Die Gartenlaube (1865)/Heft 52
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No. 52. | 1865. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.
Mit Genugthuung können wir auch auf den Jahrgang unseres Blattes zurückblicken, dessen letzte Nummer wir hiermit vorlegen. Sowohl hinsichtlich der Urtheile der Presse als hinsichtlich des geschäftlichen Aufschwungs haben wir nur Erfreuliches zu berichten. Alle die zahlreichen Nachahmungen und Anfeindungen der Gartenlaube haben nicht vermocht, die Zahl ihrer Abonnenten auch nur um einen einzigen zu vermindern, vielmehr sind ihr seit Anfang dieses Jahres wiederum mehrere Tausend – nahe an 9000 – aus allen Theilen des deutschen Vaterlandes und aus der fernsten Fremde, von überall her, wo Deutsche leben, neu zugeflossen. Es ist dies ein Erfolg, der uns wohl mit Befriedigung erfüllen darf – thut er doch dar, daß wir nach wie vor dem Publicum zu bieten bestrebt waren, was es von einer Zeitschrift, wie die unsrige, zu erwarten berechtigt ist – der uns aber auch anspornen wird, dem Ideale eines Volks- und Familienblattes, wie es uns vorschwebt, immer näher und näher zu kommen.
Die Namen der Mitarbeiter unserer Zeitschrift sind unsern Lesern bekannt und werth. Die trefflichen Beiträge eine R. Benedix, Beta, Bock. Brehm, Brunold, Fr. Gerstäcker, Guido Hammer, Georg Hiltl, M. von Humbracht, Alfred Meißner, E. Polko, Prof. Richter, Carl Ruß, Johannes Scherr, Arnold Schloenbach, Levin Schücking, Herman Schmid, Schmidt-Weißenfels, Schulze-Delitzsch, Ludwig Steub, J. D. H. Temme, Albert Traeger, Carl Vogt, Ludwig Walesrode, Franz Wallner u. s. w. werden auch dem nächsten Jahrgange zur Zierde gereichen, in dessen erstem Quartale u. v. a. und neben einem reichhaltigen Feuilleton die nachverzeichneten interessanten Artikel Aufnahme finden werden:
Goldelse. Novelle von E. Marlitt. – Eine Novelle von Levin Schücking. – Der Dommeister von Regensburg. Erzählung von Herman Schmid. – Der Frankfurter Advent. Historische Novelle von Bernd von Guseck. – Die Nachtwandlerin. Novelle von Theodor Mecklenburg. – Ein Hochzeitsfest. Schloßgeschichte von J. D. H. Temme. – Die Sängerrunde am Weinsberger Thurm. Mit Illustration von Rustige. – Die Schrecken der weißen Reaction. Episode aus der neueren französischen Geschichte, erzählt von Johannes Scherr. – Das elektrische Perpetuum Mobile. Mit Illustration. – Ein Ganzer. Mit dem Portrait von David Friedrich Strauß. – Die Corallenfischer. Von Carl Vogt. Mit Abbildung. – Ein deutsches Casino in Amerika. Originalmittheilung aus Baltimore. Mit Illustrationen. – Europas Allerhöchster. Mit Illustration. – Ein ungarisches Reiterleben. Mit drei Illustrationen. – Die Geheimnisse deutscher Luftschlösser. – 1. Das Fräulein von Neidschütz. – Aus der Stadt der Intelligenz. 1. Literarisches Proletariat. – 2. Die Geheimrathskneipe. Von Otto Glagau. – Das Irrlicht. Eine Fabel. – Die neue Leipziger Wasserkunst. Mit Illustrationen. – Der kranke Dichter des Walladmer. – Bilder von der deutschen Landstraße. III. Kleine Leute. – Aus dem Tagebuche eines hypochondrischen Laien. II. – Wandlungen. Mit Illustrationen: Abbé Liszt vor Pius dem Neunten. – Immergrün. Aus den Mittheilungen eines Deutschamerikaners. – Im Crocodil. Skizze aus der Münchner Künstlerwelt. Mit Illustration von Th. Pixio. – Aus dem Tagebuche eines Arztes. Bilder und Scenen von Max Ring. – Deutschlands große Werkstätten. III. Die Schöpfungen eines Zeugschmieds. Mit Illustrationen. – Ein Novellist der Gartenlaube. Mit Portrait. – Die Elephantentoilette. Mit Illustration von H. Leutemann. – Die kleinste Residenz. Mit Abbildung. – Enthüllungen aus den Werkstätten der Tagespresse. Von H. Wuttke. – Aus dem englischen Hochleben. – Der geschichtliche Fiesco. Von F. Bacher. – Der autographische Telegraph. Von R. Herzberg. Mit Abbildungen. – Phädra in Potsdam. Ein Originalbrief der Rachel. – Der Neger als Soldat. Aus den Mittheilungen eines Deutschamerikaners. – Die Wunder der Brennerbahn. Mit Illustration. – Zwei, die sich wiedersehen. Von E. Schmidt-Weißenfels. – Aus dem Tagebuche eines Verbannten. 2. Fach’s Flucht aus der Citadelle von Laudan. – Land und Leute: Auf der Brautschau in Hessen. Mit Illustration von Lasch. – Der Steinschneider. Geschichtliche Skuzze von George Hiltl. – Beim Dichternestor. Von Fr. Hofmann. – Die ehemaligen Thore Berlins. Von A. Levin. Mit Illustration. – Ein slavisches Dorffest. Von Leopold v. Sacher Masoch. – Der Vater des Lumpaci Vagabundus. Von L. A. Frankl. Mit Portrait. – Aus den Landes des verkauften Bruderstammes. Von Otto Glagau. – Bilderschau in meinem Zimmer. Von Franz Wallner. – Kleine Ursachen, große Wirkungen. Von Bock. – Ein javanischer Vesuv. Originalmittheilung aus Surabaya. – Die socialen Folgen der Arbeitstheilung. Von Schulze-Delitzsch.
Leipzig, im December 1865. Die Redaction.
(Schluß.)
„Werden denn aber Sie glücklich sein, Marie?“ fragte Richard nach einer Pause. „Sie ziehen zu einem alten Menschenfeind. Was können Sie dort finden?“
„Nicht viel,“ entgegnete sie. „Aber was ich brauche, das bringe ich mit.“ Und als er sie fragend anschaute, setzte sie hinzu: „Ein zufriedenes Herz.“
Richard betrachtete sie, wie um ihre Gedanken zu erforschen. „Wer zufrieden ist, hat, was er wünscht. Haben Sie das?“
[818] „Fast möcht’ ich sagen, ja! Denn ich bin dahin gekommen, zu wünschen, was ich habe. Allem, was mir versagt ist, habe ich entsagt, und was ich habe, ist mir nun Alles.“
Richard schüttelte den Kopf.
„Ich habe wenig,“ fuhr sie fort, „es ist wahr. Fast gar nichts! Dafür habe ich aber eine Seele, die in sich selber glücklich zu sein vermag. Und diese findet ihre Rechnung gerade in der Einsamkeit.“
„Wird sich dort Ihr Glück nicht erschöpfen?“ entgegnete der junge Mann, dessen Mienen immer mehr eine Absicht auszudrücken schienen. „Wir können viel für uns allein, glücklich sind wir aber nur, wenn ein Andres mit uns glücklich ist.“
Eine Röthe ging über die Wangen des Mädchens, ein wehmüthiges Lächeln über ihre Lippen. Aber sie faßte sich und erwiderte mit Güte: „Das muß Ihre Empfindung sein, lieber Vetter. Aber für jeden Verlust, für jeden Mangel giebt es in diesem Leben einen Ersatz, und darum ist nicht nur das Eine möglich, sondern auch das Andre. Sie haben einen leidenschaftlichen Trieb zur Thätigkeit – und den Boden dazu. Sie lieben – und sind geliebt. Ihnen muß es wohl so vorkommen, als ob man nicht glücklich sein könnte ohne einen schönen eigenen Wirkungskreis und – ohne Gegenliebe. Aber doch kann man’s. Was uns die Welt versagt, das ersteht in unserm Innern, das giebt sich unsere Seele. Etwas giebt uns doch auch die Welt – und wir hängen um so treuer an dem Wenigen, wir beuten es um so liebevoller aus. Der Arme findet sein Glück, indem er seine Pflicht erfüllt. Und – wer nicht geliebt wird, der findet sein Glück, indem er liebt.“
Richard sah für sich hin. „Kann man lieben ohne Gegenliebe?“ sagte er dann.
Marie schaute ihn mit einem Blick des Vorwurfs an.
„Ich will besser fragen,“ sagte er. „Kann man fortfahren zu lieben – kann man ausdauern in der Liebe ohne Gegenliebe?“
Sie nickte mit einer Miene, die nicht ohne Bitterkeit war.
„Sie reden wie ein Mann. Kennen Sie keine Beispiele? Nicht nur Frauen, auch Männer haben so geliebt!“
„Dann will ich Ihnen auch das zugeben,“ erwiderte er. „Aber Sie lassen die Liebe glücklich sein ohne Gegenliebe. Glücklich! Ist das möglich?“
„Wenn man wahrhaft liebt,“ entgegnete Marie mit einem Eifer, der sie erröthen machte, „ja. Was ist die Liebe denn anders, als das tiefste und schönste Gefühl, die seligste Empfindung? Was ist sie anders, als Glück? Wenn sie aber nach Erwiderung trachtet und der Mangel daran ihr Herzeleid schaffen muß, so ist der wahren Liebe dieses Herzeleid süß und theuer, und sie würde es nicht lassen um alle Güter der Erde. Die Liebe, die nicht geliebt wird, giebt das Edelste hin, ohne Etwas dafür zu empfangen, sie ist großmüthig, hochherzig, und das ist ein stolzes, trostreiches Gefühl. Nein,“ fuhr sie mit wachsender Erregung fort, „die wahre Liebe kann nicht unglücklich werden durch Mangel an Gegenliebe. Sie ist zu reich, zu groß, zu uneigennützig, zu göttlich dazu. Sie wünscht dem Geliebten alle Genugthuung, alle Freuden des Lebens. Sie sorgt für ihn, sie lebt in ihm, und wenn sie alle seine Wünsche erfüllt sieht, dann hat sie selber Alles, was sie begehrt, und sie ist glücklich – ganz glücklich!“
Mit dem Mädchen, indem es so sprach, war eine Verwandlung vor sich gegangen. Die in sich gekehrte, verzehrte, verzagte, schüchterne Marie war verschwunden, eine Andere war an ihre Stelle getreten. Die Entsagung, die sie sich abgerungen, der Sieg über sich selbst, die Aufregung des Moments, der Gang des Gesprächs hatten die ganze Schönheit ihres Gemüths, den ganzen Adel ihres Charakters entbunden. Die innerste Kraft ihrer Seele war einer Flamme gleich in ihr emporgestiegen, hatte die Gestalt aufgerichtet und durchglänzte, durchglühte ihr Angesicht. Die Geister der Jugend, die Geister der Liebe siegten in ihr, die Welkende stand als eine Blühende da.
Richard betrachtete sie mit Staunen. Ernste Bewegung, Hochachtung sprach aus seinem Blick. Sein Herz begann zu klopfen und eine schauer-süße Empfindung bebte darin. Allein er hielt an sich. „Wer so liebt,“ entgegnete er, „der kann es aber nicht ungeliebt. Es ist unmöglich. Zu solcher Liebe kommt die Gegenliebe und mit ihr doch erst das wahre Glück.“
Marie lächelte mit Ueberlegenheit, nachsichtig. „Sie können von Ihrem Gedanken nicht abkommen. Und am Ende haben Sie Recht. Liebe und Gegenliebe zusammen sind doch erst das Beste, das ganze Glück, das Vollkommene. Ihnen, ich muß es annehmen, ist dies geworden. So freuen Sie sich denn und genießen Sie Ihr Glück. Ihre Freunde, glauben Sie das, freuen sich mit Ihnen.“
Richard betrachtete sie mit unwiderstehlichem Entzücken. „Sie ist ein Engel!“ rief es in ihm. „Und sie liebt mich. Ja, sie liebt mich! Das Unerwartetste – ein Wunder ist für mich geschehen.“
Auch er war ein Anderer geworden. Die tiefsten, zartesten Gefühle hatten sich erschlossen in seinem Herzen und wurden herrschend in ihm. Geist, Güte, Glück verschönten, verklärten sein Angesicht.
Marie war einen Schritt näher getreten. Mit einem eigenen Lächeln, bittend, fast schmeichelnd sagte sie: „Mein lieber Freund, ich scheide. Ich ziehe mich von hier aus in ein Asyl zurück, das so gut ist wie ein Kloster. Ich komme mit Niemand in Verkehr – und ich kann schweigen. Sagen Sie mir, zum Abschied, den Namen Ihrer Braut. Vertrauen Sie mir und thun Sie mir auch Etwas zu Liebe. Wer ist sie?“
„Wer sie ist?“ wiederholte er, während sein Herz mächtig pochte, zögernd.
„Sagen Sie mir’s!“ rief sie. „Sie zaudern. Muß es denn ein Geheimniß bleiben?“
„Nein!“ rief Richard entschlossen, mit leuchtenden Augen. „Für Sie nicht, für Niemand mehr. Alle Welt soll Diejenige kennen, die ich liebe und ewig lieben werde.“
Marie, mit bebender Lippe, rief: „Der Name?“
Richard ging auf sie zu, faßte ihre beiden Hände und rief: „Du bist’s, Marie! Du, und keine Andere. Das liebste, edelste, beste Geschöpf. Du, ja Du, wenn Du mich nicht verschmähst!“
Das Mädchen war erschrocken und jäh erbleichend zurückgefahren. Aber der Blick Richard’s und der Ton seiner Stimme hatten etwas unwiderstehlich Ueberzeugendes. Die Röthe kehrte wieder. Sie stand wie eine Rose, selig glühend, alle Wonnen der Liebe strahlten aus ihren Augen. Dennoch entgegnete sie: „Richard, um’s Himmelswillen, das Wort Ihrer Mutter –!“
„War eine Erfindung, um die Heuchlerinnen zu entlarven, die gekommen waren, ihren Sohn zu betrügen. Eine Täuschung, die ich segne, denn ich danke ihr das höchste Glück meines Lebens.“ Er schaute sie an, lächelnd, strahlend, und rief: „Liebst Du mich aber auch, Marie? Liebst Du mich wirklich?“
„O,“ rief die Ueberglückliche, „namenlos!“
Und Richard umfaßte, küßte sie und sagte feierlich: „So bist Du meine Braut.“
Im Saal war es stille. Eine Weile dauerte das Schweigen. Plötzlich, vom Gange, ließen sich Tritte hören.
„Die Mutter! Deine Mutter!“ flüsterte Marie. „Was wird sie sagen?“
Der Liebende lächelte stolz. „Du bist mein,“ sagte er, „alles Uebrige ist meine Sache.“
„Es sind Mehrere,“ versetzte das Mädchen horchend.
„Ah!“ rief er, „man wird Abschied nehmen. Tritt ein wenig auf die Seite. Es gilt vorerst noch eine kleine Komödie, spielen wir sie.“
Marie entfernte sich von ihm. In ihrer Haltung lag bei dem tiefsten innern Glück eine Bescheidenheit, eine Ergebung, die Niemand hätte spielen können.
Die Thüre ging auf. Frau von Hainsfeld, vom Gange hereinsehend, sagte: „Er ist da, haben Sie die Güte.“
Und es erschienen und traten herein die Generalin und Bernhardine, die Geheimräthin und Juliane. Die Baronin folgte ihnen und ging auf ihren Sohn zu.
„Richard,“ begann sie, „wir sind in einer schlimmen Lage. Die Herrschaften kommen zu mir und machen mir die größten Vorwürfe. Ich hätte mir einen frevelhaften Scherz mit ihnen erlaubt; ich hätte sie getäuscht, beleidigt. Keine Rede davon, daß Du verlobt wärest. Das hätten wir nur erfunden, um sie irre zu führen und zu verhöhnen.“
Juliane, feierlich, mit dem Ansehen einer erwählten Sprecherin, trat vor und sagte zu Richard: „Ja, Herr von Hainsfeld, das [819] haben wir gesagt und mit Recht. Die Braut, das ,in jeder Hinsicht vorzügliche Mädchen’, wie sie uns geschildert worden ist, existirt nicht. Sie haben mit uns Komödie gespielt, Sie haben unsere heiligsten Gefühle mißleitet, geäfft. Wie konnten Sie uns das thun? Womit haben wir eine solche Behandlung verdient? Wir sind von Ihnen und Frau von Hainsfeld unverzeihlich gekränkt.“
„Es ist neu,“ versetzte Bernhardine, „daß man von der Residenz auf’s Land kommt, um sich hier zum Besten haben zu lassen.“
„Es ist ein Affront!“ rief die Generalin.
