürdige Menschenhaupt im engen Rahmen und schaute wie aus einem Kerkerfensterlein von der Wand herab.

Emilie, die Tochter dieses Mannes und Wittwe des Schauspielers Höffert, stellte das in jeder Hinsicht gesänftigte Antlitz des Vaters dar, trotz der Gleichheit der Linien. Dieselbe große überhängende Nase, dieselbe schmale Gesichtsform, derselbe scharfe Schnitt, aber die Hautfarbe weiblich zarter, sodaß an den schon etwas eingesunkenen Schläfen feines blaues Geäder durchschimmerte. Die tiefdunkeln Augen blickten lebhaft und verlangend in die Welt, aber sie waren fern von jener verzaubernden Dämonie, die ein ebenso unermeßliches, als unheimliches Licht- und Schattenreich im Busen verräth. Neigung zum Zorn war vorhanden, aber sie wurde aufgesogen durch Gutmüthigkeit und lebensfrohe Schalkhaftigkeit, die mit dem Ernste der tragischen Mütter und der sorgenvollen Familienhäupter in keiner Verbindung stand. Ein Tropfen französischen Blutes pulsirte in den Adern der von den Refugiés abstammenden Berlinerin.

Die vom Schicksal vielgeprüfte Frau scherzte und lachte noch immer gern und konnte lachend erzählen, daß sie sich schon manches Mal „vis-à-vis de rien“ befunden habe.

„Daß mein Haar noch ungefärbt dunkel ist,“ pflegte sie zu sagen, „wundert mich, wenn ich bedenke, wie viel Ursache es gehabt hat, sorgenbleich zu werden.“

Sie trug es in sorgfältig gebrannten Wellenscheiteln um die Stirn gruppirt und gepufft, und als sie es einmal zum Spaß bis fast auf die Nasenwurzel herabkämmte und einen forcirt finstern Gesichtsausdruck annahm, rief ich unwillkürlich aus:

„Ludwig Devrient, aber im Bemühen, von der düstern Auffassung des Lebens und der Dinge zu einer versöhnenden überzugehen, denn in Ihrem Gesicht, liebe Kollegin, erscheint nun einmal, selbst wenn Sie wild blicken wollen, der gemilderte Vater.“

„Und der verwässerte Genius,“ setzte Frau Höffert mit der sie zuweilen überraschenden Selbstironie hinzu.

Als Schauspielerin zeigte sich die Tochter Devrient’s intelligent und routinirt. Ihre Leistungen sowohl, als ihr Benehmen im Privatleben verriethen wohlthuend die feine Erziehung. Leider mußte sie die Schwäche und Stumpfheit ihres Organs beklagen, denn Rollen, die Kraft der Stimme und Wucht des Ausdruckes erfordern, vermochte sie nicht zur Geltung zu bringen.

Als der dramatische Dichter Robert Griepenkerl Frau Höffert zum ersten Male auf der Theaterprobe erblickte, sagte er nicht ohne Staunen:

„Wer ist die dort, die Dunkeläugige, die so elastisch dahergeschritten kommt? Eine auffallende Physiognomie, ohne sympathisch zu wirken. Doch das Auffallende wirkt nie sympathisch. Aber eine Nase, der zu Liebe man versucht werden könnte, eine ganz absonderliche weibliche Charakterrolle zu schreiben. Dann würde es heißen: die Rolle ist ihr auf die Nase geschrieben, nicht auf den Leib.“

