Die Gartenlaube (1869)/Heft 1
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No. 1. | 1869. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
Von E. Marlitt.
Es war noch früh am Abend … Die kleine Neuenfelder Thurmglocke erhob pflichtschuldigst ihre Stimme und schlug sechsmal an – das klang wie ein halbersticktes Wimmern; denn der Sturm sauste durch die Schalllöcher und zerblies die dünnen Schläge nach allen vier Winden. Dabei lagerte bereits die undurchdringliche Finsterniß einer lichtlosen Decembernacht über der Erde. … Daß da droben die funkelnden Sternbilder in wandellosem Glanze allmählich aus dem tiefdunklen Grunde hervortraten, daß es unbeirrt leuchtete und glühte wie über der wolkenlosesten, blüthenduftenden Maiennacht – wer dachte daran angesichts der vorüberbrausenden Wetterwand, die Erde und Himmel schied? … Und wer dachte an lieblichen Mondenglanz, an das matte Silberlicht der nachtgeborenen himmlischen Wanderer inmitten der gewaltigen vier Wände, die wie ein riesiger Würfel in das Dunkel hineinragten und an deren Ecken der Sturm machtlos seine Flügel zerstieß? … Da drin funkelte und leuchtete es auch, aber in jener unheimlichen Gluth, die ein Feuerstrom, durch Menschenhand gelenkt und gebändigt, um sich verbreitet. Der Neuenfelder Hochofen war in voller Thätigkeit.
Ein greller, blutigrother Schein entströmte dem Feuerkern des Vorheerdes und floß über die nackten Quadern der Mauern und die geschwärzten Gesichter der schweißtriefenden Arbeiter.
Was dort hervorquoll in fluthender Bewegung und als glühende Thränen geschmeidig vom Gießlöffel herabtropfte, es waren die Erze, die, Jahrtausende starr und kalt im Panzer der Erde zusammengeschichtet, nun während eines einzigen furchtbaren Lebensmomentes in einander rannen, um dann nach menschlicher Willkür und Laune in irgend einer Form zu erstarren!
Die Fenster des mächtigen Baues schimmerten nur matt nach außen, aber droben aus der Esse lohte die weithin sichtbare Gluth, dann und wann eine Funkengarbe ausstoßend, als ob eine vermessene Faust eine Handvoll Sterne gegen den Himmel schleudern wollte – sie zerstoben wirkungslos im Dunkel, wie der Menschengedanke an den sieben Siegeln des großen Geheimnisses über uns.
In dem Augenblick, als es sechs schlug, wurde die Hausthüre der unweit der Gießerei gelegenen Hüttenmeisterwohnung leise aufgemacht; das sonst so vorlaute, unermüdlich nachklingende Thürglöckchen schwieg dabei – es wurde offenbar mit vorsichtiger Hand gehalten, während eine Frau auf die Schwelle trat.
„Ei du liebe Zeit, ‘s ist unterdeß Winter geworden! Da haben wir ja mit einemmal den allerschönsten Weihnachtsschnee!“ rief sie. In diesem Ausruf lag eine heitere Ueberraschung, ein Ton, den man anschlägt beim plötzlichen Wiedersehen eines alten, lieben Bekannten. … Die Stimme klang fast zu sonor und markig für eine Frauenstimme, allein das verschlug den Pfarrkindern von Neuenfeld sehr wenig – sie schwuren auf das, was die Stimme ihrer Pfarrerin sagte, wie auf das Evangelium.
Die Frau schritt vorsichtig die schlüpfrige Freitreppe hinab. In dem langhingestreckten, schwachröthlichen Lichtstreifen, den ihr Laternchen über den Weg warf, flirrte und flimmerte es einen Augenblick ungestört im lautlosen Niedersinken. Aber nun fegte ein jäher Windstoß um die Ecke; er warf der Pfarrerin den großen Kragen ihres Mantels über den Kopf und zerstiebte den lockeren, federweißen Flaum auf Weg und Steg abermals in Atome.
Die Pfarrerin schlug den Kragen zurück, schob mit der Linken den gelockerten Kamm fester in die gewaltigen Haarflechten des Hinterkopfes und zog das um die Ohren gebundene Tuch schützend über die Stirn. Wie ein Reckenweib stand die große, festgegliederte Gestalt inmitten des stäubenden Schneewirbels, und der Laternenschein beleuchtete Züge voll Kraft und Frische, eines jener energischen Gesichter, über welche der strenge Athem des Winters, wie der Wechsel des Lebens gleich erfolglos hinstürmen.
„Nun will ich Ihnen etwas sagen, mein lieber Hüttenmeister!“ wandte sie sich an den Mann zurück, der sie begleitet hatte und auf der Thürschwelle stand. „Da drin durfte ich‘s nicht. … Meine Tropfen sind gut, und auf den Fliederthee lasse ich auch nichts kommen, aber es kann nicht schaden, wenn die alte Röse heute Nacht aufbleibt – vielleicht behalten Sie auch einen von den Hüttenleuten in der Nähe, wenn etwa doch der Doctor herüber müßte.“
Der Mann machte eine Bewegung des Schreckens.
„Tapfer, tapfer, lieber Freund, es kann nicht immer so glatt abgehen im Leben!„“ ermuthigte die Pfarrerin. „Uebrigens ist ja solch ein Doctor beileibe kein Währwolf, und man braucht nicht gleich an das Schlimmste zu denken, wenn man einmal mit ihm zu thun hat. … Ich bliebe gern noch da – denn wie ich merke, sind Sie durchaus kein Held am Krankenbett – aber meine kleinen Panduren daheim wollen essen; ich habe den Kellerschlüssel bei mir und Rosamunde kann nicht über die Kartoffeln. … Und nun Gott befohlen! Geben Sie die Tropfen hübsch pünktlich – morgen in aller Frühe bin ich wieder da!“
Sie ging. Ihre Kleider blähten sich und flatterten wild auf, und der falbe, zitternde Lichtfleck der beunruhigten Laternenflamme hing bald droben an knarrenden Baumästen, bald kroch er scheu [2] am Boden hin; aber mochte der Sturm auch wüthend hinter ihr her sausen, die Frau ließ sich nicht treiben, ihre Schritte blieben fest und gleichmäßig, bis sie verhallten.
Der Hüttenmeister lehnte noch einen Moment in der Thür und seine Augen verfolgten den tröstlichen Lichtschein, bis er in der Ferne erlosch.
Mittlerweile war es in den Lüften stiller geworden – der Sturm hielt den Athem an; von fern tosten die niederstürzenden Wasser eines Wehres und aus der Gießerei scholl das dumpfe Geräusch der Arbeit. Aber auch eilig sich nähernde Fußtritte wurden laut und bald darauf bog eine männliche Gestalt um die Hausecke. Ein Soldatenmantel flog um die hageren Glieder des Mannes; er hatte sich die Schildmütze mit dem Taschentuch auf dem Kopfe festgebunden und vor ihm her fiel es hell aus der großen Stalllaterne, die er in der Linken trug.
„Was, zwischen Thür und Angel bei dem Lüftchen, Hüttenmeister?“ rief er, als das Laternenlicht auf den einsam dort lehnenden Mann fiel. „Aha, da ist also der Student nicht angekommen und Sie schauen noch nach ihm aus – wie?“
„Ach nein, Berthold ist schon seit heute Nachmittag da, aber er ist krank und macht mir viel Sorge,“ entgegnete der Hüttenmeister. „Kommen Sie doch herein, Sievert!“
Sie traten in das Haus.
Es war eine große, ziemlich niedrige Stube, die der Hüttenmeister öffnete. Draußen tobte eben der Sturm mit erneuter Wuth gegen die alten Wände, die, nach innen so traut und friedlich, liebe Familienbilder auf ihrer helltapezirten Fläche trugen.
Ein feiner Luftzug drang freilich durch die Fensterritzen und bewegte dann und wann leise die großgeblumten Kattunvorhänge, aber sie verhüllten fest zusammengezogen die Scheiben und das wilde Schneetreiben jenseits derselben. Ist etwas geeignet, eine Familienstube auf dem Thüringer Wald heimisch und gemüthlich zu machen, so ist es der gewaltige Kachelofen, der oft selbst im Hochsommer seine Thätigkeit nicht einstellt. Auch hier ragte er riesig und dunkel weit in das Zimmer herein, und die erhitzten Kacheln verbreiteten eine gleichmäßige köstliche Wärme.
So hätte die altväterisch eingerichtete Eckstube leicht das Gefühl der Behaglichkeit erwecken können, wäre nicht der ominöse Duft des Fliederthees gewesen, der die Luft erfüllte; ein eilig aus grünem Papier hergestellter Schirm dämpfte das Lampenlicht, und der Perpendikel hing bewegungslos in der hölzernen Wanduhr – lauter Anstalten, die eine vorsorgliche Frauenhand verriethen.
Der Gegenstand aller dieser Umsicht und Fürsorge schien sich jedoch vorläufig noch energisch gegen die Krankenrolle zu sträuben.
Es war ein blutjunges Menschenkind, das den Kopf unaufhörlich zwischen den weißen Kissen des auf dem Sopha improvisirten Lagers hin und her warf; die wärmende Decke war zum Theil auf den Fußboden herabgeglitten und der ungeduldige Patient schob eben die gefüllte Theetasse grollend weit von sich, als die beiden Männer eintraten.
Wir sehen jetzt den Hüttenmeister in einem vollen Strahl der Beleuchtung, den der unbedeckte Theil der Lampe auf ihn wirft. Er ist ein auffallend schöner junger Mann von imposanter Gestalt. Wir begreifen nicht, wie er sich unter der niedrigen Zimmerdecke so zwanglos bewegen kann – man meint, sie müsse seinen lockigen Scheitel streifen. Seltsam contrastirt das aschblonde Haupt- und Barthaar mit den schöngeschwungenen, sehr dunklen Brauen; sie sind über der Nasenwurzel zusammengewachsen und geben dem Gesicht etwas unbeschreiblich Melancholisches – der Volksglaube sieht in dieser eigenthümlichen Bildung einen Stempel des Unglücks, die untrügliche Prophezeiung eines traurigen Schicksals.
Dem unbetheiligten Beobachter würde es sicher nicht einfallen, den Kranken und diesen hochgewachsenen Mann für Blutsverwandte zu halten. Dort das knabenhafte magere Gesicht mit dem bleichen, alabasterartigen Teint und der römischen Profillinie unter einer köstlichen Fülle bläulich schwarzer Locken, und hier der echt deutsche Typus, eine blühend kräftige, blondbärtige Männergestalt, das untadelhafte Bild der Thüringer Edeltanne – und doch sind die Beiden Brüder, zwei Menschen, die nur noch ein Familienband besitzen, das unter sich.
Der Hüttenmeister trat rasch an das Bett, hob die Decke empor und umhüllte den Kranken bis über die Schultern; dann nahm er die verächtlich weggeschobene Tasse und hielt sie an dessen Lippen. Das geschah schweigend, aber mit einem unabweisbaren Ernst, gegen den sich schlechterdings nichts einwenden ließ. Der rebellische Patient wurde plötzlich sanftmüthig und leerte die Tasse pflichtschuldigst bis auf die Neige; darauf ergriff er mit einer leidenschaftlich zärtlichen Geberde die Hand des Bruders und seine Wange daran schmiegend, zog er sie mit sich auf das Kissen nieder.
Währenddem war der Mann im Reitermantel auch näher getreten.
„Na, junger Herr, ist das auch eine Art, in’s Quartier einzurücken? Pfui, schämen Sie sich!“ sagte er, indem er die Laterne aus den Tisch stellte. Diese Anrede sollte jedenfalls humoristisch klingen, durch die eigenthümlich rauhe und ungefügige Stimme des Mannes erhielt sie jedoch weit mehr den Charakter einer derb polternden Zurechtweisung – ein Eindruck, der noch verstärkt wurde durch das unwandelbar finstere Gepräge der Gesichtszüge, – sie sahen fast zigeunerhaft dunkel aus der Umhüllung des grellrothen, baumwollenen Taschentuchs.
Der Angeredete fuhr empor; eine jähe Röthe flammte über das blasse Gesicht, und seine aufgeregten Augen hefteten sich finster forschend auf den Eingetretenen, den er bis dahin nicht bemerkt hatte. Dabei zuckte seine Rechte unwillkürlich nach dem auf dem Tisch liegenden Cereviskäppchen, dem Abzeichen seiner Würde als Student und Burschenschafter.
„Laß gut sein, Berthold!“ sagte, lächelnd über diese Bewegung, der Hüttenmeister. „Es ist ja unser alter Sievert –“
„Ei, was wird denn dies junge Blut da vom alten Sievert wissen?“ fiel ihm der Mann im Soldatenmantel trocken in das Wort. „Als flotter Bursche weiß Einer nicht mehr, wie gut ihm der Kinderbrei geschmeckt hat – gelt, Herr Student? … Da, just auf der Stelle, wo Sie jetzt liegen, stand dazumal die Wiege, und da lag der kleine Kerl drin und strampelte und schrie nach der todten Mutter und schlug dem Vater und der Röse den Breilöffel aus der Hand – weiß der Henker, was Ihnen an meinem Gesicht so besonders gefallen hat, aber da wurden Boten über Boten in das Schloß geschickt, und der Sievert mußte her und den Kleinen füttern. … Hei, wie er da lachte! Die Thränen kollerten noch über die Backen, aber der Brei rutschte glücklich hinunter!“
Der Student reichte dem Sprechenden beide Hände über den Tisch hinüber. Der knabenhafte Trotz in seinen Zügen war einem fast mädchenhaft kindlichen Ausdruck gewichen. „Das hat mir mein Vater oft genug erzählt,“ entgegnete er mit weicher Stimme, „und seit Theobald Hüttenmeister in Neuenfeld geworden ist, hat er mir auch viel von Ihnen geschrieben.“
„So, so – kann sein,“ brummte Sievert. Damit schien er jede weitere Erörterung abschneiden zu wollen. Er schlug seinen Mantel zurück, und der Anblick, den er jetzt darbot, machte den Studenten hell auflachen. Am rechten Arm hing ihm ein Henkeltopf aus weißem Blech, daneben ein Weidenkorb, in welchem ein Brod lag; an einem seiner Rockknöpfe baumelte ein Bündel Unschlittkerzen, und aus der Brusttasche guckte der Glasstöpsel eines Rumfläschchens im Verein mit einer gefüllten Papierdüte.
„Ja, ja, da lachen Sie nun!“ sagte der Alte – diesmal konnte man leicht eine starke Dosis Groll, aber auch einen Anstrich von Resignation aus der harten Stimme heraushören – „Dazumal war ich Kindermagd und jetzt bin ich Küchenjunge – hat mir mein Vater auch nicht an der Wiege gesungen. … Was soll man nun da sagen! … Die alte Frau trinkt keine Ziegenmilch, das weiß Fräulein Jutta besser als ich; aber wenn ich nicht daran denke, daß Kuhmilch im Dorfe geholt wird, da geschieht es auch ganz gewiß nicht. … Ich komme heute mit todtmüden Beinen aus dem Walde, habe ein hübsches Bündel Holz zusammengeschlagen und freue mich auf die warme Stube – ja post festum, da ist die Milch vergessen, keine Krume Brod im Schranke, und auf dem Leuchter steckt das letzte Stümpfchen Licht. Fräulein Jutta aber ist aufgedonnert, als ging’s zu einer Hoftafel beim Kaiser von Marocco, und spricht von Thee-Gesellschaft; na, die hätte uns noch gefehlt im Waldhause! Möchte nur wissen, mit was sie den Herrn Studenten hat tractiren wollen! O über –“
Während Sievert’s Schilderung war der Hüttenmeister flammendroth geworden; bei dem letzten Ausruf aber hob er drohend den Zeigefinger, und ein so zornsprühender Blick traf den [3] Alten, daß er scheu die Augen wegwandte und den Satz unvollendet ließ. Der Student dagegen war das Bild der gespanntesten Aufmerksamkeit – er hatte beide Arme auf den Tisch gelegt, und seine Augen hingen unverwandt an den Lippen des Sprechenden.