„Es ist ein gänzliches Verkennen der Rücksichten,“ fügte die Geheimräthin hinzu, „die man uns schuldig gewesen wäre.“
Die Baronin stand mit entschlossener Miene. „Meine Damen,“ versetzte sie. „Sie sind im Irrthum. Ich werde es Ihnen beweisen und Sie überzeugen. Mein Sohn,“ fuhr sie zu Richard gewendet fort, „Du siehst, das Geheimniß ist nicht länger zu bewahren. Du mußt Dich entschließen, den Namen Deiner Braut zu nennen, damit jeder Zweifel in den Herzen unserer werthen Verwandten getilgt werde. Du mußt. Es geht nicht mehr anders.“
Mit einem Blick, welcher die Andern um Erlaubniß bat, nahm sie Richard bei der Hand und führte ihn an’s Fenster. Hier, flüsternd, sagte sie: „Mein Freund, mach’ kurzen Proceß. Die Susanne, die kleine Kröte, muß etwas erhorcht und uns verrathen haben. Betrachten wir’s als eine Schickung und benutzen wir sie. Sag’ ihnen: meine Braut ist Auguste von Bolzen. Ich sende dem alten Herrn sofort einen Brief, heute noch machen wir unsern Besuch, und Deine Bräutigamschaft ist eine Wahrheit. Sei ein Mann, handle kühn und rasch.
Richard erwiderte: „Ich werde handeln!“
„Gott Lob!“ hauchte die Baronin, indem das Roth der Freude sich über ihre Wangen goß.
Mit edlem Anstand vortretend begann Richard: „Meine verehrten Damen! Sie wissen als Leserinnen der Journale, es giebt ,verfrühte Nachrichten’. In dem Geiste derjenigen, die sie verkünden, ist eine Ahnung von dem erstanden, was sein soll und kommen wird. Ergriffen von der Schönheit des Gedankens, sehen die Lebhaften ihn schon erfüllt, obwohl die Erfüllung erst vorbereitet oder nur angebahnt ist, und sie melden in ihrem Eifer ein fait accompli! Zu diesen lebhaften, prophetischen Geistern gehört meine liebe Mama. Und so ist es ihr begegnet, Ihnen zu sagen, ich sei Bräutigam. Ich widersprach nicht. Ich stand hart an dem Moment, wo ich Bräutigam sein sollte, mich leitete das überwältigende Gefühl der nächsten Zukunft. Und siehe da, ihr prophetisches Wort – in der Spanne Zeit, in der wir uns nicht mehr gesehen haben – ist schon Thatsache geworden. Ich bin Bräutigam, glücklicher Bräutigam! Die Gratulationen, die Sie mir gegönnt haben, sind mit nichten profanirt, sie ehren ein wirkliches, ein Ihrer freundlichen Sympathie vollkommen würdiges Verhältniß.“
„Den Namen, Herr Cousin!“ rief Bernhardine mit nicht mehr zu haltender Ungeduld. „Nennen Sie uns den Namen!“
„Es ist ein Name,“ versetzte Richard, „den Sie kennen. Und die Trägerin ist in Wahrheit ,ein in jeder Hinsicht vorzügliches Mädchen’, an Schönheit und Tugend so reich, wie nur jemals –“
„Das versteht sich von selbst,“ fiel Juliane ein. „Aber so nennen Sie doch den Namen!“ rief sie, indem ihre Gefühle dem Gesicht fast ein böses Gepräge gaben.
Die Baronin weidete sich an dieser leidenschaftlichen Ungeduld. Sie freute sich des Humors, womit der Sohn die selbstsüchtigen Schönen hinzuhalten und zappeln zu lassen schien. Sie war ein Weib, sie schwelgte im Bewußtsein ihrer Erfolge und ließ sich, nachdem die Dinge nun einmal soweit gekommen waren, das auch ohne allen Zwang ansehen.
„Der Name,“ entgegnete Richard, „soll Ihnen genannt werden.“ Mit ernstem, beinahe feierlichem Ausdruck setzte er hinzu: „Nicht nur den Namen sollen Sie hören, Sie sollen die Verlobte selber kennen lernen.“ Und indem er auf sie, die völlig unbeachtet bei Seite gestanden halte, zuging, sagte er: „Hier ist sie, Marie von Weiden, meine über Alles geliebte Braut, in wenigen Wochen, so Gott will, meine Frau!“
Er faßte die Rechte der demüthig Erröthenden, Wonnebangen und stand neben ihr.
Nun war die Reihe, fassungslos zu erschrecken, an Frau von Hainsfeld. Sie hatte sich auf den Moment, wo der Name „Auguste von Bolzen“ ihr einen köstlichen Ohrenschmaus bereiten sollte, man kann beinahe sagen, kindisch gefreut. Und nun hörte sie, unglaublich, undenkbar, „Marie von Weiden“! Sie sah den Mannesernst des Sohnes, die vollkommene Entschlossenheit, womit er neben ihr stand, sie mußte es glauben. Mit einem Gesicht, dessen schönes Roth sich in fahles Blau verwandelt hatte, starrte sie auf das Paar. Jedes Begriffes, jedes Entschlusses beraubt, schwieg sie; das vernehmliche Athmen und das Wogen ihrer Brust verriethen einen kaum zu bändigenden Tumult ihres Herzens.
Die Damen aus der Residenz waren durch diese Wendung zuerst nicht viel weniger betroffen. Aber bald – und auch diesmal in wundersamer Harmonie – erschien ein spöttisches Licht in den vornehmen Gesichtern und aus den Augen gingen überlegene Blicke. Sie sahen die Bestürzung, die Pein derjenigen, in welcher sie doch ihre eigentliche Gegnerin erkennen mußten, und der Honig der Rache labte die Verlangenden. Der Ausgang hatte in seiner unglaublichen Unmotivirtheit, in dem Mangel alles Glanzes hinsichtlich der Erwählten für sie etwas Humoristisches, um nicht zu sagen Komisches. Die Seelen der Hochgestellten erinnerten sich ihres Werthes, sie fühlten sich fähig, das Ereigniß von oben zu betrachten, und nicht nur die uranfängliche Würde, sondern fast Genugthuung kehrte in ihre Mienen zurück. Die Töchter lächelten, die Mütter lächelten, und den wirklichen Hergang ahnend, betrachteten sie ebenfalls ohne allen Zwang die gestrafte „Intrigantin“ mit inniger Schadenfreude.
Aber schon streckte sich vor diese der Schild, der sie gegen die zu erwartenden Pfeile decken sollte.
Richard, mit der Geliebten, trat vor die mit sich selbst Ringende und sagte: „Liebe Mama, wir bitten Dich nun um Deine gütige Zustimmung. Die gepriesene Jungfrau, die Du angekündigt – hier ist sie. Du hast mir heute früh noch Marie von Weiden als diejenige genannt, die Du für mich andern, gleichfalls ausgezeichneten jungen Damen vorzögest, ich habe sie gewählt und ich erwarte von Deiner Liebe die freudige Bestätigung, die meiner Wahl erst die Weihe giebt.“
„Verehrte, liebe Base,“ rief Marie bittend mit ihrem süßesten Ton, mit dem holdesten Aufblick ihrer braunen Augen.
Die Baronin erkannte, daß die Zustimmung das Einzige sei, was ihr übrig blieb. Sie war im Grunde eine gute Frau, und blinde Hartnäckigkeit lag weder in ihrem Temperament, noch in ihrem Charakter. Die schöne, rührende Leidenschaft des jungen Paares machte Eindruck auf sie und nebenbei war ihr der Gedanke höchst erfreulich, die Damen, deren boshafte Blicke sie wohl bemerkt und schmerzlich gefühlt hatte, nun ihrerseits recht schmerzlich beschämen zu können. Auguste war unmöglich, Marie unumgänglich, in Gottes Namen!
Würdevoll ergriff sie die Holdselige bei der Hand, zog sie an ihr Herz, umarmte, küßte sie auf die Stirn und rief gerührt: „Du bist meine liebe Tochter.“
„Mutter!“ rief der Sohn mit leuchtendem Danke.
„Mutter!“ wiederholte Marie, indem Thränen in ihre Augen drangen.
Die Damen waren in Folge dieser Scene ernster geworden, hatten sich aber nicht dadurch täuschen lassen. Sie wußten, daß die Frau nur gute Miene machte, und die Genugthuung ihrer Seelen konnte ihnen daher nicht ganz entrissen werden. Die Generalin, mit einem Gesicht, das hinter seiner Artigkeit unvertilglichen Unglauben ausdrückte, näherte sich der Gruppe und sagte: „Nehmen Sie denn unsere Glückwünsche auf’s Neue und glauben Sie an unser erhöhtes Mitgefühl. Sie werden glücklich sein, Richard von Hainsfeld. Denn immer sind es diejenigen gewesen, die sich mit ihren Ansprüchen in bescheidenen Grenzen gehalten haben.“
Das glückliche Paar, der Verletzten die Genugthuung dieses Wortes gönnend, dankte erheitert.
Jene wandte sich hierauf zur Mutter und sagte: „Erlauben Sie mir noch eine kleine Bitte. Sie kennen die Gründe, die uns zwingen, Hainsfeld heute noch zu verlassen. Ich wünsche nun aber ein Andenken an unsern Aufenthalt zu besitzen und möchte darum von hier Etwas mitnehmen.“
„Befehlen Sie,“ rief die Baronin. „Was ist es?“
„Ihr Stubenmädchen Susanne,“ versetzte die Generalin. „Die Kleine gefällt mir, und wenn Sie die Freundlichkeit hätten –“
„Gern,“ erwiderte Frau von Hainsfeld mit beinahe durchbrechender Schelmerei, „obwohl ihre Dienstzeit erst in vierzehn Tagen aus ist, so will ich sie doch, Ihnen zu Liebe, sogleich ziehen [820] lassen. Das Mädchen hat Fähigkeiten, aber sie passen weniger für das Land, als für die Residenz, und ich bewundere den Scharfblick, womit Sie das augenblicklich erkannt zu haben scheinen.“
Man bedankte, beglückwünschte sich noch einmal, und die Damen empfahlen sich.
Die Drei standen zusammen und drückten sich die Hände und lächelten glücklich. Die Bitte der Generalin hatte dem Humor der Mutter nicht geschadet.
Die Thür ging wieder, und es erschien Frau von Weiden. Mit einem Blick auf die Tochter rief sie: „Du bist noch hier, Marie? Ich suchte Dich. Der Brief an den Onkel ist geschrieben, und ich wünsche, daß Du selbst einige Zeilen hinzufügtest.“
Man kam ihr entgegen. Die strahlenden Gesichter mußten ihr auffallen.
„Liebste Base,“ sagte Richard, „zerreißen Sie den Brief wieder. Wir schaffen dem alten Herrn so schnell als möglich eine ausgezeichnete Wirthschafterin. Aber Sie und Marie bleiben hier, wenn Ihre Güte den Bitten der Liebe sich fügen will. Marie als Herrin von Hainsfeld, Sie als meine höchstverehrte Schwiegermutter.“
Die Frau starrte ihn an. Das war ein Glück, zu groß, um es gleich fassen zu können.
Die Tochter ging auf sie zu, umarmte sie und rief, an ihrem Halse zugleich jubelnd und weinend: „Ich bin seine Braut. Glaub’ es und gieb uns Deinen Segen.“
Thränen im Auge umarmte die Gute die Kinder, wünschte alles Heil auf ihre Häupter herab und fiel der gerührten Freundin um den Hals. Dann, sich sammelnd, rief sie: „Aber wie ist das möglich gewesen? Wie ist’s gekommen?“
„Unverhofft,“ entgegnete Marie, „sehr unverhofft.“
„Unverhofft,“ wiederholte Richard, „wie uns eben die höchsten Geschenke des Himmels zu kommen pflegen. Unverhofft, aber nicht unvorbereitet. Wenn Zwei sich verbinden, die auf’s Innigste fühlen, daß sie ohne einander nicht zu leben vermöchten, dann ist die Ehe im Himmel geschlossen und hat kommen sollen, kommen müssen. Gott sei Dank, der’s uns zu rechter Zeit erkennen ließ!“
Niemals habe ich in meinem Leben den Zwiespalt zwischen Pflicht und Neigung tiefer empfunden, nie die schwere Verantwortung meines Berufes mehr gefühlt, als bei einem traurigen Ereignisse, das in den ersten Jahren meiner Amtsführung stattgefunden. Beim Durchblättern des Gefangenenjournals stoße ich auf die kurze Notiz: „Johann Koch, früher Flurschütz, fünfundfünfzig Jahre alt, wegen Mords zum Tode verurtheilt und von Sr. M. dem König zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt.“ Wie dürftig, nichtssagend, schablonenhaft erscheinen diese kurzen Bemerkungen, hinter denen sich ein furchtbares Geschick, eine große sociale Tragödie verbirgt! Muß man nicht dabei an einen gemeinen Verbrecher glauben? und doch war dieser Unglückliche nur ein Opfer der Verhältnisse und seiner Zeit.
Vor meinen Augen steht das Bild eines kräftigen gedrungenen Mannes in der kurzen, grauen Sträflingsjacke, mit gebräuntem Gesicht, dessen offene, gutmüthige Physiognomie eher alles Andere, als einen Mörder verrieth. Seine straffe, militärische Haltung zeigte den früheren Soldaten, aber nicht einen unserer heutigen Friedenshelden, sondern den alten, gedienten Krieger, der dem Tode oft genug unerschrocken in das Angesicht geschaut. Eine wilde Energie, ein trotziger Muth und das Gefühl der eigenen Kraft sprachen aus allen seinen Bewegungen, trotzdem war er gehorsam wie ein Kind, freundlich und unverdrossen, so daß ich mich nicht erinnere, je ein hartes Wort oder einen Tadel gegen ihn ausgesprochen zu haben. Er besaß in der That ein peinliches Pflicht- und Ehrgefühl, das leider nur selten in seiner Sphäre angetroffen wird, wo gerade das Gegentheil die Regel bildet.
Wie ich aus den Acten und seinen eigenen Mittheilungen erfuhr, war Johann Koch der Sohn eines nicht unbegüterten Bauern, der jedoch durch die unglücklichen Kriegsjahre, durch rasch sich folgende feindliche Einquartierungen und Requisitionen in seinen Verhältnissen nach und nach zurückgekommen war. Die nur zu sehr begründeten Klagen des Vaters erfüllten den heranwachsenden Knaben mit dem glühendsten Franzosenhaß. Als die Stunde der Befreiung schlug, war er einer der Ersten im Kampfe für das Vaterland. Körperlich kräftig, von Jugend auf an Entbehrungen gewöhnt, von Muth und Begeisterung erfüllt, fand er bald Gelegenheit, sich auszuzeichnen und die Achtung seiner Vorgesetzten zu gewinnen. Koch gehörte anfänglich zu dem bekannten Lützow’schen Freicorps, dessen Schicksale und Ruhm er theilte. Seiner ganzen Natur sagte das kühne Wesen und das frische Leben dieser Truppe weit mehr zu, als der spätere Dienst in dem regelmäßigen Heere. Hier galt noch der einzelne Mann, hier herrschte ein mehr cameradschaftliches Verhältniß und ein fröhliches Lagerleben, hier gab es Abwechselung, kecke Wagstücke, schlaue Ueberfälle, ritterliche Thaten, hier waltete vorzugsweise der Geist des Volkes und der Jugend, aus dem der heilige Freiheitskampf hervorgegangen war.
Unter den Augen des kühnen Lützow hatte Koch fast an allen hervorragenden Gefechten seines Corps Theil genommen und unter den vielen Tapfern sich hervorgethan. Später wurde er jedoch in das regelmäßige Heer eingereiht und einem Jägerbataillon zugetheilt. Bei Belle-Alliance schwer verwundet, mußte er mehrere Monate im Lazareth liegen bleiben. Als er endlich geheilt war, wurde er für den ferneren Dienst unbrauchbar erklärt und in Anerkennung der von ihm bewiesenen Tapferkeit mit dem eisernen Kreuz entlassen.
Nach vierjähriger Abwesenheit kehrte Koch in die Heimath und nach seinem Dorfe zurück. Er fand seinen Vater todt, die hinterlassene Wirthschaft vernachlässigt und mit Schulden belastet, so daß ihm nichts übrig blieb, als das Anwesen um jeden Preis loszuschlagen, da das baare Geld nach dem Kriege äußerst knapp geworden war. Ohnehin fehlte ihm jetzt Lust und Neigung, wieder ein Bauer zu werden. Bei seiner Gewöhnung an das frische Lagerleben mußte ihm das einförmige Dasein auf dem Dorfe, die beschränkte Existenz des Landwirths jetzt doppelt zuwider sein. Eine gewisse Ungebundenheit und Rastlosigkeit war ihm von seinem bisherigen Stande zurückgeblieben, so daß er sich nicht so leicht in die engen Verhältnisse seiner Heimath wieder finden konnte. Da ging Alles seinen alten, ruhigen Gang, als ob nichts in der Welt geschehen wäre, da hatte sich nichts verändert, während draußen das Ungeheuerste sich doch ereignet hatte. Man hatte zwar auch an dem Kampfe, aber nur aus weiter Entfernung, Theil genommen, manches Opfer an Geld und Gut gebracht, doch das war bald wieder vergessen und jetzt hatte jeder Mann völlig zu thun, um durchzukommen, die neuen Steuern aufzubringen, die alten Schulden abzutragen, die vernachlässigten Aecker zu bestellen, zu säen und zu ernten, zu bauen und zu schaffen vom Morgen bis zum Abend, von einem Sonntag bis zum andern.