Als einen Hauptmißstand für die dramatische Künstlerin und für das Weib überhaupt sah Emilie Höffert wie so viele andere ihrer Schwestern das Altwerden an und stemmte sich gegen diese unbequeme Einrichtung der Natur, so viel sie vermochte. Trotz ihrer vierzig Jahre bewegte sie ihre mittelgroße, magere Figur im Leben und auf der Bühne mit einer gewissen heitern Grandezza, die sie auch ihrer Tochter, der jungen Schauspielerin Elise Höffert, als nachahmungswerth empfahl. Ueberall, wo die böse Natur anfing, es fehlen zu lassen, war sie eifrigst bestrebt durch Kunst nachzuhelfen. Puderhauch und zarte Schminkröthe, [103] schwärzliche Malerei der Brauenbogen und Wimpern, sogar ein rosiger Anflug um die Nasenflügel sollten über das Alter des „weiblichen Devrient“ täuschen. Leider gestatteten ihre Gagen- und überhaupt wenig geordneten pekuniären Verhältnisse nicht, auch in ihrer Toilette diesem Streben nach Verjüngung in gewünschtem Maße gerecht zu werden. Dennoch erschien Emilie stets möglichst elegant und auf der Probe nie ohne gewisse phantastische schwarze Spitzenbehänge um Haupt und Wangen.

„Daß man die Haut am Hals und am Kinn nicht straff erhalten kann!“ seufzte sie in einem Anfall von Trauer über die Flucht der Jugend und Schönheit. „Das runzelt und wulstet da unterm Gesicht und redet vom Verwelken, wenn auch die Larve noch leidlich täuscht. Zudecken, zudecken! Es bleibt keine andere Rettung.“ Also Spitzenbehänge und Tüllwolken her, sobald der große modische Blendenhut von 1848 mit der hüllenden Schleife unterm Kinn abgelegt werden mußte.

Lieblich in der Erscheinung und hoffnungsvoll als Talent, war Elise, die achtzehnjährige Tochter Emiliens, für jugendlichste Liebhaberinnen engagirt. Man konnte es aus ihren Zügen lesen, daß sie die Enkeltochter des wunderbaren Mannes dort im Bilde sei, aber alle Schärfen und Ecken, die im Antlitz der Mutter noch markirt waren, verwandelten sich ins Holdweibliche bei Elisen.

Die begabte junge Schauspielerin wurde ungefähr zwei Jahre später nach Hamburg engagirt, gefiel sehr und erweckte die Hoffnung, der Liebling des Hamburger Publikums zu werden. Aber die Liebe trat in ihr blühendes Leben entscheidend ein, um sie der Bühne auf immer zu entführen und ihr ein freundliches Los an der Seite eines geachteten Privatmannes zu bereiten. Da befiel ein tückisches Nervenfieber die glückliche Braut und legte sie anstatt in die Arme des Gatten in die des Todes.

Emilie Höffert hatte außer der Tochter noch zwei Söhne, von denen ich nur einen, Louis, kennen lernte, der damals eine Schulanstalt Oldenburgs besuchte. Der junge Mensch besaß große Anlagen zum Zeichnen und einen scharfen Blick für die Auffassung alles Charakteristischen, besonders des Lächerlichen. Das führte ihn zum Karikiren, worin er in Anbetracht seiner Jugend Erstaunliches leistete. Die treffendsten Wahrnehmungen haschte er wie im Fluge. Mutter Höffert sagte nicht ohne Stolz: „Er hat doch was vom Großvater. Der hatte das Genie im ganzen Menschen, Louis hat’s in der Hand.“

Wie ich schon erwähnt, befand sich Frau Höffert nicht in günstigen Verhältnissen, dennoch machte sie unnütze und große Ausgaben; sie hatte etwas von der Liberalität und dem Mangel an Haushaltungskunst ihres Vaters geerbt, leider nur nicht die Mittel, um dem Zuge der Freigebigkeit nach Herzenslust zu folgen. Trotzdem sie immer seufzte: „Es reicht nicht, es reicht nicht zu,“ trotzdem die gute Elise von ihrer kleinen Gage Beiträge zur Wirthschaft und zum Schulgeld für den Bruder zahlte und sich in ihren Garderobebedürfnissen aufs Aeußerste beschränkte, war die Mutter nur gar zu gern gastfrei über ihr Können hinaus.