„Na, und Bauernbrod kann ich der alten Frau auch nicht auf den Tisch bringen,“ fuhr Sievert nach einer Pause ablenkend fort; „da bin ich noch nach Arnsberg gelaufen, und der Schloßverwalter hat mir nolens volens dies Brod da herausrücken müssen. … Der weiß übrigens auch nicht, wo ihm der Kopf steht. In der Küche hantirt der Koch aus A.; ein halb Dutzend Bedienten rennt hin und her; es wird gesäubert, geheizt und beleuchtet aus Leibeskräften – Seine Excellenz, der Minister, kömmt trotz Sturm und Schneewetter heute Abend noch nach Arnsberg. In A., und ganz besonders in seinem Hause, ist der Typhus ausgebrochen, und da will er die kleine Gräfin in Person auf das einsame Arnsberg retten.“
Ein Zug tiefen Mißbehagens ging durch das schöne Gesicht des Hüttenmeisters. Er schritt rasch einigemal im Zimmer auf und ab.
„Und wissen Sie nicht, wie lange der Minister hier bleiben will?“ fragte er stehenbleibend.
Sievert zuckte die Achseln.
„He, was weiß ich!“ sagte er. „Ich denke mir übrigens, es ist ihm weniger um das Kind, als um seinen eigenen heiligen Leichnam zu thun, und da wird er ja wohl abwarten, bis Freund Hein aus A. wieder abgezogen ist.“
Das waren offenbar keine erfreulichen Nachrichten für den jungen Mann; er blieb einen Moment nachdenklich mitten im Zimmer stehen, enthielt sich jedoch jeder weiteren Bemerkung.
„Sievert,“ sagte er nach einer Pause, „erinnern Sie sich des Herrn von Eschelbach?“
„Ei ja – er war Leibarzt beim Prinzen Heinrich und hat mir einen Armbruch glücklich curirt. … Vor circa sechszehn Jahren ist er über's Meer gegangen und hat nie wieder ein Sterbenswort von sich verlauten lassen – so viel ich mir denke, haben ihn die Seefische gefressen.“
„Bis jetzt noch nicht, Sievert!“ entgegnete lächelnd der Hüttenmeister. „Heute Nachmittag kam ein weitgereister, an meinen verstorbenen Vater adressirter Brief in meine Hände. Der Todtgeglaubte schreibt eigenhändig, daß er mit wehmüthiger Freude der Zeit gedenke, wo er von Schloß Arnsberg aus nach dem Hüttenmeisterhaus in Neuenfeld gewandert sei, um saure Milch unter den Linden zu essen. … Er lebt unverheirathet und kinderlos in Brasilien, ist unumschränkter Besitzer großer Bergwerke, Eisengießereien etc., führt aber ein völlig einsiedlerisches Leben und bittet schließlich meinen Vater, ihm einen seiner Söhne zu schicken, da er oft leidend sei und einer Stütze bedürfe.“
„Hei, da giebt's eine fette Erbschaft!“
„Sie wissen, Sievert, daß ich um keinen Preis von Neuenfeld fortgehen werde,“ sagte der Hüttenmeister kurz.
„Und mir fällt es nicht ein, mich auf diese Weise von Theobald zu trennen – Herr von Eschebach mag seine Gold- und Silberminen behalten!“ rief lebhaft der Student, auf dessen Wangen allmählich zwei rothe Flecken zu glühen begannen.
„Nu, nu, da behält er sie eben!“ brummte Sievert, indem er sich, wie in Gedanken verloren, mechanisch auf einen Stuhl niederließ. „So, so, der ist also reich geworden!“ sagte er nach einer Weile und rieb sich nachdenklich das stachlige, graubartige Kinn. „Von Haus aus war er eigentlich ein armer Schlucker –“
„Und weshalb ist er nach Brasilien gegangen?“ unterbrach ihn der Student.
„Ja, weshalb – da fragen Sie nach zu viel. Uebrigens – gedacht hab' ich mir manchmal, daß den eine einzige schlimme Nacht fortgetrieben hat.“
In diesem Augenblick schnob der Sturm mit einem schrillen, anhaltenden Pfeifen draußen um die Ecke. Die Fenster klirrten, und ein Dachziegel krachte zerberstend auf das Steinpflaster.
„Hören Sie?“ fragte Sievert, mit dem Daumen über die Schulter nach dem Fenster zeigend. „Just so eine Winternacht war's – eine Nacht, in der die ganze Höllenjagd über den Thüringer Wald hintobte. Das heulte, pfiff und gellte, es rüttelte an dem alten Arnsberger Gemäuer, daß die Bilder an den Wänden zitterten, und aus den Kaminen schossen die Flammen weit in die Zimmer herein – es war, als sollte das Schloß von der Erde weggefegt werden … Am anderen Morgen lagen alle Steinbilder umgerissen im Schloßgarten, dickstämmige Bäume waren geknickt und zersplittert wie Rohr, und im Schloßhof lagen Glassplitter, Ziegelscherben und zerbrochene Fensterladen handhoch durcheinander – auf dem verwüsteten Dach aber steckte die Trauerfahne, und drin in Arnsberg wurde mit allen Glocken geläutet, weil in der Nacht Prinz Heinrich gestorben war.“
Er schwieg einen Moment; dann lachte er rauh auf.
„Was half ihnen alles Läuten!“ fuhr er fort. „Was half der Fürstin die kohlschwarze Schleppe und Schneppe und dem Lande das schwarzgeränderte Wochenblatt – sie mußten sich doch Alle den Mund wischen, denn es war Todtfeindschaft gewesen bis an's Ende … Das müssen Sie ja noch wissen, Hüttenmeister!“
„Ja – ich war damals noch ein Kind, aber ich erinnere mich recht gut, daß Gehässigkeiten zwischen A. und Arnsberg hin- und herflogen, und daß der Prinz seinen Leuten nicht einmal den Umgang mit den fürstlichen Beamten gestatten wollte – mein Vater hatte als herrschaftlicher Hüttenmeister auch darunter zu leiden.“
„Richtig – und wer von den Cavalieren hielt damals zu dem Prinzen Heinrich und hauste mit ihm auf Arnsberg?“
„Nun, das war Ihr Herr, Sievert, der Major von Zweiflingen, Herr von Eschebach und der jetzige Minister Baron Fleury.“
„Ja der!“ lachte Sievert abermals bitter auf. „Der war ein Pfifficus sein Lebenlang! Die beiden Anderen kamen nie in die Stadt, geschweige denn an den Hof – es wär' ihnen auch schlecht genug bekommen – Seine Excellenz aber scherwenzelte hüben und drüben. Weiß der Henker, wie er's angefangen hat, aber jede Partei drückte die Augen zu, wenn er mit der andern verkehrte – das kann eben nur so ein französischer Windbeutel, und dem glückt's auch bei den – pfiffigen Deutschen … Ja, die am Hofe zu A. haben wohl gemeint, er könne Frieden stiften und ihnen schließlich zu ihrem Erbe verhelfen – ha, ha, sie Alle waren dem Weiberkopfe nicht gewachsen, der im Wege stand!“ -
„Die Gräfin Völdern“ – warf der Hüttenmeister ein – ein tiefer Schatten breitete sich über sein Gesicht.
„Ja, ja, die Gräfin Völdern drüben auf Greinsfeld … Der Prinz nannte sie seine Freundin, – die Leute aber waren unhöflicher und nannten sie noch ganz anders, und sie hatten Recht. Die wickelte Seine Durchlaucht um die Finger, sie machte ihn recht und link, und wenn er sagte ,weiß', da sagte sie ‚schwarz‘, und dabei blieb's auch allemal. … So viel Nichtsnützigkeit, solch' ein gerütteltes Maß voll Sünden und – keine Strafe! Das elende Weib ist gestorben, leicht und selig wie eine Gerechte. Sie hat nur einmal Furcht und Angst ausgestanden, und das war in selbiger Nacht!“
Was für Erinnerungen mußten in dem alten Mann aufsteigen daß er so ganz und gar seine gewöhnliche Gangart verließ! Der Zug der Verschlossenheit, des verbissenen, wortlosen Grimmes konnte nicht treffender charakterisirt werden, als durch diese nach innen gekrümmten Lippen mit den herabgezogenen Mundwinkeln – und jetzt war dieser schweigsame Mund beredt; die monoton rauhe Stimme lebte unheimlich auf in den Tönen des Hasses und der Verachtung und hatte etwas so Zwingendes, daß der Kranke das fieberhafte Hämmern hinter seiner Stirn vergaß, während sein Bruder gespannt und hingerissen Dingen lauschte, die er in ihrer Entwickelung zum Theil bereits kannte.
„Die Schloßleute munkelten schon längst, daß es nahe am Ende sei mit dem Regiment der Gräfin,“ fuhr Sievert fort. „Da wollte ein Jeder beim Prinzen verschiedene Anzeichen observirt haben – nur sie nicht; sie war nie toller und boshafter gewesen, und weil sich der Prinz eines schönen Tages einfallen läßt, seine verstorbene Frau zu loben, so beschließt sie in selbem Augenblick, einen großen Maskenball auf ihrem Gute zu halten und zwar – just am Todestag der armen, braven Prinzessin … Das schlug dem Faß den Boden aus! Der Prinz ist ganz blaß geworden vor Aerger und hat ihr streng befohlen, die Mummerei aufzuschieben – da hat sie hell aufgelacht, hat sich auf dem Absatz ’rumgedreht und gemeint, der Tag passe ihr gerade, und sie wolle auch recht schön beleuchten zu Ehren der Prinzessin. …
Also der Abend kam, und was sich Niemand, am allerwenigsten aber die Frau Gräfin, erwartetet hätte: der Prinz blieb richtig zu Hause, und die drei Herren, mein Major, der Baron [4] Fleury und Herr von Eschebach, die auch eingeladen waren, mußten bei ihm bleiben. … Der Prinz hatte mich gern, und wenn er Abends mit den Herren spielte, da schickte er seine Lakaien fort, und ich mußte auf seinen Befehl allein im Vorzimmer bleiben. …
Da saß ich denn auch mutterseelenallein im Fenster und horchte auf den gräulichen Tumult draußen. – Herr, um solch’ ein altes Schloß heult der Sturm in einer ganz besonderen Tonart! Da singt und klingt Alles mit, was das alte Gemäuer gesehen hat – Turniren und Banketiren, und was alles für todte Herrlichkeiten – aber auch Verbrechen und Unthaten die schwere Menge! … Es hatte Elf geschlagen, aber überall im Schlosse brannten noch die Lichter, kein Mensch traute sich in’s Bette … auf einmal wurden d’rin im Zimmer die Stühle fortgeschleudert, es riß an der Klingel wie Sturmläuten, und wie ich die Thüre aufmache, da liegt Prinz Heinrich todtenblaß, mit weit aufgerissenen Augen in seinem Lehnstuhl, und das Blut stürzt ihm stromweise aus Mund und Nase. … Die Schloßleute liefen zusammen und klagten und jammerten; aber hinein durfte Niemand mehr – ich auch nicht. …
Herr von Eschebach verstand seine Sache, er war der beste Doctor weit und breit, es heißt aber: ‚für den Tod kein Kraut gewachsen ist’ – dem Prinzen seine Stunde hatte geschlagen – und da kam mit einemmal Baron Fleury heraus und verlangte ein Pferd. ‚Es geht zu Ende mit dem Herrn,’ sagte er zu dem Stallmeister so laut, daß es die Leute noch auf der untersten Treppenstufe hören konnten; ‚ein Ritt nach A. in dieser Nacht ist so gut wie Selbstmord; aber der Prinz will sich mit dem Fürsten versöhnen – ein Schuft, der nicht sein Leben dran setzt’ … Fünf Minuten später hörte ich ihn auf der Chaussee nach A. hinjagen. … Von dem Augenblick an verhielten sich Alle im Schlosse mäuschenstill – die Gräfin sollte ja tanzen, tanzen, bis – der Fürst sein rechtmäßiges Erbe in der Hand hatte. … Da stand ich nun wieder im Fenster und zählte in Todesangst die Minuten – ein scharfer Reiter brauchte eine gute Stunde nach der Stadt.
Mein Major und Herr von Eschebach waren allein beim Prinzen; er hatte noch seine volle Besinnung, – wenn ich der Thüre nahe kam, hörte ich deutlich, wie er mit pfeifendem Athem, ruckweise, den Herren dictirte. … Dort lag Schloß Greinsfeld – wär’ eine klare Nacht gewesen, da hätte ich von meinem Fenster aus ‚die Beleuchtung zu Ehren der Prinzessin Heinrich’ als hellen Punkt sehen können. ‚Hei, tanze Du nur und jubilire da drüben!’ dachte ich, wie die Schloßuhr draußen Zwölfe herabrasselte. ‚Nur noch eine einzige Stunde, und Dein Tanz hat eine halbe Million gekostet!’ … Im selben Augenblick kam die Windsbraut wieder daher gejohlt – ein Schlot stürzte ein, und das Mauerwerk prasselte nieder auf das Pflaster im Schloßhof, aber es klang auch dazwischen wie Pferdestampfen und Räderrollen – da sprang die Thüre auf, und da stand sie – Herr, da stand das Weib! Der Satan mußte sie hergeführt haben! Es weiß bis heute Keiner, was da geschehen ist, und wer den Verräther gemacht hat! … Sie riß den Pelzmantel ab, schleuderte ihn auf den Boden und lief nach dem Sterbezimmer; aber da stand ich schon und hielt das Thürschloß in der Hand. ‚Da hinein darf Niemand, Frau Gräfin!’ sagte ich. Sie stand einen Augenblick wie versteinert; ihre funkelnden Augen bohrten sich wie Mordspitzen in mein Gesicht. ‚Unverschämter, das soll Dir theuer zu stehen kommen!’ zischte sie. ‚Fort, mir aus dem Wege!’ … Ich wich und wankte nicht. Drin im Zimmer mußten sie aber doch was gehört haben – mein Major kam heraus. Er schlug gleich die Thüre hinter sich zu und nahm meinen Vertheidigungsposten ein, während ich auf die Seite trat. … Es war merkwürdig – er hatte auf einmal etwas im Gesicht, was mir nicht gefiel. … Sie haben die Gräfin gekannt, Hüttenmeister.“
„Ja, sie galt für eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. … Drüben im Schloß Arnsberg hängt ja noch ihr Bild – eine geschmeidige, schlanke Gestalt, große kohlschwarze Augen in einem schneeweißen Gesicht, und darüber förmlich strahlendes, goldblondes Haar“ –
„Das war’s eben!“ unterbrach Sievert grimmig lächelnd die Schilderung. „Weiß der Henker, wie sie’s angefangen hat! Sie war dazumal hoch in den Dreißigen und hatte schon eine Tochter von siebzehn Jahren; aber sie sah aus wie Milch und Blut – die Jüngste konnte nicht aufkommen neben ihr, und kein Mensch wußte das besser, als sie selbst. … Das elende Komödiantenweib! Wie zerbrochen fiel sie auf einmal vor meinem Herrn hin, und schlang ihre weißen Arme um seine Kniee. Sie steckte noch in den Maskenkleidern – das funkelte und glitzerte, und das gelbe Haar, das ihr der Sturm auseinandergerissen hatte, schleifte lang nach auf dem Boden; an der Seite des Gesichts aber floß es schmal und roth nieder und ringelte sich über den weißen Hals hin, wie eine kleine Schlange – hm, eine Schlange mußte freilich dabei sein, wo eine Mannesehre zerbrach, der bis dahin kein Fleckchen nachzusagen war! … Herr, mir zuckte es in den Fäusten, die Erbschleicherin von der Schwelle wegzujagen, wo sie nichts mehr zu suchen hatte, – und er stand da, kreideweiß, und entsetzte sich über einen Hautriß an der Stirn des elenden Weibes – ein Stein aus dem niederprasselnden Mauerwerk hatte ihre Stirn gestreift – wenn er nur besser getroffen hätte! … ‚Ich bin verwundet,’ sagte sie so schwach, als ging’s zu Ende mit ihr; ‚wollen Sie mich hier umkommen lassen, Zweiflingen?’ Und sie haschte nach seiner Hand und zog sie an ihren lügnerischen, falschen Mund. … Hei, da schlug es wie eine Feuerflamme über sein Gesicht! Er riß die Frau in die Höhe und – ich weiß bis heute nicht, wie es zuging – sie mußte ein Teufel sein an Schlauheit und Behendigkeit, im Umsehen war sie drin im Zimmer und warf sich vor dem Sterbebett nieder. … ‚Fort, fort’ schrie der Prinz und stieß mit den Händen nach ihr; aber da schoß ihm auch schon wieder ein Blutstrom aus dem Mund, und zehn Minuten nachher war’s aus und vorbei mit ihm.“
Einsam und still
Schreit ich dahin
Im fremden Land.
