Die Gartenlaube (1874)/Heft 49
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No. 49. | 1874. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
Mein Leben ist einsam und fruchtlos wie die Haide, auf der ich geboren ward. Ich will auch nicht von mir, sondern von einem Meteore erzählen, welches leuchtend vom Horizonte meiner Haide aufstieg und zu meinen Füßen erlosch.
Ich hatte etwa zehn Jahre als Maler in B. gelebt, als ein Buch im Druck erschien, welches große Bewunderung und großen Verdruß hervorrief. Dieses Buch führte den Titel „Alltagslichter und Meteore“. Der Verfasser dieses originellen und geistreichen Werkes hatte sich nicht genannt, und es war meinen allerdings beschränkten Forschungen nicht gelungen, seinen Namen aufzufinden.
Um dieselbe Zeit riefen mich Familienverhältnisse nach W. Dort erfuhr ich den Namen des Verfassers und zugleich Näheres über ihn selbst. Er war Ordensherr eines kirchlichen Stifts und Collegiums in Dalmatien. Ich will jenes Stift in meiner Erzählung „Constantin“ und den Verfasser des Buches „Bodiwil“ nennen.
Man wußte nur wenig vom Stift. Es waren wohl von Zeit zu Zeit in den Kirchenberichten kleine zerstreute Bemerkungen darüber erschienen, welche von einer Malerschule sprachen, die einer der Stiftsherren zu Constantin gegründet habe; allein das Stift lag einsam und gänzlich abgeschnitten von der Kunstwelt, und der Begriff von klösterlicher Tendenz, welcher sich bei Nennung des Stiftes unwillkürlich aufdrängte, hatte keine Sympathie in den Künstlerkreisen erweckt und ein lebhaftes und allgemeines Interesse für die obscure Malerschule zu Constantin nicht aufkommen lassen. Man hielt es nicht der Mühe werth, sich von der Sache zu überzeugen; man dachte, eine Schule von künstlerischer Bedeutung würde suchen, sich öffentlich zur Geltung zu bringen, während die Schule des Stiftes Constantin niemals einen Schritt aus ihrer klösterlichen Zelle gethan. Die Künstler insbesondere betrachteten die Malerei zu Constantin, wenn sie wirklich existirte, als eine dilettantische Stümperei, durchaus nicht der Beachtung und höchstens eines Lächelns werth.
Das Buch „Alltagslichter und Meteore“ aber hatte, da der Verleger desselben den Namen des Verfassers verrieth, mit einem Schlage die Neugier erweckt, und als kurze Zeit darauf – noch während meines Aufenthaltes in W. – der kunstsinnige Fürst Ap. von einer Reise in Dalmatien zwei Gemälde des Stifts nach W. brachte und für seine Bekannten und die Künstler in der Gemäldegalerie seines Palais ausstellte, da merkten die Künstler wohl, daß die Malerei zu Constantin etwas sehr Ernsthaftes, etwas sehr Neues und Bedeutendes sei. Die Bilder stammten von Bodiwil, dem Haupte der Schule, und als ich sie zum ersten Male sah, empfand ich etwas wie einen elektrischen Stoß.
Das eine stellte Satan in der gewitterhaften Schönheit des grollenden Engels dar. Er stand im schwarzen Strahl seiner Fittige. Das zweite hatte zum Gegenstande: Fingal, welcher den Geist Loda’s mit seinem Speere durchbohrt, eine Episode aus dem Ossian’schen Gedichte Carrik-Thura. Es war ein Bild, in die Nacht hinein gemalt. Aus schwarzbrauner Wolke beugte sich die ungeheure, neblichte Gestalt Loda’s, von dem hinter ihr stehenden blutigen Monde durchschimmert. Dasselbe Licht, aber stark und voll, fiel auf Fingal’s Angesicht, seinen rechten Arm und den emporgehobenen Speer. Alles Uebrige war Nacht.
Da standen wir und staunten, wir kleinen Maler, und fühlten den Wurm im Herzen, den Wurm der Geistesarmuth. Ja, wir waren nur malende Alltagsmenschen, Alltagslichter, der Stiftsherr Bodiwil aber war der malende Poet – das Meteor.
Ich faßte eine wahre Leidenschaft für Bodiwil’s Genie und empfand den brennenden Wunsch, ihn kennen zu lernen. Das Gerücht, Bodiwil habe eine Einladung des Fürsten Ap. angenommen und werde binnen Kurzem in W. eintreffen, wurde mir vom Fürsten Ap. selbst bestätigt. Indessen verzögerte sich Bodiwil’s Ankunft, und mein Urlaub war zu Ende. Ich mußte nach B. zurück, wo ich die Fresken für ein neues städtisches Gebäude übernommen und bereits angefangen hatte.
In B. vernahm ich nach einigen Wochen die Ankunft Bodiwil’s in W. Ich hoffte stets, mich für einige Tage von B. entfernen zu können, allein die Einweihung des neuen Gebäudes war auf einen festgesetzten Zeitpunkt bestimmt, die Arbeit sehr umfangreich, kurz, es war an ein Fortgehen von B. nicht zu denken.
Fünf Monate vergingen. Ich hörte, daß Bodiwil W. längst verlassen habe und nach Constantin zurückgekehrt sei. Nach fünf weiteren Monaten war meine Arbeit beendet. Ich hatte mich übermüdet und bedurfte der Erholung. Eine Reise nach Dalmatien lag mir im Sinn; ohne aber mich dafür entschieden zu haben, ging ich nach W., wo ich vorerst Näheres über Bodiwil zu erfahren hoffte.
Die Urtheile und Meinungen meiner Bekannten in W. – meistens Künstler – waren verschieden; allein eigentliche Sympathie hatte Bodiwil in Keinem derselben erweckt, Einige hielten ihn für überaus stolz und jede nähere Berührung abwehrend. Andere glaubten, es liege diesem Stolze Menschenscheu und überreizte [784] Sensitivität zu Grunde. Seine Art zu sprechen bezeichneten Alle als fließend und natürlich; allein Einige meinten, er spreche nur wenig, Andere hoben mit Tadel hervor, daß er mit verschiedenen Personen in verschiedenem Tone spreche und die Eindrücke, welche diese Personen auf ihn machten, viel zu sehr fühlbar werden lasse, und noch Einige bemerkten mit Verdruß, er sage fast immer Dinge, welche keinem Anderen noch eingefallen seien. –
Ich sah, daß Bodiwil’s ausgeprägte und überlegene Individualität im Kreise dieser Menschen, von welchen jeder Einzelne sich für sehr bedeutend hielt, Unbehagen und Neid hervorrief. Der Wunsch, Bodiwil persönlich kennen zu lernen, wurde nur dringender in mir; ein Besuch beim Fürsten Ap., dem liebenswürdigen Bewunderer und Freunde Bodiwil’s, bestimmte mich unwiderruflich zu einer Reise nach dem Stifte Constantin. Vom Fürsten brieflich an den Prälaten des Stiftes und an Bodiwil empfohlen, durfte ich hoffen, gütig empfangen zu werden.
Da ich nicht von mir und nicht von meiner Reise erzählen will, so übergehe ich die ersten neun Tage derselben. Ich war theils mit der Post, theils zu Fuße gereist. Im Städtchen Bl. nahm ich einen Führer und zwei kleine starke Pferde. Wir verließen die Poststraße und nahmen den Weg über die Berge, die Ausläufer der julischen Alpen.
Es war Anfang September; die Frische der Luft und die Düfte des Waldes berauschten mich und gaben meiner Erwartung einen besonderen poetischen Reiz. Das Gebirge verflachte sich allmählich; das Thal erweiterte sich, und am Vormittage des zweiten Tages wurde die Gegend mehr und mehr einsam. Wir kamen an mehreren fast ganz trockenen Teichen vorüber. Der Boden wurde mooricht und war nur zuweilen durch ein dürftiges Wäldchen geschmückt.
Gegen Abend kamen wir durch ein Dorf, und von hier erhob sich rechts allmählich eine niedrige grüne Hügelkette, während links die braune Ebene sich hinzog, von den stahlblauen Bergen begrenzt. Die Hügel bildeten kleine Vorsprünge in die Ebene und hatten beinahe die anmuthigen Windungen eines Flusses. Als wir den fünften dieser Vorsprünge umgangen, wies mein Führer mit dem Finger auf den nächsten und sagte:
„Sieh, Herr, dort liegt das Stift Constantin.“
Ich hielt mein Pferd an. Die Sonne war noch nicht hinuntergegangen. Sie hing über dem fernen Gebirge, strahlenlos und blutroth; das Stift stand von ihrer Lohe übergossen. Die Abendglocke begann vom Hügel herab zu läuten; sie hatte einen ernsten majestätischen Klang. Als die Sonne verschwand, schwieg die Glocke. Der Himmel brannte noch; das Gebirge aber hüllte sich in einen sammtenen Duft und an seinem Fuße tauchten rosige Dünste auf, vielfach zerrissen und langsam erbleichend. Dann sank die Dämmerung schnell herab. Ich trieb mein Pferd zur Eile an und wandte den Blick jetzt nicht mehr vom Stiftsgebäude.
Es war in byzantinischem Stile erbaut, überaus groß und imposant und schien mindestens dreihundert bis vierhundert Jahre alt zu sein. An den zwei Stockwerken der uns zugewandten Seite zählte ich vierundsechszig Doppelfenster. Dies war die lange Seite des Gebäudes. Sie hatte zwei Eingänge: ein hohes Portal und eine niedrige Pforte, welche recht klösterlich aussah. Die Bäume eines Gartens ragten von der Rückseite über das flache Dach. An der östlichen kurzen Seite des Gebäudes schoß ein runder schlanker Thurm in die Höhe, an dem ein vergoldetes Kreuz blinkte.
Wir erreichten eine große, dem Stifte gehörende Meierei, wo ich die Nacht zu bleiben beschloß. Ich erfuhr dort, daß die Stiftsherren große Freiheit genössen. Sie trügen weltliche, nur mäßig lange Kleidung und wären nicht gebunden, die Messe zu lesen. Diese, wie alle streng priesterlichen Pflichten wären auf zwei Geistliche übertragen, welche dem Orden des Stifts nicht angehörten. Die Stiftsherren selbst beschäftigten sich hauptsächlich mit der intellectuellen Ausbildung der Zöglinge und mit der christlichen Gelehrsamkeit.
– Am nächsten Morgen um neun Uhr machte ich mich auf den Weg zum Stifte. Da die Länge meines Aufenthaltes in Constantin von dem Empfange beim Prälaten und Bodiwil abhing, so entließ ich meinen Führer vorläufig nicht.
Das Stift war nur zweihundert Schritte von der Meierei entfernt. Ich ging durch das offene Portal in einen länglich viereckigen Hof, den ein niedriger, gedeckter Säulengang mit dem Gebäude verband. Die Steine des Hofes waren mit Moos überwuchert. In der Mitte lag ein rundes, von Oleanderbäumen umgebenes Bassin, in dessen trübem Wasser einige Enten schwammen.
Ein unter den Säulen gehender junger Mann kam auf mich zu, höflich fragend, ob er mir in Etwas dienen könne. Ich erfuhr durch ihn, daß der Prälat für einige Wochen verreist, Bodiwil aber im Stifte anwesend sei. Er führte mich in einen Saal, wo er mich Bodiwil zu erwarten bat, den er von meiner Anwesenheit in Kenntniß setzen wolle. Ich bat ihn, Bodiwil den Brief des Fürsten Ap. zu übergeben.
Der Boden des Saales war mit bunten Strohmatten belegt. Von den breiten Doppelfenstern fielen blaue Vorhänge herab; altmodische Stühle standen steif an den Wänden. Nach einigen Minuten trat ein Mann herein – ich werde die Erscheinung nie vergessen. Er war mehr als mittelgroß und überaus fein gebaut. Sein schwarzes gelocktes Haar fiel in Büscheln auf eine weite und weiße Stirn. Ich fühlte, daß dieser Mann Bodiwil war.
Sein ernstes Auge fixirte mich einen Augenblick, dann sagte er mit warmer Stimme und mir die Hand entgegenreichend: „Ich danke Ihnen für das Interesse, welches Sie an mir nehmen. Wie? Um mich zu sehen, haben Sie diese Reise gemacht?“
Dieser einfache und herzliche Empfang bezauberte mich.
Ich sagte ihm, daß ich, um ihn kennen zu lernen, nicht nur nach Dalmatien, sondern bis nach Japan gegangen sein würde.
„Hat man Ihnen in W. nicht gesagt, daß ich unangenehm sei?“ frug er fein lächelnd.
Ich erzählte ihm ganz offen, wie meine Bekannten über ihn urtheilten, und versicherte ihm, daß diese Urtheile meinen Wunsch, ihn kennen zu lernen, noch gesteigert hätten.
„Hätte man Sie in W. liebenswürdig und sympathisch gefunden,“ setzte ich hinzu, „so würde ich aufgehört haben, mich für Sie zu interessiren, ja, ich würde sogar nicht mehr geglaubt haben, daß Sie es sind, der ‚Satan‘ und ‚Fingal‘ malte.“
„Es ist nicht meine Schuld,“ versetzte Bodiwil, „daß ‚Satan‘ und ‚Fingal‘ zur Ansicht des Publicums gelangten. Ich gab die Bilder dem Fürsten Ap. als einen sehr schwachen Ausdruck meiner Verehrung für ihn. Sie glauben nicht, welche ursprüngliche, große Natur der Fürst ist; allein deshalb ist er auch in seinen Gefühlen nicht zu bändigen. Seine Bewunderung für mein schwaches Talent geht fast bis zur Vergötterung und beschämt mich. Ich empfand ein großes Unbehagen, als ich erfuhr, meine Gemälde seien in W. bekannt geworden.“
Auf meine Frage, ob er beabsichtige, immer verborgen zu bleiben, antwortete er: „Ja. Es existirt so viel Schöneres und Größeres, als ich schaffe, daß die Welt mich sehr leicht entbehren kann. Als ich glaubte, durch meine Ideen über die Alltagslichter und die Meteore im Leben und in der Kunst der Welt nützlich sein zu können, beging ich einen großen Irrthum.“
„Wie so?“ frug ich erstaunt.
„Anstatt Aufklärung zu geben, habe ich nur Verdruß und Neid geweckt. Anstatt die Mittelmäßigkeit in ihre Grenzen zu verweisen, habe ich sie zu noch größerem Dünkel aufgestachelt. Keiner will ein Alltagslicht sein; Jeder hält den Andern dafür, aber niemals sich selbst. Alle wollen Meteore sein. Die mittelmäßigen Alltagsmenschen, welche ich früher nur als würdevoll, sicher, gespreizt, herablassend und vorlaut gekannt, fand ich, nachdem sie mein Buch gelesen, arrogant, herausfordernd, impertinent, pomphaft aufgebläht und tödtlich bewaffnet. Die wenigen Meteore, die ich sah, flogen schweigend und mit scheu zurückgehaltenem Athem vorüber. Denn die Alltagsmenschen, die sonst mit mitleidiger Duldung diesen Meteoren zuweilen einen gütigen Blick durch die Lorgnette zuwarfen, bellten sie jetzt an, wie die Hunde den Mond. Als ich dies sah, unterdrückte ich die im Druck begriffene dritte Auflage des Buchs und entschädigte den Verleger aus meiner Casse.“
„Sie können aber die bestehenden Exemplare nicht vertilgen,“ sagte ich.
„Das ist auch nicht nöthig,“ erwiderte er ironisch; „die Zeit wird sie vertilgen.“
Er hatte sich bei diesen Worten im Saale umgesehen und [785] fragte mich, wo ich mein Gepäck habe. Ich sagte ihm, daß ich es im Meierhofe bei meinem Führer gelassen.