So saß ich denn eines Abends bei Rebhühnern und fett zubereiteten Karviolhäuptern im Höffert’schen Familienzimmer und aß mit der peinlichen Empfindung, daß meine Gastfreunde um des Souper willen vielleicht einige Tage darben mußten.

Als Frau Höffert bemerkte, wie ich von der Betrachtung des Portraits ihres berühmten Vaters kaum loszureißen war, begann sie von ihm und ihrem Familienleben in Berlin zu erzählen.

„Ich kam selten nach Haus,“ sagte sie, „befand mich wohler in der trefflichen Erziehungsanstalt, welcher mein Vater mich seit frühester Jugend übergeben hatte. Was sollte auch ein junges heranwachsendes Mädchen, ein halbes Kind, in dem ungeregelten wüsten Haushalt? Das Theater durfte ich nicht besuchen, mein Vater hatte es streng verboten. Er hoffte auf diese Art am sichersten eine etwa aufkeimende Neigung für den verführerischen Zauber der Bühnenwelt im Komödiantenkinde zu ersticken. Er wollte durchaus nicht, daß ich mich der Bühne widmete, und als ich endlich fest entschlossen war, diesen Schritt zu thun, da es ja in des Vaters Verhältnissen immer mehr rückwärts ging, die Schulden sich häuften, seine Gesundheit untergraben war, kam es zu einer entsetzlichen, Mark und Bein erschütternden Scene. Er flehte in den zärtlichsten Tönen, hielt mein Haupt mit seinen beiden Händen, die fieberheiß waren und krampfhaft zitterten: ‚Emilie, Emilie, geh’ nicht zum Theater, Du gehst in die Hölle. Thu’ mir’s nicht zu Leide, ich trage Leids genug. Emilie, ich ließ Dich was lernen, Du kannst Dir auf andere Art Dein Brot erwerben – ich Ungeheuer habe ja nichts für Dich gesammelt, wie ein guter Vater soll. Aber nur nicht zum Theater geh’n, nicht Komödiantin

werden, mein Kind! Es sieht lachend aus und dahinter lauern die Teufelsfratzen.‘ – Und ich ging doch! Aber was blieb mir auch anderes übrig, da ich nicht als Nähterin, Klavierlehrerin oder Haushälterin armselig durchs Leben schleichen mochte? Als der Vater starb – ach, wie früh, zu früh für die Kunst und für sein armes Kind – fanden sich nur zerrüttete Verhältnisse, Wucherschulden. Ich dankte Gott, daß mir dies Bild aus dem Untergange des ganzen Hauses gerettet worden war und noch einige kleine Andenken an meinen großen und doch so unglücklichen Vater.“ – –

Die Tochter des größten deutschen Schauspielers hatte am Theater wenig Rosen gepflückt, aber Dornen waren ihr reichlich geworden. Von ihrem Gatten erzählte sie nichts, und ich hatte nicht den Muth nach ihm zu fragen. Er war Schauspieler gewesen, aber wohl nicht talentirt genug, um einen Aufschwung zu guten gesicherten Stellungen nehmen zu können.

Als Louis, ihr jüngster Sohn, der begabte Karikaturist, einmal durchs Zimmer ging, in welchem wir uns befanden, und als ich die Aehnlichkeit des jungen Menschen mit dem Großvater hervorhob, besonders die tiefschwarzen glühenden Augen und das buschige, über die Stirn hereinwallende Haar, sagte Frau Höffert, die Hände faltend:

„Ach, mein Gott, und hat gerade dieses Kind mir Noth gemacht! Ein Wunder, daß es leben blieb und gedieh. Wir befanden uns an einem kleinen Theater, als Louis geboren wurde. Die ersten Liebhaberinnen des Dramas und der Tragödie waren damals mein Fach, ich mußte kaum acht Tage nach der Geburt des Knaben schon wieder als Maria Stuart auftreten. In den Zwischenakten wurde er hinter die Koulissen gebracht. Der kleine Kerl nahm nichts Anderes, als die Muttermilch, er wäre eher verdurstet. Oft sagte ich mir in kummervollen Nächten: Und das ist das Los der einzigen Tochter des großen weltberühmten Ludwig Devrient, über den sie schreiben, den sie feiern? Doch er hatte es mir voraus gesagt: Es sieht lachend aus, das Theater, und dahinter lauern die Teufelsfratzen.“