Nur der heimgekehrte Koch fand keine ihm zusagende Beschäftigung, obgleich er es an Bemühungen darum nicht fehlen ließ. Ein Gesuch um den Posten eines Gerichtsboten oder Steuerbeamten wurde ihm trotz seiner glänzenden Zeugnisse und der Versprechungen, welche die Regierung den tapferen Freiheitskämpfern beim Beginn des Krieges gegeben hatte, unter dem Vorwande zurückgewiesen, daß ihm die nöthigen Kenntnisse mangelten, was allerdings leider der Fall war. Aber auch andere Stellen, die einen geringeren Bildungsgrad voraussetzten, wurden ihm abgeschlagen, weil die Zahl der berechtigten Bewerber zu groß war und ihm jede Protection, um die er sich allerdings auch nicht bemüht hatte, gänzlich fehlte. Während er aber bald hier, bald dort anklopfte und überall zurückgewiesen wurde, zehrte er allmählich die wenigen Groschen auf, welche ihm von der väterlichen Erbschaft übrig geblieben waren. Wollte er nicht als Bettler der Gemeinde zur Last fallen, so mußte er sich a!s Tagelöhner verdingen, woran ihn jedoch die nach seiner Verwundung zurückgebliebene allgemeine Körperschwäche verhinderte.
Seine Lage wurde noch peinlicher durch den Umstand, daß Koch in der Heimath ein Mädchen kennen gelernt hatte, das er [821] innig liebte und von dem er ebenso aufrichtig wieder geliebt wurde. Leider besaß seine Braut keine andere Mitgift, als ihre Schönheit, ihre Tugend und ihren Fleiß, so daß die von Beiden sehnlichst gewünschte Verbindung in weiter Ferne lag. Wenn aber die Noth am größten, pflegt auch die Hülfe am nächsten zu sein. Eines Tages, als Koch nach seiner Gewohnheit im Felde mit seinen traurigen Gedanken umherstreifte, hörte er plötzlich seinen Namen rufen. Als er aufblickte, sah er einen kräftigen Mann in grüner Pekesche vor sich stehen, dessen Gesicht ihm bekannt vorkam. Als dieser ihn mit freundlichen Worten anredete, erinnerte er sich sogleich an den Landwehrmajor, den er bei Leipzig durch einen rechtzeitigen Schuß vor dem sicheren Todesstreich eines französischen Kürassiers bewahrt hatte. Dieser reichte jetzt seinem Lebensretter, dessen Züge und Namen er in dankbarer Erinnerung behalten, herzlich die Hand, indem er ihn aufforderte, eine kurze Strecke mitzugehen. Unterwegs erzählte der Major, daß er nach dem Frieden seinen Abschied genommen und sich hier in der Gegend angekauft und zwar das in der Nähe liegende Rittergut erworben habe. Zugleich erkundigte er sich theilnehmend nach den Verhältnissen seines Begleiters, der nach einigem Zögern offen und unumwunden über seine verzweifelte Lage und seine vergeblichen Bemühungen um eine passende Stelle mit ihm sprach. Nachdem der Major ihm aufmerksam zugehört und einige Zeit nachgesonnen, bot er Koch das allerdings nicht glänzende, aber dessen Neigungen vollkommen zusagende Amt eines sogenannten „Flurschützen“ an, der eine Art ländlicher Polizei zu verwalten hat.
Koch schlug natürlich mit tausend Freuden ein und trat schon den nächsten Tag seinen Posten an. Einige Wochen später folgte ihm das geliebte Mädchen als seine Frau nach und bezog mit ihm das kleine Haus, welches der Major ihm eingeräumt hatte. So gering auch seine Einkünfte waren, so glücklich fühlte sich Koch in seinem neuen Wirkungskreis, der ihm gestattete, den ganzen Tag mit der Büchse im freien Felde herumzustreifen, den Wald zu inspiciren, zuweilen einen Hasen oder einen Flug Rebhühner für die Tafel des Gutsherrn zu schießen, einem Wilddieberei auf eigene Rechnung betreibenden Dorfhund das Lebenslicht auszublasen, oder eine im Felde verlaufene Kuh abzupfänden. Mit vielem Eifer betrieb er sein obrigkeitliches Amt, ohne darum in Härte auszuarten. Ein strenges Pflichtgefühl beseelte ihn bei allen seinen Handlungen und seine Gerechtigkeitsliebe entwickelte sich unter diesen Verhältnissen in einem hohen Grade. Der Major war mit ihm zufrieden und behandelte ihn mehr als einen guten Freund, denn als seinen Untergebenen. Von freien Stücken vermehrte er sein Einkommen, indem er ihm ein größeres Deputat bewilligte, als die Familie des Flurschützen sich mit der Zeit vermehrte. Koch hatte einen Sohn, der nach dem Vater schlug, und eine Tochter, welche ganz das Ebenbild der Mutter und sein erklärter Liebling war. Die Jahre vergingen so in ungetrübtem Frieden, der Knabe wuchs heran und wurde zum Soldaten ausgehoben, während das Mädchen für die schönste und fleißigste Dirne in der ganzen Gegend galt.
Auch der Major hatte einen Sohn, der in einer Cadettenanstalt erzogen wurde und mit der Zeit sein Lieutenants-Examen [822] machte. Der junge, schmucke Officier kam zum Besuch nach Hause und lernte bei dieser Gelegenheit die schöne Tochter des Flurschützen kennen. Aus Langeweile und da er keinen würdigeren Gegenstand für seine Galanterien fand, verführte er das unschuldige Mädchen, ohne viel an die möglichen Folgen zu denken. Als Koch durch seine Frau den Zustand seiner Tochter erfuhr und diese über die näheren Verhältnisse befragt hatte, zog er seinen Sonntagsrock an und knöpfte das eiserne Kreuz, das Zeichen seines ehrenvollen Verhaltens, in das Knopfloch. Darauf ging er auf das Schloß und verlangte den Major zu sprechen. In schlichten Worten und ohne alle Umschweife klagte er den Verführer seiner Tochter an und forderte von dem Vater die nach seiner Meinung und seinen hochgesteigerten Ehrbegriffen einzig mögliche Satisfaction. nämlich daß der Herr Lieutenant das von ihm gekränkte Mädchen zur Frau nehmen und somit ihre Ehre wieder herstellen sollte.
Der Major, der im Grunde des Herzens ein redlicher Mann war und die Schuld seines Sohnes nicht fortleugnen konnte oder wollte, suchte vergebens dem Flurschützen die Unmöglichkeit seiner Forderung vorzustellen, indem er ihn auf die Ungleichheit der Verhältnisse, des Ranges und Standes verwies. Koch hörte ihn ruhig an, ohne ihn zu unterbrechen, setzte aber allen seinen Gründen am Schlusse seiner Rede nur die einfache Frage entgegen, ob er ihn selbst für einen Ehrenmann und seine Tochter für schuldlos halte? Da der Major Beides zugestehen mußte, so wiederholte er von Neuem seine erste Forderung, mit dem Hinzufügen, daß der Rock des Königs, den sie Beide getragen, sie auch gleich gemacht habe, daß der Unterschied der Stände während des letzten Krieges aufgehört habe, wo der Fürst und der Bauer, der Reiche und der Arme in Einer Reihe für das Vaterland gekämpft und ihr Blut und Gut hingegeben. Er erinnerte ihn, wie er damals, als er ihm das Leben gerettet, auch nicht nach Rang und Stand gefragt, sondern seine Pflicht und Schuldigkeit gethan, und sprach die Ueberzeugung aus, daß auch jetzt der Major wie ein Ehrenmann gegen den andern handeln werde.
Dieser, dem die Angelegenheit wirklich leid that, bot dem Flurschützen eine bedeutende Summe zur Entschädigung für die ihm zugefügte Beleidigung, und als dieser das Geld entrüstet zurückwies, verdoppelte und verdreifachte er sein Anerbieten. Koch blieb jedoch, trotzdem er ein armer Mann war, unerschütterlich und beharrte nach wie vor auf seiner Forderung mit einer Hartnäckigkeit, welche auch den Major immer mehr reizte, so daß dieser zuletzt die Geduld verlor und ihm eben so fest und bestimmt erklärte, daß, wenn selbst sein Sohn die Dirne heirathen wollte, er nun und nimmermehr seine Zustimmung zu einer so thörichten und unerhörten Verbindung geben würde. Bleich und stumm, ohne eine Drohung oder ein böses Wort gegen den Major auszustoßen, verließ Koch das Schloß und kehrte in sein Haus zurück, wo er seine bekümmerte Frau und die weinende Tochter fand. Ruhig zog er seinen Sonntagsrock aus und hängte ihn an den Nagel, ruhig forderte er das Mädchen auf, noch einmal an den Lieutenant zu schreiben und ihn an seine Schwüre und das ihr gegebene Versprechen zu erinnern. Da der Brief, wie zu erwarten war, ohne Antwort blieb, so ging der Flurschütz in der nächsten Woche nach der benachbarten Kreisstadt, um den Lieutenant, oder vielmehr, da derselbe noch minderjährig war, den Major beim Gericht zu verklagen.
Das war jedoch keineswegs so leicht, als es sich der arme Koch in seinem Gerechtigkeitssinn und bei seiner Unkenntniß der juridischen Formen vorgestellt hatte. Von einem Rechtsanwalt zum andern gewiesen, fand er endlich einen braven Justizcommissar, einen alten Freiheitskrieger vom Jahre dreizehn, der ihn anhörte, ohne im Voraus einen Geldvorschuß von ihm zu verlangen. Auch versprach er ihm, den Proceß zu führen, obgleich er ihm nur geringe Hoffnungen machte und deshalb zu einem gütlichen Vergleiche rieth. Davon wollte aber der Flurschütz nichts wissen, indem er sich auf die Gerechtigkeit seiner Sache und die im Namen des Königs geübte Justiz verließ, da ja, wie er wußte oder zu wissen glaubte, das Gesetz ohne Ansehen der Person urtheilte und vor demselben nach seiner Meinung alle Bürger gleich waren. Natürlich konnte er unter diesen Umständen auch nicht länger in den Diensten des Majors bleiben; er gab daher seinen Posten als Flurschütz auf und zog wieder in sein Heimathsdorf zurück, wo ihm nichts übrig blieb, als das gerade offenstehende Amt eines Nachtwächters zu übernehmen, um sich mit den Seinigen nothdürftig durchzubringen.
Auch hier zeichnete er sich durch die strengste Pflichterfüllung aus, indem er, wie aus den Acten zu ersehen, wesentlich und mit Gefahr seines eigenen Lebens zur Entdeckung und Verhaftung einer gefährlichen Diebesbande beigetragen hatte. Die bei dieser Gelegenheit ihm ertheilte Prämie und die wenigen Ersparnisse wurden jedoch bald wieder von dem Proceß verschlungen, der unterdeß ruhig seinen Fortgang nahm. Ohne Murren brachte Koch diese Opfer, legte er sich jede Entbehrung auf, indem er von Tag zu Tag auf die Gerechtigkeit für seine unglückliche Tochter wartete. Nie kam eine Klage, noch weniger ein Vorwurf gegen sie über seine Lippen, da er von ihrer Unschuld vollkommen überzeugt war.
So vergingen Wochen und Monate, bis endlich eines Tages der Gerichtsbote ihm das Erkenntniß einhändigte und dafür den letzten Groschen aus der Tasche des Armen nahm.
Mit zitternder Hand erbrach jetzt Koch das große Amtssiegel und las mit großgedruckten Worten den Namen des Königs. Dann schwammen und tanzten die Buchstaben vor seinen Augen, ein lauter Schrei entfuhr seiner bedrückten Brust und der starke Mann mußte sich an dem Tisch festhalten, um nicht zu sinken. Seine Klage war zurückgewiesen und er in die Kosten verurtheilt worden, weil nach dem Gesetz die Ehe eines Adligen mit einem Mädchen niederen Standes nicht zulässig sei.
Nachdem er sich von seiner Schwäche erholt, warf er noch einmal einen Blick auf das unglückselige Papier, um sich zu überzeugen, daß er wirklich richtig gelesen und sich nicht getäuscht. Da stand es nach wie vor groß und breit: „Im Namen des Königs“ und darunter „von Rechtswegen“.
Koch stieß ein bitteres Gelächter aus, dann riß er das eiserne Kreuz aus seinem Rock und trat seinen höchsten Ehrenschmuck mit Füßen.
Am nächsten Tage wanderte er nach der Stadt, um sich die Bestätigung aus dem Munde seines Rechtsanwaltes zu holen. Dieser rieth ihm wohlwollend von jeder weiteren Appellation abzustehen, da sie ihm doch nichts nützen würde, dagegen eine Klage auf Alimentation und Entschädigung für seine Tochter einzureichen, zu der sein Gegner gesetzlich verpflichtet wäre. Koch schüttelte jedoch mit dem Kopf und dankte dem Justizcommissar für seine Bemühungen, da dieser kein Geld von ihm nehmen wollte. Zugleich erklärte er aber, daß ihm die Ehre seiner Tochter nicht für Geld feil sei.
Anscheinend ruhig kehrte er in seine Wohnung zurück und verrichtete nach wie vor seinen Dienst. Aber in seinem Innern tobte es um so heftiger und, wie er selbst dem Richter gestand, war seit diesem Tage eine vollständige Umwandlung mit ihm vorgegangen. Sein Gerechtigkeitssinn empörte sich gegen ein Urtheil, das allen seinen Anschauungen von Recht und Gesetz, allen seinen Begriffen von Ehre widersprach. Sein beleidigtes Vaterherz verlangte eine entsprechende Genugthuung, die ihm nicht zu Theil geworden. Als das Vaterland in Gefahr war, als der König rief, hatte er nicht gezögert und sein Leben ohne Besinnen eingesetzt, und jetzt hatte derselbe König, dessen Gerechtigkeit er angerufen, ihm die nach seinen Begriffen einzig mögliche Genugthuung versagt und seine Bitte nicht um Gnade, sondern nur um Recht im Namen des Gesetzes zurückgewiesen.
Das war zu viel und mehr als er zu ertragen vermochte. Wenn aber das Gesetz ihm nicht beistand, sein König ihn verließ, so blieb ihm nichts übrig, als sich selbst Gerechtigkeit zu verschaffen; er wollte keine Rache, sondern nur Recht üben. Mit diesem Gedanken beschäftigte er sich von nun an bei Tag und Nacht, während er sich äußerlich bei dem Ausspruche des Gerichts zu beruhigen schien. Mehrere Versuche des Majors, die ganze Angelegenheit gütlich beizulegen, blieben von ihm unberücksichtigt und als seine Frau eines Tages darauf anspielte, gerieth er zum ersten Mal in seiner jetzt mehr als dreißigjährigen Ehe in wilden Zorn und stieß gegen sie und Alle, die sich einmischen würden, die heftigsten Drohungen aus.
So brütete er still für sich, und nur derartige plötzliche Wuthausbrüche, die jedoch eben so schnell wieder verschwanden, verriethen die heimliche Zerrüttung seiner Seele. Seine arme Tochter hatte unterdeß ein todtes Kind geboren und war schwer erkrankt. Mit unveränderter Liebe saß er an ihrem Lager, ja seine Zärtlichkeit für sie schien seit ihrem Unglück eher zu- als abgenommen zu haben. Er trug sie nach ihrer Genesung, da sie zu schwach zum Gehen war, im eigentlichen Sinne auf Händen. Während die Arme sich [823] allmählich langsam erholte und zum ersten Mal wieder, von ihrem Vater unterstützt, an einem Sonntag die Kirche besuchte, hielt die Equipage des Majors zu derselben Zeit vor der Thür des Gotteshauses. Aus derselben stieg der junge Officier, indem er einer schönen, elegant gekleideten Dame die Hand bot. Bald war es im ganzen Dorfe bekannt, daß der Lieutenant sich mit der Tochter eines reichen Gutsbesitzers verlobt habe und mit seiner Braut sich zum Besuch bei seinem Vater aufhalte. Bei dieser Nachricht sah Koch seine Tochter erbleichen und zusammenbrechen.
„Jetzt oder nie,“ flüsterte der böse Geist in ihm.