„Sie brauchen jetzt keinen Führer mehr,“ fiel er lächelnd ein. „Ich bestehe darauf, daß Sie einige Wochen hier bleiben und mein Gast sind. Ihr Gepäck werde ich sogleich holen lassen; den Führer können Sie im Laufe das Tages verabschieden. Sind Sie damit einverstanden?“
„Sie überschütten mich mit Güte,“ sagte ich, „und thun es auf eine so liebenswürdige Weise, daß ich entschlossen bin, zu bleiben und mich ruhig überschütten zu lassen.“
Er bat mich nun, mit ihm auf seine Zelle zu kommen. Wir verließen den Saal. Bodiwil hatte einen leichten, eleganten Schritt und eine prächtige Haltung. Er sagte mir, indem wir einen langen Gang durchschritten, daß die Fundamente des Gebäudes römischen Ursprunges seien. Es sei anzunehmen, daß die Saracenen später eine Festung hier gehabt, wofür der orientalische Thurm an der Ostseite des Gebäudes spreche. „Im Erdgeschosse,“ sagte er, „sind das Empfangszimmer, ein immenser Festsaal, welcher die ganze Westseite einnimmt, die Zimmer des Prälaten, die Bibliothek, eine Naturaliensammlung, das Refectorium, die Apotheke, mehrere Lehrsäle und die Kapelle. Im oberen Stocke liegen die Zimmer der Stiftsherren und der Zöglinge, die Fremdenzimmer, eine Gemäldesammlung, einige Lehrsäle und das Atelier der malenden Zöglinge.“
Wir stiegen über eine steinerne Treppe in den obern Stock, wo auf der Nordseite über dem Garten Bodiwil’s Zelle lag, wie er sein Zimmer nannte. Es war ein Saal, durch einen Vorhang von schwerem violettem Seidendamast in zwei ungleiche Theile getheilt. Die größere Hälfte bildete Bodiwil’s Studir- und Wohnstube; in der kleineren schlief er. Der Vorhang war in der Mitte offen; ich sah über Bodiwil’s Bett ein Gemälde, eine Sphinx darstellend. In der Studirstube standen ein Schreibepult, ein Piano, verschiedene Glasschränke, in welchen ich Bücher und ägyptische Merkwürdigkeiten sah; auf einer niedrigen Truhe stand ein ägyptischer Sarg, der eine Mumie enthielt.
Bodiwil sagte, als er meine Ueberraschung sah: „Wundern Sie sich über meine Vorliebe für Aegypten? Ich habe stets eine unbezwingliche Neigung für das tiefsinnige Land der Sphinxen gehabt, und der Wunsch, jenes Land zu sehen, wurde eine Plage für mich und für Andere. Mein Oheim, der Prälat, wollte mich wohl nach Italien gehen lassen, weil er dachte, es sei für meine künstlerische Ausbildung nothwendig; allein eine Reise nach Aegypten hielt er für unzweckmäßig. Ich ließ mich nach Italien schicken, und von da aus ging ich, ohne um Erlaubniß zu fragen, nach Aegypten. Ich schrieb dem Prälaten aus Kairo, daß, wenn er mir diese Unart nicht verzeihe, ich Muselmann werden und einen Turban tragen werde. Darauf kam eine vollständige Verzeihung und die Erlaubniß, das ganze Nilthal bereisen zu dürfen.“
Auf meine Frage, wie lange Zeit er dazu gebraucht habe, antwortete er:
„Zwei Monate; was für die Schätze Aegyptens gerade so wenig ist, wie zwei Tage für die Genüsse dieser Erde.“
„Darf ich das Gemälde über Ihrem Bette sehen?“ fragte ich.
Bodiwil zögerte, wie es mir schien, einen Moment, sagte aber sehr verbindlich: „Gewiß, es ist mein bestes Bild; allein dies ist das Verdienst des Gegenstandes und nicht das meinige.“
Das Gemälde wirkte auf mich wie jene Weine, welche erst eine süße Wärme, aber nach und nach ein fahrendes, wahnsinniges Feuer in uns verbreiten. Die Sphinx lag im Sande hingestreckt, das Angesicht voll dem Beschauer zuwendend. Das Licht im Bilde hatte die matte bräunliche Färbung der Abenddämmerung. Ein Purpurstreifen, der sich am Himmel hinzog, ließ einen zarten Schimmer auf den Scheitel der Sphinx fallen. Der Scheitel war von der strengen ägyptischen Haube bedeckt, welche bis zu den Schultern herab fiel und ein weißes, mit goldenen Fäden durchwirktes Gewebe zu sein schien. Das Angesicht der Sphinx, welche nicht ein steinernes Bild, sondern ein lebendiges Weib war, hatte die Blässe einer sehr blassen Theerose. Feine, gerade Augenbrauen zogen sich über den nicht besonders großen, mandelförmigen Augen hin, welche die Farbe einer reifen Haselnuß hatten. Der Mund war unbeschreiblich süß und unbeschreiblich ernst, das Kinn weich und oval. Zwei dicke braune Flechten fielen unter der Haube herab und verschlangen sich auf der Brust zu einem reichen Knoten.
Aber die Stirn! Sie war breit, voll und von so geistiger Feinheit, daß die Gedanken darunter hervorzuleuchten schienen. Der Ausdruck der Augen war leidenschaftlich und tiefsinnig, sanft und begeistert, durchdringend und träumerisch. Ich dachte bei mir: wenn ein solches Weib lebt, der, welcher es sähe, müßte seine Seele daran verlieren.
Bodiwil führte mich nun in sein Privat-Atelier, welches neben dem Studirzimmer lag. Ich würde zu weitläufig werden, wollte ich hier eingehend von den Bildern sprechen, welche ich sah. Ich hebe nur einen Christus hervor, in dessen herrlichem Angesichte Hoheit, Milde und feine Ironie auf’s Wunderbarste verschmolzen waren. Alle Bilder Bodiwil’s hatten indeß die Gewalt der Wahrheit und des Ureigenen. Täglich, so lange ich im Stifte war, stand ich vor diesen Schöpfungen, und mit jedem Tage bewunderte ich sie mehr. Der Fürst Ap. hatte mit Recht gesagt: „Bodiwil’s Bilder erinnern an keine Schule und an keine Epoche. Es ist eine absolute, große Individualität darin, die Individualität eines gottbegnadeten Genies.“
Bodiwil’s Schule zählte neun Zöglinge, von welchen zwei bedeutendes Talent hatten. Ihre Bilder waren übrigens frei gewählt und frei ausgeführt. Bodiwil’s Princip war, die Individualität seiner Schüler herauszulocken; er wollte, daß Jeder eine eigene Auffassung und Gefühlsweise, einen eigenen Styl, eigenen Ausdruck und Ton habe. Er erkannte diese Verschiedenheiten unter seinen Schülern mit seltenem Scharfsinne und bildete sie künstlerisch aus durch die Unmittelbarkeit und Feinheit seines Genies.
Dieses Princip der Originalität, der Vielseitigkeit gab der kleinen Schule zu Constantin einen Vorzug, der nicht genug geschätzt werden kann. Bodiwil war übrigens nicht eigentlich der Stifter der Schule. Er erzählte mir, daß er im Alter von zwölf Jahren seine Eltern verloren habe. Der Prälat des Stiftes, ein Bruder von Bodiwil’s Vater, führte den verwaisten Knaben nach Constantin. Es hatte damals schon ein älterer Stiftsherr die Malerei in den Unterricht eingeführt und, da die meisten Zöglinge drei bis vier Jahre im Stifte blieben, die talentvollsten der Schüler bis zu einem gewissen künstlerischen Grade ausgebildet. Bodiwil hatte nie einen anderen Unterricht, als den des alten Stiftsherrn genossen. Sein wunderbares Genie ward die Veranlassung einer Theilung unter den Schülern. Man schied die entschiedenen Talente von den mittelmäßigen und beschloß, die letztern als Dilettanten, die erstern aber als angehende Künstler zu betrachten. Es wurde ein Atelier gebaut und die zu einer Schule gehörenden Requisiten angeschafft. Die kleine Bildergalerie des Stiftes bestand, mit Ausnahme einiger alter byzantinischer Bilder, nur aus Gemälden der Zöglinge. Nach des alten Stiftsherrn Tode ward Bodiwil das Haupt der Schule. Er beschäftigte sich täglich zwei Stunden mit seinen Zöglingen im allgemeinen Atelier. Außer der Malerei lehrte er Geschichte der bildenden Kunst, Geschichte des Alterthums und Anatomie. Seine Kenntnisse des Alterthums, namentlich Aegyptens und Indiens, waren staunenswerth; sein Vortrag frei, fließend, hinreißend.
Je mehr ich diesen klaren, überlegenen Verstand, diesen sprühenden Geist, diese warme, große Natur kennen lernte, desto unbegreiflicher ward es mir, daß Bodiwil sich mit der dumpfen, obscuren Existenz auf Constantin begnügte. Hätte er in der Welt gelebt, so würde er sich einen unsterblichen Namen errungen haben.
Man hatte mir ein Zimmer in Bodiwil’s Nähe angewiesen, und da er ebenso viel Sympathie für mich zu haben schien wie ich für ihn, so fühlte ich mich im Stifte schon nach einigen Tagen wie zu Hause. Nach dem Abendessen pflegten Bodiwil und ich im Garten auf und ab zu gehen. Oftmals machte Bodiwil einsame Spaziergänge, nach welchen ich ihn stets einsilbig und zerstreut fand. Bei unseren gemeinsamen Spaziergängen war er mittheilsam und beinahe überfließend. Als ich ihn einmal fragte, ob er aus eigener Wahl Klosterherr geworden sei, da zuckte er die Achseln und sagte:
„Mein Onkel hatte diese Idee, als ich noch zu jung war, um selbst Ideen haben zu können. Auch liebte ich die Malerei so leidenschaftlich, daß ich ganz darin aufging und nicht dem [786] Unterschiede zwischen Welt und Kloster nachsann. Später, als ich zum ersten Male in die Welt ging – auf einer Reise mit dem Prälaten –, trug ich die großen Menschentypen des Alterthums in mir und fand das moderne Leben und die modernen Menschen so hohl, so klein, so erbärmlich, daß ich mich nach der braunen Moorebene und der Einsamkeit von Constantin zurücksehnte. Ich begriff wahrhaftig nicht, wo die Menschen, die ich in der mittleren und hohen Gesellschaft sah, den Muth hernahmen, sechszig und noch mehr Jahre ein Leben zu leben, in welchem sie sich vom Thiere durch nichts auszeichnen, als, anstatt im Stalle, unter einer seidenen Federdecke zu schlafen, mit Messer und Gabel zu essen, aus krystallenen Gläsern zu trinken, ein wenig Grammatik zu lernen, sich für Andere anzukleiden, sich gegenseitig anzulügen, zu verleumden, zu hassen, zu zerreißen und zu belächeln.“
Ein anderes Mal sagte er: „Ich bin nicht menschenscheu, es ist nicht Furchtsamkeit, was mir den Umgang mit der Gesellschaft unbehaglich macht; aber ich habe eine so furchtbare moralische Spürkraft, daß ich die Natur eines Menschen beim ersten Blicke erkenne. Es ist dies keine Menschenkenntniß, es ist reine Gefühlssache, und ich bin darum zu bedauern, denn die Sympathien und Antipathien unterjochen mich gänzlich. Um mit einer solchen Organisation in der Welt vorwärts zu kommen, muß man ein niedriger Heuchler werden. Meine Einsamkeit hingegen läßt mir meine ganze Freiheit. Ich habe nicht nöthig, mir Freunde oder Gönner zu machen; ich darf volle, schwarze Abneigungen haben und sie zeigen und mich ruhig darum hassen lassen.“
Bodiwil hatte, ohne schön zu sein, Momente von großer Schönheit. Sein dunkles, hochgebautes Auge war von seltener Klarheit und Festigkeit. Seine Nasenflügel, welche sich unter einer gebogenen, fast zu feinen Nase wölbten, waren von einer Lebhaftigkeit, die seine Erregbarkeit verrieth. Er trug, nach dem Gesetze des Ordens, keinen Bart. Sein Mund war fest und ruhig; aber wenn Bodiwil sprach, dann spielte um die Winkel eine seltsame Mischung von geistreichem Uebermuthe und heimlichem Schmerze.
Obwohl wir sehr vertraut geworden waren, hatte Bodiwil für mich etwas Räthselhaftes. Er verschwand zuweilen für mehrere Stunden, für einen halben Tag; dann machte er seine einsamen Spaziergänge. Er sagte mir nie, wo er gewesen, welche Pflanzen oder Insecten er gesammelt. Diese Spaziergänge machte er bei Regen und Sturm wie bei Sonnenschein. Er hatte im Garten einen Lieblingsplatz, eine Rotunde von Kastanien, unter welchen eine steinerne Bank stand. Wir saßen oft bis spät Abends dort und plauderten, wenn es zu dunkel zum Lesen geworden. Zuweilen, wenn der Abend kalt war, holte er Mäntel und Decken für uns Beide. Er hatte, wie es mir schien, eine fast krankhafte Vorliebe für jenen Platz. Wenn wir im Garten auf- und abgingen und es saß einer der Stiftsherren auf der Bank, so bemerkte ich, daß Bodiwil unruhig, ungeduldig wurde, und mehr als einmal sagte er dann: „Will Er denn noch nicht aufstehen und gehen?“ Ein fast trostloser Ausdruck überzog sein Gesicht, wenn er von seiner Bank abgerufen wurde. Auch sah ich ihn von meinen Fenstern aus zu verschiedenen Tageszeiten in der Rotunde sitzen oder an einen der Bäume gelehnt, ein Buch in der Hand und über das Buch hinaus träumerisch in die Landschaft schauend.
Diese Landschaft hatte indessen keinen besonderen Reiz. Es war, wie gesagt, eine moorichte Ebene, weit hingestreckt, in welcher zuweilen ein Wäldchen grünte oder auch ein Busch Haidekraut. An den Hügeln hingen einige vereinzelte Bauernhäuser, von Wiesen oder Feldern umgeben. Der in der Ferne sichtbare Zweig der julischen Alpen war fast immer verschleiert.
Einer der periodischen Seen, welche in Dalmatien häufig, aber im Sommer trocken sind und erst im Spätherbste sich füllen, gähnte dunkel in der Ebene, und nur selten glitzerte aus ihm ein seichter Wasserstreifen.
Oft hingen, da wir schon im September waren, dichte Nebel an den Hügeln und wallten schwermüthig über das Moor hin. Bodiwil pflegte dann ein kurzes Fernglas aus der Tasche zu ziehen und nach den Hügeln hinzublicken. Ich unterließ instinctmäßig, ihn wegen dieser Seltsamkeit zu befragen. Wenn ich Abends neben ihm in der Rotunde saß und sein brennendes Auge die Lichtlein auf den Hügeln verschlingen sah, als wären sie Sterne des Himmels, dann war mir zu Muthe, als säße ich neben einem Geheimnisse, und dieses Geheimniß schien nicht unter einem Schleier, sondern unter Siegeln zu schlummern.
Eines Tages that Bodiwil’s Herz einen Schrei, und die Siegel sprangen. Ich war seit vier Wochen im Stifte, als eines Nachmittags, während ich beim Flüstern des Regens auf meinem Zimmer malte, rasche Schritte gegen meine Thür kamen. Man klopfte an dieselbe und trat gleichzeitig ein. Es war Bodiwil. Als ich ihn sah, stand ich sprachlos und der Pinsel entfiel meiner Hand.
Bodiwil war todtenbleich, und seine Züge drückten die tiefste Verzweiflung aus. Er faßte meinen Arm und fragte mit erstickter Stimme: „Haben Sie Freundschaft für mich?“
„Können Sie zweifeln?“ fragte ich zurück.
„Ich liebe ein Weib und dieses Weib ist sterbend,“ rief er, mit beiden Händen seinen Kopf fassend.
„Um des Himmels willen, was kann ich für Sie thun? – “ fragte ich, kaum der Sprache mächtig.
„Gehen Sie zu ihr, gleich, augenblicklich! Sagen Sie ihr, daß ich in einer halben Stunde bei ihr sein werde. Ich kann jetzt nicht gehen, ich kann nicht. Der Prälat ist soeben angekommen und hat nach mir verlangt. Sagen Sie ihr, daß ich in einer halben Stunde bei ihr sein werde – wenn ich bis dahin nicht wahnsinnig bin,“ rief er mit herzbrechendem Tone. „Verlangen Sie, sie selbst zu sprechen! Sagen Sie ihr, daß Sie mein Freund und von mir geschickt sind! Suchen Sie etwas zu ihrer Erleichterung, zu ihrer Rettung zu thun! In meinem Zimmer finden Sie einen Mann, der Sie hinführen wird. Wenn Sie schnell gehen, so können Sie in zehn Minuten dort sein. Nicht wahr, Sie gehen schnell, schnell, schnell!?“
Ich versprach Alles.
„Ich werde Ihnen später Alles erzählen,“ sagte Bodiwil mit bebender Stimme; „später, morgen, wenn’s ein Morgen für mich giebt.“
Die Leipziger Puppendoctorin.