Dennoch fand Frau Höffert mit jener unerklärlichen Schnellkraft der Schauspielernatur nach den tragischsten Ausbrüchen des Schmerzes den Humor sogleich wieder. Louis wollte durchaus Seemann werden, die Mutter mochte ihn dem trügerischen Elemente nicht überlassen, hoffte auch, wenn er auf dem festen Lande bliebe, eine bessere Stütze für ihre alten Tage an dem talentvollen Sohne zu gewinnen.

Scherzend und zugleich drohend rief sie ihm zu, als er vom Heldenthume des Seefahrers schwärmte:

„Louis, Louis, denk’ an den fliegenden Holländer, das furchthare Seegespenst, und schreckt Dich Der nicht, so denk’ an das Tauende, das die Prosa zu dem poetischen Seeheldenthum liefert, und das den Rücken des armen geplagten Schiffsjungen nur zu oft blau färbt, ehe er an irgend welchen Aufschwung denken kann.“

Dennoch hat sich der Enkel des großen Künstlers den Wassergeistern mit Leib und Seele verschrieben. Als Emilie Höffert mich nach mehreren Jahren in Dresden einmal aufsuchte, klagte sie:

„Er ging zur See, ich weiß nicht, auf welchen Gewässern er jetzt schwimmt. Vielleicht liegt er schon auf dem Meeresgrunde gebettet. Der Andere ist Photograph in Rußland, wer weiß in welchem Winkel des Riesenreiches. Elise, meine schönste Hoffnung, ist todt. Mit dem Brautkranze im Haare sah ich sie auf der Bahre liegen, als ich kam, sie zum Trau-Altare zu geleiten. Welche Tragödie! Ich selbst bin als komische Alte – wahrlich, es ist kontisch, tragikomisch zum Weinen – mit einer winzigen Gage am Nesmüller’schen Sommertheater im Großen Garten hier bei Dresden angestellt. Bis zum Herbste heißt das. Wenn die Blätter fallen, falle auch ich, bin ohne Engagement. Das ist das Geschick der unmittelbaren Nachkommen des großen Ludwig Devrient. Ich muß lachen, wenn die Schriftsteller Theatergeschichten ersinnen, erfinden. Das sind Zerrbilder. Die Wirklichkeit ist und die Schauspieler sind so ganz anders, als in diesen Büchern. Wenn ich einmal wieder nach Dresden komme, bringe ich Ihnen meine interessantesten Briefe mit und was ich sonst aufgeschrieben habe über mein Schauspielerleben. Sie werden lachen, aber noch mehr weinen.“

Die Jahre vergingen, aber Emilie Höffert kam nicht wieder. Ihr berühmter Kousin, Emil Devrient, mein Kollege, den ich einmal nach ihr frug, schien unangenehm berührt durch die Erwähnung und sagte, indem er sich von mir abwandte, in elegischem Tone.

„Ach, lassen Sie das. Verschollen!“




Blätter und Blüthen.

Dank und Bitte. Aus den drei Instrumenten, „zwei noch ganz gute Tafelklaviere und ein Flügel“, welche Herr C. L. Glück (Hof-Pianofortefabrik zu Friedberg in Hessen) uns zuerst namentlich für arme Lehrerwittwen zur Verfügung stellte, sind nun sogar sechs geworden, und freudigster Dank hat sich für den edlen Mann angesammelt, der mit so wahrhafter Herzenslust des Wohlthuns seine werthvollen Gaben vertheilt. Wie wir bereits (in Nr. 27 des vorigen Jahrgangs) andeuteten, war ein Flügel für einen Lehrer in Schlesien bestimmt, um es ihm möglich zu machen, durch Privatunterrichtgeben seine Familie besser zu stellen. Er hat nun seinen Flügel, und wir hoffen, daß die gute Absicht auch in Erfüllung geht.