Nachdem er seine Tochter aus der Kirche nach Hause geführt, schlug er den Weg nach dem Schlosse des Majors ein. Hinter einem Gebüsch lauerte er auf die hier vorüberfahrende Equipage, die Hand an dem Hahn der geladenen Flinte, welche er heimlich unter seinem Rock verborgen hielt. Jetzt hörte er die Räder des Wagens näher rollen, er machte sich schußfertig. Ohne Zittern zielte er auf den Lieutenant, der sich in diesem Augenblick zärtlich zu seiner Braut hinüberbeugte. Ein Druck mit dem Finger, ein heller Blitz, ein lauter Knall – und der Officier war eine blutige Leiche.
Ohne an die Flucht zu denken, kehrte Koch in das Dorf zurück, aber statt in sein Haus zu gehn, suchte er den Ortsschulzen auf, indem er ihm offen gestand, daß er den Verführer seiner Tochter erschossen und Gerechtigkeit geübt habe. Anfänglich hielt man ihn für wahnsinnig und wollte ihm das Ungeheuere nicht glauben, bald aber wurde die Wahrheit bekannt. An das nächste Gericht abgeliefert, blieb Koch bei seinem Bekenntniß stehen, ohne daß er seine That zu beschönigen oder zu entschuldigen versuchte. Trotz der beredten Vertheidigung seines wackeren Rechtsanwaltes wurde er einstimmig wegen Mordes zur Hinrichtung durch das Beil verurtheilt, in Anbetracht seiner bewiesenen Tapferkeit und seines Wohlverhallens indeß begnadigt. Gegen seinen Willen war das Begnadigungsgesuch von seinem Vertheidiger eingereicht worden, da er selbst den Tod hundertfach dem Verlust seiner Freiheit vorzog. Er glaubte sogar, daß ihm ein neues Unrecht hierdurch zugefügt worden sei, und verlangte, natürlich vergebens, die Vollstreckung des gegen ihn gefällten Todesurtheils.
Obgleich er sich anscheinend in sein Schicksal endlich ergab und als Gefangener durch sein musterhaftes Betragen und seine mir bekannte Vergangenheit meine ganze Theilnahme zu erregen wußte und ich ihm in jeder Beziehung sein trauriges Loos zu erleichtern suchte, so dachte der an Freiheit und Ungebundenheit gewöhnte Mann vom Anfang seiner Haft nur auf seine Flucht. Die Sehnsucht nach Freiheit schien ihn in den ersten Wochen förmlich aufzuzehren, so daß er ernstlich krank wurde. Bei seiner kräftigen Natur erholte er sich jedoch bald wieder so weit, um an die Ausführung seiner Pläne zu gehen. Mehrere Versuche wurden entweder rechtzeitig entdeckt oder durch unerwartete Hindernisse vereitelt. Ich selbst glaubte, daß er die Thorheit seiner vergeblichen Bemühungen endlich eingesehen, und ließ mich durch seine Ruhe vollkommen täuschen, so daß ich ihm nach und nach wieder mehr Freiheiten gestattete. Ich brauchte ihn zu verschiedenen Dienstleistungen für die Anstalt, um ihn den entehrenden Beschäftigungen der gewöhnlichen Zuchthaussträflinge zu entziehen; er konnte daher in den Höfen sich frei bewegen und mit seinen Freunden, besonders mit seinem Sohne, der ihn damals wiederholt besuchte, ungehindert verkehren.
Mit diesem hatte er einen neuen Fluchtplan verabredet, den er diesmal auch mit wahrhaft bewunderungswürdiger Kühnheit ausführte, indem er in einer dunklen Nacht sich von dem Dache seines Gefängnisses an einem heimlich ihm zugesteckten Seil mit Gefahr seines Lebens herunterließ, die hohe Mauer überstieg und durch den breiten Graben glücklich an das jenseitige Ufer schwamm, wo sein Sohn ihn bereits erwartete, um mit ihm ein nach Amerika bestimmtes Schiff in Bremen zu besteigen. Beim Erklimmen der Mauer war jedoch die in der Nähe aufgestellte Schildwache durch das von ihm verursachte Geräusch aufmerksam gemacht worden und hatte, da auf ihren Anruf keine Antwort erfolgte, ihr Gewehr abgefeuert, ohne in der Finsterniß den Flüchtling zu treffen. Dieser war indeß mit seinem Sohne, so schnell es seine Kräfte gestatteten, weiter geeilt, bei ihrer beiderseitigen Unkenntniß der Gegend und der herrschenden Dunkelheit aber in einen Sumpf gerathen, aus dem so leicht kein Ausgang zu finden war. Es blieb ihnen daher nichts übrig, wenn sie nicht versinken wollten, als in einem dichten Binsengebüsch den Morgen zu erwarten und dann ihren Weg weiter fortzusetzen.
Unterdeß war die Flucht des Unglücklichen mir gemeldet worden, und getreu meiner Pflicht mußte ich seine Verfolgung mit widerstrebendem Herzen anordnen. Da ich selbst gerade leidend war, gab ich einem erprobten Gefängnißwärter, der sich drei Mann von der Wache zu Hülfe nahm, den Auftrag zur Habhaftmachung des Gefangenen. Die Verfolger wurden bald durch die hinterlassenen Spuren auf den richtigen Weg geleitet und näherten sich in dem mitgenommenen Kahne dem, wie es ihnen schien, unzugänglichen Versteck des Flüchtlings. Die wiederholte Aufforderung, aus den Binsen hervorzutreten und sich zu ergeben, blieb ohne Erfolg. Der sumpfige Boden konnte nicht ohne Gefahr betreten werden und diente den Verfolgten zum Schutz. Unter diesen Umständen hielt sich der Gefangenwärter nicht nur für berechtigt, sondern sogar für verpflichtet, Feuer geben zu lassen. Die Soldaten schossen ihre Gewehre in das Binsendickicht ab und bald darauf stürzte der arme Sohn hervor, in seinen Armen hielt er den zu Tode getroffenen Koch, ein Bild des Jammers und Entsetzens, mit Blut bedeckt, zusammenbrechend und verröchelnd.
So endete der Unglückliche, den sein Ehrgefühl und Gerechtigkeitssinn zum Mörder gemacht. Ich sorgte wenigstens für ein angemessenes Begräbniß. Seine Hinterbliebenen sind, wie ich nachträglich erfahren habe, nach Amerika ausgewandert. Das Geld zur Ueberfahrt und zum Ankauf einer kleinen Farm hat ihnen ein unbekannter Wohlthäter heimlich zukommen lassen. Ich glaube wohl, es wird der Major gewesen sein.
Meine Damen und Herren! Diesmal erlauben Sie wohl, keine weitere Einleitung einer Causerie vorauszuschicken, welche mich selbst zum Gegenstande haben soll. Der Saal ist gefüllt; Sie haben fünf und zwei Gulden für Ihren Platz gezahlt, offenbar also, daß ich Ihnen ein interessanter Gegenstand meiner Plauderei sein muß. Ich danke Ihnen und bemerke nur, daß mir gleich schmeichelhafte Auszeichnungen schon vielfach widerfahren sind, früher an dem kleinen Hofe des alten Herzogs von Orleans, dann an dem des jungen; in Italien, wo mich mein Freund Garibaldi zum Director der Museen von Neapel machte … aber ich will nicht mit dem Besten zuerst beginnen, sondern Ihnen zunächst von meiner Geburt erzählen.
Ich weiß eigentlich so wenig davon, wie alle übrigen Menschen. Aber ich besaß einen Vater, den General Dumas, einen der ausgezeichnetsten Officiere des Kaiserreichs, der leider schon vier Jahre nach meiner Geburt in Villers-Cotterets starb, wo ich am 24. Juli 1802 das Licht dieser Welt erblickt hatte. Ich bin also nur zwei Jahre jünger, als mein Jahrhundert. Meine Ahnen sind die Marquis de la Pailleterie; ich bin in Wahrheit ein Marquis und ein Pailleterie, und wenn ich im Allgemeinen auf diesen Namen verzichte, so geschieht es, weil ich es nicht ändern konnte, daß mein Großvater, der Marquis Antoine Davy de la Pailleterie, mittels der Negerin Tinette Dumas das Geschlecht der Dumas auf die Welt setzte, und weil ich, wie Napoleon, der erste Ahn meines Geschlechts bin, ein berühmter Mann, den die Welt unter dem Namen Alexander Dumas kennt.
Wie Alle, war auch ich Kind, ein hübsches Kind mit Locken und von weißem Teint, bis sich plötzlich die Locken verloren und der Teint durch das Blut meiner schwarzen Großmutter bräunte. Das hat nicht verhindert, daß ich seiner Zeit eine der stattlichsten Figuren von Paris bildete, ein interessanter Mann war, wie man sagt. Heute sehen Sie mich als behäbigen Bonhomme, einen heiteren [824] Alten, einen Philosophen, der nach einem reichen Leben auf seinen Lorbeeren auszuruhen wünscht.
Es giebt so leicht keine Mutter, welche ihren einzigen Sohn zum Dichter bestimmt. Auch die meinige that es nicht, sie übergab mich vielmehr dem Beruf eines Schreibers bei einem Notar von Villers-Cotterets. Wenn ich diesen Beruf verfehlte und einer der größten Schriftsteller unseres Zeitalters wurde, so bin ich selbst daran schuld. Ich will Ihnen erzählen, wie ich meinen Beruf als Clerc (Schreiber) verfehlte. Schon früh schwärmte ich für Theater, für die Literatur. Theaterstücke zu schreiben, war mein höchstes Ziel. Als ich einmal mit einem Freund nach Paris kam, stellte mich derselbe dem großen Talma vor, und Talma sagte zu mir: „Alexander Dumas, ich weihe Dich zum Dichter im Namen Shakespeare’s, Corneille’s und Schiller ’s!“ Dieser große Schauspieler erkannte mein Genie, und ich war es ihm schuldig, seiner Erkenntniß Ehre zu machen.
Zuerst suchte ich mir nun in Paris einen Platz; der General Foy war es, der mich dem Herzog von Orleans empfahl und mir die Stelle eines Secretairs bei demselben verschaffte. Mein Gott, ich erhielt eintausend zweihundert Francs im Jahr und die Geschäfte drückten mich nicht. Dabei war ich erst fünfundzwanzig Jahr alt und fühlte, daß ich noch eine große Zukunft haben werde. Ich setzte mich hin und studirte die großen Dichter, in deren Namen mich der große Talma gesegnet. Ich studirte Shakespeare, Corneille, Schiller, Walter Scott und Goethe und meine Stücke können Ihnen eine Menge Beweise davon liefern, wie fruchtbar dies Studium war. In Wahrheit, meine Gedanken begegneten sich oft mit den ihrigen und ich konnte also mit Recht mich ihrer Worte, ihrer Verse und ihrer Scenen bedienen, die ich dadurch zu neuer Anerkennung und zu neuem Ruhme brachte. Ich war es auch, der damals den Fiesco Ihres großen Schiller in’s Französische übersetzte und als einzigen Lohn, außer meiner Genugthuung, nur ein paar Scenen daraus später für mein Drama „Teresa“ annectirte.
Mit Kleinem fängt man an, mit Großem hört man auf. So begann auch ich mit kleinen Theaterstücken, die mir vier und sechs Francs eintrugen, um mit großen Dramen zu endigen, welche mir Hunderttausende brachten. Die große Carrière begann mit dem Drama „Heinrich der Dritte“ im Jahre 1829. Ich machte damit eine Revolution in der französischen Literatur, ich war der Erste, welcher das Vorwort zu Victor Hugo’s „Cromwell“ verstand und mit diesem sublimen Dichter, meinem Freunde, die französische Bühne umgestaltete. „Heinrich der Dritte“ hatte ungeheuern Erfolg und brachte mir fünfzigtausend Francs ein, ich war mit einmal einer der ersten Dramatiker Frankreichs, ein reicher Mann, der nicht mehr nöthig hatte, in einer Amtsstellung zu dienen. Nur der erste Schritt ist schwer. Nachdem ich ihn gemacht, ging es von selbst. Mit meinem zweiten großen Stück „Christine“ ward ich der Mann des französischen Repertoirs; alle Theaterdirectoren baten um meine Feder, die jungen Talente drängten sich zu mir heran, meine Protection zu erreichen. Ich war wohl verpflichtet, diesem Ruf zu gehorchen – ich war es der französischen Literatur, ich war es meinem Genie schuldig. Der Name Alexander Dumas hatte Curs auf allen Bühnen; es genügte, daß ich ihn auf die Manuscripte setzte, welche mir die jungen Talente gaben und die ich manchmal gar nicht gelesen hatte. Ein Stück von Dumas, das reichte hin, um sich darum zu reißen.
Wahrhaftig, ich war des Ruhmes satt, der rauschenden Erfolge auf den Bühnen überdrüssig. Mich verlangte nach neuen Ehren, mein Genius suchte sich ein neues Feld. Ich warf mich dem Roman in die Arme, und der Roman beeilte sich, mir in die Arme zu laufen. Ich erfand die Mitarbeiterschaft; ich machte ein großartiges System daraus, Andere erfinden zu lassen und Vorsteher einer Erziehungsanstalt junger, unbekannter Romandichter zu werden. Sie arbeiteten, ich unterzeichnete; mit meinem Namen versehen, war der Erfolg gewiß, und Sie erinnern sich gewiß noch der Zeiten, wo alle Welt die Romane von Alexander Dumas, die drei Musketiere, Monte Christo, die beiden Dianen und hundert andere verschlang. Ich gestehe, daß ich sie alle weder erfunden, noch geschrieben habe; es genügte, daß ich sie corrigirte und mit meinem Namen versah. Einmal macht man mir in einer Gesellschaft schwere Vorwürfe über historische Irrthümer in einem meiner neuen Romane; ich frage nach dem Titel und – vraiment, ich wußte gar nicht, daß ein solcher Roman von mir existirte. Einer meiner Mitarbeiter ging nach Petersburg und fand im Feuilleton einer dortigen Zeitung meinen Roman „Olympe“ abgedruckt. Er hatte ihn geschrieben, das ist wahr; aber ich hatte ihn gestempelt und cursfähig durch meinen Namen gemacht. Der junge Mann erzählt dies dem Besitzer der Zeitung, der es nicht glauben will und ihn als Schurken behandelt. Um sich zu rechtfertigen, zeigt er dem Verleger Briefe von mir, in denen ich ihn um den Schluß des Romans bitte. Eh bien, er hatte seine Satisfaction, aber der Verleger wollte nur einen Roman „Olympe“ von Alexander Dumas drucken. Auf solche Art war es möglich, daß ich 1846 an sechszig Bände Romane auf den Markt warf und daß die Welt über diese gigantische Arbeitskraft und unerschöpfliche Phantasie erstaunte. Hunderttausende flossen in meine Casse, Hunderttausende flossen wieder heraus. Ich war der große Dumas, der Nabob der modernen Literatur, man verehrte mich, man beneidete mich, man suchte meine Person, mein Geld, meinen Credit. Und diejenigen, denen ich als meinen Mitarbeitern zu Renommée verholfen, empörten sich nun und behandelten mich mit Undankbarkeit. Selbst der gute Maquet, der mir meine berühmtesten Romane geliefert, machte mir den Proceß und wollte allein Alexander Dumas spielen. Bah! Ich ließ sie alle laufen und allein ihre Romane herausgeben und schrieb gar nichts mehr. Alexander Dumas wollte nicht mit den kleinen Alexandern concurriren.
Damals war es, wo ich zu Ehren meines erfolgreichsten und von der Lesewelt verschlungenen Romanes Monte Christo jenes groteske Phantasieschloß aufbauen ließ, von dem Sie gewiß Alle gehört haben und zu welchem alle Fremden von Paris aus wallfahrten. Hélas! dieses schöne, feenhafte Schloß von St. Germain, es ist längst fort, längst verkauft, verloren. Und die Literatur, das Theater, welches mir so viel Geld eingetragen, daß diese großen Revenuen in aller Welt Mund waren, sie haben mir auch viel Geld gekostet. Sehen Sie da eine echte Liebe zur Kunst! Aus meinen Mitteln habe ich, als ich ein wenig Nabob war, das Théatre historique erbaut und ich nannte es nicht Théatre Dumas, wie man sagt Théatre Beaumarchais, obgleich nur Stücke von mir daselbst zur Aufführung kamen. Ich gestehe, die Passion war sehr kostspielig, meine Generosität zu groß. Das Publicum will stets mit den Manieren eines Grandseigneur behandelt sein; wenn man ihm schmeichelt und sich freigebig zeigt, wird es undankbar. Die Undankbarkeit des Publivums brachte es dahin, daß mein Théatre historique Bankerott machte und die Gläubiger mein Schloß Monte Christo in St. Germain unter den Hammer brachten. Diese Leute der Prosa – haben sie Achtung vor den Werken der Poesie? Nein – jamais!