Weihnachten rückte heran. Mann und Weib steckten die Köpfe zusammen, um den nicht zu umgehenden Weihnachtsetat vorsichtig festzustellen. Kinder kosten Geld, und Puppen auch. Fünf Kinder, neben einander gestellt wie die Orgelpfeifen und außerdem die dazu gehörigen Puppen und, wie man zu sagen pflegt, was sonst noch drum und dran hängt – das wollte „reiflich überlegt sein, um es faßlich wiederzugeben“, zumal die vorhandenen Puppen sich in einem hoffnungslosen Zustande befanden. Glücklich priesen wir uns daher, als wir von befreundeter Seite zu unserer Verwunderung hörten, daß in Leipzig, unserem Wohnorte, eine Puppendoctorin existire. Natürlich wurde diese sofort in Anspruch genommen, und als mir mein Weib freudestrahlend die Nachricht brachte, daß sie die Puppendoctorin glücklich aufgefunden und die ganze Puppendoctorei ein reizendes Bild für die Gartenlaube gebe, begab ich mich selbst an Ort und Stelle. Als ich in’s Zimmer trat, das der Leser nun im Bilde vor sich sieht, was konnte ich da anderes ausrufen, als: „Ist das ein Märchen? Hat hier eine Puppenschlacht stattgefunden und ist die kleine Frau drinnen nicht die wunderthätige Fee, welche sich der hülflosen Verwundeten und der schauderhaft zugerichteten Puppen erbarmt und ihnen Allen zu einem neuen Leben verhilft?“ Und doch, eine Puppenschlacht ist hier nicht geschlagen worden, sondern es ging Alles ganz natürlich zu. Bei eingehenderer Besichtigung unseres Bildes findet man auch, daß trotz des kunterbunten Durcheinander doch vollständig Ruhe und Friede herrscht, ja aus dieser Welt im Kleinen lacht und leuchtet uns eine Unschuld entgegen, die wirklich bis in die Puppen geht. Alles, was man hier sieht, ist gewissenhaft der Wirklichkeit entnommen
[787] [788] und mit voller Hingabe der Natur abgelauscht, ja mit solch einer Strenge und Genauigkeit, daß ich wohl die Behauptung wagen darf, daß so manche Kinderseele ihre Puppe wiedererkennen wird, vorausgesetzt, daß die mit dem Glorienscheine umgebene Weihnachts-Puppen-Auferstehung nicht die Erinnerung an die frühere traurige Hinfälligkeit des Puppenbalges überstrahlt und zu Nichte gemacht hat. Auch muß ich mich im Voraus gegen die etwa aufzustellende Aufsicht verwahren, das Bild habe Uebertreibungen aufzuweisen; dies ist keineswegs der Fall, denn die auf dem Bilde nicht sichtbaren Räume der Stube waren ebenfalls dicht gedrängt von Puppeninsassen besetzt. Ja, es war sogar nebenan noch ein Zimmer und – wohin man schaute, Alles war puppenvoll und puppentoll. Und die kleine freundliche Frau? Das ist sie selbst, die Leipziger Puppendoctorin. Ja, ja, die Puppendoctorin! Und der Titel reicht nicht einmal hin, ihre Thätigkeit erschöpfend zu bezeichnen; denn unser Pudel auf dem Tische, welchem sie wieder auf die vier Beine geholfen, legt ein beredtes Zeugniß dafür ab, daß sie auch dem geliebten Vieh eine treue Helferin ist.
Die Puppendoctorin wohnte, als ich ihr meinen Besuch mit dem Skizzenbuch unter dem Arme machte, in der seitdem vom Erdboden verschwundenen Jahrhunderte alten „Schulgasse“. An einer Thür stand der Name „Schneider“. Auf mehrmaliges Anklopfen ertönte das übliche „Herein!“. Ein Blick in die Stube sagte mir, daß ich hier recht sei. Die Puppendoctorin gewährte, nachdem ich meinem Anliegen Ausdruck gegeben, dasselbe in freundlichster Weise. Ich hatte den glücklichsten Zeitpunkt gewählt: drei bis vier Wochen vor Weihnachten, und zwar im Jahre 1873. Das Geschäft war im vollsten Flor; es waren so viele Patienten da, daß sich mein Auge erst daran gewöhnen mußte, um sich zurecht zu finden.
Tagelang arbeiteten wir nun zusammen – sie auf ihrem Stuhle mit der größten Ruhe und Sicherheit die schwierigsten Operationen und Wundercuren ausführend, ich, auf einem Fußbänkchen hockend, in mein Skizzenbuch Puppe an Puppe reihend.
Mein Gott, was habe ich da Alles gesehen! Wahrlich, die Curen des weltberühmten, aufgeblasenen Prahlhanses Doctor Eisenbart sind nichts dagegen. Mit mindestens gleicher Liebe, gleicher Schonung und rührender Hingebung wurden da die Puppenpatienten, einer nach dem andern, ohne Ansehen der Person und des Herkommens, ohne vorausgegangene Marktschreierei und Reclame curirt. Und die Doctorrechnung? Wahrlich, über die hatte sich Niemand zu beklagen.
Da waren Patienten, die den Kopf verloren. Nun, er wurde ihnen wieder aufgesetzt, oder es wurde der alte Balg gar mit einem neuen modernen Köpfchen geschmückt. Zerschmetterte oder zerbrochene Gliedmaßen wurden wieder geheilt oder gleichfalls durch neue ersetzt. Wer seinen Haarwuchs verloren, wurde zur Friseuse geschickt; denn unsere Wunderdoctorin mußte sich in Betreff des Haarwuchses eine Assistentin, eine Haarkünstlerin, halten. Dort wurde aus dem ruppigen Balge eine Jungfrau, die, wie es ja vorkommt, je nachdem man sie drehte, verschämt die Augen auf- oder niederschlug und „in der holden Locken goldnem Glorienglanze“ dann der Dinge harrte, die da kommen sollten. Wem im Gedränge die rothen Wangen erbleichten, wer im Kampfe des Lebens runzlig geworden, wer sich die Nase abgelaufen oder eingerannt, – der Schmelz eines neuen Teints, der Wangen Milch und Blut, der Lippen Rosengluth, der Nase edle Form, kurzum die ganze Jugendfrische, das Ohrringeleinsetzen nicht zu vergessen, wurde durch die treffliche Behandlung unserer Puppendoctorin wieder zurückgezaubert. Wer die Augen nicht mehr aufschlagen konnte – ach, und deren giebt es viele – oder gar anstatt der Augen ein paar Löcher im Kopfe hatte, dem nahm sie vorsichtig den Hirnschädel auseinander, putzte die Fenster der Seele, richtete sie wieder ein oder ersetzte sie durch neue, und siehe da, der ganze Sehapparat that wieder seine gewohnte lachende Schuldigkeit. Wem der Athem, die Stimme ausgegangen, dem wurde ein neuer Odem eingeblasen, und freudigwimmernd quäkte und quikte die kleine Schreipuppe wieder ihr „Papa“ und „Mama“. Ich will aufhören, all die Wundercuren aufzuzählen. Hier heißt es: Geht hin und überzeugt euch selbst!
Während unsrer Arbeit ging das Erzählen und Unterhalten herüber und hinüber, doch in eigentlichen Fluß konnte es mit dem besten Willen nicht kommen, denn – ich lüge nicht – alle fünf Minuten klopfte es, worauf natürlich ein „Herein!“ und alsdann ein Besuch erfolgte.
Was kamen da alles für Menschen! Groß und Klein, Alt und Jung, Männlein und Weiblein, Arm und Reich, kurzum die ganze menschliche Gesellschaft schickte ihre Vertreter, und nur in den allerseltensten Fällen entließ die gute Frau Doctorin Jemanden ohne Hoffnung. Tag und Nacht hörte das Wundercurenthun nicht auf, denn die gemüthliche Frau repräsentirt eine ganz bedeutende Arbeitskraft; vor zwei bis drei Uhr Morgens macht sie nicht Feierabend, und das geht, mehrere Wochen vor Weihnachten beginnend, Tag für Tag so fort bis zum Feste, wo sie endlich auf den verdienten Lorbeeren ruhen und Feiertag halten kann.
Bewundernswerth ist der Scharf- und Ueberblick, mit welchem sie ihr Puppenlazareth beherrscht. Viele der Puppen waren zwar numerirt, doch die größte Anzahl entbehrte dieses Abzeichens. Dennoch kam kein Irrthum, keine Verwechselung vor. Wie ausgezeichnet und von Erfolg gekrönt ihre Curen waren, lehrt der durchaus nicht vereinzelt dastehende Fall, daß geheilte Puppen von der Empfängerin kaum oder gar nicht wiedererkannt wurden; doch man kann sich getrost auf die Gewissenhaftigkeit und den Kennerblick unsrer Puppendoctorin verlassen; denn wie eine Mutter ihr Kind, so kennt unsre Puppendoctorin genau ihre Pfleglinge. Sie weiß stets, wer sie sind, woher sie stammen und wohin sie gehören.
Auch wenn die Gartenlaube den Raum dazu übrig hätte, wer könnte sie alle darstellen, die bei jedem Besuche sich immer wieder erneuernden, anregenden und erheiternden Scenen im Puppenlazarethe? Und so scheiden wir vom Gegenstande unsrer Abbildung mit dem Wunsche, daß die Frau Puppendoctorin noch recht lange zur Freude unserer Kinderwelt ihre heitere Curanstalt bevölkert sehen möge, und mit dem schönen Gruße an alle unsere Leser: Gesunde Feiertage!
Speculation und Schwindel sind die beiden Mächte, die heute auf dem Throne der Welt sitzen, unter deren Herrschaft die civilisirte Menschheit seufzt und stöhnt, siecht und verkümmert. Wenn Speculation und Schwindel einen außerordentlichen Fang gethan haben, wenn in ihrem Netze Hunderttausende und Millionen zappeln, wenn auf der ausgeplünderten und ausgesogenen Gesellschaft ein allgemeiner Nothstand lastet – dann spricht die moderne Volkswirthschaft von einer Krisis, die sie bald eine Handels-, bald eine Geschäftskrisis nennt. Solche Krisen kehren seit dem letzten Vierteljahrhundert immer häufiger, mit erschreckender Regelmäßigkeit wieder, und die Herren Nationalökonomen scheinen sie schon als ein nothwendiges Uebel zu betrachten, indem sie dieselben als krankhafte Zeitströmungen erklären und nach Art eines medicinischen Lehrbuchs die „Diagnose“ der angeblichen Krankheit stellen und die „therapeutischen Mittel“ zu ihrer Bewältigung abhandeln. Das heißt aber doch, die Begriffe verkehren, die Thatsachen verdrehen; es heißt, die Schuldigen unterschlagen und dafür die armen bethörten Opfer anklagen wollen. Fürwahr, ein Hohn, wie er grausamer nicht zu denken ist!
Der jüngste Schwindel geschah 1871 und 1872; er übertraf seine Vorgänger weitaus an Umfang und an Frechheit, und an den Wunden, die er geschlagen, blutet heute ganz Europa und auch Nordamerika. Die Veranlassung zu ihm gab unter Anderm der glorreiche Krieg gegen Frankreich. Das deutsche Volk, plötzlich geeint und mächtig, mußte sein erwachendes Selbst- [789] und Frohgefühl sofort theuer bezahlen. Die Dämonen des Schwindels stürzten darüber her und überrumpelten es in seiner Siegesfreude und nationalen Begeisterung. Die heiligsten Gefühle eines Volkes wurden von der Speculation und von dem Schwindel für ihre schnöden Umtriebe, für ihre verbrecherischen Zwecke ausgebeutet.
Freilich, der Boden war schon früher vorbereitet. Schon seit 1866 begann das Börsentreiben, das bis dahin hauptsächlich in Paris blühte, sich auch nach Deutschland zu verpflanzen und auch hier üppig emporzuwuchern Die Berliner Börse überholte die Plätze von Hamburg und Frankfurt am Main und fing an, mit ihrer Schwester in Wien mächtig zu wetteifern. Der Börsenverkehr nahm, wie der Börsenjargon sich ausdrückt, einen „internationalen Charakter“ an; das heißt, die Geldmächte aller Länder reichten einander die Hände zum schönen Bunde, Allerhand fremde „Fonds“, darunter die famosen „Italiener“ und die noch famoseren „Türken“; allerhand unsagbare „Lotterieanleihen“, zum Beispiel Schwedische Zehnthaler- und gar Neuenburger Zehnfranken-Loose wurden gleichzeitig an den Börsen eingeführt, und das Geld floß in einem Gewirr von Bächen und Canälen in’s Ausland ab. Hundert Banken und Bänkchen überschwemmten die deutschen Staaten mit ihren Noten, und die Papiergeldwirthschaft bedrohte und schädigte das Publicum über die Maßen. Gewisse Effecten, wie die Actien der Oesterreichischen Creditanstalt, der Oesterreichischen Südbahn und der Oesterreichisch-Französischen Staatsbahn (kurzweg „Credit“, „Lombarden“ und „Franzosen“ genannt), wurden zu Spielpapieren an allen europäischen Börsen; und das sogenannte Differenz- oder Zeitgeschäft, wo man verkauft, was man gar nicht hat, und wo man kauft, was man nie beziehen will – bildete, wie früher in Paris und Wien, nun auch in Berlin den eigentlichen Börsenverkehr, gegen welchen das Cassageschäft, das sind die wirklichen Käufe und Verkäufe, immer mehr in den Hintergrund trat.
Mancherlei Projectenmacher, Glücksjäger und Industrieritter kamen nach Berlin und excellirten hier wie kaum anderswo. Am Himmel der Speculation schoß ein neues Gestirn herauf, ein Komet mit riesigem, unendlich langem Schweife, und der eigenthümlich schillernde und glitzernde Schein, den er verbreitete, verdunkelte bald das sonstige Licht, namentlich auch das in dem Hirne seiner neuen Mitbürger. Dieser Komet nannte sich Strousberg; er war ein Sohn des auserwählten Volks und gebürtig aus dem polnischen Ostpreußen, da, wo Fuchs und Wolf sich „Gute Nacht!“ sagen. Seine Thaten und seine Erfolge harren noch ihres eigentlichen Sängers, aber sie waren so wunderbar, so fabelhaft, daß eifrige Jünger und ehrliche Schwärmer ihn den „Eisenbahnkönig“ hießen, ihn als einen „Culturheros“ feierten. Wie das Leben aller Heroen und Halbgötter ist auch die Geschichte Strousberg’s ein – Mythos. Als zwölfjähriger polnischer Judenjüngling wanderte Baruch Hirsch Straußberg nach England und traf zwanzig Jahre später als ein der christlichen Kirche angehöriger Doctor Bethel Henry Strousberg in Berlin ein. Was er inzwischen getrieben? Wahrscheinlich alles Mögliche. Er selber läßt erzählen, daß er in der Fremde Commis, Reporter, Lehrer, Speculant, Rentier, Redacteur und Dichter (!) gewesen sei. Ohne Frage führte er ein wechselvolles, abenteuerliches Leben, aber es wollte ihm nicht glücken; John Bull und Bruder Jonathan waren nicht dümmer als er, und so kehrte er nach Deutschland zurück, wo er sein Genie endlich verwerthen konnte.
Zunächst war er eine Art Agent oder Commissionär, bis er sich auf den Eisenbahnbau warf, indem er die „Generalentreprise“ oder, wie der Abgeordnete Lasker so treffend sich ausdrückte, das „System Strousberg“ erfand. Er baute binnen wenigen Jahren wohl ein Dutzend Eisenbahnen, und zwar in der originellsten Weise. Er baute mit fremdem Gelde, denn er selber hatte nur Schulden und er baute im Uebrigen so schlecht wie nur möglich und so theuer wie nur denkbar. Natürlich mußten dabei Millionen abfallen, nicht nur für ihn, sondern auch für seine Verbündeten und Helfershelfer. Bald schätzte man ihn für einen zwanzig- bis fünfzigfachen Millionär, nannte ihn den modernen Crösus, einen zweiten Grafen Monte Cristo.