Ein Flügel kam ins Algäu zu einem Pfarrer, der nicht im Stande war, sich selbst nur das billigste Klavier anzuschaffen, und doch in seinen Kindern sieben Singvögelchen hat, zu denen ein Instrument gehörte. Die Antwort von dort lautet: „Von den sieben Singvögelein ist mittlerweile das älteste nach München entflogen aber der Storch hat die Zahl der Daheimgebliebenen wieder voll gemacht und sie Alle umlagerten gestern und umlagern heute noch das Wunderding, das auf einmal Leben ins stille Pfarrhaus gebracht und ihre Liedlein so herrlich begleitet. So empfangen Sie denn tausend Dank für den uns bereiteten ‚Festtag‘ und für den etc. Gruß noch ein Extra-Vergeltsgott!“

Eine solche fröhliche Sieben finden wir auch beim andern Instrument, das einer Lehrerwittwe zuging, die als Großmutter bei den Ihrigen lebt. Von dort schreibt sie: „Wenn ich zeichnen könnte, schickte ich Ihnen als Dank für Ihre Güte ein Bildchen: die Großmama am Klavier, Vater und Mutter im Hintergrund, unsere sieben Lieblinge mäuschenstill mit glänzenden Augen zur rechten und zur linken Seite, – wie viel frohe Stunden haben Sie uns bereiten helfen! (Ueber später eingegangene Gaben aus Nürnberg, Chemnitz, Schöneberg bei Berlin etc. im nächsten Bericht!)

Schön wäre es doch, wenn von den vielen großen Pianofortefabriken Deutschlands und Oesterreichs sich wenigstens noch einige an diesen Dankeserwerbungen betheiligen möchten. Es giebt noch unzählige arme Lehrer, und auch arme Pfarrherren, in vereinsamten und kargen Stellungen, denen eine Seelenerhebung durch die Tonkunst zu gönnen wäre und deren einzige Musik jetzt nur gar zu häufig darin besteht, jahraus jahrein Trübsal zu blasen. Fr. Hfm.     

[104] Unterwegs. (Mit Illustration S. 93.) Eine eigene Sache ist’s mit dem Urlaub im Herrendienste, denn dieser ging in der „guten alten Zeit“, wie männiglich bekannt, zuweilen „vor Gottesdienst“. Und doch hat Franz, der Reitknecht des gnädigen Herrn, Urlaub, denn daheim heirathet seine Schwester, die blonde Liese, Nachbars August. Ja, nicht einmal zu Fuß braucht er die fünf langen Stunden Weges abzumachen, er durfte einen Ackergaul nehmen. Zwar ist’s ein „Werfer“, man fliegt im Sattel drei Fäuste hoch, und schwer ist er auch im Trabe mit seinen gewaltigen Knochen. Aber was thut’s, Franz nimmt eine Hetzpeitsche, und die großen Sporen an den langen Reiterstiefeln werden das Weitere besorgen. Nun noch den Hochzeitsstrauß an den Hut, den reinen weißen Hemdenkragen weit übers Kollet geschlagen, und mit Hussa gehts los, gefolgt von Diana und Nimrod, die anzunehmen scheinen, daß ihre Begleitung von der Hetzpeitsche unzertrennlich sei. Eilig hat’s der Franz, sehr eilig.

Gleichwohl aber macht er eine kurze Rast auf dem Wege, denn des Schenkwirths muntere, dralle Tochter stand, als er vorüber reiten wollte, gerade am Brunnen und lud ihn ein, sich und seinem Rosse einen Trunk zu gönnen, und – das Mädel war gar so hübsch; er konnte nicht anders.