Der Heimath fern,
Die Jugend vorbei,
Die glückselige Jugend,
Und mein Liebstes, mein Theuerstes
Nun im Grab,
Still ist dein Herz,
Das so lange geschlagen
Für mich allein
In Leid und Lust,
Mutterherz. –
Geschlossen dein Aug’,
Das so manche Stunde
Gewacht und geweint
Und es modert die Hand,
Die liebe Hand,
Die so oft mich gestreichelt
In seliger Zeit;
Und all’ deine Liebe,
Hast Alles genommen
Mit hinein
In’s dunkle, in’s schaurige
Und es fällt mein Blick
Auf das weiße Linnen,
Das kühl und lind
Den Leib mir umhüllt.
Grünte hervor,
Dicht hinter des Gartens
Süßduftender Hecke
Wuchs und blühte
Im Elternhause
Ward er bereitet
Und schimmerte hell
Und seidenweich
Im Wohngemach,
Bei traulicher Lampe
Saßest und spannst du,
Indeß ich dir vorlas
Und jeder Faden,
Durch deine Finger
Ist er geglitten,
Die Lieben Finger
Die oft mir die glühende
Wange gestreichelt
Und segnend geruht
Auf des fröhlichen Knaben
Und tausend Wünsche,
Fromme, heilige
Segenswünsche
Spannst du mit hinein,
ich fühle, ich fühl’ es,
Aus des Gewebes
Verschlungenen Fäden
Strömt dein Segen
Trauernde Herz. –
Und trostvoll heimisch
Wird mir zu Muth,
Als ob du selbst
Lieben und schützend
Still mich umfingst,
Mutter, – Mutter!
Pariser und deutsche Thierliebhabereien.
Paris ist das Paradies der Frauen, aber die Hölle der Thiere, sagt mit voller Begründung das Sprüchwort! Der Pariser erbarmt sich seines Viehes nicht wie der Gerechte, und zu bedauern ist die arme Creatur, die in seine Hände fällt. Schonungslos zwingt er Pferd und Esel in seinem Dienst zu der höchsten Anstrengung, und die für Küche und Keller bestimmten Thiere unterwirft er einer oft grausamen Mast und tödtet sie mit unerhörter Härte. Im Wald und auf der Haide ist nichts, auch nicht die kleinste Ammer oder Lerche vor seinem Netz und Rohr sicher, und anders als der deutsche Jäger, der den edeln Hirsch mit barmherziger Kugel fällt, hetzt er das Wild, bis es zusammenbricht.
Nur drei Geschöpfe haben es verstanden, sich seine volle Liebe und unbegrenzte Zuneigung zu erobern: der Hund, die Katze und der Canarienvogel. Letzterer ist noch heute der Genosse vieler Familien, aber es gab eine Zeit, wo er verbreiteter war. Das war damals, als noch nicht die großen breiten Boulevards durch das alte Paris gebrochen, und Ouvrière und Grisette noch im Quartier der Jugend ihr bescheidenes Kämmerlein fand, das sie mit ihrem heiteren Vogel theilen konnte. Jetzt ist das anders. Die Arbeiterin ist hinausgedrängt in die weiten Faubourgs, die Grisette hinübergezogen „auf die andere Seite des Wassers“ und eine große Dame geworden; mit den entschwundenen Tagen hat sie den kleinen Sänger vergessen. So ist er seltener geworden unter den Armen.
Der wohlhabende Pariser dagegen hat sich den kostbareren Hund zum Freunde erkoren. Zuwider der englischen und deutschen Neigung liebt er möglichst kleine gekünstelte Arten, die weder zuverlässig wachsam noch treu sind. In Gestalt und Zeichnung unterwirft er sie der ewig wechselnden Mode, stutzt ihnen je nach herrschendem Geschmack die Ohren und den Schwanz, scheert sie ganz oder theilweise, putzt sie mit Bändern, Jacken und Decken ja, färbt sie grün und rosa, gelb und blau.
In so manchen vornehmen Häusern ist das Baden und Parfümiren des Hündchens der Dame, seine Pflege und das Spazierenführen desselben Hauptobliegenheit eines der dienstbaren Geister. Durch den fortwährenden Verkehr mit Menschen haben es die Thiere oft zu einer außerordentlichen Klugheit und Anstelligkeit gebracht. Es ist wohl möglich, daß viele Hunde, wenn nicht mehr, so doch ebensoviel Verstand besitzen als ihre Herren. Das französische Volk glaubt sich das Erste der Welt. Wer weiß, ob nicht seine Hunde von sich dasselbe denken, sich die wohlgezogensten, klügsten Hunde des Erdballes glauben. Unverschämt, knurrig und bissig genug sind sie dazu!
In größtem Maßstabe betreiben Regent und Adel Frankreichs die Hundeliebhaberei. Auf den kaiserlichen Palästen um Paris werden nach Hunderten von Köpfen zählende Meuten der vorzüglichsten Racen unterhalten, um bei Hofjagden verwendet zu werden. Auch Nero, der berühmte, in Stein und Erz verewigte Neufundländer des Kaisers, residirte, wenn er sich nicht in unmittelbarer [6] Nähe seines Herrn, befand, auf einem jener Schlösser.
Jetzt ist er todt, und der kühle, immergrüne Rasen des Tuileriengartens deckt seine Gebeine. Bei seinem Begräbnis soll, wie man bestimmt versichert, der Kaiser geweint haben.
Die Katze nun, jedoch nicht unsere schlanke, gewandte Mieze, sondern die bei Weitem größere, mit langen, seidenartigen Haaren und dickem, buschigem Schwanz versehene Angorakatze, von meist schwarz-weiß-brauner Zeichnung und gravitätischem Benehmen, ist das entschieden beliebteste Hausthier von Paris. Sie ist nicht nur Leidens- und Freudensgefährtin zahlloser alter Jungfern, Hagestolzen und kinderloser Ehepaare, sondern ein fast unentbehrliches Factotum der Familien und Comptoire.
Ich sah daher diese Thiere auch überall sich breit machen. In Apotheken, Bäckerladen, Putzwaarengeschäften, Hausmannsstuben, Verkaufsläden etc. schleichen und steigen sie vorsichtig und geräuschlos über und zwischen den Waaren herum, suchen sich ein bequemes Ruheplätzchen, oder fordern schnurrend, den Rücken krümmend und mit dem Schwanze balancirend auf, daß man sich mit ihnen befassen, mit ihnen spielen soll. Die Eintretenden sind auch fast immer dazu geneigt, und wem eine Katze in das Bereich seiner Hände kommt, der kann selten unterlassen, sie zu streicheln und tändelnd mit ihr zu kosen. – Alle soeben genannte Läden haben in der Regel große, auf’s Geschmackvollste aufgeputzte Schaufenster, und da sieht man nun von den Straßen aus Katzen, die im Sommer die Wärme und wohl immer das Licht und die Aussicht suchen mögen, im Innern dieser Fenster zwischen Medicinflaschen und Pulverschachteln, neben Broden und Brödchen, unter aufgehängten Hüten, Hauben, Blumen und Bändern, auf classischen und unclassischen, auf allen möglichen wissenschaftlichen Werken ruhen. Wem dieses Katzenwesen oder Unwesen, wie man’s nehmen will, nicht gefallen sollte und wer sich in diesem Sinne eine Bemerkung erlaubte, würde von den Einwohnern der Stadt, welche „an der Spitze der civilisirten Welt steht“, nicht begriffen, für einen Wilden, einen Hottentotten gehalten werden.
Daß die französische Angora-Katze unter solchen Umständen bei allen Classen eine höchst beliebte Gesellschafterin ist, versteht sich von selbst, und um gerecht zu sein, muß man zugestehen, daß sie solcher Popularität nicht ganz unwürdig ist, denn sie ist zutraulich, schön in Farbe und Gestalt, reinlich, überläßt aber stolz das Mäuse und Rattenfangen ihrem Concurrenten, dem Hunde. Wehe dem, der einer Katze etwas zu Leide thut; Processe, Prügeleien, Todtfeindschaft können die Folgen solchen Vergehens sein.
Welcher Schrei der tiefsten Entrüstung ertönte eines Morgens nicht weit von meiner Wohnung, als man aus einem Kehrichthaufen wenigstens ein Dutzend Katzenköpfe und ebensoviel Schwänze erblickte! Die Kunde von der blutigen Saat verbreitete sich schnell in alle umliegenden Häuser, und aus ihnen stürzten alte und junge Gevatterinnen, welche seit längerer oder kürzerer Zeit ihren Liebling vermißten, und suchten mit feuchten Augen auf diesem Schlachtfelde das theure Haupt, und glaubte die Eine oder die Andere es entdeckt zu haben, dann stöhnte und schrie es: „Ach, das ist meiner Muni, das ist Finette’s Kopf!“ Und der Kreis der Umstehenden stimmte ein mit Beileidsbezeigungen und forderte im Chor den Himmel und die Polizei auf zur Rache und Bestrafung solcher Gräuelthat. Es ist bekannt, daß es hier Leute giebt, welche dies Wildpret einsaugen, wo sie es habhaft werden können; sie schneiden ihm Köpfe und Schwänze ab und verkaufen es an niedere Garküchen, wo es als Kaninchen, unter dem Volke ein höchst beliebtes Gericht, aufgetragen wird. Ein solcher Katzenräuber mochte in früher Morgenstunde den Abfall seiner Beute auf den Kehrichthaufen geworfen haben.
In der Nähe meiner jetzigen Wohnung befindet sich das Hotel de Clumy mit seinem Garten. In diesen flüchteten sich allabendlich eine Menge herrenloser Katzen. Bei der Größe der Stadt kann es nicht fehlen, daß beim Ausziehen und anderen Gelegenheiten Katzen ihr Asyl verlieren, sich von ihren Besitzern verirren und dann auf gut Glück Nahrung und Schlafstätte suchen müssen. Eine solche ist genannter Garten. Da sah man noch vor Kurzem jeden Morgen ein Mädchen nahen; sie trug eine große Schüssel, stellte diese auf das den Garten umgebende Trottoir und blieb zurückgehend in einiger Entfernung stehen. Kaum war das geschehen, so sprang eine Katze nach der andern zwischen den Stangen des eisernen Geländers durch, nahm sich ein Stück von dem Fleische in der Schüssel und kehrte auf demselben Wege in den Garten zurück. War das Gefäß leer, so nahm es das Mädchen und ging damit dahin, woher sie gekommen. Oft und Jedem, der es hören wollte, erzählte sie mit französischer Geschwätzigkeit, die jede Gelegenheit ergreift sich mitzutheilen, daß ein alter Herr sie nur für diesen Dienst gedungen, daß sie monatlich bezahlt werde und täglich den Katzen das Frühstück vorsetzen müsse, wie man eben gesehen, und daß der genannte alte Mann dieses Werk einer musterhaften Barmherzigkeit, die sich selbst des fremden Viehes annehme, seit so und so langer Zeit ausübe.
Aber ach, hienieden ist Nichts von Dauer! Die Aufseher des Gartens erhielten unlängst Befehl die ungebetenen Gäste zu vergiften, da man sie schwerlich durch ein weniger wirkbares Mittel hätte loswerden können. Und jetzt ist alle Spur jenes rührenden Katzenfrühstückes verschwunden.
Der Katzenverpflegung sind zwei Handelsartikel besonders gewidmet. Erstens Lunge; diese sieht man häufig in den Straßen von Frauen und Kindern nach Hause tragen; selbst Männer bringen sie ihren Lieblingen in der Tasche mit. Dann Blumentöpfe mit drei bis vier Zoll hohem, jungem Grase. Solche Töpfe sind auf den Blumenmärkten und bei allen Kräuterhändlern zu zehn Centimen das Stück zu haben. Die Katzen benagen die zarten Halme, wahrscheinlich aus gesundheitlichen Gründen.
Die übertriebene Liebe der Franzosen zu diesen kleinen Kötern und Katzen ist wahrhaft unausstehlich. Eines Abends mußte ich mich wegen dringender Angelegenheit zu einem mir bekannten reichen Holzlieferanten begeben. Beim Eintreten in das Zimmer empfing mich ein aus allen Ecken schallendes oder unter den Meubeln hervorkommendes Bellen und Knurren von mindestens zehn bis zwölf Hunden. Mein Bon soir wurde mir vor Schrecken in der Kehle starr, ich wagte nicht die Thür hinter mir zuzumachen. Eine alte Frau oder Dame, mir schien sie Beides zugleich, saß auf einem Lehnstuhl und machte gewaltige Anstrengungen, um einen feisten Mops, den sie auf dem Schooß hielt und der Miene machte mir nach der Gurgel zu springen, zurückzuhalten. Unter Stühlen und Tischen klappten bellende Hunderachen auf und zu, stierten mich zornige Augen an. Ich glaubte unter das wilde Heer gerathen zu sein.
Plötzlich erschien noch ein neuer Gast: eine große Angorakatze sprang unter dem Sopha hervor und setzte mit wilden Sprüngen über die klaffenden Hunde weg. Es war ein Höllenlärm, den die alte Dame nur nach vielen Schmeicheln und Küssen und Zuckerstückchen einigermaßen beruhigen konnte. Aeußerst komisch, aber auch zugleich widrig war der Anblick dieser bellenden Köter, die entweder in bunte Höschen, Jacken oder in Decken eingenäht waren und von der Dame mit einer Zärtlichkeit behandelt wurden, die geradezu einen ekelerregenden Eindruck machte.
Wie ganz anders, als diese französische Thierliebhaberei, steht in meiner Erinnerung das Zusammenleben des Menschen mit seinen vierfüßigen Hausfreunden bei uns in Deutschland! Der Hauptunterschied zwischen beiden ist mit zwei Worten gegeben: die Deutschen ziehen diese Thiere zum eigenen Nutzen und Vergnügen an sich, aber sie werden nicht die Narren derselben, denn eine bessere Bezeichnung verdienen doch die obigen französischen Hunde- und Katzen-Vergötterer schwerlich.
Vor Allem macht aber der Deutsche an beide Thierarten den Auspruch, daß sie sich durch Schönheit und Kraft auszeichnen, ob nun letztere sich in der Größe zeige oder durch Muskelstärke und Muth bethätige. Fehlt es auch bei uns nicht ganz an der Pflege der kleinen, niedlichen Schwächlinge, die bei schlechtem Wetter unterm Regenschirm getragen und im Winter in Baumwollendecken eingewickelt werden, so kehrt sich doch auf der Straße Jedermann nach solch einer Erscheinung um und beweist damit, daß er einer Absonderlichkeit begegnet ist, während der stattliche vierfüßige Begleiter seines Herrn oder seiner Familie wohl die Freude der Begegnenden, aber nicht deren Verwunderung erregt.
Auch die Katze hat in Deutschland ihre Ehre, aber die Ehre, welche ihr die liebste ist: die der Freiheit. Der Hund ist ein geborener Knecht, der zum Freund des Menschen erst heraufgezogen, veredelt werden muß; die Katze ist keinem Menschen unterthänig, sondern nur dem Hause treu, dem sie durch Geburt, Nahrung oder Gewohnheit zur Angehörigen geworden ist. Wenn demnach hie und da eine alte Jungfer oder kinderlose Wittwe ihr einsames Stübchen zum übelduftenden Standquartier einer Katzenfamilie macht, so bleibt dies wenigstens eine häusliche Angelegenheit, mit deren Zärtlichkeiten nicht die öffentliche Straße und Gesellschaft behelligt wird.
[7] Dem obigen Zerrbild des französischen Thier- und Menschen-Zusammenlebens gegenüber hatte ich jüngst, bei einem Besuch in der Heimath, ein echt deutsches Bild vor Augen, wie es in einem Städtchen des Schwabenlandes unweit Stuttgart schon viele Hausfreunde vor mir erfreut hat. Und nach mir noch erfreuen wird und wie ich es von der geschickten Künstlerhand Specht’s hier mittheile. Warum soll ich’s nicht verrathen, daß die Jungfrau dieses Thierkreises eines den Lesern der Gartenlaube bereits bekannten Hundezüchters, ihres Onkels, thierkundige Nichte Marie ist?
So stand sie vor dem Zuber, in welchem sie der großen wolfsgrauen und weißgezeichneten, säugenden Hündin ihr Futter gebracht. Es sollte ein anderer Mensch es sich unterstehen, eines ihrer Jungen so ohne Weiteres als Spielzeug zu sich emporzuheben! Aber Marie ist die Herrin dieses Geschlechts, ihr gehorcht Alles, selbst der stattliche Rüde Marco, der hier am Rande des Zubers herumleckt, weil er den Futterrest selbst nicht anzutasten wagt, Die jungen Kobolde nehmen sich mehr Freiheit heraus; der eine stößt den andern in den Futtertrog hinein, während im selben Augenblick die kecken Spatzen seine Aufmerksamkeit fesseln. Die Rehe wissen, daß das saftige Gras in Mariens aufgebundenem Schürzchen für sie bestimmt ist. Nur die Katze auf dem Baume scheint dem Landfrieden nicht ganz zu trauen, und doch steht sie, auf der Herrin schützende Gegenwart bauend, bereit zum Sprung mitten in das allgemeine Vergnügen.