Sein Heraufkommen war rapid, aber doch nicht ohne Hindernisse und ohne Schwierigkeiten. Die Börse und die ganze Geschäftswelt behandelte ihn mit großem Mißtrauen. Lange wies man seine Wechsel zurück, und er konnte sie nur mit ungeheuerem Damno (Verlust) unterbringen. Die von ihm geschaffenen Eisenbahnactien und Eisenbahnprioritäten fanden nur widerwillige Aufnahme; er mußte sie förmlich verschleudern; er schlug sie zu jedem Preise los, aber er fabricirte immer wieder neue und in immer größeren Massen. So machte er Geld und mit dem Gelde machte er alles Uebrige. Zwar lachte und spottete man über den verwegenen Abenteurer, über den dreisten plumpen Emporkömmling, aber seiner Einladung folgte doch die vornehmste Gesellschaft und schmauste und zechte mit ihm. Er besoldete Literaten aller Grade; er beschenkte Journalisten und setzte ihnen Pensionen aus, und so gewann er die Presse. Fortan konnte man in allen Zeitungen täglich Anekdoten und Notizen über den großen „Doctor“ lesen, über seinen luxuriösen Haushalt, über seine Freigebigkeit und Mildthätigkeit, über seine Projecte und Unternehmungen. Herr von Bismarck mußte es sich gefallen lassen, in den pikanten Artikelchen der Localblätter neben Strousberg und neben der Lucca zu figuriren, und diese oder jene Zeitung warf allen Ernstes die Frage auf: Wer denn größer sei, der „eiserne Graf“ oder der „Eisenbahnkönig“? Auch die Witzblätter verarbeiteten den „Wunderdoctor“ in Wort und Bild und machten aus ihm eine stehende Figur. So wurde Strousberg zum Tagesgespräch, die größte Berühmtheit Berlins. An den Schaufenstern der Buchhandlungen erschien der mehr robuste als geistreiche Kopf des großen „Doctors“, sowie eine „Biografische Karakteristik“ (buchstäblich!), geschrieben von einem Literaten, der sich einen Magyaren zu nennen liebt. Strousberg legte sich endlich auch noch eine eigene Zeitung bei, die „Post“; sie erforderte einen Zuschuß von jährlich vierzig- bis achtzigtausend Thalern, hatte zu Mitarbeitern eine gar seltsame Galerie von Charakteren und Capacitäten, leistete aber trotzdem kaum das Mittelmäßigste.
Um seine „Geschäfte“ in’s Werk zu setzen, um allerhand Connexionen zu gewinnen und dadurch von den Regierungen die Concessionen zu erlangen, hatte der „Wunderdoctor“ nur Eine Maxime, die ihn aber nie im Stiche ließ. Sie lautetet: Ein goldener Schlüssel öffnet jede Thür, und ein mit Gold beladener Esel übersteigt jede Mauer. In jedem Bureau war Strousberg bekannt; in jeder Behörde, bis zu den Ministerien hinauf, hatte er seine Freunde und Gönner, die ihm Auskunft und Rath ertheilten, die sein Interesse mit Begeisterung verfochten. Verschiedene hohe Beamte mußten um seinetwillen ihren Abschied nehmen. „Der Mann, der Alles kauft,“ lautete die Ueberschrift eines Artikels[WS 1], den ein Lokalblatt dem großen „Doctor“ widmete.
In der That kaufte Strousberg Alles – das war sein offenes Geheimniß. Zu guter Letzt kaufte er sich noch den hohen und höchsten Adel, Grafen und Herzoge, und zog mit ihnen nach Rumänien. Seine letzte Schöpfung waren circa fünfundsechszig Millionen Thaler siebenundeinhalb procentige Rumänische Eisenbahnobligationen. Dieselben kamen 1868 zum Course von 71 an die Börse und wurden hier unter „Ausländischen Fonds“ notirt, während sie blos von Herrn Strousberg und seinen Genossen, Herzog von Ujest, Herzog von Ratibor und Graf Lehndorff „fundirt“ waren – eine von den vielen Täuschungen, welche die unglücklichen Käufer dieses Papieres erfahren mußten! Als Herr Strousberg und Consorten zu Neujahr 1871 die garantirten Zinsen nicht mehr zahlten, während der betreffende Eisenbahnbau selber liegen geblieben war, sanken die „Rumänier“ bis auf einen Cours von 40 herab, worauf sie durch Vermittelung Dritter in fünfprocentige Actien umgewandelt wurden. Wie viel die hochadligen „Mitconcessionäre“ bei diesem sauberen Geschäfte verdient haben, ist nicht genau bekannt geworden; dem großen „Doctor“ rechnete jedoch Herr J. Hoppe in der „Vossischen Zeitung“ (1871 Nr. 205) nach, daß er mindestens zehn Millionen Thaler in die Tasche gesteckt habe und über fast ebensoviel die Abrechnung schuldig geblieben sei. Mit den „Rumäniern“, die doch zu viel Gestank verbreiteten, trat der „Wunderdoctor“ einstweilen vom Schauplatze ab, und seine Hinterlassenschaft übernahmen die „Discontogesellschaft“ und das Haus S. Bleichröder, indem sie die betrogenen Gläubiger zu einer Actiengesellschaft vereinigten. Man verlangte, daß die Attentäter von ihrer Rente circa fünfundzwanzig Millionen Thaler herausgeben sollten, aber Herr Strousberg bewilligte nur sechs Millionen, und man mußte wohl oder übel damit zufrieden sein, denn der „fünfzigfache [790] Millionär“ war inzwischen ein bettelarmer Mann geworden, indem er all’ seine Häuser, Paläste, Schlösser, Güter und sonstige Liegenschaften an seine Frau abgetreten hatte.
Seitdem kamen die „Schöpfungen“ des großen „Doctors“ sehr in Verruf. Seine Eisenbahnen waren von wahrhaft frevelhafter Beschaffenheit, konnten entweder gar nicht in Betrieb gesetzt werden oder verursachten doch bald mancherlei Unglücksfälle. Die meisten seiner Eisenbahnen werden in diesem Jahrhundert keine Dividende mehr abwerfen; die Unmasse der von ihm fabricirten Actien ist zum größten Theile Maculatur. Wie viel blutige Thränen sind von den eingefangenen Gimpeln, die rasch reich zu werden gedachten, über den Mann geweint worden, wie viel Flüche und Verwünschungen haben sich auf sein Haupt ergossen, wie viel Jammer, Elend und Verzweiflung hat er zu verantworten!! Die unter dem Nimbus seiner hochadligen Genossen, mit allen Mitteln vertriebenen „Rumänier“ wurden zu einer wahren Landseuche, die Tausende von Existenzen geknickt hat. Gar mancher Besitzer von „Rumäniern“ legte Hand an sich, gar mancher wanderte in’s Armen- oder in’s Irrenhaus.
Und diesen Mann nannte ein großer Theil der Presse und das von ihm geleitete Publicum einen „Wohlthäter der Menschheit“, einen „Cultur-Heros“! – Und in gewissem Sinne war er wirklich ein Heros, nämlich eine Art von Hercules. Hercules, der Hellene, reinigte bekanntlich die Ställe des Königs Augias; Strousberg, der Semite, aber füllte und hinterließ uns einen solchen Stall, einen Augias-Stall von Unrath und Verderbniß. Er corrumpirte die Presse; er corrumpirte die Beamtenwelt und den Adel; er umging und höhnte die Gesetze; er schlug der Moral öffentlich ins Gesicht!! – – Und gegen diesen unseligen Menschen und sein verbrecherisches Treiben erhob sich keine Stimme, auch in unsern Parlamenten nicht. – Alles blieb stumm und still. Erst im Februar 1873, als Strousberg längst abgethan war, enthüllte und verdammte Herr Lasker das „System Strousberg“. Und hier war ihm sogar die Presse zuvorgekommen. Nach dem Sturze Strousberg’s ermannte sich auch die Presse, und wie mit einem Schlag fiel sie über den „Wunderdoctor“ her. Dieselben Zeitungen, die früher vor ihm gekrochen, traten ihn nun mit Füßen. Dasselbe Localblatt, welches ihn einst unter dem Titel „Der Mann, der Alles kauft“ verherrlicht hatte, erklärte jetzt feierlich, wie es sich nie mit Strousberg befaßt, sondern ihn stets weit von sich gewiesen habe. –
Strousberg hat eine Schule hinterlassen, eine sehr zahlreiche Schule – und um dessen willen haben wir uns so lange mit ihm aufgehalten. Manche seiner Jünger und Trabanten werden wir unter den Gründern der großen Schwindelperiode finden und sie haben sich ihres Meisters durchaus würdig bewiesen. Andererseits war wieder Strousberg nicht recht möglich ohne unsere moderne Volkswirthschaft, ohne die Fraction der Freihändler oder das sogenannte Manchesterthum. Dieses, welches noch immer fast die ganze Presse hinter sich hat, auf den volkswirthschaftlichen Congressen vorherrscht und auch unsere Juristen wie Verwaltungsbeamte beeinflußt – kennt und lehrt als ersten und letzten Grundsatz die freie Concurrenz, wonach der Staat sich in Handel und Industrie nicht einmischen, sondern die Dinge ruhig und ungestört ihren Gang gehen lassen solle. Namentlich verbieten die Manchesterleute dem Staat den Bau von Eisenbahnen, welcher allein der Privatconcurrenz überlassen bleiben solle. Dieser Lehre verdankt denn auch Herr Strousberg seine Carrière. Er concurrirte um eine Eisenbahn nach der andern, und er schlug bald alle Mitconcurrenten aus dem Felde. Graf Itzenplitz, der damalige preußische Handelsminister, übrigens ein ehrlicher, wohlmeinender, aber nicht entfernt scharfsinniger Mann, verhandelte sogar am liebsten mit Strousberg, der ihm Alles so bequem zurechtzulegen verstand, und ließ sich von dem „System Strousberg“ dermaßen berücken, daß er mehr und mehr von Staatsbanken absah und die einträglichsten Linien an Privatunternehmer vergab, allerdings unter dem Einfluß hoher und höchster Personen auch wohl vergeben mußte.
Aber Strousberg, wie wenig er sich auch um Recht und Gesetz kümmerte, sah sich doch von gewissen Schranken umgeben, die selbst ihm unübersteiglich blieben. Da thaten sich die Manchesterleute zusammen und lösten der „freien Concurrenz“ auch die letzte Fessel. Am 20. Mai 1870, während die Tage des Reichstags gezählt waren und er deswegen mit verdoppelter Dampfkraft arbeitete, berieth man das Gesetz, welches die Actiengesellschaften fortan von jeder Genehmigung und Aufsicht des Staats befreien sollte. Hei, wie gingen die Herren ins Zeug; mit einem Eifer, der wirklich einer besseren Sache werth war! Herr Miquel vergaß sich sogar etwas stark, indem er dem Aufsichtsrathe respective Vorstande einer Actiengesellschaft gewisse Täuschungen und „Verschleierungen“ freigeben wollte, worauf er sich von Herrn Lasker zur Besinnung gerufen sah. Nun, das Gesetz war in vier Tagen fix und fertig; daß es aber ein übereiltes, höchst mangelhaftes ist, daß es den jüngsten großen Schwindel entschieden mitverschuldet hat und dringend einer Revision bedarf, haben hinterher auch diejenigen zugestehen müssen, die da selber es gemacht haben. Am 27. Juni ward das neue Actiengesetz publicirt, und nun konnte der Hexensabbath losgehen, aber plötzlich brach der Krieg aus, und so mußte man sich schon noch etwas gedulden.
Auf den Anfängen der Völkergeschichten liegt der Nebel des Mythus, vom Strale der religiösen Idee mehr oder weniger hell besonnt. Die Menschen wußten es sich nicht zu erklären, wie es gekommen, daß sie sich nach und nach entbestialisirt hätten, daß sie allmälig so klug, so anstellig, so civilisirt geworden wären. Da mußte ihnen denn eine „höhere Macht“ das Thierfell geschoren haben, so zu sagen. Auch die Peruaner hatten demnach ihren Culturmythus, das heißt auch sie führten den Ursprung ihrer Vermenschlichung auf „überirdische Mächte“ zurück, wie solche zu glauben, zu fürchten und zu verehren den naturwüchsigen Menschen das Gefühl seiner Ohnmacht und Hilfebedürftigkeit allzeit und überall zwang und zwingt. Man muß übrigens gestehen, die heilige Sage der Peruaner und ihre organisch daraus entwickelte Religion waren verhältnißmäßig gar nicht übel, ja gewissermaßen rationell. Knüpften sie sich doch an die große Lebensspenderin und Lebenserhalterin, an die Sonne. Diese sicht- und fühlbare, unerschöpfliche Wohlthäterin nannten die Peruaner die „Mutter der Menschheit“, und sie verehrten sie dankbar als ihre höchste Gottheit. Im Beginne der Zeiten hatte die große Mutter ihre zwei Kinder, den Manko Kapak und die Mama Oello, auf die Erde herabgesandt, um die Menschen zu entwildern, zu bilden und in ein geordnetes Staats- und Gesellschaftswesen herüberzuführen, die Landwirthschaft, die Gewerbefertigkeiten, alle Künste des Friedens zu lehren. Manko und Mama waren Bruder und Schwester, zugleich aber auch Mann und Weib und von ihnen stammte die Dynastie der Herrscher von Peru, das Geschlecht der „Inka“, welches Wort Herr, Fürst, König bedeutet.
Die berechtigte Frage, ob schon vor den Inka in Peru eine ältere Kultur vorhanden gewesen, mag hier billig unerörtert bleiben. Gewiß ist, daß mit dem Aufkommen der Inka der peruanische Staat zu existiren anhob. Ebenso, daß dieser Staat und mit demselben alles, was wir unter peruanischer Civilisation zu verstehen pflegen, allem nach nicht sehr weit in unser Mittelalter zurückreicht, indem das Auftreten des zweifelsohne geschichtlichen und nachmals von seiten der dankbaren Peruaner vergötterten Kulturhelden Manko Kapak kaum höher als in den Anfang des 12. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung hinaufzurücken ist. Die Nachfolger des Begründers der Inka-Dynastie handhabten Krieg und Eroberung, welche ja in der Geschichte viel häufiger, als die Unwissenheit meint, an der menschlichen Kultur sehr kräftig mitarbeiten, ohne Frage als Civilisatoren. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts erweiterte der Inka Topa Yupanqui die Gränzen des Staates im Süden bis weit nach [791] Chile hinein, während sein Sohn Huayna Kapak, der bedeutendste Mann seines ganzen Hauses, in nördlicher Richtung die Fahne Perus bis gegen Centralamerika hinauftrug und Quito unterwarf.
Die Beherrscher von Peru waren Theokraten, d. h. sie waren als angebliche „Sonnensöhne“, als Abkömmlinge der höchsten Gottheit, zugleich politische und religiöse Despoten und genossen durchweg göttlicher Verehrung. Ihr geistlich-weltliches Skepter vererbten sie nach dem Rechte der Erstgeburt, d. h. der erstgeborene Sohn der „Koya“ – so hieß die rechtmäßige Gemahlin des Inka, welche zugleich seine Schwester sein mußte, im Unterschiede zu dem ungezählten Schwarme der Insassinnen des kaiserlichen Harems – wurde der Nachfolger seines Vaters. Der kaiserliche Hofhalt war pracht- und prunkvoll, so recht goldschimmernd. Der Inka-Palast in Kuzko bildete mit seinen Nebengebäuden eine Stadt für sich. Er machte mit dem „Korikancha“ (wörtlich Goldhaus), d. h. dem Reichstempel der Sonne – in Ansehung der Kostbarkeit des Materials seiner Ausschmückung wohl das reichste Gebäude, welches jemals die Erde getragen hat – und mit dem hauptstädtischen Kastell die Dreizahl der großartigsten Bauwerke Perus aus. Die kolossalen Trümmer der Festung erregen noch jetzt das Staunen der Betrachter. Es waren zu dieser Burg Bausteine verwendet von 38 Fuß Länge, 18 Fuß Breite und 6 Fuß Dicke, und diese Steinblöcke sind – ohne daß die Peruaner den Gebrauch des Eisens kannten, wohlverstanden! – so genau zugehauen und in einander gefügt gewesen, daß man keine Messerklinge in die Fugen zu stecken vermochte. Die Abgötterei, welche mit den Inka im Leben getrieben wurde, folgte denselben auch in den Tod. Ihre Lieblingsdiener und Gunstsklavinnen wurden ihnen als Todtenopfer dargebracht. Mit ihren aus dem Körper genommenen Eingeweiden begrub man die kostbarsten Juwelen und Geräthschaften der Todten. Die Leichname wurden kunstvoll balsamirt und mumisirt und die Mumien im Korikancha auf goldene Stühle gesetzt.