Jetzt steht er denn bei der ländlichen Schönen, die dienstbeflissen dem durstenden Rosse seinen vom Nimrod beneideten Trank reicht, und macht ihr einige „Flattusen“, welche die hübsche Wirthstochter – obgleich sie in halber Verlegenheit den Blick abwendet – ihrem Lächeln nach zu schließen, nicht ungern zu hören scheint. Die Antwort aber, welche sie dem Franz giebt, scheint gerade nicht darnach angethan, denselben daran zu mahnen, daß er höchstens fünf Minuten Rast machen wolle. Ob Franz unter diesen Umständen am Ende gar zu spät oder – gar nicht zur Hochzeit reitet?


Das Hypnoskop. Zu Nutz und Frommen der Anhänger des Hypnotismus hat Dr. Ochorowicz in Paris eine neue Verwendung des Magneten in Anregung gebracht, mittelst welcher man im Stande sein soll, sofort zu erkennen, ob eine beliebige Person in den hypnotischen Zustand versetzt werden kann oder nicht.

Der hierzu vorgeschlagene Magnet hat, wie aus der Abbildung ersichtlich, eine röhrenförmige Gestalt. Die an dem oberen Schlitz befindlichen freien Ränder bilden die beiden Pole des Magneten, an die, wie bei den bekannten Hufeisenmagneten, ein Stück weichen Eisens, der sogenannte Anker oder die Armatur, gelegt wird. Auf unserer Abbildung sehen wir rechts das Hypnoskop mit der Armatur, links dagegen ohne dieselbe.

Nachdem man den Anker herausgenommen, steckt man den Finger des auf die hypnotischen Eigenschaften zu Prüfenden derart in den Magneten, daß der Finger beide Pole berührt. Nach etwa zwei Minuten wird der Finger herausgezogen, und man bemerkt an demselben, falls der Patient empfindlich ist, verschiedene Erscheinungen wie Ameisenlaufen, Gefühl der Trockenheit, unwillkürliche Bewegungen, Unempfindlichkeit, Lähmung, Steifheit, jedoch nur auf wenige Augenblicke. Treten letztere vier Erscheinungen auf, so hat der Betreffende die Neigung, leicht in den hypnotischen Zustand zu verfallen.

Die oben bezeichneten Erscheinungen treten bei etwa 30 Procent von den herangezogenen Personen auf, sodaß 70 Procent der Menschheit nicht hypnotisirbar sein dürften. G. van Muyden.     


Die Erdbeben in Spanien. Noch läßt sich der Schaden, welchen die großen Erdbeben in den letzten Dezembertagen vorigen Jahres in den Provinzen Murcia und Granada angerichtet hatten, genau nicht feststellen. Es unterliegt aber keinem Zweifel mehr, daß die Katastrophe zu den fürchterlichsten gehört, die jemals Spanien heimgesucht hatten. Der Verlust an Menschenleben zählt nach Tausenden, und der materielle Schaden wird auf 24 Millionen berechnet. Gegen 40 Städte und Dörfer wurden durch die Erdbeben vernichtet, und allein in der alten Maurenfeste Alhama soll die Zahl der Todten und Verwundeten 600 betragen. Sonderbarer Weise haben die alten berühmten Denkmäler der maurischen Baukunst dem Aufruhre der Elemente Stand gehalten.

Die herrliche Alhambra ist unversehrt geblieben und nur La Giralda, der bekannte Glockenthurm in Sevilla, der höchste Spaniens, ist so stark beschädigt worden, daß man seinen Einsturz befürchtet. Derselbe wurde im Jahre 1196 von Abu Jussuf Jakub in der Höhe von 82 Metern erbaut; später im Jahre 1568 ließ Fernando Ruiz das obere 32 Meter hohe Stück hinzubauen, sodaß gegenwärtig die Höhe desselben 114 Meter beträgt; durch ihre 22 harmonisch gestimmten Glocken ist die Giralda weit und breit berühmt.