Aber Alexander Dumas hatte noch einen Kopf mit Geist, Vertrauen und eine Hand zum Schreiben. Ein berühmter Marschall der französischen Literatur, der ich war, schämte ich mich nicht, wieder die Muskete zu ergreifen und von der Pike auf zu dienen. Ich schuf mein Journal „der Musketier“, und ein paar Jahr lang war dieser Musketier das große Ereigniß der Literatur, der Liebling von Paris. In diesem Journal finden Sie fast Alles, was ich Ihnen hier erzähle, viel ausführlicher; denn in ihm veröffentlichte ich meine Memoiren und die Menge von Anekdoten, deren Held ich war und zu dem ich mich machte. Ich kann Ihnen eine davon erzählen, weil sie mich charakterisirt. Hören Sie.
Es war Soirée beim Herzog von Decazes, welcher auch mein theurer Freund, der selige Lord Palmerston und seine Gemahlin beiwohnten. Ich plaudere mit Victor Hugo auf einem Divan, als plötzlich der junge Decazes zu uns kommt und sagt:
„Hätten Sie nicht die Freundlichkeit, einen Platz zwischen sich frei zu machen, meine Herren?“
Natürlich beeilen wir uns. Darauf führte Lord Palmerston seine Gemahlin zu diesem Platz und diese setzte sich.
„Mylady,“ sagte der Lord nun feierlich zu ihr, „ziehen Sie Ihre Uhr. Wieviel zeigt sie?“
„Zehn Uhr fünfunddreißig Minuten, Mylord,“ antwortete die edle Frau.
„Gut, Mylady, vergessen Sie nicht, daß Sie heut um zehn Uhr fünfunddreißig Minuten Abends die Ehre hatten, zwischen den zwei größten Genies Ihres Jahrhunderts zu sitzen.“
Aber es ist ein Unglück, fünfhundert Bände geschrieben zu haben! Sie fragen warum? Ei, das Publicum hat dann genug zu lesen und interessirt sich nicht mehr für Neues. Ich habe es erfahren! Auch mein „Musketier“ brachte mir zuletzt nur noch [825] fünfzig Francs den Tag von meinem Verleger und endlich zahlte er mir diese auch nicht mehr, weil er behauptete, er mache Schaden. O die Undankbaren! Aber es giebt auch noch edle, noch dankbare Menschen! Ich kenne mehrere, die mir versprochen haben, mir nach ihrem Tode ihre Millionen zu vererben. Mögen sie noch lange leben!
Ich spreche nicht von meinen Orden, Auszeichnungen von Fürsten, die sie mir gaben, um sich zu ehren; aber ich muß Ihnen davon sprechen, daß ich außer Poet auch ein Politiker bin. Im Allgemeinen, ich war Royalist, Republikaner und Bonapartist; jede Regierungsform, die ist, ist gut – das ist mein Grundsatz, und daher hat mich auch jede Regierung, die war, mit Ehren bedacht. Der Herzog von Orleans war mein Freund, ehe er König war, und deshalb habe ich in den Julitagen von 1830 mit Büchsen und Pistolen für seinen Thron gekämpft. Aber die Könige vergessen leicht, wem sie zu Dank verpflichtet sind. Louis Philipp war nicht mehr der Herzog von Orleans und Alexander Dumas konnte sagen, ein König sei ihm Etwas schuldig. Aber es rächte sich. Als ich meinen Chor der Girondisten auf die Bühne gebracht hatte, sang ihn alle Welt; er wurde das populäre Lied von Paris – et voilà, was die Revolution des Februars gemacht hat! Louis Philipp entfloh, und ich, Schloßherr von Monte Christo, commandirte die Nationalgarde von St. Germain in großer Uniform. Ich war Republikaner, ehe die Republik kam. Man hörte auf mein Journal „Liberté“ wie auf ein Orakel; aber ich stellte das Erscheinen desselben bald ein und gründete „le Mois“, eine politische Revue, ganz allein von mir redigirt, die trotzdem kein Mensch lesen wollte. Das Volk hatte keinen rechten Sinn für eine geistvolle Politik und ich merkte es noch mehr, als ich als Candidat zur Nationalversammlung auftrat. Glauben Sie, daß sie mich gewählt haben? Weder damals, noch unter Louis Philipp. Ich constatire diese Thatsachen, weil ich stolz darauf bin; man macht keine Männer von Geist zu Abgeordneten! Und desgleichen ist es bekannt, daß die Akademie die Männer von Genie nicht auf ihre vierzig Stühle läßt; Grund genug, daß ich zu den Unsterblichen gehöre, ohne Mitglied der Akademie zu sein.
Nach ein paar Monaten der Republik fand ich denn, daß sie nicht reif sei und daß das Genie von ihr nicht hinlänglich ausgezeichnet werde. Wie ganz anders war es noch unter Louis Philipp! Als der Herzog von Montpensier sich mit der Königin von Spanien vermählte, lud man mich ein, diesen Festen in Madrid beizuwohnen. In Cadix hielt ein Staatsschiff zu meiner Disposition, und auf demselben machte ich mit einigen Freunden einen Besuch nach Afrika, sah mir Oran an, Bona, Algier, Tunis, Philippeville, machte eine Löwenjagd mit, befreite ein Dutzend Gefangene aus den Händen Abd-el-Kader’s und beschrieb und erzählte dies Alles in Pariser Feuilletons. Aber da das Königthum nicht mehr existirte, die Republik, wie ich einsah, nicht bestehen konnte, was blieb mir übrig, als Bonapartist zu werden und das Kaiserreich anzuerkennen? Doch unter allen Formen liebte ich die Freiheit und ich war daher der Erste, welcher dem großen Garibaldi seine Unterstützung zur Befreiung Italiens anbot. Das ist mein Ruhm, auf den ich stolz bin. Auch Alexander Dumas, wird die Geschichte sagen, gehörte zu denen, welche das neue Italien geschaffen haben!
Ueberraschen wird es Sie nicht, daß auch ich öfter genöthigt war, mit dem Degen in der Hand meine Gegner in Respect zu setzen. Einmal hatte ich eine Affaire mit Jules Janin, dem Dictator der Feuilletonkritik von ehemals. Ich mußte wohl mich mit ihm schlagen, ich hatte ihn gefordert. Ich proponire ihm Degen. Janin will sie nicht, sondern verlangte Pistolen. „O,“ sage ich, „Sie sind toll, lieber Herr Janin, ich schieße einen Franken aus Ihren Fingern, und Sie sind doch größer als ein Franc!“ Janin behauptet nun seinerseits, daß er mir unfehlbar mit dem Degen den Garaus machen würde und also diese Waffe nicht acceptiren könne. Um diesen Streit zu endigen, schlugen wir uns nicht und schossen wir uns nicht. Ein ander Mal spielte die Affaire mit dem Redacteur des „Figaro“; ich war beleidigt, Blut mußte fließen, die Freunde bitten mich, ihn nicht zu tödten. Ich verspreche dies und erscheine am Rendez-vous im Boulogner Gehölz. Mein Gegner ist da, man bringt Degen, wir legen uns aus. Und während ich beim ersten Gange ihm zurufe, sich zu vertheidigen und zu pariren, sticht er mich in die Schulter. Aber es war zum Glück nur unbedeutend.
Sie wissen, um noch eins in dieser Causerie zu erwähnen, daß neben Alexander Dumas Vater noch ein Alexander Dumas Sohn excellirt. Ja, in der That, es ist mein Sohn. und da er unter allen Umständen eine Mutter gehabt hat, können Sie annehmen, daß ich verheirathet war. Ich will Ihnen erzählen, wie das kam. Der Herzog von Orleans ist daran schuld. Einmal besuchte ich seinen Ball mit der jungen Schauspielerin Ida Ferrier. Da kommt der Herzog zu mir heran, klopft mir auf die Schulter und sagt:
„Natürlich, mein lieber Dumas, haben Sie mir Ihre Frau vorzustellen?“
Was blieb mir übrig? Ich mußte wohl Fräulein Ferrier heirathen, die ganze literarische Republik von Paris war dazu eingeladen, Herr von Chateaubriand war mein Zeuge. Madame Dumas zog später nach Florenz. Mein Sohn, der Schöpfer der Camellienliteratur, hat meinen Namen und meinen Ruhm von mir; denn, wie ich in meinen Memoiren schon gesagt: „Die Menschen sind die Väter der Thatsachen und die Väter sind für ihre Kinder verantwortlich!“
Von Friedrich Hofmann.
„Und hier die zwei mächtigen Eisenketten an der Mauer, was bedeuten diese?“ So fragte ein alter Genosse der Burschenschaft mich auf der Veste Coburg, wohin wir nach den Jenaischen Jubeltagen einen gemeinschaftlichen Ausflug gemacht hatten. Wir standen auf der sogenannten „hohen Bastei“, zu welcher die Terrassen zwischen der Kirche und dem neuen Wirthshaus emporführen und die mit der alten starkzerwetterten Luther-Linde geschmückt ist. Auf dieser Bastei entfaltet sich vor unsern Augen ein entzückendes Panorama über das reizende Land und seine Berg- und Wälderkränze, vom Heiligen Kreuzberg der Rhön im Westen, dem ganzen Thüringerwaldkamm im Norden bis zu seinen südöstlichen Ausläufern und bis zu den fernen Kuppen des Fichtelgebirges, den langen schönen Linien der Berge des Frankenwaldes bis zum Mainthal mit seinen klöster- und capellengeschmückten Höhen und endlich bis zu den grünen Waldhügeln des Itzgrundes zu unseren Füßen. Wen dieses Bild voll Schönheit und Anmuth der Natur, dieses Paradies von fünf Eden, wie Jean Paul die Thäler seines lieben Coburg nannte, einmal entzückt hat, den wird es um so tiefer ergreifen,
Wenn wir auf all der Lande Segen
Im Geist des Krieges Bilder legen.
Die Frage meines Burschenschaftsgenossen führte uns von selbst mitten in die entsetzlichste Zeit des dreißigjährigen Kriegs. Während einer der damaligen Belagerungen der Veste soll ein feindlicher Spion eingefangen worden sein, den man geviertheilt und so dem Feinde zur Schau an diesen Ketten über die Mauer hinausgehangen habe. So lautet die Sage; die Chronik schweigt über diesen Act barbarischer Kriegsjustiz, er verschwindet aber auch sogar in der Summe der Gräuelthaten, von denen die Geschichte jener Zeit in diesen fränkischen Landen des Hauses Sachsen zu erzählen hat.
Für die Geschichte des dreißigjährigen Kriegs liegen noch heute Massen von Material verborgen und nicht wenig davon geht unbenutzt zu Grunde. Mit Recht sagt Gustav Freytag in seinen „Bildern aus der deutschen Vergangenheit“: „Viel ist über die Verwüstungen des dreißigjährigen Kriegs geschrieben worden, aber noch fehlt die große Arbeit, welche aus allen Territorien die erhaltenen statistischen Notizen zu einem Bilde zusammenstellte. Wie ungeheuer die Arbeit sei, sie muß doch unternommen werden, denn erst aus unwiderleglichen Zahlen wird die volle Größe des Unheils verständlich werden.“ Er sagt ferner, daß die Verhältnisse namentlich von Thüringen und Franken nicht übel geeignet seien, die Vergangenheit [826] mit der Gegenwart zu vergleichen, weil Beide durch den Krieg nicht ausnahmsweise mehr heimgesucht worden seien, als andere Länder, und die Culturverhältnisse beider Landschaften bis zur Gegenwart ziemlich genau dem mittleren Durchschnitt deutscher Industrie und Landwirthschaft entsprächen. – Möge man die nachfolgenden Schilderungen als einen solchen Beitrag, als ein paar Züge zu dem großen Gesammtbilde von „Deutschland im Elend“ aufnehmen; sie verdienen vielleicht besondere Beachtung deshalb, weil sie zum Theil von mir neu aufgefunden und der Vernichtung entrissen worden sind.
Beim Ausbruch des dreißigjährigen Kriegs standen die Länder der sächsisch-ernestinischen Linie unter zwei Häusern, dem sogenannten altweimarischen und dem coburgischen Hause. In letzterem regierten Johann Casimir und Johann Ernst, die Söhne des unglücklichen Herzogs Johann Friedrich des Mittlern, der als Beschützer des geächteten Ritters Grumbach in die Reichsacht verfallen, nach der Erstürmung Gothas und des Schlosses Grimmenstein in ewige Gefangenschaft nach Oesterreich geführt und dort gestorben war.
Herzog Johann Casimir, ein Fürst, der fest am Lutherthum hielt und auf sein Schirmrecht über die protestantische Kirche seines Landes stolz war, wußte gleichwohl sich und seinem Lande bis zum Jahr 1629 den Schutz der Neutralität zu erhalten. Konnte er dadurch auch nicht alle Drangsale des Kriegs abwenden, nahmen die fast endlosen Truppendurchzüge die Kräfte der Gemeinden bereits sehr stark in Anspruch, so traf der Verlust bis dahin doch eben nur das Gut, Blut war noch nicht vergossen worden, außer in einzelnen Fällen, wenn die Bauern „mit Spießen, Flegeln und Floßhaken“ gegen einzelne Croatenschwärme und dergleichen sich auf eigne Faust Recht verschafft hatten. Als aber nach dem Fürstentag zu Leipzig (im Februar 1631) und in Folge des Verbrechens an Magdeburg (im blutigen Mai desselben Jahrs) der Herzog sich zum Bündniß mit Schweden genöthigt sah und sogar schwedische Besatzung in seine Veste Coburg aufnahm, brachen alle Schrecken jenes Kriegs mit einem Male auf das Land herein.
Dreierlei half zusammen, um gerade diese Theile von Nordfranken und Südthüringen den ärgsten Verwüstungen auszusetzen: die Heerstraßen, die durch sie von Bamberg und Würzburg nach Sachsen führten, die katholische Nachbarschaft in den angrenzenden bischöflichen Ländern und die drei Festungen Kronach, Coburg und Königshofen. Diese an sich unbedeutenden Waffenplätze zogen jeden Feind an, und je tapferer und länger sie sich wehrten, desto schlimmer war es für das umliegende offene Land, zumal die ersten Heerzüge große Wohlhabenheit dort gefunden hatten, eine Kunde, die damals ein Trupp dem andern zurief und welche die Blutegel aller Farben anlockte, bis die Wüste fertig war. Diese Andeutungen werden genügen, um unsere Leser für die Bilder vorzubereiten, die nun vor ihren Augen aufgerollt werden sollen.
„In diesem Jahre wurde hiesiges Land durch die kaiserlichen und baierischen zusammengestoßenen Armeen durch Mord, Raub, Plünderung, auch Verheer- und Verwüstung aller Häuser und Schlösser und andere unzählige Unthaten nach wilder Barbaren-Art in einen erbärmlichen Zustand versetzt.“ So beginnt die Coburger Chronik das Jahr 1632. Schon 1631 hatte der kleine Grenzkrieg zwischen Katholischen und Lutherischen begonnen; in größerem Style wurde er nur von der Veste Kronach aus geführt, deren Besatzung ihre Streif- und Raubzüge meilenweit über das Herzogthum und selbst bis nach Steinheide auf dem Thüringer Wald hinauf ausdehnte; auch diese durch ihren Bergbau auf Gold einst blühende Bergstadt fraß dieser Krieg, die Bergwerke verfielen ganz und mühvoll erhob sich nach dem Friedensschluß um die alte Kirche ein armer Marktflecken.
Um die Kronacher zu züchtigen, rückte der „coburgische Ausschuß“ mit zwei halben und zwei Viertels-Karthaunen, unter Anführung eines schwedischen Obersten, vor Kronach; aber die Belagerung bekam übel, die Coburger mußten mit Verlust von drei Kanonen, aller Munitions- und Bagagewagen abziehen, und die Feinde wütheten schlimmer, als zuvor. Der schwarze Lieutenant, einer ihrer Führer, war noch lange nach dem Kriege ein Schreckensname geblieben.
Wenige Wochen vor diesem Zuge hatte Tilly mit achttausend Mann Königsberg (in Franken), mit einem festen Bergschlosse, berannt, genommen, die Stadt angezündet und der Plünderung übergeben. Gleich nachher fielen die Croaten von Lichtenfels aus in den Itzgrund ein und brannten und plünderten die reichen Dörfer Buch und Siemau rein aus. Von allen Seilen kamen die fliehenden Landleute nach Coburg, um Schutz und Brod zu suchen. Und doch war dies Alles nur das Vorspiel zum großen Drama!
Dies begann, als Wallenstein, nach dem Kampfe vor Nürnberg (Anfang September 1632), durch Thüringen nach Sachsen zog. Das Land des Herzogs von Coburg war das erste ketzerische eines vom Kaiser abtrünnigen Fürsten, das er auf diesem Zuge betrat, und es sollte seinen ganzen Zorn fühlen. Als die Veste Coburg sich nicht ergab und seine stürmenden Schaaren zurückschlug, loderten am Abend desselben Tages die Flammen im ganzen Lande auf. Von den Basteien der Veste sah man die Feuersäulen der Städte Rodach, Heldburg, Ummerstadt, Eisfeld, Schalkau, Neustadt und vieler Dörfer die ganze Nacht gen Himmel ragen.