Die Familie der Inka hatte sich im Verlaufe der Zeit außerordentlich vermehrt und die zahllosen Nebensprößlinge bildeten den Inka-Adel, eine Kaste, welcher alle höheren Staats-, Kriegs-, Gerichts- und Kirchenämter von „rechtswegen“ zukamen. Von Eroberungsrechtswegen, denn es ist klar, daß die Inka und der Inka-Adel die Abkömmlinge des Volksstammes gewesen sind, welcher erobernd in Peru eingedrungen war und, weit höher gebildet als die Urbewohner des Landes, diese unterworfen hatte. Die Nachkommenschaft der unterworfenen Urbewohner aber machte das aus, was wir „Volk“ zu nennen gewohnt sind, im alten Peru die dienende, frohndende Masse.
Das Reich war in vier Provinzen eingetheilt und darum von seinen Bewohnern nicht Peru, sondern die vier Himmelsgegenden („Tavantinsuyu“) genannt. Das Volk seinerseits zerfiel in Gruppen von 10, von 50, von 100, von 1000 und jeder dieser Gruppen stand ein Edelmann als Beamter vor, so daß sich vom Zehnmännerhauptmann bis zum Provinzstatthalter eine wohlgefugte Bureaukratie hinaufgipfelte. Jeder dieser Würdenträger war in seiner Sphäre zugleich Verwaltungs- und Justizbeamter. Die Gesetzgebung zeichnete sich durch Strenge und Bündigkeit aus. Auf Mord, Ehebruch, Diebstahl und Blasphemie, d. h. Lästerung der Sonne oder des Inka, stand der Tod. Aufruhr gegen den Inka galt für ein so ungeheuerliches Verbrechen, daß es nur durch gänzliche Vertilgung der Bewohnerschaft einer aufrührerischen Landschaft gesühnt werden könnte. Das Inka-Reich war, wenigstens in den Augen der Peruaner selbst, ein sehr streitbares. Die Armee, mit Bogen, Wurfspeeren, Schleudern, Morgensternen und Streitäxten bewaffnet und regelrecht in von Inka-Officieren verschiedener Grade befehligte Rotten, Bataillone und Regimenter eingetheilt, zählte zuletzt nicht weniger als 200,000 Mann. Die Civilverwaltung arbeitete mit größter Regelmäßigkeit. Für den Verkehr war gesorgt. Es gab Poststationen, Postbeamte und Postläufer, obzwar nur für den Gebrauch des Inka und der Regierung, und von Kuzko bis Quito hinauf lief jene Reichsstraße, welche Alexander von Humboldt, der sie in ihren Trümmern gesehen, bekanntlich „eins der riesenhaftesten Werke, welche je von Menschen ausgeführt wurden,“ genannt hat. Das eigenthümlichste Charaktermerkmal der altperuanischen Kultur waren jedoch die Eigenthumsverhältnisse. Denn im Inkastaate war ja das kommunistische Ideal verwirklicht, da es, streng genommen, ein Privateigenthum gar nicht gab. Die ganze urbare Bodenfläche des Landes war in drei Theile zerlegt. Der Ertrag des ersten gehörte der Sonne, d. h. der Klerisei und dem Kult; der Ertrag des zweiten der Inka-Familie und dem Inka-Adel; der dritte war unter das „Volk“ Kopf für Kopf gleichmäßig vertheilt. Alljährlich wurde die Theilung dieses Bodendrittels erneuert und jedem Familienhaupt sein Jahresbesitz nach der Mitgliederzahl seiner Familie zugemessen, welche Einrichtung auf einer genauen Registerführung über Geburten und Todesfälle beruhte. Diese mittels der sogenannten Quippus-Schrift geübte Statistik ermöglichte auch die Durchführung eines streng geordneten Steuerwesens, dessen Last, maßen Klerus, Adel und Beamtenschaft steuerfrei waren, ausschließlich auf dem Volke lag. Die Entrichtung der Steuern geschah durch Arbeit jeglicher Art. Die „misera contribuens plebs“ Perus frohndete als Bauer, als Bergmann, als Handwerker, als Soldat, als Arbeiter an den Staatsgebäuden und Staatsstraßen. Das ganze Dasein des peruanischen Volkes war in das Netz bureaukratisch-kommunistischer Bevormundung eingeschnürt und kann für Augen, welche sehen wollen, den unwiderleglichen Beweis liefern, daß der Kommunismus unfehlbar dem Menschen jede Selbstbestimmungsfähigkeit entzieht und demnach naturnothwendig in die schlimmste Sklaverei ausläuft.
Wie in der Regel jedes Volk die Regierung hat, die es verdient, so hat auch jedes Volk einen Gott, dessen Wesen die Bildungsstufe und Anschauungsweise der Gesammtheit seiner Verehrer widerspiegelt. Ist dieser Satz wahr, so gestattet er einen nicht ungünstigen Schluß auf die Cultur und den Nationalcharakter der Peruaner. Das religiöse Fühlen und Glauben derselben hob sich über die Stufe der bloßen „Naturreligion“ empor. Denn nicht nur als eine göttliche Naturmacht, sondern auch als ein beseeltes, durchgeistigtes Wesen, als eine mit Bewußtsein wollende Gottheit wurde die Sonne gedacht und dieser Gottesbegriff streifte um so näher an den Monotheismus, als das mythologische Beiwerk desselben von ganz untergeordneter Bedeutung war. Nur die Gott-Sonne hatte Tempel, Klerus und Kult. Ganz fest war in dieser Sonnenreligion das Dogma von der Unsterblichkeit der Menschenseele hingestellt, und mit dieser Vorstellung verknüpfte sich die weitere von einem sogenannten Himmel und einer sogenannten Hölle im sogenannten Jenseits. Der Gottesdienst war im Ganzen so, wie er einer als sittliche, milde und wohlthätige Macht gedachten Gottheit gebührte. Eine Hauptkulthandlung war das knieend und mit der Sonne entgegengebreiteten Armen verrichtete Gebet. Immerhin kamen auch Menschenopfer vor, wohl ein von dem Inka-Volk übernommener Brauch der barbarischen Urbevölkerung des Landes. Sonst wurden als Opfer Edelsteine, Gold, Silber, Blumen, Früchte, Weihrauch, Schafe und Lamas dargebracht. Auch in der Form der Askese wurde die allen Religionen gemeinsame Opferidee verwirklicht: denkwürdig insbesondere durch das Institut der Sonnenjungfrauschaft. Die Sonnenjungfrauen, das heißt die peruanischen Vestalinnen oder Nonnen – nur Töchter des Inka-Adels konnten solche werden – lebten unter der Leitung einer Aebtissin oder Priorin nach bestimmten Regeln in Klöstern zusammen. Welche von ihnen sich gegen das strenge Keuschheitsgelübde, das sie als „Bräute des Sonnengottes“ ablegen mußten, verfehlte, wurde lebendig begraben. Nur zu Gunsten des Sonnensohns, das heißt des regierenden Inka, gab es eine Ausnahme.
Die Sommersonnenwende brachte das religiöse Nationalfest, das zu Kuzko mit höchster Prachtentfaltung gefeierte „Intip Raymi“, das Sonnenfest, wobei der Inka, der Papst der Sonnenreligion, dem stralenden Gotte aus mit „Chika“ (gegohrenem Maissaft) gefülltem Goldpokal ein feierliches Trankopfer spendete in dem Augenblicke, wo das Tagesgestirn am östlichen Horizont hinter den majestätischen Andesfirnen emporstieg.
Alles in allem genommen, stand das Heidenthum der Peruaner an Reinheit, Sittlichkeit und, falls der Ausdruck überhaupt statthaft ist, an Vernünftigkeit dem Christenthume der spanischen Inquisitoren daheim und der spanischen Conquistadoren draußen keineswegs nach. Im Gegentheil, sehr im Gegentheil, zumal noch zu sagen ist, daß im alten Peru das Verhältniß der beiden Geschlechter ein sehr sittsames, das Familienleben innig, die Kinderzucht sorgsam und die Umgangsformen fein waren. [792] Allein trotz alledem trug die peruanische Gesellschaft den Keim frühzeitigen und unaufhaltsamen Welkens in sich: sie mußte an ihrem Kommunismus sterben, die Eigenthumslosigkeit brachte sie um. Nur die Einrichtung des Privateigenthums begründet das große Gesetz des socialen Vorschritts, das heißt den thatkräftigen Trieb im Menschen, sein Loos zu verbessern. Diesen Trieb kannte der Peruaner nicht: er konnte ja nichts werden, als wozu seine Geburt ihn gemacht hatte. Die naturnothwendige Folge war, daß sich ein grauer Schleier von Gleichgiltigkeit über die Intelligenz des Volkes herbreitete und daß es sich widerstandslos einem schläfrigen Dahinvegetiren ergab. Wie hätte es also dem Glaubens- und Goldfanatismus, der unbezähmbaren Energie der spanischen Conquistadoren widerstehen sollen? Diesem „Heldengesindel“, welches bei seinen fast unglaublichen Wagnissen noch dazu durch alle Vorzüge einer höheren Rasse und durch alle Vortheile einer vorgeschritteneren Cultur unterstützt wurde.
Um die geschichtliche Thatsache des Sturzes von Staaten und des Unterganges von Nationen her schlingt die Legende allerlei bunte Sagenfäden. So will auch die Sage der Peruaner, daß schon auf den höchsten Glanz von Peru – welchen auf einem Mißverständniß beruhenden Namen erst die Spanier dem Lande gaben – der dunkle Schatten einer fernher drohenden Wolke gefallen sei und das herannahende Verderben in der Form dunkler Ahnungen sich angekündigt habe. Im Volke schlich von Alters her die Sage um, Fremdlinge, wie man sie nie gesehen, würden dereinst in’s Land kommen und dasselbe erobern; Kometen erschienen am Himmel und die Erde bebte. Das zum großen Sonnenfest ist Kuzko versammelte Volk sah in der Luft eine Schar von Falken einen Adler angreifen, welcher tödtlich verwundet zu Boden fiel. Die Priester murmelten düstere Weissagungen. Selbst den großen Inka Huayna Kapak erfaßte ein trübes Vorgefühl. Nicht ohne Grund. Hatte er doch von dem Erscheinen weißer bärtiger Männer am Gestade der Südsee sichere Kunde erhalten. Das war Balboa mit seinen Gefährten gewesen. Der Inka konnte nicht ahnen, daß unter diesen Waghälsen auch der Mann, Pizarro, sich befand, welcher so bald das Reich Tavantinsuyu vernichten sollte; aber sterbend deutete Huayna Kapak die Erscheinung der bärtigen Blaßgesichter auf die „Fremdlinge“ der alten Sage
Seine traurige Ahnung hatte den Inka nicht betrogen, aber freilich hatte er selber die Erfüllung beträchtlich gefördert, so daß Peru’s Verderben von innen heraus schon angehoben hatte, als die Gefahr der spanischen Conquista von außen herankam. Huayna Kapak war auf den Irrweg gerathen, die festgefugte Staatsordnung mit eigner Hand zu zerbrechen, indem er sich durch seine Vorliebe für einen seiner jüngeren Söhne, welcher Atahuallpa hieß, verleiten ließ, zu Ungunsten seines ältesten Sohnes Huaskar, des legitimen Kronprinzen, die Thronfolgeordnung abzuändern und zwar in der Form einer Theilung des Reiches. Die südliche Hälfte mit der Hauptstadt Kuzko erhielt Huaskar, die nördliche mit der Hauptstadt Quito erbte Atahuallpa. Nach dem wahrscheinlich im Jahre 1525 erfolgten Tode des großen Inka kam es, wie es bei der rastlosen, kriegerischen, ehr- und herrschsüchtigen Sinnesweise Atahuallpa’s kommen mußte. Nachdem der Herrscher von Quito etliche Jahre lang Frieden gehalten, hob er den Bruderkrieg um den Alleinbesitz des Inka-Reiches an. Am Fuße des Chimborasso trafen die Heere der feindlichen Brüder zur blutigen Entscheidung aufeinander. Sie fiel zum Nachtheile des älteren Bruders aus. Eine zweite, auf der Ebene von Quipayan geschlagene Schlacht noch mehr: Huaskar wurde da der Gefangene seines Bruders, welcher sich jetzt des ganzen Reiches seines Vaters bemächtigte und mittels Thaten wilder Grausamkeit den Peruanern seinen vollständigen Triumph und die ganze Schwere seiner Despotie verkündigte.
Dies geschah im Jahre 1532, und schon etliche Monate darauf brach das spanische Verhängniß über Peru herein.
Was war aber derweil aus dem Hauptträger dieses Verhängnisses geworden? Wo befand sich Pizarro? In Spanien.
Der weiland Hüter der Schweine hatte aus alledem, was er in Tumbez gesehen und gehört, unschwer die Ueberzeugung geschöpft, daß denn doch seine Absicht, das Inka-Reich zu erobern, und die Eroberungsmittel, über welche er dermalen, das heißt nach endlicher Findung vom El-Dorado, zu verfügen hatte, in einem geradezu lächerlichen Mißverhältnisse ständen. Wir müssen das Geschäft gründlicher nehmen und auf eine solidere Basis stellen, sagte er sich, und maßen dies in dem lumpigen Panama, wohin wir alsbald zurückkehren müssen, keine Möglichkeit ist, so will ich nach Spanien hinüber und die Krone selbst für das Unternehmen zu interessiren suchen.
So that er; denn der Mann war einer von jenen entschlossen Anpackenden, bei denen dem Gedanken so gewiß und rasch die That folgt wie dem Blitze der Donner.
So finden wir zu Anfang des Sommers von 1528 Pizarro in Spanien am Hofe Kaiser Karls des Fünften, in dessen Reichen bekanntlich die Sonne nie unterging, der aber niemals Geld hatte und wie der größte Monarch, so auch der größte Pumper seiner Zeit gewesen ist. Da war es nun merkwürdig, zu sehen, mit welcher Sicherheit der Ex-Eumäus von Truxillo auf dem glatten Hofboden sich zu bewegen wußte. So etwas haben die formsicheren Menschen romanischer Rasse doch vor uns viereckigen Germanen voraus, denen es zwar nicht zur Schande gereicht, daß sie nicht zu schauspielen vermögen, aber auch nicht zum Ruhme, daß sie des Formsinnes mehr als billig ermangeln.
Der durchwetterte Abenteurer gewann dem Kaiser soviel Theilnahme ab, als dieser kalt rechnenden Natur überhaupt abzugewinnen war. Pizarro besaß ja jene kunstlose, aber energische Beredsamkeit, wie sie zum Befehlen bestimmten Menschen angeboren zu sein pflegt. Seine Schilderungen dessen, was er seit zwanzig Jahren in der Neuen Welt geschaut, gehört, gelitten und gestritten, mögen dem Kaiser, welcher sich bislang um die amerikanischen Dinge wenig gekümmert hatte, zuerst eine bestimmtere und deutlichere Vorstellung von der Beschaffenheit und dem Werthe der unermeßlichen Besitzungen beigebracht haben, welche da drüben der spanischen Herrschaft unterworfen waren. Pizarro, der seinen Mann und dessen ewig leere Tasche kannte, unterließ auch nicht, den Goldreichthum des neuentdeckten Landes Peru vor den gierigen Augen Karls schildern zu lassen, und legte um dieses sein Wortgemälde her den Rahmen peruanischer Goldproben, welche er fürsorglich mitgebracht hatte. Der Kaiser empfahl daraufhin Pizarro und dessen Angelegenheit dem „Rathe von Indien“, also der obersten Colonialbehörde Spaniens, und diese hat dann im Juli von 1529 einen förmlichen Vertrag mit unserem Macher in Länderfindung und Gründer von Eroberungsgeschäften abgeschlossen. Kraft dieses Vertrages sollte dem Pizarro, welcher zur Erhöhung seines Ansehens zum Hidalgo (Edelmann) und zu einem Ritter von San Jago gemacht wurde, das Recht der Entdeckung und Eroberung des Landes Peru zustehen und sollte er nach vollbrachter Besitzergreifung Titel, Rang, Machtvollkommenheit und Einkommen eines Statthalters haben. Seine beiden ursprünglichen Mitgründer wurden ebenfalls bedacht, indem Almagro die Bestallung als Gobernador und Pater Luque die als Bischof der Stadt und Provinz Tumbez erhielt. Pizarro seinerseits übernahm die Verpflichtung, binnen sechs Monaten eine feldtüchtige Truppe von zweihundertfünfzig Mann aufzubringen, wobei ihm die Regierung zur Beschaffung von Geschützen und Munition behilflich sein sollte.