Jenes herrliche „Paradies Südspaniens“, das jetzt die Stätte des größten Elends bildet, hat Fritz Wernick erst vor Kurzem in der „Gartenlaube“ geschildert. Wir wollen hoffen, daß den Schwergeprüften baldige und reichliche Hilfe zu Theil wird (vergl. unsern Anfruf in Nr. 5) und Glück und Frieden in das verwüstete Land wieder ihren Einzug halten.


„De oll plattdütsch Modersprak!“ In unserer Alles nivellirenden Zeit droht auch die Volkssprache Norddeutschlands auszusterben, das Plattdeutsche. Es ist ein unausbleiblicher Proceß, bedingt durch die allgemeine Wehrpflicht, durch die bessere Erziehung des kleinen Mannes, durch die fortschreitende Bildung und durch die immer mehr sich ausbreitenden Verkehrswege. Da ist es nur zeitgemäß, wenigstens literarisch die alte Sassensprache vor dem Untergange zu retten und, da sie keine Zukunft hat, doch ihre Vergangenheit zu prüfen und zu schildern. Und welch eine reiche, große, merkwürdige Vergangenheit besitzt gerade „de oll Modersprak“! Anschaulich tritt uns dies entgegen aus der jüngst erschienenen „Geschichte des niederdeutschen Schauspiels“ von Karl Theodor Gaedertz (Berlin, A. Hofmann u. Comp. 1884). Die Schaubühne ist ja der beste Spiegel für das gesammte Volksleben, und vornehmlich die plattdeutsche. Der Fleiß des Forschers verbindet sich mit dem Talente des Dichters, um ein Stück altsächsischer Kultur- und Litteraturgeschichte zu bieten, dem der Reiz poetischer Gestaltung nicht fehlt. Bei Karl dem Großen beginnend durchschreiten wir ein Jahrtausend bis in die neueste Zeit, und in jedem Säculum tritt uns eigenartig, voll urwüchsiger Kraft, in rührender Naivetät, mit unwiderstehlichem Humor das plattdeutsche Theater entgegen. „Von den Anfängen bis zur Franzosenzeit“ handelt der erste Band, der zweite befaßt sich mit dem 19. Jahrhundert. Gut gewählte Proben voll Scherz und Ernst illustriren den Text.

Zum zehnjährigen Todestage Fritz Reuter’s gab ferner Gaedertz aus dessen Nachlaß „Reuter-Reliquien“ (Hinstorff’sche Hofbuchhandlung in Wismar) heraus. Die Papiere des Studenten Reuter, neue Mittheilungen aus seinem Leben, die vielbesprochene Urgestalt der Stromtid auszüglich, eine mecklenburgische Luftballonfahrt, Lieder, Sprüche, Briefe: aus all diesem werden wir den unvergleichlichen Humoristen noch mehr lieb gewinnen.


Karl Kehr †. Einer der verdientesten Schulmänner der Neuzeit, der Seminardirektor und Schulrath Dr. Karl Kehr zu Erfurt, ist am 19. Januar d. J. im Alter von 55 Jahren gestorben. Kehr erwarb sich durch seine schriftstellerischen Arbeiten auf dem Gebiete der Volksschul-Pädagogik einen in den weitesten Kreisen hochgeachteten Namen. Unter seinen Werken wurde namentlich „Die Praxis der Volksschule“ für die Belebung und Vertiefung des Volksschulunterrichtes von eingreifendster Bedeutung. – th.     


Allerlei Kurzweil.



Karneval-Räthsel.



Auflösung des Kryptogramms „Die Vignette“ in Nr. 5: Läßt man die Buchstaben der „Gebr. Rügen“ aufeinander folgen, wie die über ihnen stehenden, und durch 1, 2, 3 etc. Schattenstriche markirten Beeren es andeuten, so erhält man den Namen des durch seinen Wein bekannten schlesischen Städtchens „Grüneberg“.


Kleiner Briefkasten.


E. E. Auch wir haben die betr. Notiz gelesen. Was ist da zu machen! Narrenfreiheit! Zu bedauern ist nur, daß durch diese aus dem Zusammenhange gerissene Mittheilung die Sache in ein ganz falsches Licht gerückt und das Sammelwerk für die armen Hinterbliebenen thatsächlich geschädigt worden ist.