Nur wenige Tage, vom 27. September bis zum 5. October, hatte Wallenstein (mit dem Kurfürsten von Baiern) vor der Veste Coburg gelegen, und wieviel Leben, Glück und Gut hatte dies dem armen Volke gekostet!
Und doch schwinden fast all diese Gräuel vor einer That des Wahns, die in denselben Tagen in Coburg geschah. Die Chronik berichtet: „Am 6. Septb. wurde ein Knabe von zwölf Jahren, Georg Grünewald’s, Kannengießers Sohn, mit dem Schwert gerichtet und hernach verbrannt, dabei zwei andere Knaben mit hinaus auf die hohe Straße geführt und bei der Meinung gelassen, als ob sie gleiche Strafe ausstehen sollten, indem sie alle gutwillig bekannt hatten, daß sie Hexerei getrieben!“ – So ging, von dem unerhörten Unglück des Krieges unberührt, die Gerechtigkeit des Wahns ihren blutigen Weg!
Sehen wir uns nun in den einzelnen Unglücksstätten um. – Während der kurzen Belagerung der Veste Coburg durch die Kaiserlichen und Bairischen war für die Soldatesca Jedermann vogelfrei, und bald begann nach der allgemeinen Plünderung eine allgemeine Flucht. Bötzinger, Pfarrer zu Poppenhausen bei Heldburg, erzählt, wie er, auf Bitten der Seinen, um sein Leben zu retten, aus seinem Dorfe geflohen, wie acht Croaten ihn „errenneten“ und bis auf’s Hemd und seine „Harzkappe“ auszogen, wie sie schon davon gesprochen, als sie einen „Pap“ oder „Pfaff“ in ihm erkannt, ihm die Testiculos zu nehmen und wie er nur durch einen derselben, einen geborenen Schweden, der als Gefangener unter die Croaten gekommen war, gerettet worden sei. Er lief, bis er in eine Wasserrunse fiel und da liegen blieb, bis es Nacht war. Dann schlich er nach Seidingstadt, fand dieses Dorf ganz leer, bis er hinter einem Stadel den Rest der Gemeinde traf, eben berathend, wohin man weiter flüchten solle. Hier schenkte man dem ausgehungerten und halberfrorenen Pfarrer einen Topf Milch, ein paar alte Lederhosen voll Wagenschmiere, einen grauen und einen weißen wollenen Strumpf und ein Paar Riemenschuhe ohne Sohlen. In diesem Aufzuge floh er nach Hildburghausen, das durch ungeheure Geldopfer vor der Brandfackel bewahrt worden war, aber wo gleichwohl Alles, was laufen konnte, zur Flucht rüstete, zumal über tausend fremde Flüchtlinge sich dort angesammelt hatten. Als es wieder Nacht war, ging es an ein Scheiden – „und saßen unzehlig viel Leute mit ihren Packen auf der Gaß, auch viel mit Wägen und Kärrn angespannt, die alle, als das Thor aufging, mit fort wanderten. Als wir in’s freie Feld kamen, sahen wir, daß die guten Leutlein sich in alle Straßen austheilten. Da wurden viel Tausend Wind-Lichter gesehen, diese hatten Latern, diese Stroh-Schäube, andere Pech-Fackeln. In Summa etliche 1000 Leute zogen mit Traurigkeit fort. Ich und mein Hauff kamen, hor. 12 Mitternacht gen Themar, welche Stadt sich auch mit uns aufmachte, und abermal etliche 1000 mehr wurden. Der Marsch ging auf Schwartzig, Steinbach zu, und wo wir gegen Morgen in ein Dorff kamen, da wurden die Leute erschreckt, daß sie Hauß und Hoff auch zurückließen und mit uns fortzogen.“ – Und als dieser Pfarrer im Jahre 1634 endlich, nach unzähligen Leiden, sich nach Poppenhausen zurückwagte – „da war daselbst so große Mattigkeit und Mangel, daß wir den todten Leuten ähnlicher sahen, als den lebendigen. Viele lagen schon aus Hunger darnieder, und mußten gleichwohl alle Tage etliche Mal Fersengeld geben und uns verstecken. Und obgleich wir unsere Linsen, Wicken und andre Speiß in die Gräber und alten Särge, ja unter die Todtenköpfe versteckten, wurde es uns doch alles genommen.“
Von den Schicksalen der Geistlichen und Schullehrer, von denen in den Kirchenbüchern und Schulbibeln noch Manches bis [827] auf uns gekommen ist, läßt sich am leichtesten auf das der Volksmasse schließen.
Der Pfarrer von Bürden starb damals Hungers in Hildburghausen; der Schulmeister von Veilsdorf entwich nach Thüringen, „um von gutherzigen Leuten ein Stück Brod zu betteln, weil der größte Hunger im Dorfe herrschte und fast kein Mensch mehr im Orte war“; den Superintendenten von Eisfeld führten die Soldaten auf den Markt, zogen ihn da bis auf das Hemd aus und jagten ihn so aus der Stadt. Das Dorf Stelzen, hoch am Thüringerwald, wurde auf Michaelis 1632 bis auf Kirche, Schule und Hirtenhaus abgebrannt. Der Pfarrer meldete seine Noth nach Eisfeld, indem er klagt, daß ihm nichts übrig geblieben sei, als „seine acht kleine, arme, nackte, hungerige Kindlein“, – und er unterschrieb sich: „unterdienstwilliger und gehorsamer armer verbrannter Pfarrer daselbst“.
So war das Brennen und Morden durch das ganze Land gegangen, von Itzgrund an bis zu den letzten Dörfern am Thüringerwald, wo der Feind von Norden her einbrach und alles Erreichbare verwüstete, und von der Nähe Kronachs an, das Herzog Bernhard von Weimar dreimal belagerte, um dem Coburger Lande von dieser seiner gefährlichsten Seite Schutz zu bringen, und dreimal vergeblich und nur mit dem Siegerübermuth die Raub- und Mordlust der Besatzung und der gesammten Bevölkerung vermehrend, bis zu dem Verheerungsgebiet von Königshofen, das in diesem Kriege abwechselnd bald in den Händen der Schweden, bald in denen der Kaiserlichen war.
Aber noch höher stieg das Elend des Landes, als die Veste Coburg selbst in die Hände der Kaiserlichen fiel. Nach einer Belagerung vom 20. Oktober 1634 an wurde sie am 28. März 1635 dem kaiserlichen General-Wachtmeister v. Lamboy übergeben.
Noth und Elend, schreibt 1635 die Chronik, waren nun auf das Höchste gestiegen. Das Land war ganz mit fremden Soldaten überschwemmt, im Amte Römhild lagen die thunischen, gallasschen, hatzfeldischen und andere Regimenter, in Heldburg vom adelshofischen und anderem Volk, in Neustadt und Eisfeld lagen Ungarn und des Oberst Forgatsch Croaten und in den Coburger Dorfschaften die Lamboy’sche Reiterei. Dazu kam noch Feldmarschall Piccolomini, der mit vielem Geschütz der Veste nach Königshöfen zog, um dieses den Schweden zu entreißen. Wie die Hyäne hinter Löwen und Tiger her, um zu verschlingen, was diese übrig gelassen, brach nun noch Generalfeldzeugmeister Marchese de Grana von der linken Kronacher Gegend her in’s Land. Die Bauern machten in all ihrem Jammer damals noch einen guten Unterschied zwischen ihren Drängern, sie nannten den Wallenstein den großen Feind, den Lamboy den kleinen Feind und den Marchese de Grana den Kehraus: er nahm, was er noch fand. und hinterließ die Hungersnoth und die Pest. Wer noch fliehen konnte, suchte in der Fremde, die Meisten in Thüringen, das Leben zu fristen. Fast alle Schulen standen leer, weil die Kinder zu Grunde gegangen waren, viele Pfarrer mußten sich von Tagelöhnerarbeit, von Holzhacken und Dreschen ernähren, wo es überhaupt noch Etwas zu dreschen gab, denn auch vieles Land blieb öde liegen, überwuchert mit Dornen und Disteln, die meisten Häuser wurden verwüstet, die Scheunen selbst rings um die Stadt Coburg abgerissen und vom Feind und Freund als Brennholz benutzt. Außerhalb der Stadt Coburg war im ganzen Land kein ganzes Haus mehr zu finden, und – es sind nur wenige Worte, aber sie drücken das Gräßliche jener Zeit ganz aus: „sind damals mehr als fünfhundert Kinder auf den Gassen todt gefunden worden, ohne die alten Leute, die der Hunger gefressen. Es war auch sonderlich erbärmlich, daß eine Frau von Roßfeld eingebracht wurde, welche ihren Nachbarn ermordet hatte, in der Meinung, ihn zu essen.“
Als endlich der Abschluß des Prager Friedens zwischen dem Kaiser und Sachsen auch dem Lande Coburg einige Ruhe verhieß, kehrten die Entflohenen zu ihren Heimstätten zurück, und die Regierung, die indeß, nach Johann Casimir’s Tode (1633), an seinen Bruder Johann Ernst übergegangen war, wandte alle möglichen Mittel an, um den Anbau der ganz verödeten Fluren wieder zu bewerkstelligen. Sie hatte im Jahre 1636 bedeutende Getreidevorräthe in Thüringen angekauft und forderte nun ihre Aemter und Gerichte auf, den Bedarf jeder Gemeinde und die Transportmittel, die dieselbe zur Herbeiführung jener Vorräthe liefern könne, anzugeben, aber auch zugleich über den damaligen Zustand derselben, namentlich wie viel von Aeckern bestellt, wie viel „Mannschaften“ noch vorhanden und was an Feldern und Häusern wüst stehe, zu berichten.
Von diesen Nachforschungen nun liegen aus Heldburger Archivpapieren die Original-Protokolle des Gerichts Heldburg und eine tabellarische Zusammenstellung der Cent Hildburghausen über sämmtliche zu beiden gehörige Dörfer vor mir.[2]
Trotz mehrfacher Mahnungen der Regierung vergeht doch das ganze Jahr 1636, ohne daß die Gemeinden zur Abholung des Getreides sich entschlossen hätten; im März 1637 schreibt die fürstl. sächs. Geheim- und Kammer-Canzlei zu Coburg an die Gerichte, „daß nun periculum in mora sei wegen der Samenabfuhr in Thüringen“, und so werden denn endlich im April die vorhandenen Transportmittel angemeldet. Schon ein Blick auf dieses Verzeichniß genügt, um den entsetzlichen damaligen Zustand des Landes zu ahnen. In fünfzehn Dörfern der Cent Hildburghausen sind nur vier Karrenführer aufzubringen gewesen, außerdem sechsunddreißig Schubkarren und zweiundsiebenzig Träger; in dreizehn Dörfern des Gerichtes Hildburg gar nur eine einzige Karrenfuhre und außerdem sechsunddreißig Schubkarren und siebenzig Träger. Dazu bemerkt der Hildburghäuser Bericht noch: „Die Leut werden so urplötzlich krank, also daß dieselben dahin sterben und mancher das neue Korn nicht geneust, worauf er sich lang gefreuet. Der liebe Gott wende es zum Besten!“
Das Aktenstück über den Zustand der Dörfer des Gerichts Heldburg führt die Aufschrift:
„Was an Winter- und Sommerfrucht ausgebauet, auf’s Neue bestellt, an Pferden und Mannschaften vorhanden, auch wüst stehet im Gericht zu Heldburg April 1637.“
Da lesen wir u. A.: In Colberg: Ist kein Pferd noch sonst lebendig Vieh allda. Sind noch 4 Männer und 3 Wittweiber am Leben und stehen 23 Wohnhäuser ganz ledig. In Rieth: Ist nicht mehr als ein Pferd in der Gemeinde. Daselbst stehen 60 Häuser ledig, und sind noch 20 Hausgesaß, darunter 11 Männer, am Leben. In Lindenau: Sind noch in Allem 12 Mannschaften und 3 Wittiben vorhanden und stehen hierüber noch 58 Häuser ledig. Und so fort. Am allerschlimmsten sah es in vier anderen Dörfern dieses Heldburger Gerichts, in Poppenhausen, Käßlitz, Schweikershausen und Seidingstadt aus. Das Protokoll sagt: „Liegt Alles öd und wüst, ist auch an keinem Ort nichts an Viehe und ist zu besorgen, diese Dörfer werden künftig ganz wüst.“ In Seidingstadt, das jetzt 300 Einwohner zählt, lebten 1637 noch ein Mann und 3 Wittweiber, in Poppenhausen, jetzt mit 170 Einwohnern, noch 3 Männer, in Käßlitz, jetzt mit 230 Einwohner, noch 4 Männer, und in Schweikershausen, das jetzt wieder eine blühende Gemeinde von 54 Familien und über 200 Einwohner hat, lebte noch ein einziger Mann, „so sich des Schueb-Karrns und Tragens aus Thüringen nehrt“. –
„Summa gantz Vermögens im Gericht Heldburgk ist: 177 Acker Winterbau, 75 Acker Sommerbau, 75 Acker auf’s Neu bestellt, 8 Pferde, 115 Mannschaften, 54 Wittweiber, 550 ledige Häuser“. Also 170 arme Menschen noch, wo heute gegen 5000 glücklich leben! –
Ein nicht viel weniger erschütterndes Bild zeigt uns das „Verzeichnuß derer in der Cent Hildburghausen Dorfschaften anitzt befindenden Mannschaften, Wittiben, auch wie stark dieselbe hiebevor an Mannschaft gewesen, was an Pferden etc. und was öde liegt“.
[828] Wir müssen uns jedoch hier auf die Mittheilung beschränken, daß in den schönen und großen Fluren der Dörfer dieses Amtsbezirks im Ganzen nur 713½ Acker nothdürftig angebaut waren, 3228½ Acker werden als „ödes Feld“ angegeben, 345 Häuser standen wüst, und wo jetzt 6000 Menschen leben, fand man damals nur noch 313 zusammen.
Die Hälfte der Schuld dieser furchtbaren Verwüstung liegt auf den Schweden, die, sobald der Friede mit dem Kaiser geschlossen war, in dem lutherischen Lande ärger hausten, wildere Gräuel der Menschenmarter (Schwedentrunk!) begingen, als sogar den Croaten möglich war. Der Krieg ernährte sich längst selbst, er hatte fast zwanzig Jahre gewährt, die ganze Jugend hatte noch kein Bild des Friedens gesehen! – Ein schwedischer Oberst war es, Namens Phuls, der damals vom Lande Coburg berichtete: „Es ist durch die ausgestandene schwere Kriegslast dahin gediehen, daß Hunde, Katzen, Ratten, Mäuse, todtes Aas (um das sich die Menschen geschlagen!) und andere abscheuliche Dinge dem armen Landvolk zur Speise gedient, das sich gerne mit Trebern, Leinkuchen, Kleien und Eichelbrod, gleich den unvernünftigen Thieren, zu sättigen begehret, wenn sie nur dessen genug haben konnten. Weil es aber auch daran mangelte, so wollten die Mütter ihre Kinder angehen, und schlachten etc.“ – Und wirklich hat, so schreibt die Chronik, eine Frau zu Roßfeld, Anna Hessin, zwei Kinder ermordet, Würste davon gemacht und dann gegessen. Man hielt sie für eine Zauberin, brachte sie zur gefänglichen Haft und wollte sie eben mit glühenden Zangen zerfetzen und dann verbrennen, als sie noch zu rechter Zeit im Gefängniß starb. Ihr Körper wurde dennoch auf der Gerichtstätte verbrannt. So wüthete der Hunger bis zum Wahnsinn!
Damit seien diese Mittheilungen geschlossen. Aber eine doppelte Lehre nehmen wir aus diesen Jammerbildern mit: erstens die, daß wir nicht ungerecht urtheilen sollen über die bürgerlichen Nichtswürdigkeiten, die unser Volk nach dem dreißigjährigen Kriege bis zur französischen Revolution, ja bis zu den Befreiungskriegen in den meisten deutschen Ländern zeigt, denn dieses arme deutsche Volk hatte sich vom tiefsten Elend zu erholen; und zweitens, daß die Art, wie dieses Volk aus Schutt und Asche und Blutlachen wieder erstand, uns mit freudiger Bewunderung und mit dem schönsten Vertrauen für sein Vorschreiten in die Zukunft erfüllen muß. Trägt auch das deutsche Volk hie und da noch leise Spuren der politischen Folgen jenes Kriegs, der deutsche Boden hat sie überwunden, aus dem Dorngestrüpp der Einöden und Wüsten sind wieder fruchtbare Felder geworden und wieder gilt von ihm und auch von dem einst so schwer heimgesuchten Fleckchen deutscher Erde, an dessen Anblick unser Auge auf der Veste Coburg sich labt, das Wort des Tell:
Dort blüht das Korn in langen, weiten Auen,
Und wie ein Garten ist das Land zu schauen.
Von Guido Hammer.