Man sagt, Mariechen sei seit ihrem zwölften Jahre im Geschäft der Hundeveredelung des Onkels rechte Hand gewesen. Mir war vor Allem ihre Erziehungsweise interessant. Es versteht sich von selbst, daß sie die Thiere füttert und pflegt, denn nur damit hängt für letztere die Naturnothwendigkeit zusammen, daß sie dafür sich von ihr etwas gefallen lassen müssen. Und auch das soll nicht so gefährlich sein. Wie ihre Belohnungen einfach in einem freundlichen Wort, einem Schmeicheln mit der Hand, einem Leckerbissen oder darin bestehen, daß sie sie von der Kette losmacht oder sie gar auf einen Spaziergang mitnimmt, – so beschränken sich die Strafen auf ein ernstes Wort, ein Drohen mit dem Finger, ein mehrtägiges Nichtliebkosen und Nichtloshängen von der Kette. Mit solchen an sich schwachen, aber durch die wunderbare Macht der Liebe starken Mitteln vermochte das Mädchen den löwenähnlichen Thieren freundlichen Umgang mit den scheuen Rehen, dem täppischen Wildfang von jungem Hund höfliche Rücksicht auf das anwesende Geflügel zu lehren, kurz ein Stückchen von dem Zustand zurückzuführen, wie ihn die Bibelbilder des Paradieses vor dem Sündenfall darstellen. Gerade darum heimelt uns dieses Bild so an und wird auch unseren alten und besonders den ganz jugendlichen Lesern und Leserinnen zu einem um so lieberen Anblick werden, als es im Gegensatz zu der französischen Hundekinderei, ein würdiges Beispiel von der Anmuth und Kraft der Thiere zeigt, welche allein unser Wohlgefallen an ihnen begründet.
Zwei Mönche einer protestantischen Hochschule.
Aus der schönsten Frühlingszeit des Lebens und des Jahres erzählt man so gern eine liebe Erinnerung.
Als Koburger Gymnasiast, schon in der obersten Classe, wo der Sehnsuchtsblick nach der akademischen Herrlichkeit aufgeht, wohnte ich mit dem in den dreißiger und vierziger Jahren besonders bekannten und beliebten Novellisten und Reiseschriftsteller Gustav von Heeringen unter einem Dache. Der kleine, zarte, allezeit glattrasirte und feine Mann mit den großen schönen Augen hinter der Brille gehört zu den guten Geistern meiner Jugend; sein Bild steht unverblaßt in meiner Seele. Er war damals gewiß der seltsamste Kammerjunker des koburgischen Hofes und vielleicht aller Höfe; im äußern Dienst zeigte er sich wie jeder andere seines Ranges, aber im Innern hegte und pflegte er das schnurgeradeste Gegentheil von dem, was sein Dienstkleid andeutete. Talent und Bildung allein hätten das nicht verursacht, beide vertrugen sich gar wohl mit seiner Hofstellung; aber in ihm lebte zugleich der wahre Dichtergeist, für welchen Volk, Vaterland und Freiheit heilige Güter sind, und deren Cultus hielt er um so höher, je heimlicher er ihn begehen mußte. Seinen Patriotismus konnte er zwar in seinen Schriften vorsichtig bekennen; für seine Freude an einem gesunden Volksleben zeugen besonders, seine „Fränkischen Bilder“, welche eine Fülle kräftiger Schilderungen aus demselben aufbewahren; nur sein Freisinn mußte der kalten Hoflust gegenüber ein Zimmergewächs bleiben, aber um so sorglicher hat er’s gehütet und um so freudiger gezeigt, wenn das Vertrauen ihn schützte.
Er stand damals im dreiunddreißigsten Jahre, ich im zwanzigsten; er war ein adeliger Hofherr und ich ein armes „Studentle“, wie man damals in Koburg die Gymnasiasten noch nannte; aber mit einem Paar Dutzend Gedichte hatte ich mir’s verdient, daß er mich näher zu sich stellte. – Das Haus, wo wir wohnten, steht in einem Garten vor dem Judenthor. Er nahm die erste Etage der Hauptseite ein, ich ein Erkerstübchen nach hinten.
Da stand ich an einem Maiabend des Jahres 1834 am Fenster, das Auge dem grünen Adamiberg zugewandt mit seinem Gartenhäuschen, in welchem einunddreißig Jahre früher meine selige Mutter als Aufwartemädchen das sinnreiche Gespräch über Donner und Blitze mit Jean Paul gehalten hatte,[1] und lauschte dem Abendläuten, das vom Thurme der Heiligen-Kreuzkirche herüberschallte, – als plötzlich der freundliche rothwangige Kopf mit der goldenen Brille sich zur Thür hereinneigte und mit hausgenößlicher Vertraulichkeit rief: „Gar zu herrlicher Abend heut’! Kommen Sie, Fritz, machen wir eine Fußpartie nach Banz!“
Freilich war der Abend gar zu herrlich: wir hatten so viel zu betrachten und zu loben, und das Schöne lag überall so nahe auf unserm Gang in den reizenden Itzgrund hinein, an der Finkenau vorüber, wo der alte gute Johann Peter Uz einst so manches Lied gedichtet, daß noch eine Stunde vor Banz uns die Nacht erreicht hatte. Wir blieben in einem Dorfwirthshause, um in aller Frühe durch den Banzer Forst nach unserm Ziel zu wandeln. So geschah’s. Aus dem Itzgrund zu einem Morgen im Walde emporzusteigen, in diesem zu schwelgen und dabei das Wiedersehen alter Klosterpracht und des köstlichen Mainthals in der Erwartung vor sich zu haben, das war wirklich für ein Paar so leicht zu beglückende Poeten fast zuviel auf einmal.
Endlich standen die letzten Stämme des Waldes hinter uns und auf etwa Büchsenschuß-Entfernung vor uns, jenseits einer leicht abwärts geneigten breiten Ackerfläche in grünem Saatschmuck, erhob sich das mächtige Viereck der Gebäude, Paläste und Parkmauern von Banz, der einst hochberühmten Benediktiner-Abtei und nun dem Sommerschlosse des Cither-Herzogs Max in Baiern. – Da gähnte das hohe Thor, in welches am siebenten Juli vor achthundert Jahren die ersten Mönche eingezogen waren. Der große aufsteigende Hof mit der fürstlichen Auffahrt zum ehemaligen Abteipalast war noch über die Thormauer sichtbar, zur Rechten und Linken des Hofes dehnten die in gelbem Anputz paradirenden Beamtenwohnungen sich aus und zur Rechten des Palastes ragten die Doppelthürme der Kirche mit ihrem Bildsäulenschmuck empor, und dies Alles war begrenzt und zum Theil durchzogen von maifrischer, blüthenfröhlicher Baumpracht.
Man hat mit Banz auch ein reiches Stück Geschichte vor Augen. Schon die Kämpfe zwischen Kaiser und Papst wurden bis hierher verspürt. Die Frömmigkeit der benachbarten fränkischen Edelleute brachte das Kloster hoch in Flor. Aber zweimal, nach dem Bauern- und nach dem dreißigjährigen Kriege, mußte es sich fast völlig neu aus dem Schutte erheben. Dann stieg die Sonne wissenschaftlichen Ruhmes über demselben auf; Gregor Stumm hieß der merkwürdige Abt, welcher ungeheure Summen auf Bücher-, Naturalien-, Münz- und Kunstsammlungen verwendete und gegen Gelehrte jedes Glaubens, die derentwegen hier einsprachen, ausgedehnteste Gastfreundschaft übte. An der Erbschaft dieses Ruhmes hielten auch die folgenden Aebte fest, obgleich, wie wir nachher ganz genau erfahren werden, hier schon Vieles faul war, als im Jahre 1802 auch dieses Kloster aufgehoben und in den beneidenswerthen Sitz eines Landgerichts und eines Rentamts umgewandelt wurde. Nach den Franzosenkriegen brachte es die [8] baierische Herzogsfamilie um eine fabelhafte Summe (sämmtliche Klostergebäude sammt mehreren Dörfern, Höfen, Feldern, Wiesen und großen Waldungen um 309,000 Gulden!) durch Kauf an sich. Seitdem erfüllte neuer Glanz die alten Prachträume. Sechs Jahre vor meinem heutigen Einzug mit Gustav von Heeringen hatte ich als ungeladener Gast allen Feierlichkeiten der Vermählung des jungen Herzogs Max mit seinem Bäschen Ludovica, der Tochter des Königs Maximilian des Ersten, beigewohnt; die Hofcapelle von Koburg war für Kirchen-, Tafel- und Concert-Musik dazu befohlen, und ich trug als meines Vaters kluger Sohn ihm die Posaune nach und dadurch zu all diesen Herrlichkeiten wesentlich bei. – Zehn Jahre nach dem heutigen Tage stand ich wieder vor diesem Thor. Da kam mir ein halbes Dutzend Kinderchen entgegen, von Gouvernanten und Hofmeistern geführt und von Bedienten begleitet. „Das sind dem Max Seine“ erhielt ich auf meine Frage von einem Wegmacher zur Antwort. Zwei Knaben dabei und ein Wickelkind; das lieblichste Bild gewährten zwei Mädchen, von etwa sieben und drei Jahren, die sich an den Händchen führten und mit köstlichen Augen die ganze Welt und mich auch anlachten. Du lieber Gott! Jetzt ist die größere schon fünfzehn Jahre Kaiserin von Oesterreich, und wie viel hat die kleine schon, als unglückliche Königin von Neapel, einsame Thränen vergossen!
Heeringen schrieb damals an seinen „Fränkischen Bildern“, und deshalb war er auch mit mir nach Banz gewandelt; es verlangte ihn besonders wieder einmal nach dem Rundblick von der Glockenstube der Kirchthurme aus. Ein eisgraues Männchen stellte sich als Führer vor. „Nein, alter Vater,“ sprach Heeringen, ihm einige Geldstücke in die Hand drückend, „Ihr sollt nicht mit da hinaufsteigen! Ich kenne ja die Treppe genau. Seht, am Trinkgeld schadet Euch’s nicht, wenn Ihr hier am sonnigwarmen Portal so lange ausruht, bis wir wieder herunterkommen.“ –
„Das geht schon net, gnädiger Herr!“ erwiderte der Alte mit einem Aufblick, der die Verletzung einer Amtswürde spüren ließ.– „Der gnädige Herr wissen’s ja, daß ich der alt’ Glöckner bin, und der gehört zu seinen Glocken, wenn Gäst’ zu ihnen kommen. Das Gestell thut’s auch noch, trotz seiner Sechsundsiebenzig.“ Damit stieg er, sein Führerrecht in jeder Beziehung wahrend, zum Thurm hinauf voran; ganz verständig hielt er, so oft ihm das Athmen unbequem wurde, und vergütete uns und namentlich Heeringen die verlorene Zeit mit allerlei für diesen nutzbaren Bemerkungen aus seinem Klosterleben. Ich darf mich hier nicht in dieselben vertiefen, wie verlockend es auch ist, sonst kommen wir in unserer Geschichte eher rück- als vorwärts. Endlich standen wir unter den Glocken. Heeringen eilte gleich zu den Schalllöchern, den hohen Thurmfenstern, um die verschlossenen Holzläden aufzureißen und die Blicke in’s Mainthal hinunter und auf die fränkischen Berge hinüber zu jagen; ich half ihm, und der Alte ließ uns stillschweigend gewähren. Unsere Schwärmerei über „die schöne Aussicht“ schien ihn nicht zu berühren, und Heeringen, der fränkische Ortskundige, bedurfte seiner hier nicht.
Als wir uns endlich dem Innern der Glockenstube wieder zuwandten, standen wir Beide betroffen vor dem Anblick, der sich uns darbot. Der Alte lag hingelehnt an der größten der zu unterst hängenden Glocken; mit der Rechten hielt er sich an der Krone fest, den linken Arm schlang er um das kalte Erz und preßte das Haupt darauf, ganz als galt es hier ein Wiedersehen oder Scheiden vom liebsten auf der Welt.
„Alter Vater, ist Euch nicht wohl?“ rief Heeringen und trat besorgt zu ihm. Dieser aber ließ die Rechte von der Glockenkrone los und stand wieder aufrecht da. Er war tief erregt, sein Auge feucht, wie nach bestandenem oder vor nahendem innern Sturm. Ich habe nie einen solchen Alten wieder gesehen, bei dem man über dem Anschauen des Gesichts alle nebensächliche Äußerlichkeit, wie Kleidung und dergleichen, rein vergaß.
„Sehen Sie, gnädiger Herr“ – er wandte sich immer nur an meinen vornehmen Gefährten, dessen Stand und Stellung er wohl kannte, während an meinem Außenmenschen seinem erfahrenen Auge der arme Teufel schwerlich lange verborgen geblieben war – „hier stehe ich wie auf der Schädelstätte meiner Kinder. Was ich in diesen Glockenstuben, dahier und drüben im andern Thurm, erlebt habe, das schreit zu Gott in alle Ewigkeit. Es sind über dreißig Jahr’ seitdem hingegangen, ich war ein starker Mann, als sie’s hier vollbrachten, Alles ist an mir alt und mürb’ geworden, nur das Herzeleid, gnädiger Herr, das ist so stark geblieben, wie’s Sie haben mit dem Kopf geschüttelt, gnädiger Herr, wie’s zuerst war. Sie halten mich für einen alten Faseler. Aber schauen Sie sich doch um in der hohen Glockenstube, ist’s denn da, wie es sein soll?“
Jetzt erst sahen wir nach dem mächtigen Gebälke empor und fanden allerdings manchen leeren Glockenstuhl. Heeringen bemerkte dies dem Alten, der aber schlug die Hände zusammen und rief aus:
„Herrgott Jesus Maria und Joseph, das ist’s ja! Gnädiger Herr, Sie sind ein lutherischer, aber Glocken haben Sie doch wenigstens auch und wissen, was ein richtiges Geläute besagen will. Nun fragen Sie im ganzen Maingrund auf und ab die Aeltesten, Alle wissen’s: ein Geläute, wie das vom Kloster Banz, ist nicht wieder gehört worden von hier bis Rom. Und ich bin der Glöckner gewesen. Wer aber kein Glöckner gewesen ist, der versteht’s nicht, wie Einem die Glocken an’s Herz wachsen und wie man eine immer lieber haben kann wie die andere. Dort oben hat meine Sancta Cäcilia gehangen, das war meine Ave-Maria-Glocke, die hatte eine so rührende Stimme in Es, daß mir beim Läuten oft das Beten in die Hände kam. Und da ist der leere Stuhl der Sancta Maria mit ihrer vollen reinen Stimme in C, nach der sehnte ich mich, wenn ich sie eine Zeitlang nicht gehört hatte. Und gar dort meine Sancta Anna –“
„Aber, lieber Alter, wohin sind denn all die schönen Glocken gekommen?“ unterbrach ihn Heeringen.