Der also mit Brief und Siegel förmlich zum Conquistador ernannte San Jago-Ritter vermochte die seinerseits übernommene Vertragspflicht nur mühsälig zu erfüllen. Im Januar von 1530 segelte er mit der aufgebrachten Streitmacht aus Spanien ab, und als er, in Panama angelangt, seine Mannschaft musterte, hatte er hundertdreiundsechszig Soldaten zu Fuß und siebenundzwanzig zu Pferd in erträglich guter Ausrüstung. Mit dieser Handvoll verwegener Gesellen fuhr Pizarro im Januar von 1531 zur Eroberung Perus aus, nachdem er seinem Geschäftstheilhaber Almagro aufgegeben hatte, in Panama noch weitere Mannschaft anzuwerben und ihm dieselbe unter der Führung tüchtiger Officiere nachzusenden. Dies geschah denn auch und war der eifrige Almagro im Stande, binnen kurzem drei kleine Schiffe mit Verstärkungen seinem Compagnon nachzusenden und zwar unter der Führung von Don Belalkazar und Don Hernando de Soto, zwei Rittern, welche in der Vorderreihe der Eroberer von Peru glänzten und von denen der letztgenannte außerdem als Entdecker des Stromgebietes des Mississippi in der Geschichte Amerikas [793] einen unvergänglichen Namen sich gesichert hat. In der Bucht von Guayaquil vereinigten sich diese Verstärkungen mit der Mannschaft des Conquistadors.
In Tumbez gelandet, trat Pizarro in lebhaften Verkehr mit den Bewohnern der Stadt. Das Mittel sprachlicher Verständigung boten etliche Eingeborene, welche der Eroberer bei seinem ersten Besuche aus Tumbez mitgenommen und die als seine Begleiter auf der Fahrt nach Spanien inzwischen spanisch gelernt hatten. Einer dieser Dolmetscher, den die Spanier Felipillo getauft hatten, spielte in der Geschichte der Eroberung seines Vaterlandes eine nicht unwichtige Rolle, ganz dieselbe Rolle, welche in der Geschichte der Eroberung von Mexiko eine indianische Dolmetschin und Geliebte des Cortez, die schöne und kluge Donna Marina, innehatte. Pizarro scheint sich überhaupt das Verfahren seines Vetters in Anahuak vielfach zum Muster und Vorbilde genommen zu haben, wie das ja auch in den Verhältnissen lag. Er verwandte zuvörderst große Achtsamkeit darauf, zu Tumbez über die Zustände der fremdartigen Welt, welche er betreten hatte, genau sich zu unterrichten und Einsicht in die Sachlage im Inka-Reiche zu gewinnen. Was er erfuhr, zeigte ihm erst recht die Größe und Schwierigkeit seines Unternehmens, aber auch, was dasselbe erleichtern könnte. Hierbei war von äußerster Wichtigkeit die Kunde von dem so eben ausgefochtenen Bruderkriege zwischen Huaskar und Atahuallpa. Pizarro mußte sich ja erinnern, wie sehr die Zwistigkeiten der verschiedenen Volksstämme von Anahuak dem Cortez zu gute gekommen waren. Allerdings war der Sieger Atahuallpa im unbestrittenen Besitze der Gewalt, aber immerhin ließen sich, kalkulirte der Spanier, aus der Art und Weise, wie der Inka zur Herrschaft über das ganze Reich gelangt war, allerhand wichtige Vortheile ziehen. Unter anderen dieser, daß die fremden Eindringlinge sich einem gewiß nicht kleinen Theile der Peruaner als Befreier von dem Joche eines tyrannischen Usurpators darstellen konnten. Die Menschen wollten und wollen ja zu allen Zeiten belogen und betrogen sein.
Weiterhin galt es dann zunächst, in dem fremden Lande an einer wohlgelegenen Stelle der Küste festen Fuß zu fassen, wie das Cortez in Mexiko durch die Anlage von Veracruz bezweckt und erreicht hatte. Demzufolge wurde südlich von Tumbez im schönen Thale von Tangarola eine Pflanzstätte gegründet, welche den Namen San Miguel erhielt. Sie sollte als Aus- und Einschiffungsort, als Stütz- und Zufluchtspunkt dienen.
Während an der Gründung dieser ersten spanischen Colonie auf dem Boden des Sonnenreiches gearbeitet wurde, brachte Pizarro in Erfahrung, daß der Emperador von Peru dermalen nicht in der Hauptstadt residirte, sondern in einer Entfernung von etwa zwölf Tagemärschen zu Kaxamalka, welche Stadt in einem von einer Quellader des Amazonenstromes gebildeten Thale der Anden gelegen war, sein Hoflager aufgeschlagen hätte. Sofort erhob sich im spanischen Lager die Frage, was nun zu thun wäre. Ob es räthlicher, stracks den weiten Südmarsch nach der Hauptstadt Kuzko anzutreten, von woher eine ungeheure Goldbeute winkte, oder aber die dermalige Residenz des Inka aufzusuchen? Pizarro war Politiker genug und hatte sich über das Wesen des Inkathums auch schon ein so sicheres Urtheil gebildet, daß er den Marsch nach Kaxamalka beschloß. Es mußte ihm ja aus Allem, was er bislang in diesem Lande gesehen und gehört, klar geworden sein, daß, wer den Inka hätte, auch Peru hätte. Das Schicksal des Herrschers müßte das des Reiches entscheiden. Wie sich der Conquistador diese Entscheidung dachte, ist nicht zu sagen. Denn die Quellen der Eroberungsgeschichte von Peru lassen es unbestimmt, ob er zuvörderst friedliche Mittel versuchen wollte oder aber von vornherein auf einen Gewaltschlag sann. Das Wahrscheinlichste ist, daß er sich sagte: Kommt Zeit, kommt Rath. Vorerst nach Kaxamalka! Sind wir einmal dort, werden uns die Umstände lehren, was zu thun.
Mit der zunehmenden Erkenntniß der Abhängigkeit unserer Gesundheit von reiner Luft zum Athmen und reinem Wasser zum Trinken sind auch die Bemühungen fortgeschritten, uns diese unschätzbaren Güter immer mehr zu gewinnen. Dem stehen namentlich in großen Städten gewaltige Schwierigkeiten entgegen. Große Mengen thierischer und pflanzlicher Abfall- und Auswurfstoffe sind dort fortwährend bestrebt, durch Fäulniß die Luft und durch Einsickern das Grundwasser zu verderben. Es gilt, diese Stoffe möglichst schnell zu beseitigen und unschädlich zu machen. Das ist nicht schwer, aber schwierig ist es, die Aufgabe so zu lösen, daß der Stadtsäckel durch die Kosten nicht überbürdet wird. Um in dieser Beziehung seine Kenntnisse an den neuen großartigen, der Gesundheit gewidmeten Maschinen- und Canalanlagen der Stadt Paris zu erweitern, reiste der Verfasser, Dank der Freigebigkeit des königlich preußischen Ackerbau-Ministeriums, in den ersten Tagen des Septembers nach Paris. Er hatte dabei das Glück, eine bekannte Fach-Autorität, den Director der landwirthschaftlichen Akademie in Poppelsdorf, Professor Dr. Dünkelberg, zu begleiten und durch dessen gütige Mittheilungen eine eingehende Würdigung der landwirthschaftlichen Seite zu gewinnen. In Erinnerung an das wachsende Interesse und den hohen Genuß, welchen die gemeinnützigen Sehenswürdigkeiten gewährten, hoffen wir durch einen Reisebericht den Lesern der Gartenlaube anregende Unterhaltung darzubieten.
Um die vorhandenen und im Werden begriffenen Anlagen zu würdigen, werden wir am besten mit einer Rückschau über ihre Entwickelung beginnen.
Zuerst suchte man die Reinigung der Stadt Paris durch Einrichtung der sogenannten Schwemm-Canalisation durchzusetzen. Die Abfälle der Haushaltungen, Straßen, Fabriken u. s. f., werden dabei durch Röhren in unterirdisch angelegte Canäle geführt und in diesen durch das mitlaufende Wasser weiter geschwemmt. Die Canäle bilden ein zusammenhängendes Gebiet. Wie auf der Erdoberfläche unbedeutende Zuflüsse sich nach und nach zu Bächen, Flüssen, Strömen vereinigen, so wurden die Abwässer unter der Erde schließlich gesammelt in zwei großen Hauptcanälen. Davon ergoß der eine seine schwarzgetrübten, unheimlichen Fluthen unterhalb Clichy, der andere bei St. Denis in die Seine. Durch die stetige Abführung der unreinen Stoffe war der Stadt wesentlich geholfen; aber das Uebel wurde nicht gründlich beseitigt. Man entfernte es nur aus Paris, um es weiterhin zur großen Belästigung der Schifffahrt und der Uferbewohner der Seine zu übergeben. Die schädlichen Folgen offenbarten sich bald. An der Ausmündung der Canäle zeigten sich riesige Schlammmassen, zu deren Beseitigung die Stadt große Summen (beispielsweise in einem Jahre zweihunderttausend Franken) aufwenden mußte, auch wurden die Uferbewohner nicht müde, gegen die Verunreinigung des Flusses zu petitioniren. Im Laufe der Jahre mußte das Uebel nothwendig zunehmen, kurz, man sah ein, daß Abhülfe nöthig war.
So wurde der Chef-Ingenieur M. Mille beauftragt, im Auslande ähnliche Verhältnisse zu studiren, um eine Lösung der Frage aufzufinden. Er kam zu der Ueberzeugung, daß die Wässer am billigsten und vollständigsten gereinigt werden könnten durch ihre Verwendung in der Landwirthschaft als Nahrungsmittel für Pflanzen. Auch betonte er, daß es wegen der Nähe des Marktes von Paris einträglicher sein würde, nicht, wie in Edinburgh und Mailand, die Wässer zur Wiesencultur zu verwenden, sondern nach Muster der reichen „Huerta“ von Valencia, Garten- und Feldgewächse zu ziehen. Wie sich erwarten ließ, fand diese Ansicht heftige Gegner. Nach deren Meinung sollten die mit Cloakenwasser ernährten Gemüse ungenießbar ausfallen, die Felder unerträgliche Gerüche verbreiten, und im Winter sollte die Unterbringung des Wassers auf dem Ackerboden überhaupt unmöglich sein. Gleichzeitig wurde die schwefelsaure Thonerde als chemisches Mittel angepriesen, um die Wässer schnell und billig zu reinigen. Nach dem Grundsatze: „Prüfet Alles und das Beste behaltet“ beschloß die Stadtverwaltung, während des Jahres 1868 bis 1869 beide Methoden auf einem großen Versuchsfelde bei Clichy einer praktischen Prüfung zu unterziehen.
Der darüber vorliegende Bericht verbreitet sich zunächst über Menge und Gehalt der ankommmenden Wässer. Im großen [794] Durchschnitte bringt der Canal in jeder Secunde zwei und einen halben Kubikmeter oder zweitausendfünfhundert Liter Wasser, doch ist das Quantum nach Tages- und Jahreszeit sehr veränderlich. Um elf Uhr Mittags traf am meisten ein, um zwei Uhr Nachts am wenigsten. Bei heftigem Regenwetter wurde die Wassermenge mehr als verdoppelt und sank bei anhaltender Dürre auf ein Drittel des Mittelwerthes. Um den Werth für den Ackerbau darzuthun, berechnete man annähernd, wie hoch der Preis der von den siebenzig Millionen Litern Abwasser jährlich mitgeführten Dungstoffe
sein würde, wenn man sie in gewöhnlicher Weise ankaufte. Dies ergab die ansehnliche Summe von sieben Millionen Franken, die also bis dahin nur schadenbringend der Seine zugeführt wurde.
Was nun die Erfolge der Versuche betrifft, so brachte die chemische Methode zwar die Gewißheit, daß ein Zusatz von schwefelsaurer Thonerde das Wasser veranlaßt, in großen Bassins seine Schlammtheile vollständig abzusetzen und klar abzufließen; indessen ist die Reinigung insofern nur eine scheinbare, als ein Drittel der verunreinigenden Stoffe in aufgelöster Form vom Wasser zurückgehalten wird. Weit vollkommener wirkte die Berieselung von Ackerland. Das den Boden durchsickernde Wasser verlor nicht allein seine Schlammtheile, sondern auch fast alle in Lösung befindlichen Substanzen, namentlich die gefährlichen, welche dem Pflanzen- und Thierreiche entstammten. Gemüse, Getreide, Gras etc. gediehen im berieselten Boden zu üppiger Ernte. Auch waren Geschmack und anderweitiges Verhalten von den in gewöhnlicher Weise geernteten Früchten nicht verschieden. Ferner beklagte sich Niemand über die von den Gegnern der Berieselung vorhergesagten übeln Ausdünstungen und Gerüche, weil sie nicht zu bemerken waren, so wenig im Felde, wie in dessen Umgebung. Die Ansicht des M. Mille hatte somit einen glänzenden Sieg errungen und die chemische Methode konnte nur noch als Aushülfe in Betracht kommen, um etwa im Winter das vom Boden zurückgewiesene Wasser zu klären.
Die Berechnung ergab, daß etwa zweitausend Hectare Bodenfläche genügen würden, um alle Abwässer von Paris darauf während des ganzen Jahres zu vertheilen. Glücklicher Weise brauchte man das geeignete Teerain nicht weit zu suchen. Es lag auf dem Clichy gegenüberliegenden Seine-Ufer in der Ebene von Gennevilliers, wie zu diesem Zwecke geschaffen, ein sehr durstiger durchlassender Sandboden mit Kiesunterlage, der wegen dieser Eigenschaften bisher nur spärliche, in trockenen Jahren verschwindende Ernten gegeben hatte. Für diesen Boden mußte das Wasser höchst segensreich wirken. Allein die anliegenden Gemeinden wollten nichts davon wissen. Wie in früheren Zeiten die erleuchteten Magistrate vieler Städte sich mit allen Mitteln gegen die ihnen zugedachten Eisenbahnen wehrten, so entstand hier eine allgemeine Opposition gegen die beabsichtigte Wasserzuführung.
Die Stadt beschloß, ohne Gewaltmittel vorzugehen und die gute Sache durch überzeugende Beispiele mit der Zeit siegen zu lassen. Sie kaufte in der Nähe ein Grundstück von fünf bis sechs Hectar, versah dasselbe reichlich mit Abwasser und übergab es gratis geschickten und willigen Gärtnern zur Bebauung. Unter erfahrenen fleißigen Händen bedeckte sich der unfruchtbare Boden bald mit den üppigsten Pflanzen, welche ihre Nahrung dem Canalwasser entnahmen und durch ihr herrliches Gedeihen den Reichthum des Wassers bekundeten. Neidisch sahen jetzt die umliegenden Landleute ungeahnte Erträge heranreifen und baten nun ebenso dringend um Wasser für ihre Ländereien, wie sie es vorher zurückgewiesen. Die Gesuche wurden natürlich gern gewährt. Dadurch erlangte das Ganze ein so erfreuliches Ansehen wunderbarer Fruchtbarkeit, wie die Oase in der Wüste. Selbst der Kaiser Napoleon wurde hingeführt, um den Anblick zu genießen. Er soll sich auch sehr daran ergötzt haben, allein das hinderte ihn nicht, bald das Signal der Zerstörung zu geben, indem er Deutschland den Krieg erklärte. Beim Nahen des deutschen Heeres wurden die Seinebrücken und damit die Wasserzuleitungen zerstört. Später wurden die eben befruchteten Felder von den Soldaten der Regierung in ihren Kämpfen gegen die Commune zertreten und die Maschinen-Anlagen mit Granaten beworfen. Als ruhigere Zeiten eintraten, hat man sie wieder aufgebaut und das Werk soweit entwickelt, wie wir es jetzt fanden. Wir bitten den Leser uns auf einem Rundgange zu begleiten.
Vom Bahnhofe St. Lazare in Paris kommt man durch ein Billet nach Asnières in wenigen Minuten an Ort und Stelle. Von Asnières führt der Weg über die nahe Seinebrücke zur [795] Pumpstation bei Clichy, die man am hohen eisernen Schornsteine leicht erkennt. Kurz davor liegt das Bureau. Dort holen wir uns die Erlaubniß zur Besichtigung und erreichen nach einigen Schritten das Maschinenhaus. Eingetreten, steht man zunächst vor zwei großen in graue Blechmäntel gehüllten Dampfkesseln. Dahinter gelangt man, einige Stufen niedersteigend, in den eigentlichen Maschinenraum. Wenn man in der Meinung kam, hier von Schlamm und Schmutz belästigt zu werden, findet man sich angenehm enttäuscht.