Die bevorstehende Hochzeitsfeier einer reichen Patriciertochter in der schlesischen Provinzialstadt **, wobei alle Genüsse der Tafelfreuden ausgekostet werden sollten, ward Veranlassung, daß der dortige Wildpretshändler mit einem Gesuch um ein Stück Rothwild oder dergleichen schwachen Hirsch beim Wildmeister X. zu *** einkam. Der Gebieter desselben bewilligte ausnahmsweise die Bitte und übertrug mir, der ich gerade im Schlosse als Jagdgast anwesend war, den Abschuß. Die gestellte Frist bis zur Einlieferung war eine sehr zugemessene, darum durfte ich nicht säumen, wollte ich den Auftrag rechtzeitig ausführen, besonders da die kurzen Tage – es war im November – dem Unternehmen nicht eben günstig waren. Ich brach also schon frühzeitig mit den mir zur Verfügung gestellten Schecken zur Pürschfahrt auf.
Es war einer jener todten stillen Wintertage, die dem erst sturmheulenden Wetter und nachherigen wirbelnden Schneefall des sogenannten „schwarzen“ Monats gefolgt waren, und lautlos rollte der leichte Wagen durch die lockere, frische Winterdecke, so daß das Schnaufen und Pusten der Pferde, sowie das Knarren ihrer Geschirre um so auffälliger durch die schlummernde Haide tönte. Sonst vernahm das lauschende Ohr nur noch das leise Zit, Zitzitiß! der niedlichen Goldhähnchen und den gar so lieb und heimlich klingenden Ton der geschäftigen Meisen, die in sorglicher Behendigkeit nach Nahrung die schneebelasteten Kiefernzweige durchflatterten, daß der lose aufliegende Flaum in großen Flecken zu Boden fiel. Mit Wohlgefallen folgte das Auge den kleinen schmucken Vögeln und ergötzte sich an ihrem Getreibe, doch ohne deshalb den Weg, soweit ihn der Blick vom Pürschwagen aus bestreichen konnte, außer Acht zu lassen, um hier die über Nacht getretenen Wildfährten zu mustern. Schon manche derselben hatte den blendenden Pfad gekreuzt, aber immer war es keine solche, die mich veranlassen konnte, das Dickicht, in das sie führte, zu umkreisen, um dann, wenn dieselbe nicht wieder herausgeführt hätte, entweder der Spur im Schleichen zu folgen oder auf dem Wechsel vorzutreten, im letztern Falle aber vom Pürschjäger den Dachshund, welchen ich bei mir hatte, auf die Fährte setzen zu lassen, um mir auf diese Weise das begehrte Wild zum Schuß heranzubringen. Denn bald spürte ich wohl einen Hirsch, der aber mindestens ein Zehnender, wenn nicht stärker sein mochte, bald nur Mutterwild mit Kälbchen; dann wieder Sauen, die, so sehr mich ihre Fährten reizten, heute doch ebenfalls unbeachtet bleiben mußten, da eben ausdrücklich nur die bestimmte Lieferung geschafft werden sollte. So mußte ich mich mithin nothwendig entschließen, meine Fahrt bis nach den entferntesten Revieren im meilenweiten Forste auszudehnen, wo, wie mir der Pürschjäger versicherte, schwache Rothhirsche in Menge ständen.
In dieser zuversichtlichen Erwartung ging’s denn, nachdem um die Mittagszeit ein kurzer Aufenthalt in einem am Wege liegenden traulichen Forsthäuschen Menschen und Thiere durch ein frugales Mahl erquickt hatte, munter fort und fort, hier zwischen finsteren Dickungen, dort über weitgedehnte Gehaue und Holzschläge hin. In lichter Bläue, den Waldhintergrund halb verschleiernd, stieg auf letzterm der Rauch der knisternden Feuer auf, welche die Waldarbeiter, die hier schafften, unterhielten, um dabei ihre einfache Kost zu bereiten. Dann nahmen uns wieder hohe Bestände mächtiger Föhren auf, die in ihrer lichtgestellten Ordnung wie Säulenreihen das schneebelastete Wipfeldach trugen. Weiter hin aber führte der Weg plötzlich über ausgedehnte, baumlose Moorflächen, die man trotz ihrer weißen Hülle durch das elastische Sinken des Bodens unter den Rädern, da die schützende Decke das Erstarren desselben verhindert hatte, leicht zu erkennen vermochte. Aber auch durch Strecken düstern Fichtenwaldes, der sich den öden Flächen anschloß, führte der einsame Weg, und die Jahrhunderte alten Baumriesen, die hier in die bleierne Winterluft ragten, überwölbten denselben mit ihrem schneebelasteten dichten Gezweig und senkten es stellenweise tief herab bis zum Boden, so daß es mit dem Unterwuchs in dichte Massen verschmolz, die kein Blick zu durchdringen im Stande war. Stille, tiefe Stille herrschte auch hier; nur das Abstieben eines Auerhahns, der auf dem dürren Aste einer gewaltigen Tanne gestanden, unterbrach durch seinen rauschenden Flügelschlag für Augenblicke das heilige Waldesschweigen und verursachte, daß die Pferde stutzend die Kopfe emporwarfen und dadurch Massen von Schnee der überhängenden Zweige auf uns, die wir im Wagen saßen, herabschütteten. Der urige Hahn aber war das erste Wild, welches das Auge nach langer Fahrt erblickte, und ich nahm es als eine gute Vorbedeutung zur Jagd, den königlichen Vogel über den Weg streichen zu sehen.
Wiederum ward der Forst lichter. Ein Bestand alter Eichen folgte dem schwarzen Nadelholze. Längst schon hätten diese nach forstlichem Ermessen dem Beile verfallen sollen, aber der Gebieter, der aus Liebe zur Natur diese herrliche Waldpartie geschont wissen wollte, hatte dagegen entschiedenen Einspruch gethan. Jetzt starrten die knorrigen Baumrecken mit ihren phantastisch geformten Wipfeln und dürrbelaubten verschlungenen Seitenästen in den eintönigen Himmel, während noch manche ihrer Herbstfrüchte unter [829] Schnee- und Blätterdecke am Boden verborgen lagen und dem hier gern brechenden Schwarzwild erwünschte Aeßung gaben. Nun wechselte mit dem Laubholze wieder die Fichte, bis dann auch diese, durch eine ärmere Bodenclasse verdrängt, der jetzt auf meilenweiten Umfang vorherrschenden Kiefer Platz machte. Diese Gattung Nadelholz umschloß hier weite, todte Strecken ausgetrockneter Seen, an die sich außerdem eine unübersehbare Brandfläche anschloß, was der vor uns ausgebreiteten Landschaft einen überaus einsamen Charakter aufprägte. Kein erheblicher Hügel, kein Baum unterbrach die ungeheure Blöße, nur hier und da erhob sich ein dürftiger Wachholderbusch oder eine dürre Schilfkaupe über die verschneite Ebene, und nur der graublaue Streifen Hochwald, der sie umsäumte, trennte für das Auge die monotone Schneeflur vom schneebergenden Himmel. Weder ein Vogel noch ein anderes Wesen belebte die trostlos Gegend, wohl aber kreuzten viele Fährten des ersehnten Rothwildes das weite, weite Feld. Trabend durcheilten die Schecken die öde Flur, um jenseits den bergenden Wald zu erreichen, wo wir zuversichtlich Hirsche anzutreffen hofften, da gerade diese schlechtesten Kieferngegenden, die hier begannen, ihr Lieblingsaufenthalt für den Winter sind, weil hier das als Aeßung geliebte weiße Hirschmoos den dürftigen Boden in Ueberfluß bedeckte, sowie die Flechten an den kümmerlichen Föhren und unabsehbare Haidekrautstrecken ihnen sonst noch Nahrung boten. Und unsere Hoffnung sollte auch nicht zu Schanden werden, denn so wie wir uns dem vorgesetzten Ziele, dem Holzrande, näherten, machte mich der Pürschjäger auf einen tief im Stangenholze stehenden Trupp von lauter geweihten Hirschen aufmerksam. Wie pochte mir das Herz bei solchem Anblick! Näher und näher kamen wir, während der ganze Trupp, der, wie man nun schon unterscheiden konnte, aus meist starken, aber doch auch einigen schwachen Hirschen bestand, aufmerksam nach uns herüberäugte. Aber noch ehe wir den deckenden Wald erreichten und auf Schußweite hinankommen konnten, wurden die Scheuen, leicht dahintrollend, flüchtig. Rasselnd schlugen dabei ihre Geweihe gegen das Stangenholz das sie verließen, und nun ward die ganze Suite auf dem freien Plan, den sie angenommen, sichtbar. Es bot dies eine wahrhaft herrliche Erscheinung.
Stolz erhobenen Hauptes trollten die prächtigen Geschöpfe eine kurze Strecke im Freien hin, dann plötzlich auf einer sanften Erhebung des Bodens Halt machend, von wo aus darauf alle mit den nach uns gewandten Köpfen herüber schauten. Scharf und dunkel zeichnete sich die ganze Colonne, zehn an der Zahl, gegen die weiße Schneefläche ab, und der Wald ihrer Geweihe überragte hoch die tiefliegende Linie des fernen Forstes und streckte sich in den westlich sich klärenden, schon abendlich gefärbten Himmel. So erwarteten sie die Annäherung des Pürschwagens bis auf ungefähr dreihundert Schritte, dann aber warf sich der Eine der Stattlichen plötzlich [830] herum und nahm die ganze übrige Schaar mit sich fort. Zu meiner Beruhigung jedoch überschritten sie nicht die vor ihnen liegende weite Fläche, sondern nahmen vielmehr wiederum das schützende Holz an, das sie für den Augenblick der Beobachtung völlig entzog. Allein im Weiterfahren erblickten wir sie bald auf’s Neue, da sie sehr bald wieder Halt gemacht hatten. Nun war es vorerst Hauptaufgabe, die Regegewordenen geschickt anzufahren, was durch den bewanderten Pürschjäger vortrefflich gelang.
In weitem Kreise ausholend näherten wir uns unmerklich mehr und mehr, so daß sie, nun arglos geworden, ruhig aushielten. Schon waren wir in solcher Weise fast schußgerecht hinangekommen und beabsichtigten nur noch einen alten Weg zu gewinnen, von wo aus sie dann so sicher zu beschießen waren, daß man einen glücklicken Erfolg hoffen durfte, auf den es heute ja ganz besonders ankam, da der kurze Tag bereits zur Neige ging und kaum zu erwarten stand, gelang es hier nicht, an diesem Tage überhaupt noch Etwas auszurichten. Deshalb mußte ich meiner Ungeduld Zügel anlegen und in fieberhafter Aufregung verharren, bis wir das erwähnte Geleis erreicht hatten. Indeß noch ehe dies geschehen konnte, wendete sich zu meinem Schrecken plötzlich der ganze Trupp wieder und zog langsam abermals der Blöße zu. Schnell, aber leise und unbemerkt glitt ich vom Wagen herab, um, wenn die Gelegenheit sich günstig gestalten sollte, sofort schußfertig zu sein. Denn wirklich blieben die vertraulich gewordenen Hirsche sehr bald noch einmal am Rande des Holzes stehen, gerade als der Pürschwagen, hinter dem ich ohne Aufenthalt hergeschritten war, in gemessenster Schußweite an dem Trupp vorüberfuhr.
Diesen Moment benützend, blieb ich hinter einer alten übergehaltenen Kiefer stehen, während der Pürschwagen langsam weiter rollte und die Geweihten demselben neugierig nachäugten. Raschen Blickes und dabei die Büchse bereits am Kopfe haltend, hatte ich inzwischen den Schwächsten unter den Stattlichen ausgespäht, der mir auch glücklicherweise so halbwege, wenn auch etwas spitz, schußgerecht stand. Mit Gewalt meine Aufregung für die nächsten Augenblicke niederkämpfend, zielte ich möglichst ruhig und berührte fast schon den Abzug der gestochenen Büchse, das vernichtende Blei zu entsenden, als in diesem Moment ein starker Hirsch ein paar Schritte vorwärtszog und dadurch den Todescandidaten deckte. Schon lenkte ich dennoch, um keine Zeit zu verlieren, das verderbenbringende Rohr auf einen andern, etwas ferner stehenden Sechsender, als der Störer noch um eine Körperlänge elastischen Ganges weiter schritt und den Ersterwählten wieder frei werden ließ. Im Nu hatte ich denselben von Neuem auf dem Korn und ohne zu säumen gab ich Feuer. Das Zeichnen des Hirsches, sowie der hörbare Kugelschlag bewiesen mir, daß ich nicht gefehlt hatte, und meinem Abkommen nach mußte die Kugel auch gut sitzen. Doch in vollster Flucht folgte der Getroffene dem fortstürmenden Trupp und rasselnd und brechend gingen die Gesprengten durch die Stangen der unabsehbaren Brandfläche zu. Glücklicherweise konnte ich, da mein Stand an der Spitze des Holzes war, die ganze weite Strecke ungehindert übersehen und in Folge dessen die beschossenen Hirsche genau beobachten.
Dahin tosten sie, die Geängsteten, im tollsten, entfesseltsten Lauf, den angeschossenen Genossen unaufhaltsam mit sich fortreißend. Aber kaum hundert Schritte weiter hin packte den Schwergetroffenen plötzlich der Tod, daß er, weit nach vorwärts schießend, jählings zu Boden stürzte, und über ihn hin ging nun der erschreckte Troß, in gewaltigen Sätzen den Erlegenen überfliegend. Dumpf dröhnend hörte man die wie vom Sturmwind Gejagten über den harten verkohlten Boden hinrasen, und der lockere weiße Flaum, der jetzt die gewaltige Feuerstätte eines frühern Waldbrandes deckte, umhüllte, durch das rapide Eingreifen so vieler stahlsehniger Läufte emporgewirbelt, die Dahinbrausenden mit einer dichten Nebelwolke. Kaum konnte das Auge den Angstbeflügelten folgen, und in kaum denkbar kurzer Frist verschwanden die Flüchtigen in dem schützenden Walde, der als duftverschleierter blauer Streifen jenseits der nackten Oede sich erstreckte. Einsam lag der Geschossene auf dem weiten, weiten Schneefelde, das der Verendende in seiner unmittelbaren Nähe mit seinem Schweiße purpurn färbte. Noch einmal hob er das gekrönte Haupt, wie um sich aufzuraffen, doch zur Erde sank es kraftlos wieder, wo es der tiefe Schnee mit weichem, kühlem Flaum umschloß. So hingestreckt, ohne jegliche Regung, lag der verendete Edle da, während hoch über dem auf mächtigem Leichentuch Gebetteten ein langer Zug Krähen in trägem Fluge ihren Ruhestätten zusteuerten und dabei mit lärmendem Geschrei gleichsam den Grabesruf für den königlichen Todten herabkrächzten. Sonst herrschte ernstes, feierliches Schweigen ringsumher, der ganze Wald schien mitleidsstumm über den Gefallenen zu trauern – das Ganze bot ein Bild tiefer Wehmuth dar.
Londons moderne Todtenstätten. „London schläft nicht!“ sagt das Sprüchwort. Wie im Reiche der britischen Krone die Sonne nicht untergeht, so geht in London der Tag niemals zu Ende. Wenn die City und die Fabrikdistricte der Hauptstadt müde sind und in Schlaf sinken, ist das Westend zu vollem Leben erwacht, und der Abend von Westend reicht weit in den Morgen derjenigen Stadttheile hinein, deren Bewohnern die Arbeit anstatt des Vergnügens als Loos zufiel.
Die Schlaflosigkeit Londons verfehlt nicht, auf jeden Fremden, wenn derselbe auch aus einer andern Metropolis käme, einen tiefen Eindruck zu machen. Dies Gewahren eines unablässig dahinbrausenden Stromes menschlicher Thätigkeit, menschlichen Strebens und Genießens erfüllt den Beschauer mit einer innern Ruhelosigkeit, die zu den sieben großen Plagen von London gehört.
Schlaf und Tod sind Brüder! Seltsam, daß man in London erst nach längerer Anwesenheit an den zweiten Bruder denkt, wenn man den ersten nicht finden kann. Wir staunen vor einem der Paläste Westminsters ein eigenthümliches Schauspiel an. Man hat dem Hause Kleider angezogen. Das Portal ist mit Draperien versehen; einem großen Wappenschilde darüber sind wallende Laken umgehängt; dick aufgepuffte Festons ziehen sich unter den Fensterreihen hin und vom Hause herab hängen Fahnen bis fast zur Erde – Alles schwarz, viel schwärzer noch als die Mauern, an denen der Ruß in dicken Thränen herabrinnt. Und die steinernen Pfeiler der Einfahrten erscheinen ebenfalls im Habit habillé, ganz in Crèpe von oben bis unten, mit einer schwarzen Vase auf dem Kopfe, aus welcher dunkelfarbige Agaven ihre schilfigen Blätter emporstrecken. Ein Mitglied der hohen Aristokratie ist gestorben. Gestorben! Dan Wort führt uns auf eine Ideenreihe, zu welcher wir in London bis jetzt nicht gelangen konnten. Wir waren bisher ausschließlich unter dem Eindrucke des Gesammtlebens der drei Millionen menschlichen Wesen in London. Wir haben noch nicht daran gedacht, daß man in London, wo ewiges, schlafloses Leben herrscht – stirbt! Jetzt erst fällt es uns auf, daß wir, so lange wir in der Hauptstadt sind, und das können schon drei Wochen sein, noch keinem Leichenzuge begegneten. Welcher frappante Unterschied, wenn London mit deutschen Städten verglichen wird! Wir wohnten in einer norddeutschen Residenz in einer sehr hübschen Straße – ekelhaft genug hieß sie die Todtenstraße – und mußten Morgen für Morgen den öffentlichen Aufmarsch von etwa einem halben Dutzend Leichenprocessionen mit ansehen.