„Wohin?“ – rief er und in seine Augen trat ein fürchterlicher Ingrimm. „Als sie der Klosterherrlichkeit ein Ende machten, da sind die Herren gekommen von München und von Bamberg und haben aufgeladen, was ihnen wohlgefiel, von den Gemälden und aus den andern Sammlungen und von den Büchern, und was ihnen an Büchern nicht gefiel, ist fuderweis verkauft worden. Ich sah das Alles von dem Thurm da mit an und heulte. Endlich kamen sie auch da herauf mit ihren Packknechten, und weil sie die schweren Glocken nicht so leicht hinabschaffen und aufladen konnten, so holten sie Schmiede mit ihren schwersten Hämmern herbei und die schlugen meine Glocken in Stücke, eine um die andere; vergeblich lag ich vor ihnen auf den Knieen und schrie wie ein Vater, dem man die Kinder hinschlachtet – alles vergeblich, ein Stück um’s andere flog hinab in den Hof – nur diese eine blieb verschont, sie ist noch meine einzige liebe Klosterglocke.“
Er legte die Hand auf sie und streichelte sie wie ein geliebtes Wesen, während er auf die anderen Glocken einen geringschätzenden Blick warf: „Die dort sind später erst wieder neu angeschaffte, und wie Stiefkinder wachsen sie nicht mehr an’s Herz. Ja ja, gnädiger Herr, ich komme nicht oft mehr herauf, aber allemal verlebe ich da wieder eine schwere Stunde, – und das Alles und das ganze Unglück des Klosters ist das göttliche Strafgericht für den Pater Roman –“
„Pater Roman?“ – fragte Heeringen –„ist das nicht der Doctor Johann Baptist Schad?“
„Ja, derselbige ist’s, so hieß er vom Vaterhaus aus. Er ist von Mürsbach im Itzgrund gebürtig. Wir sind von gleichem Alter und zwanzig Jahre sind wir zusammen in diesem Kloster gewesen. Wie hat mein Herz an dem Menschen gehangen! Denn er war zu Anfang der Frömmsten Einer in der Zucht und Buße. Und doch ist der Satan Herr über ihn geworden durch die“ – er bekreuzigte sich – „verdammten Bücher“. Wie oft hat er sich mit seinen Büchern da herauf verkrochen und im Sinniren Alles vergessen, bis er ertappt wurde und zur Strafe den Hundetisch mit Wasser und Brod bekam. Ich hab’s wohl gemerkt: zehn Jahre lang hat er gerungen mit dem Teufel, bis er sich ihm ergeben hat, denn von der Höh’ herunter, wo der Pater Roman in stockfinstrer Nacht aus dem Kloster entsprungen ist, hätt’ Jeder den Hals gebrochen. Den hat der Teufel heruntergetragen –“
„Haltet ein, Alter!“ rief da Heeringen, den der Gegenstand offenbar tief ergriff. „Kommt, zeigt uns die Stelle, wo der Pater entsprang.“
Während wir treppab stiegen, sprach er leise zu mir: „Das, ist ein denkwürdiges Stück Menschenleben, das des Paters, und wahrlich das des Glöckners auch. Kennen Sie die Geschichte des Paters Roman?“
Ich mußte es verneinen.
„Desto besser,“ sagte er, „ich will sie Ihnen nachher am geeignetsten Ort dazu, auf der großen Terrasse, erzählen.“
[9] Der Alte führte uns vor das ehemalige Krankenhaus des Klosters, das in einem Garten lag, der rings von einer hohen Mauer umschlossen war. Hier zeigte er nach einem Fenster im zweiten Stock.
„Von dort oben,“ sagte er, „ist der Pater Roman herunter gekommen, ohne Stange, ohne Strick, ohne Leiter. Und da unten waren damals viele kleine Gärtchen, jedes einzelne mit spitzigen Latten eingehegt. Das hat er genau gewußt: er hätt’ sich lebendig gespießt, wenn er herabgefallen wäre. O, warum haben Das die Heiligen gelitten, daß der Teufel ihm hat helfen dürfen, den in Ewigkeit Ver –“
„Versündigt Euch nicht, alter Vater!“ unterbrach Heeringen, der die Höhe schaudernd noch immer betrachtete, den Eiferer, um ihn zu besänftigen.
Der aber fuhr noch heftiger fort: „Gnädiger Herr, mit Verlaub, Sie sind ein Lutherischer und verstehen Das nicht. Meinetwegen mag die ganze Welt lutherisch werden – wenn aber ein Benedictiner von Banz aus der heiligen Kirche wie ein Dieb entspringt und geradewegs in’s ärgste Ketzerland läuft, nach Sachsen hinein und auf eine Schule, wo sie, wie alle Leute sagen, am schlimmsten sind, da muß ihn Gottes Fluch verfolgen durch das ganze Leben –“
„Alter, Alter,“ rief da Heeringen in großer Erregtheit, „flucht doch einem armen Todten nicht!“
„Was? Roman ist todt?“ fragte erschrocken und halb ungläubig der Alte, und mit bewegter Stimme versicherte es ihm Heeringen:
„Ja, alter Vater. Vor wenigen Monaten, am fünfzehnten Januar, haben sie in Jena den sechsundsiebenzigjährigen Professor der Philosophie Dr. Johann Baptist Schad in einem Armensarge begraben. Und nun geht, alter Vater, mit versöhnterem Herzen und überlaßt den letzten Richterspruch Dem dort droben.“ Er reichte dem greisen Mann die Hand; der drückte sie ihm heftig. Offenbar betroffen von der Todesnachricht, brachte er kein Wort mehr hervor, sondern nickte nur wie still bejahend und schlich dann, von Zeit zu Zeit den grauen Kopf schüttelnd, aus dem Garten.
Wir Beide eilten zur sogenannten Terrasse. Die Banzer Terrasse, ein basteiartiger Vorbau vor der Seite der Kirche, wo der Banzberg steil zum Mainthale abfällt, ist weit und breit berühmt als Standpunkt reizendster Umschau im Paradiese Frankens. Heute waren wir von letzterer schon auf dem Thurme gesättigt und durch den Glöckner vom Genuß der Natur zur Betrachtung eines Menschenschicksals hingeleitet. Wir suchten uns ein traulich Plätzchen; fühlten wir uns doch Beide mächtig angeregt, ich zum Hören und Heeringen zum Mittheilen über die Leidensgeschichte eines in den Banden unglaublicher Seelentyrannei nach Erkenntniß und Freiheit ringenden Geistes.
„Sie, junger Freund,“ – begann Heeringen, „können sich schwerlich einen Begriff machen, bis zu welcher Höhe die religiöse Schwärmerei besonders in denjenigen Theilen Deutschlands, wo, wie hier in Franken, Katholiken und Protestanten hart neben einander wohnen, damals getrieben worden ist und – Gott besser’s! – ja noch getrieben wird. Der arme Schad liefert uns nur ein Beispiel davon, das eben offenkundig geworden ist. Die Erziehung zum starrsten Glauben begann für ihn schon in seinem Vaterhaus zu Mürsbach im Itzgrund. Die Lehre, daß alle Ketzer, ohne nur irgend denkbare Ausnahme, in Ewigkeit verdammt seien, wurde ihm täglich eingeschärft. Wie unerschütterlich streng sein Vater dies trieb, sehen wir an dem einen Vorfall. Ein bildschönes lutherisches Mädchen war kurz nach der Confirmation gestorben. Der damals siebenjährige Knabe Schad war untröstlich darüber, daß auch dieses gute Kind verdammt sein solle. Da belehrte ihn der Vater so: ‚Wäre dieses Mädchen nur ein Vierteljahr eher gestorben, so wäre sie ganz gewiß selig geworden. Allein da sie vor einem Vierteljahr das erste Mal von ihrem Pfaffen den unheiligen Brocken (das Brod im Abendmahl!) genommen, so ist sie verdammt, und das mußt Du glauben, wenn Du nicht selbst ewig verdammt sein willst?‘
Neun Jahre alt kam der Knabe als Chorsänger hieher in’s Kloster, und wie die junge Seele hier erfüllt wurde von den Wundern der Heiligenlegenden und dem Glauben an eine durchaus sündige und verlorene Welt, durch welche allein der Priester und Mönch rein hindurch zur ewigen Herrlichkeit eingehe, das hat er in Bamberg, wo er vom vierzehnten Jahre an studirte, durch die That bewiesen. Trotz der an der Hand der Jesuiten eifrig getriebenen klassischen Studien und musikalischen Uebungen blieb sein Geist in religiöser Hinsicht so verdüstert, daß er sich dort heimlich eine Geißel und ein Cilicium (einen Bußgürtel) angeschafft und nächtlich, nach Art der Heiligen, die scheußlichsten Selbstpeinigungen an sich verübt hat, um die mit der körperlichen Entwickelung aufsteigenden sinnlichen Regungen in sich abzutödten. Ja, um ein für allemal mit diesem Theil des Irdischen fertig zu sein, wählte Schad als siebenzehnjähriger Jüngling die heilige Maria zu seiner Braut und vermählte sich im Geiste förmlich mit ihr. Er kaufte sich einen silbernen Ring und opferte denselben dem Wunderbilde der Madonna, das in der Collegienkirche zu Bamberg aufgestellt ist. Zu diesem Trauungsacte hatte er sich durch Beichte und Abendmahl eingeweiht und er legte dabei heimlich das Gelübde der ewigen Jungfrauschaft ab, um sich selbst in die Unmöglichkeit zu versetzen, seine eheliche Verbindung mit der heiligen Jungfrau-Mutter Maria je wieder aufzulösen.
Diese gefährliche geistige und geistliche Spielerei hatte die schlimmsten Folgen. Die im Heiligkeitshochmuth verachtete menschliche Natur rächte sich; was durch die wunderliche stille Hochzeit unterdrückt oder gar vernichtet werden sollte, erwachte nun erst recht, und Schad, welcher als Weltpriester zur Ketzerbekehrung hatte in die Welt hinaus ziehen wollen, entfloh dem unerträglichen Kampfe endlich in einen Beichtstuhl, aus dem ihm der Rath entgegenscholl: vor der höllischen Schlange der Verführung sich in das einzige ihr verschlossene Paradies, in den Klosterstand, zu retten.
[10] So ist Schad zum Mönch geworden. Im Frühjahr 1778 zog er in Banz ein. Er freute sich, wie er später sagte, unaussprechlich auf den Himmel, der ihm auf Erden verheißen war. Und wem, wie jetzt uns, diese Klosterpracht im schönsten Land vor Augen steht, sollte der nicht meinen, hier sei eine Herberge reinsten Menschenglücks gegründet? Dennoch verstand man es hier, allem Menschlichen solchen Zwang und solche Schmach anzuthun, daß schon nach zehn Jahren derselbe Schad als unglücklicher Pater Roman zu dem Ausruf getrieben wurde: ‚Nichts Verruchteres auf Erden als der Mönchsgeist!‘“
Hier wurde Heeringen, der sich in eine liebenswürdige Aufregung hineingesprochen hatte, unterbrochen, indem eine prächtige Ueberraschung über uns kam. Frische, lustige Stimmen wurden laut, und herein zur Terrasse prasselte förmlich eine Schaar von Knaben und Jünglingen, lauter rothbäckige, kerngesunde Bursche mit richtigen Funkelaugen, die einen wahren Waldduft um sich verbreiteten. Rasch machten sie sich über die Aussicht her, sie wußten ziemlich Bescheid, die jungen Leute und ihre Führer, Heeringen half freundlich zum Fehlenden, und so wurde das Stück Natur mit kräftigen Zügen und ohne sentimentalen Aufschrei abgenossen. Zum Dank dafür sang die Schaar, vierstimmig und rein, ein Turnerlied in die schöne Gegend hinein und zog dann, mit flottem Gruß, so flink ab, wie sie hereingekommen war. Sie hatten wirklich Thüringer Waldluft mitgebracht, denn es waren Keilhauer Schüler, wie wir nachher im Wirthshaus erfragten.
„Das war eine Erquickung!“ begann Heeringen wieder. „Nun wird’s uns noch schwerer werden, nach solch einem Anblick an all das Klosterelend zu glauben, welches Schad als Banzer Geheimnisse der Welt verrathen hat. Ich will es kurz machen. Das Knaben-Ideal von Mönchsherrlichkeit verzerrte sich zu einer Wirklichkeit von wahrhaft kindischem Despotismus. Blinder Glaube und blinder Gehorsam ward ihm als erstes Ordensgebet vom Novizenmeister eingeschärft: blinder Gehorsam selbst gegen unmoralisch-erscheinende Befehle der Oberen, denn in diesen hatte er die Stellvertreter Gottes zu verehren und anzubeten, wie ihnen denn überhaupt jede Dienstleistung knieend dargebracht wurde. Der sogenannten Mönchssünden waren unzählige, denn jedes unbedeutendste Versehen galt als eine solche und mußte bekannt werden, indem der Sündige mit dem ganzen Leibe sich vor dem Oberen auf den Boden warf. Trotz dieser Menschenentwürdigung blieb Schad seinem Vorsatz getreu und legte mach seinem Novizenjahr die Klostergelübde als Pater Roman ab.
Anstatt nach diesem letzten Schritt endlich den inneren Frieden zu finden, versank er in einen immer trostloseren Zustand, indem ihn bald sein Dünkel der Mönchsheiligkeit als einen Hochgeweihten über dem allgemeinen Sündenpfuhl der Welt schweben ließ, bald die siegende Sinnlichkeit ihn bis nahe zum Selbstmord trieb. Wie weit die Peinigung in Folge unterdrückter Triebe der Natur ging, ist fast unglaublich. Sogar der Chorgesang ward zur Versuchung, wenn an großen Marienfesten das Brevier mit gewissen Stellen aus dem Hohen Liede ausgeschmückt war. ,Oft‘ gesteht er, ,verfolgte mich der weltliche Sinn der Worte bis zum Throne der Gottheit, denn wenn mir in der heiligsten Umarmung der Braut des heiligen Geistes einfiel, daß dieselbe ebenfalls eine weibliche Brust habe, so mußte ich selbst vor meinem Heiligsten als vor einer sündigen Versuchung fliehen!’
Dieser durch heilige Bilder und Gesänge erregte Kampf gegen die sinnlichen Eindrücke war im Kloster ein sehr verbreiteter, nur äußerte er sich in verschiedener, oft geradezu unfläthiger Weise. Ein schamloser Eiferer gegen Frauen und Frauentracht erwarb sich den den Lieblingsgegenstand seines Hasses genug bezeichnenden Spottnamen: der Brustflecksprediger. Die Meisten suchten den Teufel der Verführung durch heftiges Ausspucken zu vertreiben. – Wenn nun schon die Bilder der schönen Madonnen, das Hohe Lied Salomonis und die ländlichen Kirchenbesucherinnen in ihrer volksthümlich-sittsamen Tracht den Mönchen soviel sinnliche Anfechtungen bereiteten, so können Sie, junger Ketzer, sich einen Begriff von dem Sturm machen, den damals ein fürstlicher Besuch im Kloster herovrrief. Die Herzogliche Familie von Koburg kam zu Gaste zum Prälaten von Banz, und zwar mit dem Herzog und der Herzogin auch deren älteste drei Töchter: die neunzehnjährige Prinzessin Sophie, nachmals Gräfin Meusdorfs, Antoinette, die achtzehnjährige Braut des Herzogs von Würtemberg, und Juliane, damals sechszehn Jahre, später Großfürstin von Rußland, – alle drei von Antlitz und Gestalt in bezauberndster Schönheit strahlend. Vor solchen Gästen, an die sich noch ein Gefolge von Hofherren und Damen schloß, strich der galante Abt alle Paragraphen der Ordensstatuten. Die so entsetzlich gefährliche Gesellschaft flatterte von Zelle zu Zelle, die nie ein weibliches Füßchen betreten, und schließlich sogar in’s Refectorium, wo eben sämmtliche Mönche zu Tische saßen. Und da geschah denn das Ungeheuere, daß all diese Teufelsspucker und Brustflecksprediger die weiblichen Reize, die sie an der Madonna, nur gemalt und verhüllt, schon zu so erbittertem Kampfe mit dem unheiligen Fleisch entzündeten, nun von frischestem Leben pulsirend und in nächster Nähe vor sich sehen mußten! Viele Wochen lang wirkte das Unheil, das dadurch angestiftet wurde, nach, und wenn je, so bot diesmal der Verdammungslehrsatz ihnen die einzige und letzte Rettung. Mehr ist nie vor- und nachher im Kloster ausgespuckt worden, und täglich hörte man den schwerentpreßten Ausruf: ‚Und sie sind doch nur Ketzer und Teufel, Teufel, Teufel!‘
Der Frevel – Mensch zu sein, erschien als der ärgste in diesen frommen Hallen. Daher waren schon die Klosterpönitenzen dazu angethan, alles Gefühl für Ehre, Selbstachtung und Vernunftwürde gleich im jungen Mönche zu ersticken. Die gewöhnlichste Strafe war das Bodensitzen, bei welchem der Delinquent, während die übrigen Mönche bei Tische saßen, die ihm zugetheilten Speisen wie ein Hund auf dem Boden des Speisesaals verzehren mußte. Der Glöckner hat uns verrathen, daß Schad dazu sehr oft verurtheilt wurde.
Zum Frevel – Mensch zu sein, gehörte ferner die Benutzung der Augen zum Sehen. Die himmlisch schöne Aussicht von den Fenstern der Clausur zu Banz war nur zur Versuchung der Mönche da: wer bei dem Genuß dieser Aussicht ertappt wurde, dem war der Hundetisch sicher. Das Mönchsverdienst dieser Abtödtung der Sinne bezog sich auch auf die Stimme; Vergehen gegen das Schweiggebot wurden ebenfalls streng bestraft.