Die größte Sauberkeit herrscht überall. Der lackirte Fußboden ist sogar mit Teppichen belegt. Ein hoher, heller, fast eleganter Raum umschließt die rastlos arbeitende liegende Dampfmaschine, deren blanke Theile freundlich glitzernd die Lichtstrahlen zurückwerfen. Mit majestätischer Ruhe und anscheinender Leichtigkeit dreht sich ein kolossales Schwungrad mit einer Kraft von hundertfünfzig Pferden. Der gezahnte Umfang desselben treibt ein kleineres Rad, dessen Welle sich rechts und links in zwei mannshohen Gehäusen verliert, die uns als die eigentlichen Pumpen (Centrifugal-Pumpen) enthaltend bezeichnet werden. In der Mitte des ersten Gehäuses tritt ein eisernes Rohr ein, welches draußen im Canal das Schlammwasser aufsaugt. Dieses Wasser wird im Gehäuse durch radiale Flügel in schnelle Drehung versetzt, dadurch am Umfange derselben fortgetrieben und durch eine Rohrleitung der Mitte des zweiten Gehäuses zugeführt. Hier nochmals durch Flügel angetrieben, entflieht es am Umfange des Gehäuses in die Rohrleitung, welche es zunächst über die Seine, dann in den Hauptcanal der Ebene befördert. Wir erfahren gleichzeitig, daß die Kraft der einen Maschine nicht ausreicht, um alles bei Clichy ankommende Canalwasser zu bewältigen. Dazu gehören noch vier Maschinen derselben Größe und Einrichtung, deren Beschaffung noch von der Bewilligung der nöthigen Geldmittel abhängt.
Folgen wir dem Laufe der Wasser über die Brücke bei Clichy, so treffen wir in einiger Entfernung rechts ein erhöhtes Bassin, in dem die bis dahin unterirdisch geführte Flüssigkeit heftig brodelnd zu Tage kommt. Auf dem Rande des Behälters werden wir allerdings durch die um zwölf Meter gehobenen stark bewegten Wässer etwas belästigt. Der Geruch verliert sich indessen, sobald sie in den etwa zwei Meter breiten Hauptcanal übergetreten sind und, ruhig dahinfließend, durch eine lange schwarze Linie die Hauptader der umliegenden Felder bezeichnen. Durch seine Einbettung in die Krone eines aufgeschütteten Dammes, den Napoleon der Erste als Schutzwehr gegen die Ueberschwemmungen der Seine errichten ließ, beherrscht der Canal die umliegende Ebene und gestattet den Abfluß des Wassers nach jeder Stelle derselben. Auch wird sein Wassergehalt vom entgegengesetzten Ende aus durch den Zufluß der Abwässer noch verstärkt, welche bisher bei St. Denis in die Seine übergingen, jetzt aber durch eine neue Leitung mit natürlichem Gefälle hierher geleitet werden, indem sie die Seine an der Brücke bei St. Ouen überschreiten.
Von dem großen Hauptcanale aus beginnt nun die Vertheilung der Wässer in die Ebene. Was in der Stadt an einzelnen Haushaltungen gesammelt wurde, wird jetzt in umgekehrter Weise durch Canäle über und unter der Erde verzweigt, bis zu den an den einzelnen Feldern gelegenen Ausfluß-Oeffnungen. Hier vertheilt es sich auf der Fläche, um als Pflanze, durch Licht und Wärme zu höherem Leben erweckt, wieder der Stadt zurückgebracht zu werden und seinen Kreislauf von Neuem zu beginnen. Betrachten wir ein Grundstück genauer, etwa ein naheliegendes Weißkohlfeld. Wir sehen am Kopfende das schwarze Wasser, wie eine Quelle sprudelnd, austreten, um zunächst einen aus Erde aufgeworfenen Quergraben zu füllen. Von diesem zieht es in zahlreichen Furchen nach der Länge des Feldes, um schließlich ganz im Boden zu verschwinden. Zwischen je zwei Furchen ist ein erhöhter Streifen, auf dem nur eine lange gerade Reihe Weißkohlpflanzen Platz findet. So rieselt das Wasser in vertieften Rinnen zwischen den Pflanzen, kommt also mit diesen in keine verunreinigende Berührung. Nur unter der Erde bringt es den Wurzeln willkommene Nahrung. Begierig wird dieselbe aufgenommen, und daß sie wohl bekommt, beweisen die riesigen festen Köpfe der Kohlpflanzen. Dem Landwirth erleichtert [796] das Wasser die Bestellung außerordentlich. Im Winter setzt er sein Feld ganz unter Wasser und findet es im Frühjahre mit fruchtbarem Schlamme bedeckt. Nun läßt er abtrocknen, bearbeitet es in der beschriebenen Weise und säet oder pflanzt nach Bedarf. Tritt dann trockene Witterung ein, so braucht er nur die Wasserquelle zu öffnen, um ohne Mühe die Pflanzen zu begießen und mit feuchter Nahrung zu versehen. Freilich die Hände darf er nicht in den Schooß legen; denn im üppigen Boden wuchert neben dem Kraute auch das Unkraut. Erstaunlich ist dann aber auch die Fülle, mit der die Pflanzen unter guter Pflege gedeihen, und vergebens sucht das Auge ein welkendes Blatt.
Wer Freude hat an üppiger Pflanzenvegetation, wird im Rieselfelde reichlichen Genuß finden. In der Mitte entfaltet sich ein herrlicher Blumenflor in auffallend brillanten Farben. Weiter gehend, hat man Gelegenheit, schönes Spalierobst und reichhaltige Baumschulen zu bewundern; dann folgen Spargel, Artischocken, Kohl, Rüben, Bohnen etc., endlich Getreidefelder und am Ufer der Seine einige Wiesen. Bemerkenswerth sind auch große mit Minze bestellte Flächen. Sie liefern einer daneben liegenden Fabrik wohlriechender Essenzen das Material für die Destillation des Pfefferminzöls. Also inmitten des angeblich durch üble Gerüche verpesteten Feldes bereitet man wohlriechende Essenzen. Man mag daraus ersehen, wie solche Gerüche überhaupt dem Fabelreiche angehören. Nur an frisch gedüngten, im Abtrocknen begriffenen Feldern ist etwas Geruch zu spüren, aber gewiß nicht mehr, als am gewöhnlich gedüngten Boden. Auch das Grundwasser erscheint rein. Wir haben ohne Widerstreben ein inmitten des Rieselfeldes aus einem Brunnen geschöpftes Glas Wasser getrunken und weder am Geschmacke noch am klaren Aussehen desselben Tadel gefunden.
So glauben wir uns zu dem Schlusse berechtigt, daß Boden und Pflanze geeignet sind, den Abfall der Städte ohne Nachtheil für die Gesundheit der Menschen aufzunehmen und in Segen zu verwandeln. Wir können uns den Wunsch nicht versagen, daß viele Städte unseres deutschen Vaterlandes dem aufgestellten Beispiele folgen möchten. Auch müssen wir freudig anerkennen, daß Danzig, um seine übergroße Sterblichkeit zu vermindern, erfolgreich vorgegangen ist, indem es durch seine Canalisationsanlagen den Dünensand befruchtete und insofern Paris noch voransteht, als es durch die Erträge der Rieselfelder auch die Kosten der Wasserförderung erlangt.
Bonn, im October 1874.
„Der Vater“, fuhr der alte Förster in seiner Erzählung fort, „ging nochmals in’s Dorf, um zu erfahren, was jene Trommelschläge bedeuteten. Es war das Signal zum Plündern. Die Soldaten stürzten sich in regellosen Haufen eilig und gierig auf das arme Dorf. Der Vater kam alsbald zurück. Was geschah, erzählte man uns später. Die Franzosen hatten seit zwei Tagen nichts gegessen; der Hunger trieb sie in die Häuser. Ein jedes durchsuchten sie von unten bis oben, vom Keller bis unter das Dach; kein Winkel blieb verschont; mit Lichtern, mit brennenden Spähnen, ja mit lodernden Strohwischen, liefen sie suchend in jede Kammer, in die Ställe und selbst in die Scheune. Nicht blos was sie an Eßbarem fanden, war gute Beute, auch Kühe, Schafe und Schweine führten sie hinweg und alle Kessel, Töpfe und Schüsseln folgten als Koch- und Eßgeschirr hinaus in das Lager, wo man dann zu schlachten und zu kochen begann. Alle Thüren in den Häusern, alle Tische und Stühle, alles Holz und Stroh, Planken und Zäune, mit einem Worte, alles Brauchbare schleppte man ebenfalls fort, um die Koch- und Wachfeuer damit zu nähren, die auf den Feldern in einem weiten Halbkreise vor dem Dorfe nacheinander aufflackerten und die Umgegend grell und schauerlich beleuchteten. Dann trat wieder tiefe Stille ein. Die Bewohner des Dorfes waren zum Theil geflohen, als die Franzosen erschienen, und hatten ihre gesammte Habe preisgegeben; zum Theil waren sie in ihren Häusern geblieben. Die Weiber weinten, und die Männer saßen entweder in dumpfer Ergebung da oder fluchten leise.
Nachdem die Ruhe etwa eine Stunde gedauert hatte, erschreckten uns die früheren unheimlichen Trommelschläge noch einmal und wiederum fielen die Soldaten gleich Heuschrecken über das unglückliche Dorf her. Sie waren gesättiget und kamen nun, um Stroh, Betten, Kleidungsstücke und Decken zu suchen und sich Lagerstätten daraus zu bereiten. Sie suchten wohl auch Geld und Geldeswerth, gewiß ist wenigstens, daß sie alles, buchstäblich alles, was sie forttragen konnten, mit sich nahmen, wenn sie offenbar auch keinen Gebrauch davon machen konnten. In jedem Hause bewegten sich, einander entgegengesetzt, zwei Menschenströme, einer in das Haus hinein, die Treppe hinauf und durch die Kammern, ein anderer die Treppe hinunter und aus dem Hause hinaus. Fünfzig, hundert Mann und mehr noch sollen gleichzeitig in einem der kleinen Häuser gewesen sein. Dieses Hin- und Herwogen unendlicher Menschenmassen dauerte ununterbrochen fort, bis ein anderes Trommelsignal die Soldaten wieder in das Lager rief. Dann trat von Neuem Stille ein. Jeder Soldat bereitete sich draußen auf dem Felde, im jungen Getreide, unter freiem Himmel mit dem, was er erbeutet hatte, eine Lagerstätte, streckte die müden Glieder auf derselben aus und versuchte, zu schlafen. Für die zurückgebliebenen Bewohner des Dorfes aber gab es diese Nacht keinen Schlaf; sie hatten auch nichts, wohin sie ihr sorgenschweres Haupt legen konnten.
Auch wir in unserem Hause, das vom Lager, ja von dem Dorfe aus nicht gesehen werden konnte und deshalb von solchen Besuchen freigeblieben war, wagten nicht, uns zur Ruhe zu begeben. Der Vater saß still am Fenster und horchte auf jedes Geräusch draußen. Marie schmiegte sich in ihrer Angst vor den französischen Soldaten an mich; sie zitterte an allen Gliedern und weinte, so liebevoll ich ihr auch Muth und Trost zuzusprechen nicht müde wurde. Sie fürchtete noch immer, daß auch unser Haus entdeckt und dann von plündernden rohen Soldaten heimgesucht werde. Sie bat sogar unter Thränen: ‚Laßt uns in den Wald fliehen, tief hinein! Dort werden sie uns nicht suchen, nicht finden; mögen sie hier rauben, was ihnen gefällt!‘
‚Noch ist uns ja kein Leid geschehen, Marie,‘ antwortete der Vater, ‚noch ist unser Haus nicht einmal entdeckt worden, und vielleicht ziehen die Soldaten ab, sobald es Tag wird.‘
In diesem Augenblicke verkündigte die Uhr die zwölfte Stunde.
Gleich darauf hörten wir rasche Tritte vor unserem Hause und dann auch ein starkes Klopfen an der verschlossenen Thür.
Marie rief halblaut und unter starkem Zittern:
‚Mein Gott, sie kommen!‘
Dabei sank sie mit gefalteten Händen in die Kniee und betete, daß Gott uns schützen möge.
Der Vater stand auf, um die Thür zu öffnen, da das Klopfen immer stärker wurde.
‚Nicht aufmachen, Vater, nicht aufmachen!‘ bat Marie ängstlich.
‚Es ist nur ein Mann, wie ich sehe,‘ antwortete der Vater. ‚Weisen wir ihn ab, so kehrt er vielleicht zum Lager zurück und holt Andere, um die Thür gewaltsam zu öffnen.‘
Er ging, um die Thür zu öffnen.
‚Ein Bett! … Schlafen … eine Stunde!‘ hörten wir draußen den Fremden in gebrochenem Deutsch sagen.
‚Treten Sie ein!‘ antwortete der Vater, indem er den Mann eintreten ließ, wohlbedacht aber die Thür hinter ihm wieder schloß und bald darauf mit ihm in unserem Zimmer erschien, in dem nur eine kleine Lampe brannte.
Der Fremde war ein Franzose, ein höherer Officier, von Wetter gebräunt, von Pulver geschwärzt, mit kleinen stechenden Augen und harten Zügen. Er mochte etwa in den Fünfzigern sein und machte den Eindruck, als sei er sehr ermüdet und übler Laune.
Der Vater sah ihn lange aufmerksam und kopfschüttelnd an.
‚Ein Franzose!‘ sagte Marie im Tone des Entsetzens, indem sie sich zu mir schutzsuchend flüchtete.
[797] ‚Ja, Franzose!‘ antwortete der Officier. ‚Vive l’empereur! Ein Bett! Schlafen – eine Stunde!‘
Und er näherte sich bei diesen Worten Marie.
Sie trat noch weiter zurück, als fürchte sie schon seine Nähe. Er lächelte gezwungen und versuchte ihr in das Gesicht zu sehen. Sie hielt den Kopf tief gesenkt. Da streckte er die Hand nach ihr aus, faßte sie am Kinne und richtete ihr den Kopf empor. Kaum hatte er einen Blick in ihr Gesicht gethan, so blieb er starr vor ihr stehen und schaute sie forschend unverwandt an.
‚Wunderbar!‘ sagte er dabei halblaut vor sich hin.
Er hielt sie noch immer am Kinne fest, damit sie den Kopf nicht wieder senke, und dabei fiel ihm nun auch das Medaillon, das sie an diesem Tage, wie immer, am Halse trug, in das Auge.
‚Das Gold sehen!‘ sagte er erregt und griff hastig nach dem Medaillon.
Da fürchtete Marie wohl, er wolle ihr das theure Andenken an ihre Mutter einreißen; sie machte sich gewaltsam von ihm los und floh in das kleine Nebenzimmer da, aus dem, wie Du weißt, eine Thür in den Garten und von da in den Wald führt. Wollte sie sich in dem Stübchen in ihrer Angst einschließen, oder durch die Gartenthür in den Wald fliehen, ich weiß es nicht; sie wollte sich zunächst wohl nur dem Franzosen entziehen.
Dieser rief nochmals: ‚Das Medaillon!‘ und eilte der Fliehenden nach, ehe sie die Thür des Stübchens schließen konnte.
Wir, der Vater, welcher die Augen von dem Fremden nicht abwenden konnte, und ich, standen da und wußten nicht, was wir thun sollten. Wenn wir den Franzosen anfaßten, um ihn mit Gewalt zurück zu halten, reizten wir ihn vielleicht zu Thätlichkeiten. Ein Leid konnte Marie’n nicht geschehen, da wir ja im Nothfalle zu ihrer Hülfe in der Nähe waren. Ich rief ihr nur bittend zu, sie möge zurückkommen. Sie antwortete nicht. Sie stand drüben in dem Stübchen, wie ich wohl sah, in der fernsten Ecke, da wo die Gewehre hingen. Der Franzose, der, wie gesagt, ihr nachgeeilt war, trat rasch in ihren Versteck und auf sie zu.
‚Ne me touchez pas!‘ rief ihm Marie zu unserer nicht geringen Verwunderung zu, denn sie hatte lange Zeit kein französisches Wort über ihre Zunge gebracht.