Dr. Fr. L...g. Wir bitten um genaue Angabe Ihrer Adresse.

Bescheidene Fragerin in Rußland. Für den Stil der Annoncen in der Beilage sind wir nicht verantwortlich.

L. T. Hier kann nur der Arzt helfen, der Sie persönlich untersucht hat.

E. Fl. in Brünn. E. L. in Wiesbaden: Nicht in der „Gartenlaube“ erschienen.

Fr. W. in Schwelm. Fragen Sie einen Rechtsanwalt.

P. St. in W. Ein solches Mittel giebt es nicht.

A. B. in Nienburg. Wenden Sie sich gefl. an die Buchhandlung Ihres Wohnortes, die Ihnen sicher Werke der gewünschten Art vorlegen kann.

Clara A. in R. Ueber Johannes Scherr vergl. Sie Jahrgang 1867, S. 469.

Luise H. in J. (Gers). Sie werden das Gesuchte finden in Heinrich Düntzer „Die Sage vom Doktor Faust“ (2. Aufl. 1857).

J. in D. Die gewünschte Adresse ergiebt sich aus der betr. Biographie. – E. Marlitt’s Bildniß erschien im Jahrgang 1868, S. 21.

H. K., Leserin der Gartenl. Geben Sie uns Ihre Adresse und den Namen Ihrer Mutter an, nur dann kann geholfen werden. Für anonyme Zuschriften haben wir keine Antwort, das ist nun oft genug gesagt worden. Hier gilt es, eine Adresse zu suchen, und Sie nennen uns nicht einmal Ihren Namen!

A. H. in N. „Flehende Bitte“ und „Der Himmel der Erinnerung“, nach Stoff und Form nicht geeignet.

A. G. in Odrau. W. R. in Tetschen. Ein Freund echter Poesie. Col. C. in Wien. A. H. in Nauen. A. W. in A. Otto B. E. H. aus Hannover. Nicht geeignet.

Eine alte Anhängerin der „Gartenlaube“. Gegen Nachahmung des Titels schützt das Gesetz nicht.

Eduard F. in Chemnitz. Stahldrahtbürsten reinigt man am besten mit einem leinenen Tuche, indem man die Drähte einzeln sauber abreibt. Oeftere Reinigung erleichtert das Geschäft.


Inhalt: Die Frau mit den Karfunkelsteinen. Roman von E. Marlitt (Fortsetzung). S. 89. – Hessisches Bauernmädchen. Illustration S. 89. – Ferienstudien am Seestrande. Von Carl Vogt. Weiber und Männlein. (Schluß.) S. 94. Deutschlands Kolonialbestrebungen. Sansibar. Von Oscar Canstadt. S. 96. Mit Illustrationen S. 96, 97, 98, 100, 101 und 102. – Ein Bild aus dem Schauspielerleben. Von Anna Löhn-Siegel. S. 102. – Blätter und Blüthen: Dank und Bitte! S. 103. – Unterwegs. S. 104. Mit Illustration S. 93. – Das Hypnoskop. Von G. van Muyden. Mit Abbildungen. – Das Erdbeben in Spanien. – „De oll plattdütsch Modersprak!“ – Karl Kehr †. – Allerlei Kurzweil: Karneval-Räthsel. – Auflösung des Kryptogramms „Die Vignette“ in Nr. 5. – Kleiner Briefkasten. S. 104.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.

  1. Die Illustrationen zu diesem Artikel sind sämmtlich nach Originalphotographien hergestellt worden. Wir verdanken dieselben Herrn Dr. G. Fischer, der sich jahrelang in dem jetzt so viel genannten Sansibar aufgehalten hat und vor Kurzem nach Deutschland zurückgekehrt ist. D. Red.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. eigentlich: Canstatt
  2. richtiger wohl: Komoroleuten