Die Krone der Entmenschung bestand aber in der doppelten Pflicht, nicht nur jede Lüge, Verleumdung und Lästerung von Seiten der Oberen über sich ergehen zu lassen, sondern auf ihren Befehl sich selbst zu lästern. Und auch dieser Mönchspflicht ward zu Banz im geheimen Innern gehuldigt, während man nach außen sorgfältig die Glorie der Aufklärung wahrte.
Sieben Jahre lang hatte Pater Roman auf diesen Wegen des blinden Glaubens und der Autorität seine Seelenruhe gesucht und nichts als einen zerrütteten Leib und Geist gefunden; da warf eine schwere Nervenkrankheit ihn auf das Lager – und mit seiner leiblichen Genesung trat er in seine geistige Krisis. Zum ersten Mal wagte er, zu prüfen! Die Grundsätze des Mönchsstandes waren der erste Gegenstand, dessen kritische Zerlegung er noch zitternd vornahm. Mit dem Erfolg wuchs ihm der Muth, Schritt vor Schritt gerieth er weiter und endlich bis zu den unfehlbaren Glaubenslehren der Religion selbst. Schon im Jahre 1788 war er an der Hand der Philosophie soweit gekommen, daß er in einem Liede jubelnd ausrufen konnte: ‚Nun bin ich wieder Mensch!‘
Schon damals hatte er einen so lichtvollen Standpunkt gewonnen, daß er die Fesseln des Mönchthums, die er innerlich bereits abgeworfen hatte, auch äußerlich hätte abwerfen können. ‚Jetzt aber,’ sagt er, ‚entschloß ich mich, diese Fesseln nun mit voller Geistesfreiheit zu tragen, um meinen Glaubensgenossen und Ordensbrüdern nützlich zu werden.’ Im Jahre darauf ging er mit einer Volksschrift gegen das Klosterunwesen heraus, in welcher er namentlich alle Opferstöcke des gewinnsüchtigen Aberglaubens der Mönche umwarf und ihre Thorheiten mit der Geißel der Satire peitschte. Von diesem Augenblick an ward das bisherige Fegefeuer des Klosters ihm zur Hölle, die er selbst durch jede neue Schrift nur stärker heizte. Man zieht den Hut ab vor einem Helden der Ueberzeugung, der noch zehn Jahre lang den Kampf im Kloster gegen die gefährlichsten Feinde, seine mächtigen Oberen, kühn und offen fortsetzte. Zu welchen Mitteln diese Oberen endlich griffen, um den lästigen Mönch – nicht etwa los zu werden, denn dagegen setzten sie jede Vorsicht in Bewegung, sondern zum Schweigen zu bringen, das erzähle ich Ihnen heute nicht, das lesen Sie später selbst in seiner ,Lebens- und Klostergeschichte’, in welcher der Befreite eine erschütternde Beichte über seine Vergangenheit vor der ganzen Nation ablegt. Erst als Schad sein Leben selbst gefährdet [11] erkannte, als man ihn in jenes Krankenzimmer einsperrte, um ihn andern Tags nach irgend einem stillen Gefängniß zu schaffen, da entschloß er sich, in der Mitternacht des 12. November 1798, als der Glöckner eben das Fest aller heiligen Mönche einläutete, zu jener waghalsigen Flucht, die, Dank der Kletterfertigkeit des ehemaligen Bauernjungen, so glücklich gelungen ist.“
„Gottlob!“ rief ich, Heeringen dankend die Hand für seine Mittheilung reichend, – „es wird Einem selber wohl in dem Mitgefühl dieser so schwer gewonnenen Freiheit. Die Banzer Klosterpracht aber sickert arg zusammen vor diesem Lebensbild. Ich glaube, wir werden heute unsere alte Veste Koburg mit ihrer bescheidenen Lutherstube viel stolzer begrüßen.“
„Und das wollen wir, nachdem wir uns erst gründlich gestärkt,“ erwiderte Heeringen. – So geschah es, und das war die Maifahrt nach Banz, die ich erzählen wollte.
Im Herbst desselben Jahres stand ich als glücklicher Jenenser Student an dem Grabe des armen Mönchs und Professors der Philosophie. Das Leben hatte ihm noch die höchsten Freuden gegönnt. Damals über Koburg und Ebersdorf nach Jena entkommen, trat er hier als Privatdocent auf, die Studenten strömten ihm zu, und wie im Hörsaal blühte auch in der Familie, die er nun gründen konnte, ihm das Glück. Es war ein gerechter Stolz, mit welchem er von sich sagte: „Nackt ging ich gleichsam aus dem Kloster, und nun habe ich Alles, was ich bedarf. Alles, was ich bin, bin ich durch mich selbst geworden. Wie in mich selbst gewurzelt, erhob ich mich zu der Blüthe des Glücks, dessen ich mich mit meiner Familie erfreue.“ In seinen zahlreichen philosophischen Schriften und Vorlesungen stellte er sich anfangs auf die Seite Fichte’s, des kraftvollen Denkers und freimüthigen Forschers, wandte sich aber bald der Schelling’schen Schule zu, die er mit seinem immer noch regen religiösen Bedürfnisse leichter in Einklang zu bringen vermochte. Später folgte er einem Rufe als Professor und Collegienrath nach Charkow, wurde aber 1816 wegen einer freisinnigen Aeußerung aus Rußland verbannt und kam als Sechszigjahriger, von einer neuen Zeit Ueberflügelter nach Jena zurück. Er erhielt zwar eine Professur, aber die Jugendleiden rächten sich nun am Alter, und nach fast dreizehnjährigem Krankenlager, die bittere Armuth zum Genossen, war er am dreizehnten Januar desselben Jahres gestorben, in dessen Mailuft wir dem alten Glöckner seinen Tod verkündeten.
Auch der edle Gustav von Heeringen ruht nun schon seit fast achtzehn Jahren im Grabe. Still und einsam, wie er, mit redlichem Fleiß bis an sein Ende, gelebt hatte, so ging er heim. Seine durch Erfindungsgabe, Adel der Gesinnung und Anmuth der Darstellung ausgezeichneten Schriften haben es ihm verdient, daß sein Andenken vom deutschen Volke geehrt und seine Grabstätte ihm erhalten werde. Wer in Koburg vom Residenzschloß her durch die sogenannte untere Anlage zum alten Gottesacker geht, sieht an der höchsten Stelle die Mauer desselben durchbrochen. Ein Schritt hinein, und wir stehen vor der Stätte, wo der Dichter zwischen Mutter und Schwester ruht. Eine Steinplatte an der Mauer nennt die lieben Namen. Ein anderes Denkmal schmückt sein Grab nicht. Möge dieses Blatt als ein solches gelten, das ihm Dankbarkeit und treue Freundschaft gewidmet hat!
Ein Mittag an der Berliner Börse.
Gerade gegenüber dem Dome oder genauer dem unvollendeten „Campo Santo“ Friedrich Wilhelm’s des Vierten erhebt sich ein imposanter Prachtbau im neueren Renaissancestyl, gewissermaßen auch ein Tempel, wo der Gott oder Götze unserer Zeit von seinen zahlreichen Priestern und Verehrern angebetet wird. Dieses moderne Heiligthum des Materialismus ist die Berliner Börse, seine Besucher sind die verschiedenen Banquiers, Speculanten à la hausse und à la baisse, Makler und Agenten.
Schon von halb zwölf Uhr an sammelt sich ein zahlreiches Publicum in der Vorhalle der Börse, einer prachtvollen Säulenhalle. Man drängt sich hier Mann an Mann dem Eingange zu. Inzwischen werden bei dieser Gelegenheit Ansichten über die zu erwartende Börsenstimmung ausgetauscht, auch vereinzelte Geschäfte abgeschlossen. Zehn Minuten vor Zwölf werden die Flügelthüren der Börse geöffnet und nun beginnt das weniger feierliche als geräuschvolle Schauspiel. Von allen Seiten kommen Gläubige und Ungläubige, die Bekenner aller Confessionen, und versammeln sich hier unter einem Dach mit anerkennenswerther Toleranz. Wir treten mit ihnen zugleich in den riesigen, durch zwei herrliche Fresken geschmückten, von hohen Säulen getragenen Saal, nachdem wir uns bei dem Wache stehenden Portier durch eine bekannte hiesige Firma legitimirt und in ein zu diesem Zwecke ausgelegtes Buch unsere Namen eingeschrieben haben.
Zunächst empfängt uns ein betäubender Lärm, ein Wirrwarr von lauten Stimmen, ein Rauschen und Brausen, wie wenn das aufgeregte Meer brandend gegen seine Ufer schlägt. Allmählich unterscheidet das Ohr einzelne für den Uneingeweihten räthselhafte Worte: „Lombarden 115, Amerikaner, Italiener, Franzosen, Geben, Nehmen.“ Dazwischen hört man meist nur Zahlen nennen, so daß man in Versuchung kommt, die Anwesenden für Schüler oder Nachfolger des berühmten griechischen Philosophen Pythagoras zu halten, der bekanntlich seine religiöse und philosophische Weltanschauung auf das Mysterium der Zahlen gründete. Auch sind die meisten Worte dem Laien unverständlich, denn die Kürze der Zeit, die den tausendfachen Börsengeschäften zugemessen, hat Worte und Bezeichnungen geschaffen, die in keinem Wörterbuche aufzufinden sein dürften; z. E. für „Niederschlesisch-Märkische Eisenbahnactien“ einfach „Niederträchtige“.
Auf bequemen Bänken sitzen meist in nachlässiger Stellung die Vertreter der verschiedenen Firmen; Andere bewegen sich ungenirt in den dazwischen liegenden breiten Gängen, wo jedoch zuweilen ein solches Gedränge entsteht, daß der fortwährend auf- und niederwogende Menschenstrom in’s Stocken geräth und der Nachbar dem Nachbar auf die Ferse tritt. Dabei befindet sich die ganze Versammlung in einer sichtlichen Unruhe, in einer schwankend zitternden Bewegung, ähnlich wie die bekannte religiöse Secte der „Shakers“ in Amerika, in einer nervösen Aufregung, die mitunter einen höchst bedenklichen Grad erreicht und sich bis zu krampfhaften Zuckungen steigert.
Besonders interessant für den unbetheiligten Beobachter dürfte das Mienenspiel der Gesichter sein. Man erzählt von einem Maler des Alterthums, der mit einem Pinselstrich ein lachendes Kinderantlitz in ein weinendes verwandelte. Dasselbe Wunder wiederholt sich hier öfters im Laufe weniger Stunden. Die Stimmung wechselt so schnell wie Sonnenschein und Regen im April. Fragt man nach der geheimnißvollen Ursache dieser überraschenden Wandlungen, so läßt sich dieselbe nicht mit Bestimmtheit angeben; sie scheint in der Luft, in unberechenbaren Einflüssen, in der reizbaren Constitution der Börse zu liegen. Ein bloßes Gerücht, das oft absichtlich erfunden und ausgestreut wird, ein leichtes Unwohlsein Napoleon’s, ein wahres oder falsches Wort von Bismarck, die Nachricht einer Rüstung in dem fernen Rumänien wirkt bald lähmend, bald aufregend auf die wenigstens in dieser Hinsicht überaus zarten Nerven der Börse, welch letzterer man aber doch das Zugeständniß machen muß, daß sie fast immer, wir möchten sagen instinctmäßig, ein richtiges Vorgefühl der politischen Constellationen hat. Besonders machen sich die elektrischen Strömungen des Telegraphen geltend. Schnell und zuweilen vernichtend wie der Blitz zuckt es von einem Ende der Welt zum andern; eine Depesche aus Wien oder Paris reicht hin, um Freude oder Schmerz, Jubel oder Bestürzung zu verbreiten, ein Augenblick genügt, um Hunderttausende zu gewinnen oder zu verlieren.
Ein besonders bewegtes Schauspiel bieten die sogenannten „Ultimo-Regulirungen“, welche am Ende jedes Monats stattfinden, wo dann die abgeschlossenen Geschäfte abgewickelt, die Differenzen gezahlt, Gewinn und Verlust ausgeglichen werden. Man kann sich ungefähr einen Begriff von der Größe und dem Umfang des Umsatzes machen, wenn man erfährt, daß allein der „Berliner Cassenverein“, durch dessen Hände meist die in Frage kommenden Werthstücke gehen, an einem solchen Tage oft zwölf bis sechzehn Millionen in Empfang nimmt, während diese Summe nur einen ganz winzigen Theil des monatlichen Umsatzes ausmacht, da die
[12]allermeisten Posten durch Kauf und Verkauf compensirt, auch Vieles außerhalb des Cassenvereins geordnet wird. Mancher wohlhabende Mann verliert an einem Ultimo mehr als die Hälfte seines Vermögens, und nicht selten kommt es vor, daß ein oder der andere Speculant seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann und sich mit seinen Gläubigern „arrangiren“ muß. Aber die Börse ist bei solchen Gelegenheiten äußerst tolerant, und oft sieht man schon nach acht Tagen den verschwundenen Ehrenmann wieder, als ob sich nichts ereignet hätte.
Im Ganzen jedoch beobachtet die Berliner Börse eine verhältnißmäßig solide Haltung, besonders in der letzten Zeit, wo sie sich einigermaßen von den Wiener und Pariser Coursen zu emancipiren und eine selbstständige Stellung zu behaupten suchte. Das Hauptgeschäft befindet sich in sichern Händen, wenn auch der Speculation ein weiter Spielraum eingeräumt wird. Auch der hier herrschende Ton ist durchaus anständig, bis auf wenige Ausnahmen, die jedoch in der Menge verschwinden. Vor Allen aber muß man den wohlthätigen Sinn anerkennen, die Leichtigkeit, womit in einem Augenblick bedeutende Summen zum allgemeinen Besten oder zur Unterstützung Einzelner gezeichnet werden. In solchen Momenten muß man in der That Respect vor diesen Männern bekommen, die das allerdings leicht verdiente Geld eben so leicht, wo es noth thut, auszugeben wissen. Man kann mit Recht sagen, daß die Börse mehr als der Adel an ihrer Devise festhält: „Richesse oblige!“
Selbstverständlich sind in einer so gemischten Versammlung
[13]die verschiedensten Charaktere, Gesinnungen und Principien vertreten, wahre Noblesse und Gemeinheit, gediegene Solidität und frecher Schwindel, Firmen von fast hundertjähriger Dauer und vergängliche Eintagsfliegen, gewöhnliche Parvenüs und bewährte Finanzgrößen, die sich durch Geist und Bildung auszeichnen und von ihrem Vermögen einen wahrhaft segensreichen Gebrauch machen, neben zweideutigen Speculanten, waghalsigen Abenteurern aller Art.
Unter den ersten und ältesten Firmen an der Berliner Börse behauptet nach wie vor neben den altbewährten Firmen Anhalt und Wagener, Fetschow und Sohn, das Haus Mendelssohn und Comp. seinen wohlverdienten Ruf, den es von seinem Ahnherrn, dem berühmten jüdischen Philosophen, dem Freunde Lessing's, geerbt hat. Der jetzige Chef desselben ist Herr Alexander Mendelssohn, der sich jedoch aus Gesundheitsrücksichten in letzter Zeit von der Börse fern hält.In hohem Grade besitzt er die Tugenden und Vorzüge seiner Familie, strenge Redlichkeit, große Humanität und hohe Bildung. Sein gastfreies Haus ist noch immer der Sammelpunkt bedeutender Männer und liebenswürdiger Frauen, wenn auch die eigentliche Glanzperiode aus naheliegenden Gründen erblaßt sein dürfte, jene Zeit, wo ein Alexander von Humboldt zu den Freunden des Hauses zählte, wo sich um den genialen Felix und seine begabten Geschwister die Elite der Berliner Künstler, Dichter und Gelehrten vereinte. Auch Herr Paul Mendelssohn-Bartholdy verleugnet nicht die charakteristischen feinen Züge und die würdige Haltung seines Hauses, [14] das jedoch an der Börse hauptsächlich durch ein jüngeres Mitglied der Familie vertreten wird. Zu dieser Börsen-Aristokratie zählt ferner der Inhaber der Firma Robert Warschauer, dessen Geschäft einen so großartigen Umsatz macht, daß einer seiner beiden Procuristen, der allerdings mit einer bedeutenden Tantième betheiligt ist, im letzten Jahre die Summe von 90,000 Thalern bezogen haben soll.