‚Ah, vous êtes Française, vraiment?‘ entgegnete der Franzose in seltsam bewegtem Tone, und sein Eifer, Marie das Medaillon abzunehmen, schien sich zu verdoppeln. Schon streckte er die Hand wieder nach demselben aus, um es zu fassen. Da griff Marie in Verzweiflung oder Zorne nach einem der neben ihr an der Wand hängenden Gewehre und hielt dasselbe dem Franzosen zitternd entgegen.
‚Um Gottes willen, Marie!‘ rief ich ihr zu und wollte zu ihr eilen, um sie zu beruhigen und zu verhüten, daß vielleicht gar ein Unglück geschehe. Als ich den Fuß bereits über die Schwelle setzte, sah ich, daß der Franzose das Gewehr gefaßt hatte, um es ihr zu entreißen, und in demselben Augenblicke erschütterte ein Schuß das Haus. Das Gewehr hatte sich entladen und der Fremde stürzte, in die Brust getroffen, lautlos zu Boden.
Alles war das Werk einer Secunde gewesen.
Wir aber standen wie versteinert vor dem Grauenhaften und konnten es nicht fassen. Der Vater, der sogleich auch herbeigeeilt war, kam zuerst zu einiger Besinnung. Er trat zu Marie, die noch immer todtenbleich und regungslos dastand, die weit aufgerissenen Augen auf das Gewehr gerichtet, das sie noch in den zitternden Händen hielt, nahm es ihr ab und hängte es an die Wand, an die Stelle, von der sie es genommen hatte. Ich aber trat zu dem Daliegenden, überzeugte mich bald, daß kein Leben mehr in ihm sei, und sagte bebend: ‚Er ist todt.‘
‚Todt?‘ wiederholte Marie entsetzt. ‚Eine Mörderin bin ich? Aber ich bin nicht schuld an seinem Tode; ich drückte das Gewehr nicht ab – ich schwöre es vor Gott und bei dem seligen Geiste meiner Mutter.‘ Sobald sie ‚Mutter‘ gesagt hatte, stürzte ihr ein Strom von Thränen aus den Augen.
‚Was aber nun?‘ fragte der Vater. ‚Was sollen wir thun? Was wird uns geschehen? Man wird den Officier vermissen und suchen. Wenn man ihn hier findet – als Leiche, sind wir Alle verloren. Wir müssen den Todten wegschaffen,‘ fuhr er zu mir gewendet fort, ‚sogleich, ehe es zu spät wird. Man kann den Schuß draußen gehört haben. Wir müssen den Leichnam hinaustragen in den Wald und dort sogleich begraben.‘
Dann öffnete er das Fenster, damit der Dampf und Geruch vom Pulver sich verziehe, und als dies geschehen war, sagte er seufzend zu mir:
‚Fasse den Todten mit an, damit wir ihn hinwegtragen können! Erst aber ein Tuch auf das Gesicht, damit ich dasselbe nicht sehe, denn es weckt Erinnerungen in mir, die sich mir immer von Neuem aufdrängen, wenn ich sie auch mit Gewalt von mir weise und mir sage, es sei eine Täuschung und müsse eine Täuschung sein.‘
Er breitete das erste beste Tuch, das er fand, über das Gesicht des Todten.
Dann trugen wir ihn hinaus in den Wald, eine ziemliche Strecke weit, gruben da ein seichtes Grab und legten ihn hinein. Später pflanzte ich die Tanne darauf, die prächtig gedieh und nun, nach fünfzig Jahren, von dem Sturme entwurzelt worden ist.
Das war jene entsetzliche, furchtbare Nacht, und daß ich nie von ihr habe reden mögen, wird Dir nun erklärlich sein.
Aber noch war nicht Alles vorüber.
Als früh der Morgen zu grauen anfing, waren wir mit unserer grausigen Arbeit zu Ende und kehrten in das Haus zurück.
Marie war in demselben zurückgeblieben, denn der Vater hatte ihr aufgetragen, als wir die Leiche forttrugen, die dicke wollene Decke zu entfernen, auf welche der Franzose gefallen war, weil auf derselben wahrscheinlich Blutflecke sich befinden würden.
Als wir eintraten, lag Marie neben der allerdings blutigen Decke. Sie hatte dieselbe aufheben und hinwegtragen wollen, als sie aber das Blut daran erblickt, das sie vergossen hatte, war sie ohnmächtig niedergesunken.
Ich trug sie in ihr Bett und bemühte mich mit dem Vater, sie wieder in’s Leben zu rufen. Es währte eine lange Zeit, ehe sich ein Zeichen rückkehrenden Lebens und Bewußtseins erkennen ließ. ‚Ich sterbe,‘ waren die ersten Worte, die sie leise zu mir sprach. Kaum waren diese Worte über ihre Lippen, so vernahmen wir starkes Trommeln aus dem Dorfe drüben. ‚Sie kommen, sie kommen!‘ fuhr Marie in Todesangst fort. ‚Sie wollen mich holen. – Laß uns fliehen!‘
Sie konnte sich kaum regen, so matt war sie. Der Vater aber, der vielleicht auch fürchtete, daß die Soldaten eine Nachsuchung nach dem Officiere in den Häusern anstellen wollten, lief rasch in das Stübchen, um die mit Blut getränkte Decke zu entfernen, die noch immer dalag und Alles verrathen konnte.
Dann trat er vor die Thür des Hauses, um sich zu überzeugen, was das Trommeln bedeute; er kam sehr bald zurück, um uns zu melden, daß die Soldaten abmarschirten. ‚Gott sei Dank!‘ sagte er, ‚wir sind gerettet.‘ Die Töne der rasselnden Trommeln entfernten sich in der That mehr und mehr; die Franzosen zogen also wirklich ab. Ein Haus aber in dem Dorfe brannte; die Bewohner weinten und rangen die Hände. Auf den Feldern draußen, wo die Franzosen gelagert, zeigte sich ein fast noch traurigeres Schauspiel. Nicht genug, daß das Getreide zertreten war, Betten, Kleider, Kochgeschirre, Ueberreste von dem geschlachteten Vieh etc. lagen wirr unter einander. Die Morgensonne dagegen schien hell und warm in die Fenster unseres Hauses; einer ihrer Strahlen traf das Gesicht Mariens, die dalag blaß wie eine Leiche. ‚Wie ist Dir?‘ fragte ich sie theilnehmend.
‚Ach!‘ entgegnete sie, ‚ich möchte fliehen, fliehen vor mir selber. Ich bin eine – Mörderin.‘
Noch im Verlaufe dieses Tages, des Tages nach der grauenvollen Nacht, wurdest Du geboren und Marie, Deine Mutter, verfiel in eine schwere Krankheit. Lange schwebte sie zwischen Tod und Leben, und nur sehr langsam erholte sie sich; aber niemals konnte sie vergessen, was geschehen war. Niemals habe ich sie wieder lachen sehen, und nur bisweilen lächelte sie, wenn sie Dich, ihr Kind, erblickte. Mit Widerwillen und Grauen, und nur, wenn sie es nicht vermeiden konnte, betrat sie das Nebenstübchen, in welchem die That geschehen war, und niemals wagte sie sich in die Nähe der Stätte im Walde, wo wir den Todten begraben hatten. In der Nacht, im Schlafe fuhr sie oft auf und rief angstvoll nach Hülfe. Der Wurm, der an ihr nagte, zehrte unablässig an dem Marke ihres Lebens und so
[798] starb sie frühzeitig, als Du zehn Jahre alt warst, wie Du Dich erinnern wirst. Von dem Franzosen, der draußen unter der Tanne den Todesschlaf schlief, haben wir niemals etwas vernommen; es scheint keine Nachforschung nach ihm angestellt worden zu sein; mein Vater aber sagte oft: ‚sein Gesicht schwebt mir immer vor, und wenn die Muthmaßung, die sich mir stets aufdrängt, nicht gar zu gräßlich wäre, würde ich sie, wenigstens gegen Dich, ausgesprochen haben, um keinen Preis möchte ich sie aber Marien nur andeuten, denn, wenn ich es thäte, würde sie sicherlich vor Schmerz und Grauen sterben oder wahnsinnig werden.‘“
„Und Du hast nie erfahren, was er meinte?“ fragte der junge Förster seinen Vater.
„Ich erfuhr’s erst kurz vor seinem Tode,“ antwortete dieser, „auf seinem Sterbebette, begann er: ‚Ich muß Dir nun offenbaren, was mir so lange schwer auf dem Herzen gelegen hat, so schwer, daß ich es allein kaum ertragen konnte. Als der französische Officier in jener Nacht Einlaß in unser Haus begehrte und ich seine Stimme vernahm, weckte ihr Klang Erinnerungen aus längst vergangener Zeit in mir, aber sie wurden mir nicht deutlich; als ich dann sein Gesicht sah, wußte ich, daß ich dasselbe sehr oft gesehen, daß ich es sehr wohl gekannt, daß es aber verändert, sehr verändert sei. Als er hier im Zimmer Marien scharf und starr ansah, als er vor sich hinsprach: ‚wunderbar!‘ als weckten ihre Züge in ihm ebenfalls Erinnerungen auf, und zumal als er hastig nach ihrem Medaillon faßte, wurde mir es fast über allen Zweifel klar, wer der Fremde sei. Als er dann, von der Hand Mariens getödtet, im Stübchen lag, faßte mich ein so gewaltiges Grauen, daß ich sein Gesicht nicht noch einmal sehen mochte. Ich bedeckte es mit einem Tuche, damit nicht etwa meine schreckliche Ahnung noch mehr bestätigt werde. Sie ganz zurückzudrängen habe ich nie vermocht, die entsetzliche Ahnung, daß der Fremde kein anderer war als …‘
Er flüsterte den Namen so leise, daß ich ihn kaum verstand. Ich erschrak so, daß ich vor Grauen und Entsetzen aufsprang. Wenn ich auch glauben mußte, daß mein Vater wohl bedacht habe, was er sprach, habe ich doch immer gezweifelt, daß es die Wahrheit gewesen, die er gesagt; jetzt aber, da der Ring in so wunderbarer Weise an’s Licht gebracht, zweifle ich nicht mehr. Das Wappen, das in den Stein eingeschnitten ist, kenne ich sehr wohl; ich habe es ja gar oftmals gesehen auf anderen im Besitze unserer ehemaligen Herrin befindlichen Ringen und in Abdruck auf Siegeln; es ist das Wappen des Gemahls unserer Herrin, des Mannes, den sie, wie Du gelesen, so heiß haßte, der sie aus der Heimath vertrieben und der ihre Güter sich angemaßt, des Mannes, vor dem sie um jeden Preis ihre Tochter schützen wollte. Gott sei Dank, daß dieser, ihrer Tochter, erspart worden ist auch nur zu ahnen, daß der Mann, vor dem sie sich so sehr fürchtete, den sie durch ihr Gesicht wahrscheinlich an ihre Mutter erinnerte und der jedenfalls aus dem Medaillon das Bild des Schlosses erkannte, in welchem sie zusammen gewohnt, daß der Mann, den sie – wenn auch ohne ihre Schuld – erschossen hat – ihr Vater war, der im französischen Heere mit hierher gekommen!
Die Wege des Herrn sind wunderbar.“
Zwei Blätter aus dem „Album für Deutschlands Töchter“ (mit Illustrationen, S. 794 und 795), Blätter aus dem Buche des menschlichen Lebens voll tiefer, rührender Wahrheit. Das ewig alte Leid der Liebe in seiner herzerschütternden Gewalt. Hier der Jüngling, der an der Hand der Mutter sich hülflos niederwirft in heißem Gebete vor dem heiligen Bilde der gnadenreichen Madonna; dort der Mann, der allein mit sich in der Einsamkeit des Friedhofs nach Fassung ringt und seinen stummen Schmerz in tiefster Seele verschließt. Wie oft hat diesen Schmerz der Liebe das Lied des Dichters besungen und die Hand des Künstlers gestaltet! Doch unerschöpflich reich, wie das Leben selbst, bleibt die Kunst in der Verklärung solcher Tragik des menschlichen Herzens, und sie wird stets von ergreifender Wirkung sein, wenn ein Dichter, wie Heine, sich des Stoffes bemeistert. Die Wallfahrt nach Kevlaar zeigt uns so recht, wie wunderbar es Heine verstanden hat, dem Volke sein Empfinden und Sprechen abzulauschen. Betrachten wir das Bild zu diesem Gedichte, dann müssen wir zunächst gestehen, daß gerade der Holzschnitt in seiner kräftigen Unmittelbarkeit sich als vortreffliches Illustrationsmittel solcher volksthümlichen Lieder erweist. Wie lebensvoll und wahr ist jede einzelne Figur dieser mit echt künstlerischem Tacte von Meister Thumann componirten Gruppe! All die Leiden des Leibes und der Seele haben hier ihren ergreifenden Ausdruck gefunden. Wie tief empfunden und wie überaus wirkungsvoll ist der Contrast des lieblichen in ahnungsloser Unschuld dareinschauenden Kindergesichts inmitten dieser herzbewegten, aus Noth und Elend zum Himmel flehenden Menge!
Das zweite Blatt, dem das reizende Lied „Unter den dunkeln Linden“ von Robert Reinick zu Grunde liegt, ist eine höchst stimmungsvolle Naturstudie Heubner’s, deren sorgfältige Durchführung sich auf das richtige Maß zwischen oberflächlicher Skizzirung und subtiler Detailarbeit beschränkt.
Beide Blätter sind einem Buche entnommen, das nun in achter Auflage erscheint und seit mehr als zwanzig Jahren seinen wohlbegründeten Ruf behauptet: dem „Album für Deutschlands Töchter, Lieder und Romanzen. Mit Illustrationen von Thumann, Georgy u. A., Leipzig, C. F. Amelang’s Verlag.“ Die mit sorgsamster Rücksicht auf das Mädchenalter getroffene Wahl der Lieder ist eine überaus glückliche; die Illustrationen rühren von bekannten Meistern her und sind auf das Sauberste ausgeführt. Ueberdies ist die Ausstattung des Buches eine höchst geschmackvolle und glänzende und das Werk somit für den Weihnachtstisch bestens zu empfehlen.
Dr. A. P. Das Original des in unserer Nr. 43 veröffentlichen Portraits der Freifrau Emilie von Gleichen-Rußwurm befindet sich im Deutschen Hochstift zu Frankfurt a. M. Dasselbe stammt von dem dortigen Maler Ferd. Wolf, welcher noch im Besitze einer Oelskizze der Frau von Gleichen und jederzeit bereit ist, dieselbe künstlerisch auszuführen und zu veräußern.
Dem Sohn des Mars in Berlin. Jede berliner Sortimentshandlung giebt darüber Auskunft. Ueber Dietrich von Falkenberg konnten wir keine Specialitäten erfahren.
A. G. in Neudörfchen. Wenn Sie die ostindische Stadt Tellicherry meinen, so wird Ihre vorgeschlagene Schreibweise Telli-Gherry unrichtig sein, weil man neuerdings sogar Tellitscherry geschrieben findet.
N. N. in München. Der Ring ist richtig angekommen und wird in der letzten Rechnungsablage quittirt werden.
Bechstein, Naturgeschichte der Hof- und Stubenvögel. | 5. Auflage. Mit 79 prachtvollen Vogelportraits in Farbendruck, eleg. broch. 2 Thlr. |
Marlitt, Gold-Else. | Illustrirte Salon-Ausgabe. Eleg. geb. mit Goldschnitt 3 Thlr. 15 Ngr. |
Marlitt, Gold-Else. | 9. Volks-Ausgabe. Eleg. brosch. 1 Thlr., eleg. geb. 1 Thlr. 8 Ngr. |
Marlitt, Das Geheimniß der alten Mamsell. | 6. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 2 Thlr. |
Marlitt, Reichsgräfin Gisela. | 4. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 2 Thlr. 20 Ngr. |
Marlitt, Thüringer Erzählungen. | 2. Auflage. Eleg. brosch. 1 Thlr. 15 Ngr. |
Prutz, Rob., Buch der Liebe. | 3. Auflage. Prachtband. 1 Thlr. 22½ Ngr. |
Rittershaus, Emil, Gedichte. | 4. Auflage. Prachtband. 2 Thlr. 5 Ngr. |
Scherenberg, E., Gedichte. | 1 Thlr. 22½ Ngr. |
Scherr, Joh., Goethe’s Jugend. | Gebunden 1 Thlr. 15 Ngr. |
Traeger, A., Gedichte. | 10. Auflage. Prachtvoll geb. mit Goldschnitt 1 Thlr. 22½ Ngr. |
- ↑ * Verfasser von „Eine Leidenschaft“. Die Redaction.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Artikes