Das reichste Haus Berlins jedoch ist das der Gebrüder Schickler, dessen Chef aber in Paris lebt. Der Vertreter der Firma am hiesigen Platz ist der Geheime Commercienrath Zwicker, ein alter, würdiger Herr, der jedoch nur äußerst selten an der Börse erscheint. Durch Heirath ist die Familie Schickler mit der höchsten französischen Aristokratie verwandt. Dagegen stand der Sohn des Hauses vor einigen Jahren in Begriff sich mit einer bekannten hiesigen Tänzerin zu verbinden. Noch in der elften Stunde wurde aber das Verhältniß aufgelöst, worauf die schöne Künstlerin, mit einer reichen Mitgift dotirt, sich anderweitig verheiratet hat.
Dort der blonde Herr mit dem behaglichen Gesicht ist der erste Geschäftsinhaber der Disconto-Gesellschaft, Adolf Hansemann, der Sohn des bekannten David Hansemann, von dem die geflügelten Worte herrühren: daß in Geldsachen die Gemüthlichkeit aufhört. Von seinem berühmten Vater hat er die irdischen Glücksgüter, vor Allen dessen überaus lucrative Stellung geerbt, aber die eigentliche Seele bei Handhabung des Börsengeschäftes ist der intelligente, etwas melancholisch dreinschauende Herr Goldschmidt, dessen kaufmännisches Talent von allen Seiten die höchste Anerkennung findet. In der Nähe dieser Finanzgrößen sitzen auch die Inhaber der „Berliner Handelsgesellschaft“, Herr Gelpke, Vater und Sohn, Letzterer ein angehender Vierziger mit freundlich klugem Gesicht, das der rund geschnittene Bart einrahmt. Er unterhält sich angelegentlich mit seinem geachteten Compagnon Herrn Conrad, der zu den Aeltesten der Kaufmannschaft zählt. Den Eindruck eines vollkommenen Gentlemans macht Herr Joseph Jaques mit seiner stattlichen Figur und dem grauen würdigen Kopf. Auch dieses Haus zeichnet sich durch feine Bildung und höhere Geselligkeit aus. An der Börse wird die Firma meist durch den Sohn und Compagnon, einen noch jungen liebenswürdigen Mann, vertreten. Sein Freund, ein ebenfalls noch junger, etwas starker Herr mit blühendem Gesicht, ist der Baron Victor von Magnus, Neffe des berühmten Portrait-Malers, Schwiegersohn des ausgezeichneten Physikers und Universitäts-Professors Magnus und Bruder des früheren preußischen Gesandten in Mexico. Durch Verwandtschaft und anderweitige Verbindungen gehört derselbe mehr noch den aristokratischen und diplomatischen Kreisen als der Börse an. Nebenbei besitzt er ein dramatisches darstellendes Talent und huldigt deshalb bald im Stillen, bald öffentlich den Musen, besonders bei den Aufführungen des Adels zu verschiedenen wohltätigen Zwecken. Die Geschäfte des Hauses besorgt hauptsächlich Herr Schüler, langjähriger Disponent der Firma und bekannt durch seine Tüchtigkeit und sarkastisches Wesen. Diese ganze Gruppe nimmt gewissermaßen eine eximirte Stellung an der Börse ein und vertritt gleichsam die classische Richtung, indem die Mehrzahl dieser Herren die Grundsätze der alten soliden Schule befolgt, die sich mit einem sicheren Provisionsgewinn begnügt und von allen gewagten Speculationen sich mehr oder minder fern hält, so weit sie sich nicht gezwungen finden, der Richtung der Zeit Rechnung zu tragen. Auch äußerlich zeichnet sich diese Aristokratie des Geldes durch ihre etwas reservirte Haltung aus; in ihrer Umgebung herrscht eine verhältnismäßige Ruhe, eine fast befremdende Stille, die sich dadurch erklärt, daß die Chefs sich meist durch ihre Procuristen vertreten lassen und nur bei außerordentlichen Gelegenheiten sich an den Geschäften betheiligen.
Um so lebhafter geht es an der sogenannten „Speculations“- oder „Lombarden-Ecke“ zu, wo sich das eigentliche Leben und Treiben der Börse concentrirt. Hier wird oft ein schwerer Kampf gekämpft, das Geschick des Tages entschieden, das Bülletin der Siege oder Niederlagen decretirt. Hier sitzen die Feldherren, welche über Millionen commandiren, umgeben von ihrem Stabe, von ihren Adjutanten, von geschäftigen Maklern und Agenten, die auf ihren Wink hier- und dorthin fliegen. Mit der größten Spannung lauscht die ganze Börse an solchen Schlachttagen auf die Stimmung, welche von dieser entscheidenden Ecke ausgeht. Eifrig studirt man die Physiognomieen der maßgebenden Führer und deutet ihre Blicke, ihre Mienen, ihr Lächeln oder ihr Stirnrunzeln. Wenn sie finster sehen, so verbreitet sich eine allgemeine Panique, wenn sie heiter blicken, strahlt die goldene Ducaten-Sonne der Hausse, lächelt die rosige Morgenröte am papierenen Actien-Himmel. Zwei bekannte große Firmen, deren Repräsentanten sich zufällig gegenübersitzen, sind die Hauptleiter der Speculation. Der Eine von Beiden, Herr Güterbock, der Aelteste von seinen Brüdern und Mitbegründer des „Berliner Cassenvereins“, gilt für eine respectable Capacität an der Börse. Sein Visavis, jener schwarzhaarige Herr mit den scharf marquirten Zügen, ist Herr Gerson Bleichröder, der außer seinem eigenen großen Geschäft noch die der verschiedenen Rothschild’schen Häuser hier versieht und darum doppelt in’s Gewicht fallen muß. Da er außerdem der Banquier des Grafen Bismarck ist, der es nicht verschmäht, die ausgezeichneten Diners des Herrn Bleichröder mit seiner Gegenwart zu beehren, so genießen die finanziellen Operationen eine Art von halbofficiösem Ruf, obgleich die Eingeweihten wissen wollen, daß Herr Bleichröder noch weit mehr auf Rothschild schwört, als auf den Kanzler des Norddeutschen Bundes. An seiner Seite befindet sich Herr Schwabach, der durch Fleiß und Talent sich vom einfachen Commis bis zum einflußreichen Theilhaber der Firma Bleichröder und Compagnie emporgeschwungen hat und wegen seiner Bonhomie allgemein beliebt ist. Zu derselben Kategorie gehört auch Herr Plaut, einer der durch Thätigkeit und Solidität rasch emporgekommenen Banquiers, der von Zeit zu Zeit die Börse durch irgend ein ingeniöses Manöver überrascht und zuweilen in eine keineswegs angenehme Aufregung versetzt.
Zu den besonders glücklichen Speculanten zählt ferner jener junge elegante Mann in kurzem Jaquet, mit bunt gestreiftem Vorhemdchen und lose geschlungener Binde, dessen Physiognomie eine seltsame Mischung von genialer Keckheit und berechnender Schlauheit, von liebenswürdigem Leichtsinn und durchdringendem Scharfblick, von selbstgenügender Sicherheit und natürlicher Befähigung verräth. Herr Hugo Pringsheim ist das enfant gâté der Berliner Börse, das Schooßkind Fortuna’s, ein Parvenu wie manche Größe der Neuzeit, aber gegenwärtig ein angehender Millionär und folglich höchst respectabel. Auf demselben Felde finden wir den Herrn Gustav Schultze, einen eben so gewandten als glücklichen Speculanten, sowie eine der beliebtesten Persönlichkeiten der Börse, einen Mann, der in den schwierigsten Zeiten sich immer als Ehrenmann bewiesen und neben seiner Liebhaberei für Gemälde sich noch durch seinen großen Wohlthätigkeitssinn auszeichnet. Auffallend still und ruhig, aber darum vielleicht um so solider erscheint Herr Neumann, der sein großes, in kurzer Zeit erworbenes Vermögen seinem Vertrauen zu den Amerikanern zu verdanken hat, ebenso wie Herr Magnus Hermann, der erst in letzter Zeit eine hervorragende Stellung unter den vom Glück begünstigten Speculanten einnimmt. An dieselben reiht sich noch eine jetzt seltene Börsenfigur an, Herr Goldberger, der Erfinder der Rheumatismus-Ketten und ähnlicher populärer Heilmittel, die, wie er selbst meint, wenn auch nicht immer seinen Patienten, doch ihm wenigstens sicher geholfen haben.
Es würde hier zu weit führen, wollten wir mit namentlicher Aufführung großer Firmen fortfahren. Es giebt noch viele hier, die einen alten, langbewährten Ruf genießen, andere, die, wenn auch jüngeren Ursprungs, doch rasch zu größerer Bedeutung gekommen sind. Zu ersteren gehören Veit und Comp., ein Haus, welches zum Theil Rothschild aus Paris an der hiesigen Börse vertritt und außerdem noch durch seine Familienbeziehungen merkwürdig ist, indem der Ahnherr der Gatte jener Dorothea Veit war, welche später sich von ihrem Manne scheiden ließ, um den bekannten Schriftsteller Friedrich von Schlegel zu heirathen. Aus ihrer ersten Ehe stammten die beiden berühmten Maler Veit; auch der hochgeachtete Buchhändler und Mitglied des Frankfurter Parlaments, Dr. Moritz Veit, gehörte dieser Familie an, welche eine höchst ausgezeichnete Stellung weit länger als ein halbes Jahrhundert behauptet hat. Zu letzteren gehören unter vielen anderen F. W. Krause und Comp., Bein und Comp., S. Abel jun., welcher kürzlich einen der elegantesten Paläste erbaut hat, eine Sehenswürdigkeit Berlins, und dem kürzlich die Ehre zu Theil wurde, daß Se. Majestät der König nebst hohem Gefolge Haus und Einrichtung in Augenschein nahmen und Sich höchst befriedigt darüber äußerten.
Während an der Lombardenecke und in deren Nähe das sogenannte [15] genannte Speculationsgeschäft besonders blüht, befindet sich der Markt für die Eisenbahn-Actien an der entgegengesetzten Seite in der Nähe des Büffets, wo sich häufig eine gemütliche Gesellschaft zusammen findet. Hier dominirt ein untersetzter Mann mit einer geistlichen Tonsur, der, an einer der hohen Säulen gelehnt, gleich dem delphischen Orakel das Schicksal der Oberschlesier, Oppeln-Tarnowitzer, Görlitzer etc. dem staunenden Volke nicht nur verkündigt, sondern auch „macht“. Herr Kuczynski behauptet auf diesem Felde eine unbestrittene Superiorität und gilt in dieser Branche für eine Autorität ersten Ranges, der diesen Ruf hauptsächlich seinen eingehenden statistischen Studien und Berechnungen verdankt. – Von Zeit zu Zeit erscheint noch an unserem Börsenhorizont ein glänzendes Gestirn, dessen kometenartiger Schimmer Alles zu verdunkeln droht, so daß sein bloßes Kommen eine ungemeine Sensation hervorruft. Noch sind die finanziellen Astronomen darüber nicht einig, ob sie dieses eine Licht zu den Sonnen und soliden Fixsternen oder zu den vorübergehenden Feuermeteoren zählen sollen; wenigstens sind die Meinungen in dieser Beziehung getheilt. Der moderne „Lucifer“ oder Lichtbringer zeigt eine gedrungene, zum Embonpoint neigende Figur, ein volles rundes Gesicht mit stark ausgeprägten, nicht uninteressanten Zügen.
Das fabelhafte Glück dieses Herrn und seine ganze eigenthümliche Persönlichkeit ist mit einem geheimnißvollen Schleier bedeckt und giebt bereits bei seinem Leben Stoff und Veranlassung zur Mythenbildung, womit sich die Börse trotz ihrer prosaischen Natur gern beschäftigt. Nach der Sage war Herr Dr. Stroußberg noch vor wenigen Jahren ein unbekannter Bilderhändler oder armer Privatgelehrter, der in England, wohin das Schicksal ihn auf seinen abenteuerlichen Wanderungen führte, den Stein der Weisen, oder vielmehr einige reiche Capitalisten gefunden haben soll, welche ihm bedeutende Summen zur Verwirklichung seiner kühnen industriellen Projecte anvertrauten. Nach langer Abwesenheit tauchte er plötzlich wieder in Berlin auf, aber diesmal mit fürstlichem Glanz, versehen mit ausgezeichneten Empfehlungen an hohe und höchste Herrschaften, von denen er empfangen und protegirt wurde. Bald gelang es ihm, sich die Concession zu verschiedenen Eisenbahnunternehmungen zu verschaffen, die er trotz aller Zweifel an ihrer Rentabilität, unbekümmert um das Urtheil und Vorurtheil der Welt in’s Leben rief, so daß seine Feinde und Gegner das industrielle Genie, die Ausdauer und Leichtigkeit seines erfinderischen, um Auskunftsmittel nie verlegenen Geistes anerkennen mußten.
Wenn auch Herr Stroußberg im Anfange seiner bewunderungswürdigen Laufbahn mit Mirès, Pereire und ähnlichen zweideutigen Speculanten häufig verglichen wurde, so hat doch der große Erfolg und die Kühnheit seiner Operationen nach und nach einen Umschlag in der öffentlichen Meinung hervorgerufen und die interessante Persönlichkeit mit einem goldenen Nimbus umgeben. Gegenwärtig gilt derselbe in den Augen des Publicums als ein sechsfacher Millionär, wenn auch hier und da noch immer bescheidene Zweifel an der Größe und Solidität seines Vermögens auftauchen. In Wirklichkeit ist er Besitzer mehrerer Rittergüter und einer ansehnlichen Herrschaft, Concessionsinhaber verschiedener Eisenbahnen, außerdem Doctor der Philosophie, Eigenthümer einer vielgelesenen Zeitung und Mitglied des Norddeutschen Parlaments. Er besitzt ein fürstliches Palais in der Wilhelmstraße, dessen Erbauung ihm mehr als vierhunderttausend Thaler gekostet haben soll, eine auserwählte Bibliothek, eine kostbare Gemäldesammlung mit den Meisterwerken eines Meissonier, Vautier und Knaus, einen Speisesaal mit den schönsten Fresken und ein entsprechendes Mobiliar, worunter sich, wie die geschwätzige Fama meldet, zwölf Lehnstühle befinden, welche, wenn man sich darauf setzt, die reizendsten Arien von Donizetti, Bellini, Meyerbeer und Verdi ertönen lassen.
In seinem Antichambre findet man alle Stände vertreten, die Mitglieder der höchsten Aristokratie, Fürsten und Grafen, die sich mit dem Finanzgenie verbinden, neben manchem armen Teufel, der seine Hülfe selten vergebens in Anspruch nimmt. Wie wenigstens vielfach erzählt wird, soll Herr Doctor Stroußberg, eingedenk seiner früheren beschränkten Verhältnisse, ein Wohltäter der Armen und Hilfsbedürftigen sein und eine offene Hand nicht nur zum Nehmen, sondern auch zum Geben besitzen. Manche verbürgte und unverbürgte Anekdote über sein excentrisches Wesen, manches wahre oder falsche Gerücht über seine Geschäftsart wird durch derartige Züge menschlichem Wohlwollens gut gemacht und aufgehoben, und wenn auch im Ganzen noch die Welt über diese außerordentliche Erscheinung zu einem sicheren Resultate, zu einer festen Meinung nicht gelangt ist, so steht wenigstens so viel fest, daß Herr Stroußberg ein Finanzgenie ersten Ranges und einer der glücklichsten Speculanten Berlins ist, obgleich man, wie schon der weise Solon sagt, Niemand vor seinem Ende glücklich preisen soll.
Eine besondere Beachtung an der Berliner Börse fordert und verdient die zahlreiche Classe der Makler, durch welche hauptsächlich die Geschäfte vermittelt und abgeschlossen werden. Sie sind die unentbehrlichen Zwischenglieder, durch welche die Ringe der goldenen Kette zusammengehalten werden, die geschäftigen Bienen, welche von Baum zu Baum, von Blume zu Blume fliegen, um den Nektar einzusammeln nicht bloß für ihre Auftraggeber, sondern auch zu ihrer eigenen Nahrung. Auch hier herrscht ein großer Unterschied, indem wir Makler kennen lernen, welche jährlich dreißigtausend Thaler Provision beziehen, wie z. B. Wilhelm und Theodor Hertel, Hermann Goldschmidt, Chef der bedeutenden Wechselfirma B. Goldschmidt. Eine bekannte Persönlichkeit ist auch Herr Philippshorn, der aus einer angesehenen Familie stammt, welche durch einen ausgezeichneten Diplomaten, einen hohen Postbeamten, durch die berühmte Schauspielerin Crelinger, den talentvollen Theodor Döring und den Maler Amberg illustrirt wird.
Eine eben so originelle als populäre Figur ist der sich jetzt mehr zurückziehende „weiße Salomon“, so genannt wegen seines ehrwürdigen, von langen weißen Locken umwallten, schönen Kopfes, der aber auch wegen seiner oft treffenden Aussprüche und Reden den Namen des „weisen Salomon“ verdienen möchte. Eine fast noch größere Bedeutung für die Berliner Börse als die vereideten Makler, haben die unvereideten. Erstere dürfen nämlich keine Geschäfte auf eigenen Namen machen, während letztere gegen Vergütung der üblichen Maklercourtage Kauf und Verkauf auf eigenen Namen ausführen und selbst reguliren, was dem Geschäft eine namenlose Erleichterung bereitet. Zu den bedeutenderen gehören der österreichische Consul Karo, der sich von einer der untergeordnetsten Beschäftigungen zu einer sehr geachteten Stellung emporgebracht, und wenn derselbe auch durch das Jahr 1866 auf’s Härteste durch Verluste betroffen worden, so kann ihm doch Niemand den Namen eines Ehrenmannes absprechen, dessen großer Wohlthätigkeitssinn noch besonders hervorgehoben zu werden verdient.
Von den Vertretern der Berliner Presse findet man hier die Berichterstatter sämmtlicher politischen und mercantilischen Zeitungen, so wie die Delegaten der beiden Telegraphenbureaux. Eine eximirte Stellung unter den Literaten nimmt der Herr von Killisch, Besitzer und Herausgeber der Börsenzeitung, ein. Als gewandter und höchst talentvoller Journalist hat er sich seine französischen Collegen zum Muster genommen und, wie diese in Paris, sich in Berlin eine lucrative Stellung zu erwerben gewußt, die mit einem Einkommen von mehr als dreißigtausend Thalern jährlich verbunden sein soll. Ueber die Unparteilichkeit der Börsen-Zeitung sind jedoch die Meinungen sehr getheilt. Er lebt auf großem Fuß ganz wie seine bekannten Vorbilder, bewohnt eine prächtige Villa und giebt ausgesuchte Diners für die Feinschmecker der haute finance. Sein Adel ist wie sein Vermögen neueren Datums; er verdankt denselben weniger seinen sonstigen Verdiensten als der gefälligen Adoption durch einen alten gemüthlichen Herrn. – Außer dem Genannten nehmen Herr Davidsohn, der Redacteur des neubegründeten „Berliner Börsen-Couriers“, und Herr Theodor Heymann, Besitzer der „Bank- und Handelszeitung“, eine einflußreiche Stellung ein, von denen der Letztere sich einer großen persönlichen Beliebtheit und des besten Rufes wegen der Unparteilichkeit seines Organs erfreut. Die Nationalzeitung ist durch den sehr tüchtigen Nationalökonomen Dr. Schweitzer vertreten. Die Vertreter der Presse haben ein eigenes Zimmer, wo sie die ihnen von den Maklern mitgeteilten Course für die Zeitungen notiren. Der eigentlich officielle Courszettel wird jedoch von den vereidigten Maklern in dem eine Treppe hoch gelegenen Sitzungszimmer der Kaufmannschaft erst später festgestellt. Während der ganzen Börsenzeit findet ein lebhafter telegraphischer Verkehr statt, wozu ein besonderes Zimmer dient. Sämmtliche Depeschen werden durch einen pneumatischen Apparat, der mit einer Dampfmaschine in Verbindung steht, durch die verdünnte Luft nach dem Haupt-Telegraphenamt befördert, wohin sie in verschlossenen Blechbüchsen [16] gelangen, um von dort mit Blitzesschnelligkeit nach allen Weltgegenden auf dem elektrischen Draht weiter zu fliegen.
Hervorgehoben muß noch werden, daß während schon jetzt die Berliner Börse vielleicht die bedeutendste in ganz Europa, der Umfang noch in stetem Zunehmen begriffen ist, da selten eine Woche vergeht, wo nicht neue Etablirungen von Bankgeschäften stattfinden.
Es dürfte kaum möglich sein, den Umsatz an der Berliner Börse auch nur annähernd zu bezeichnen. Wir glauben aber eher zu niedrig als zu hoch zu greifen, wenn wir denselben für alle Umsätze in Papieren, Wechseln und Geldsorten auf fünfundzwanzig Millionen Thaler per Tag annehmen. Freilich hat auch die Börse, wie alle anderen Geschäfte, ihre saison morte, in den Sommermonaten, wo Alles in die Bäder geht.
Von der Fondsbörse nur durch eine schlanke Säulenreihe getrennt, befindet sich der Raum für die Productenbörse, die ebenfalls von kaum zu beschreibender Bedeutung ist. Es giebt auch hier Commissionsfirmen, die fast über den ganzen Continent verbreitete Geschäftsverbindungen haben, und wir wollen unter vielen anderen nur A. Heimann, S. und M. Simon, Gebrüder Sobernheim anführen. Für jeden Artikel, Weizen, Roggen, Mehl, Spiritus, Rüböl, Petroleum etc. giebt es besondere Makler, und auch unter diesen sind einige von großer Bedeutung; für Weizen Marx, für Roggen Commissions-Rath Henschel, Kaufmann und für Spiritus Biermann, Emil Meyer, ein sehr intelligenter Mann, der wöchentlich einen vielverbreiteten Bericht über das Productengeschäft mit guten statistischen Unterlagen und außerdem jährlich einen größeren vorzüglich ausgearbeiteten Gesammtbericht über das Productengeschäft Berlins herausgiebt.
Höchst interessant ist das daran stoßende „Kündigungszimmer“, wo die effectiven Geschäfte zum Austrag gebracht werden. Von Zeit zu Zeit hört man da ein Glöcklein klingen, das schon für manchen Speculanten zum Armensünderglöckchen geworden ist. Es ruft die verschiedenen Parteien zum Abschluß mit schrillem, markerschütterndem Klang und nicht selten läutet es Vermögen, Ruf und Ehre zu Grabe. Mit diesem Memento mori verlassen wir die Berliner Börse, da unser ihr gewidmetes Stündchen längst verflossen ist.
Aus der guten alten Zeit. Es sind in den annectirten Landestheilen
der preußischen Monarchie zur Zeit nicht wenig Leute, welche die
gute alte Zeit nicht allzuweit zurückverlegen. Wir wollen nicht näher
untersuchen, ob diese Anschauungen irgendwie berechtigt sind, ein
Hauptvorwurf in der Öffentlichen Meinung trifft bei der Erörterung dieser Frage
in der Regel die Vertreter der conservativen Bureaukratie. Sei es uns
erlaubt, einige auf strengster Wahrheit beruhende Mittheilungen
bureaukratischer Absonderlichkeiten aus dieser neuesten „guten alten Zeit“
der Gartenlaube mitzutheilen, indem wir uns zugleich gegen die Annahme
feierlichst verwahren, als tischten wir den geneigten Lesern Märchen auf.
An dem landwirthschaftlichen Institute zu N. N. war der Professor Az. lange Jahre Dirigent, gleichzeitig aber auch Regierungs-Referent für landwirthschaftliche Angelegenheiten. Diese Doppelstellung brachte den stets nach strengster Vorschrift verfahrenden alten Herrn in zahlreiche Conflicte. Alle Angelegenheiten, das genannte landwirthschaftliche Institut betreffend, referirte er treulich, mit seiner Namensunterschrift versehen, an sich selbst den Vertreter der Regierung, und ließ die darauf erfolgenden Entscheidungen und Verfügungen als Regierungsbeamter – gleichfalls wieder mit seiner Unterschrift versehen, an sich, den Director des Instituts, zurückgelangen und er, der Director, führte aus, was er, der Regierungs-Referent zu verfügen oder zu beantragen geruht hatte.
In dem sehr kleinen H.’schen Amte R. verwaltete ein Herr v. B. in einer Person den Posten eines Amtmanns, eines Rentmeisters und eines Landoberschultheißen, letzteres gleichfalls ein wunderbares Wort aus der „guten alten Zeit“.
Die Vereinigung der genannten drei Staatsämter bezweckte offenbar eine weise Sparsamkeit in der Verwaltung, welche jedenfalls auch anderwärts bestens zu empfehlen sein dürfte. Wie trefflich aber richtete sich der Herr Amtmann ein! Das alte Amthaus hatte Räumlichkeiten genug für verschiedene Abtheilungszimmer und so prangten dann vor der einen Thüre des Amtssitzes die imponirenden Worte: H.’sches Amt, vor der zweiten: H.’sche Receptur und vor der dritten H.’sche Landoberschultheißerei! Diese Einrichtung wurde nun auch streng im schriftlichen Verfahren und amtlichen Verkehr aufrecht erhalten.
Wenn das Rentamt (die Receptur) eine Zahlung an das H.’sche Amt zu leisten hatte, so erging aus dem zweiten Zimmer eine Zuschrift, mit der Unterschrift des Herrn v. B. als Rentmeister versehen, in das erste Zimmer, in dem Herr v. B. als Amtmann die Quittung ausstellte, die von da wieder in das zweite Zimmer gelangte. Hierauf begaben sich der Herr Amtmann und Rentmeister in einer Person in das dritte Zimmer, buchten die eingegangene Zahlung als Landoberschultheiß und ließen als solcher den nöthigen Bericht an die H.’sche Regierung gelangen, etwa lautend „Der H.’sche Rentmeister Herr v. B. übermittelte heute dem H.’schen Amtmann Herrn v. B. den Betrag von so und so viel, welcher unter demselben Datum an die unterzeichnete Landoberschultheißerei abgeliefert worden ist. Gehorsamst v. B., Landoberschultheiß.“ Dieser Geschäftsgang war ein wenig complicirt, aber jedenfalls streng nach Vorschrift.
Drolliger noch gestaltete sich die Sache, wenn irgend ein wenig informirter Amtsangehöriger bei der Landoberschultheißerei etwas zu bewirken hatte. Den Vertreter dieser Regierungsstelle kannte bei der geringen Ausdehnung des Bezirks freilich fast ein Jeder. Kam aber ein Uneingeweihter im Amthause durch Zufall an die erste Thür und frug nach dem Landoberschultheißen, so schickte ihn der Herr Amtmann mit einem förmlichen „Thür weiter!“ zurück. Der Unglückliche öffnet die zweite Pforte und dieselbe Persönlichkeit, der Herr Rentmeister, der sich indeß durch eine Seitenthür in jenes Gemach verfügt hatte, schmettert ihm abermals ein „Thür weiter“ entgegen, bis dann der betroffene Supplicant höchst erstaunt im dritten Zimmer endlich den Herrn Landoberschultheißen in höchsteigener Person trifft, der natürlich zu seinem Entsetzen abermals sich als derselbe gestrenge Herr darstellt. Mit den Localverhältnissen nicht vertraute Staatsbürger aus kleineren Ortschaften konnten unter solchen Umständen wohl an Teufelsspuk, mindestens aber an eine beabsichtigte Täuschung glauben.
Nun geschah es aber eines Tages – kein Wunder bei dem complicirten Geschäftsgang – daß der Herr Landoberschultheiß sich eines amtlichen Versehens gegenüber dem Rentamt (der Receptur) wenn auch ziemlich harmloser Natur, schuldig machte. Die Receptur berichtete darüber an das H.’sche Amt, und das Amt, das heißt der Herr Amtmann selbst, nahm die Landoberschultheißerei, das heißt wieder sich selbst, in eine gebührende Ordnungsstrafe von fünf Gulden. Hierauf berichtete das Amt nicht nur das Versehen der Landoberschultheißerei, sondern auch die vom Amt dictirte und an das Rentamt bereits bezahlte Ordnungsstrafe – immer wieder mit der gleichen Unterschrift versehen – an die H.’sche Regierung, welche dann allerdings die Sache mit einem Verweis an die dreifaltige Unterbehörde zurückgehen ließ.
Das vorstehend Erzählte ist buchstäblich wahr und jedenfalls auch ein charakteristisches Stückchen aus der „guten alten Zeit“!
Vautier’s Bilder. Müssen wir die beiden reizenden Bilder des
Düsseldorfer Meisters Vautier noch erklären? Ein Blick darauf und
die Novelette spielt sich ab vor unseren Augen. In dem ersten Rahmen
die kaum erblühte Jungfrau, angekettet an den Lehrtisch des eifrig docirenden
Magisters, der glücklicherweise keine Ahnung davon hat, wie drüben in
dem Hause gegenüber ein junger, blondgelockter Flötenspieler die glühendsten
Liebesmelodieen hervorzaubert und hinüberschickt zu dem schelmischen
Mädchen, dessen Blicke sich magnetisch nach dem Fenster wenden und dessen
ganzes Wesen „gar nicht bei der Sache ist“ – bei der Sache nämlich
des alten Magisters. Und wie anheimelnd und rührend das zweite Bild!
Flötenspieler und Jungfrau, in Liebe und durch das Wort des Priesters
vereint seit vielleicht vierzig Jahren schon, aber noch immer frisch in der
Treue zu sich selbst und zu der Frau Musika, die sie einst zusammengeführt
– „ganz bei der Sache“, wie damals, als sie sich zuerst fanden im Geständniß
ihrer Liebe und ihrer ewigen Zusammengehörigkeit! Was sollen
wir erklären, was vielleicht Tausende unserer lieben Leserinnen schon selbst
durchlebt und was sie jetzt stilllächelnd und stillbeglückt betrachten und dem
Alten hinüber reichen über den Tisch – leise die Worte flüsternd, daß es
die Kinder nicht hören: „Alterchen, weißt Du noch – ganz wie bei uns.“
Deutsche Blätter. Auf diese unsere literarisch-politische Feuilleton-Beilage,
die wöchentlich zugleich mit der Gartenlaube selbstständig ausgegeben
wird, glauben wir die Aufmerksamkeit unserer bereits neu eingetretenen
Abonnenten lenken zu müssen. Die seit 1866 von Dr. Albert Fränkel
redigirten „Deutschen Blätter“ erfüllen ihre Bestimmung, eine Ergänzung
der Gartenlaube zu sein, in anerkannt tüchtigster Weise. In einer bunten
Reihe von längeren oder kürzeren Artikeln und Notizen bringen sie, was
die Gartenlaube bei dem dreiwöchentlichen Zeitraum, welchen der Druck
jeder ihrer Nummern in Anspruch nimmt, nicht immer mit der erforderlichen
Schnelligkeit und Vollständigkeit zu bieten vermöchte: ein revueartig
der Geschichte der Woche und des Monats entnommenes, mit Sachkenntniß
und kritischer Sorgfalt beleuchtetes Bild des laufenden Culturlebens unter
vorzugsweiser Berücksichtigung der literarischen und künstlerischen,
gesellschaftlichen und religiösen Bewegung unseres deutschen Vaterlandes.
Durch die unterhaltende Frische ihres Inhalts und ihren zugleich eleganten und volksthümlichen Ton, durch ihre deutsche Haltung und die ausgeprägte
Entschiedenheit, mit der sie für den Fortschritt der Freiheit, der Humanität
und Volksbildung wider alle entgegenstehenden Bestrebungen kämpfen, haben
sich die „Deutschen Blätter“ ein nicht geringes Ansehen in der Tagespresse
und unter den gebildeten Lesern der Gartenlaube weit und breit einen
zahlreichen Freundeskreis erworben.
H. Schauffert, dessen Portrait wir auf Seite 9 geben, ist der in
Wien preisgekrönte Lustspieldichter, dessen „Schach dem König“ vor vierzehn
Tagen am Burgtheater mit großem Erfolg gegeben wurde. Eine
biographische Charakteristik des talentvollen Dichters lassen wir in nächster Nummer folgen.
Inhalt: Reichsgräfin Gisela. Novelle von E. Marlitt. – Meiner Mutter. Gedicht. Von H. Allmers. – Pariser und deutsche Thierliebhabereien. Aus Paris. Mit Abbildung. – Zwei Mönche einer protestantischen Hochschule. 1. Banz und der Pater Roman. Von Friedrich Hofmann. – Ein Mittag an der Berliner Börse. Von R. v. G. – Blätter und Blüthen: Aus der guten alten Zeit. – Vautier’s Bilder. – Deutsche Blätter. – H. Schauffert, der Preislustspieldichter.
- ↑ Vergl. Gartenlaube 1863, S. 144.