Der Mensch denkt selten an den Tod, wenn sich der Gedanke nicht durch äußerliche Umstände aufdrängt. In London, wo man sehr selten Leichenprocessionen sieht, die in der Regel auf eine bemerkenswerthe Qualität des Hingeschiedenen schließen lassen, vergißt man’s, daß wir mitten im Leben vom Tod umfangen sind, daß das Leben der drei Millionen Londoner Tag für Tag etwa zweihundert Menschenleichen kostet. Oft begnügt sich der Tod mit einer geringern Einnahme und creditirt den Rest; dann aber fährt er unvermuthet zu und zieht seine Forderung sammt Zinsen und Zinsenzinsen in einer einzigen Woche an sich. Wo bleiben aber diese Massen von Hingeschiedenen, diese vielen Tausende von Leichen, welche London Jahr für Jahr liefert? Ein ganz mäßiger Anschlag ergiebt, daß in London, so lange die gegenwärtige Generation existirt, über eine Million viermalhunderttausend Menschen gestorben sind. Wo wurden und werden diese Leichenarmeen untergebracht? Es ist ersichtlich, daß es, wenn es für die lebenden Londoner ein London giebt, auch für die todten Londoner an einer großartigen Hauptstadt nicht fehlen durfte.
Das riesenhafte Steigen der Bevölkerung Londons datiert vom Jahre 1843, und mit dieser Steigerung ging die Vermehrung der Todesfälle in London parallel. Im Jahre 1843 betrug der Raum sämmtlicher Londoner Friedhöfe nicht mehr als zweihundertunddrei Acker, welche in der meist unmittelbaren Nähe der Wohnungen für die Lebenden lagen. Auf diesen engen Leichenäckern wurde jährlich eine Armee von gegen zweiundzwanzigtausend Erwachsenen und dreißigtausend jüngeren Personen und Kindern Schicht für Schicht übereinander gebettet. Wären die Begräbnißgesetze für London nicht fürsorgend eingetreten, so hätten sich die Leichenschichten hoch über den Boden erheben und dem lebenden London über den Kopf wachsen müssen. Auf dem Kirchhof von Highgate war man schon so weit gediehen, für die Einscharrung Erde anfahren zu müssen. Die Friedhöfe von Highgate und Kensall-Green, beide voll sehenswerther Denkmäler mit einem schauerlichen Chaos von durcheinandergeworfenen Menschengebeinen dicht unter der Oberfläche des Bodens, durften seit den betreffenden Verordnungen (1852 und 1853) nicht mehr erweitert werden. Die Benützung ist an sehr erschwerende Bedingungen gebunden. Eine schwache Idee von der ebenso gesundheitwidrigen wie unwürdigen Art, in welcher früher in London die Begräbnisse in der großen Mehrzahl von Fällen stattfanden, giebt die Praxis der Bestattung auf dem Friedhofe zu Bethnal-Green, im Osten der Stadt. Dieser Begräbnißplatz gehört der Victoria-Park-Gesellschaft [831] und unterliegt den Begräbnißgesetzen der Hauptstadt nicht. Vom Abney-Park-Friedhofe ist das saubere Aeußere zu rühmen; es ist jedoch bekannt, daß die Todtengräber mehr mit Aexten und Beilen, als mit Grabscheiten arbeiten müssen, um durch Särge und menschliche Reste hindurch den Weg in die Tiefe zu finden.
Ein Schauder durchlief London, als der auch in Hinsicht auf das Hospitalwesen verdiente Dr. Sutherland die Geheimnisse der Londoner Begräbnißplätze enthüllte (1855). Vor allen Dingen mußten geeignete Räume zu Gebote gestellt werden, um die Leichenmassen aus der Nähe Londons zu entfernen. Dann konnte auch auf eine würdige und billige Art der Bestattung, so wie auf den sehr wichtigen Umstand Rücksicht genommen werden, die Möglichkeit zu geben, daß die Leichen in der nächsten Nacht nach dem Hinscheiden, bei Epidemien sofort, aus dem Sterbelocal entfernt wurden.
Was den letztern Punkt anbetrifft, so ward der haarsträubende Fall als sehr oft eintretend constatirt: daß in der Wohnung von armen Familien, welche das enorme Begräbnißgeld nicht erschwingen konnten, eine Leiche oft wochenlang liegen bleiben mußte. Von eintausendvierhundertfünfundsechzig Familien eines Districts von London, wo viele Arbeiter wohnen, besaßen neunhundertneunundzwanzig Familien nur je ein Wohnzimmer, wo auch geschlafen werden mußte, und in sechshundertunddreiundzwanzig Familien war nur je ein einziges Bett zu finden. Und dazu eine nicht wegzuschaffende Leiche!
Rousseau sagte: „Alle Laster des Menschen entspringen aus der Bildung, deren Ursache der menschliche Geselligkeitstrieb ist“. Wir nehmen nur den letzten Theil des Satzes als richtig an. Der Geselligkeitstrieb, welcher Massen von Menschen vereinigt, hat eine reiche Folge von Erscheinungen herbeigeführt, die den Verstand und die Erfindungskraft im höchsten Grade belebten. Das Massenleben Londons zeigt von Zeit zu Zeit ganz eigenthümliche, neue Verhältnisse, denen entweder schleunigst abgeholfen werden muß, oder welche für neue Eroberungen im Gebiete praktischer Lebensweisheit auszunützen sind.
Zuerst staunten die Londoner rathlos, als ihnen genau vorgerechnet wurde, daß die Metropolis einen Begräbnißgrund nothwendig habe, so groß, wie Hyde-Park, St. James-Park und die Kensington-Gärten zusammengenommen. Bald aber war der Anfang gemacht, Abhülfe zu gewähren. Die erste Nekropolis Londons entstand zu Woking Common, am südlichen Ufer der Themse. Die Woking-Begräbniß-Compagnie kaufte zweitausend Acres Grund und Boden und bestimmte vierhundert Acres zu einem Friedhof. Die Anlage war unter Zugrundelegung der Forderungen der besten medicinischen und technischen Autoritäten gemacht worden. Wer London besucht, findet die anderthalb Stunden Zeit, um den Woking-Kirchhof zu besuchen und die Pracht der Parkanlagen, der Blumenbeete, die wohlgepflegten Wege sammt den Einrichtungen für die Bestattung selbst zu bewundern. Man fährt auf der Südwest-Bahn in einer halben Stunde nach Woking.
Mit Woking Cemetery wetteifert der Friedhof von Colney Hatch, von einer großartigen Compagnie seit einigen Jahren erst für die Benutzung eröffnet. Dieser Friedhof liegt an der nördlichen Uferseite der Themse, fünfzehn Minuten Zeit von London entfernt und mit der großen Nordwestbahn zu erreichen.
Um Zeuge zu sein, wie die Colney-Hatch-Gesellschaft ihr höchst rentables Geschäft betreibt, gehen wir zum Empfangsbahnhofe in Kings Croß, welcher dicht an das Areal der Hauptstation der großen Nordbahn stößt. Mit dem Einbruch der Dämmerung gehen die Leichenwagen in die Stadt ab, Fuhrwerke, welche sich durch nichts, als durch ihre flachen, verschließbaren Kästen von anderen leichten Lastwagen unterscheiden. Diese Wagen bringen die Leichen, deren Anmeldung im Laufe des Tages erfolgt ist. Für billigsten Preis wird hier, wenn es gewünscht wurde, ein Sarg sammt der Leichentoilette geliefert; die Compagnie ist jedoch auch im Stande. die luxuriösesten Bestellungen auszuführen. Die Leichen werden mit einem zu regelmäßigen Zeiten vom Bahnhofe abgehenden Dampfzuge nach dem Colney-Hatch-Friedhofe befördert. Hier kommen sie in eine große Halle, wo sie, unter allen gegen das Lebendigbegrabenwerden gerichteten Vorsichtsmaßregeln, bewacht werden. Für die Leidtragenden sind besondere Züge am Tage bestimmt. Bis zur Bestattung steht es den Hinterbliebenen frei, ihre Todten zu sehen. Die Särge stehen auf Platten mit Rollen und können leicht auf der Estrade, wo sie aufgestellt sind, hin- und herbewegt werden.
Die Kosten der Aufnahme einer erwachsenen Leiche und Fortführung derselben nach der Friedhofs-Bahnstation Colney Hatch kostet mindestens sechs Schillinge oder etwa zwei Thaler. Das Begräbniß selbst wird billigst für dreizehn Schillinge sechs Pence ausgeführt. Für das Billet einen Leidtragenden nach dem Friedhofe und zurück wird ein Schilling sechs Pence berechnet. Die Personenwagen sind, für theureren Fahrpreis, sehr elegant eingerichtet. Sonst kostete das jämmerlichste Begräbniß in London vier Pfund Sterling = siebenundzwanzig Thaler, welche vorausbezahlt werden mußten, während die Colney-Hatch-Company sich zunächst nur die Aufnahmekosten entrichten läßt.
Bereits gegenwärtig ist der Colney-Hatch-Kirchhof stark in Anspruch genommen worden und die ursprünglich für die Gräber – auf zehn Jahre – bestimmten einhundert und fünfzig Acres haben bereits ihr Deputat an unterirdischen Bewohnern empfangen. Es ist ein eigenthümlichen Gefühl, die noch nicht in „Geschäftsbetrieb“ genommenen weiten Bodenflächen mit dem Gedanken zu betrachten: daß die ganze Räumlichkeit zu Todtenlagern benützt werden wird.
Noch gewaltiger berührt es, wenn der Dampfzug dahinbraust in die Nacht hinaus; – mögen die Sterne über Blumen blinken, oder mag der Sturm über kahle, winterliche Felder fegen – der Zug mit den dunklen, fensterlosen Wagen, in welchen sich die Todten als Passagiere befinden, bleibt gleich schauerlich.
Unendlich segensreich für die Sanitätsverhältnisse Londons haben jedoch diese Bestattungs-Compagnien gewirkt, welche mit größter Schnelligkeit die Entfernung der Leichen aus dem Bereiche der Lebendigen Londons vermitteln. London, wo man so selten Jemand begraben sieht, ist laut der Tabellen der Lebensversicherungen die gesundeste Stadt in ganz England und wird hinsichtlich der günstigen Ziffer der Sterblichkeit von keiner Stadt Europas übertroffen.
Das Jubelfest des schwarz-roth-goldenen-Banners. (Nachtrag.) Es ist uns von vielen Seiten der Wunsch ausgesprochen worden, daß die „Gartenlaube“ den in Nr. 33 angezeigten Schluß dieses Artikels noch im laufenden Jahrgang bringen möge. Dies geschieht hiermit, wobei wir jedoch allerdings zu einer möglichst gedrängten Darstellung uns genöthigt sehen.
Mit dem Jahre 1827, bis zu welchem der zweite Theil dieses Artikels (Nr. 33) uns geführt hatte, nahm die berüchtigte Mainzer Commission ein Ende, in den Festungen schmachteten nur noch Wenige (darunter A. Ruge in Colberg), der Ernst der Verbote wurde geringer, die Farben wurden wieder getragen und nur das Turnen noch mit großer Heimlichkeit getrieben.
Inzwischen bereitete sich von Erlangen aus jene innere Spaltung der Burschenschaft vor, welche bald die förmliche Trennung zur Folge hatte. Während die eine Richtung (die sog. arminische) das alte „Frisch, Frei, Fröhlich, Fromm“ der Burschenschaft und deren patriotische Tendenz festhalten, aber von einem Hinausgreifen über das Studentische nichts wissen mochte, wollte die andere Richtung (die sog. germanische) nicht eine bloße Vorbereitung zur Herbeiführung eines freien Staatslebens, sondern schon von der Universität aus diese Herbeiführung selbst, wollte einen freien Verein deutscher Jünglinge zur Herbeiführung eines in Volkseinheit und Volksfreiheit bestehenden Zustandes im deutschen Vaterlande, verfolgte also eine praktisch-politische Tendenz, welche schließlich einen revolutionären Charakter annahm. So trennte sich die Burschenschaft um 1830 fast überall in Arminen und die „forscheren“ Germanen. Hinsichtlich der Eigenthümlichkeiten beider Parteien verweisen wir auf die „Geschichte des Jenaischen Studentenlebens von der Gründung der Universität bis zur Gegenwart (1848–1858) von Rich. und Rob. Keil (Leipzig, Brockhaus 1858)“. Hier mag nur noch bemerkt sein, daß man solchen Conflicten hervorgewachsene beißende Spottlieder, wie sie sich theils nur noch im Gedächtniß der damaligen Musensöhne forterhalten haben, theils durch ein jetzt im sechsundsiebenzigsten Semester stehenden bemoostes Haupt von Jena, die sogenannte Alte Latte, unter dem Titel „Jena’sche Luft“ veröffentlicht worden sind, die gegenseitige Stimmung am deutlichsten veranschaulichen.
Trotz alledem und obgleich die verschiedenartigen Zwecke die beiden Burschenschaften auseinander hielten, war das damalige vielbewegte akademische Leben in Jena doch schön. Da kam das große Hambacher Fest (27. Mai 1832) und in und als Folge desselben neue strengste Bundesverbote gegen die Burschenschaft, wie als Antwort darauf ein neuer Burschentag zu Stuttgart und einige Monate später, am 3. April 1833, das Frankfurter Attentat. Eine neue Untersuchungs-Centralbehörde wurde in Frankfurt a. M. niedergesetzt und neue Demagogen-Verfolgungen begannen. Schon der Besitz eines altdeutschen Rockes reichte damals hin, um chicanirt und gemaßregelt zu werden. Die Bibliothek und das Archiv der Burschenschaft, – aus denen später so viel wichtiges Material zu unserer Geschichte des Jenaischen Studentenlebens und neuerdings zur Aufklärung über die Gründung der deutschen Burschenschaft in Jena geschöpft werden konnte – mußten sich wieder in Kisten und Kasten, ja unter das Holz im Holzstalle flüchten. Aber der burschenschaftliche Geist war auch jetzt nicht auszurotten, im Geheimen bildeten sich neue Vereine, im Geheimen trug man die Farben, pflegte vaterländischen Sinn nach wie vor und vergaß darüber auch den Humor nicht. Die Spalten dieser Zeitschrift brachten vor Kurzem (in dem Artikel „Es war doch schön auf Hochschulen“, Nr. 27) die lebendige Schilderung eines humoristischen Festes aus jener Zeit.
Was die Burschenschaft gepflegt und bewahrt hatte: das deutsche Einheitsgefühl, das Nationalbewußtsein, war allmählich durch alle Schichten des Volkes gedrungen; im Jahre 1848 hatte es, wenn auch nur vorübergehend, seinen Sieg gefeiert; die deutschen Turner, Schützen und Sänger waren seitdem mit ihren nationalen Festen zu einer großen deutschen Burschenschaft geworden. Da feierte in den Augusttagen 1858 das alte, aber ewig junge Jena sein dreihundertjähriges Jubiläum. Von Nah und Fern, von Süd und Nord strömten die „alten Häuser“ herbei, ja selbst die ältesten Häuser, welche in den Jahren 1792, 1793 flg. in Jena studirt, sogar den großen Auszug nach Nohra im Jahre 1792 noch mitgemacht hatten, und am 12. Juni 1865 sah das „deutsche Haus“ wiederum eine Schaar alter Bursche vereinigt. Ein Häuflein Burschenschafter aus der alten und ältesten Zeit der Burschenschaft (Klötzner. Hanitsch, Tömlich, Scheidler, Hotzel, Schüler, Frommann, Stark, Gabler, Haberfeld, Wedekind, Klopffleisch, Kluge u. A.) feierten mit festlichem Mahle den fünfzigjährigen Stiftungstag der Burschenschaft. Es war eine Tafelrunde voll feierlicher, gehobener Stimmung. Wie erklang so festlich wieder unter des greisen Componisten Hanitsch Leitung das alte Bundeslied: „Sind wir vereint zur guten Stunde“! Wie fröhliche Rührung verbreitete sich im Kreise, als Superintendent Klötzner sein von ihm heilig bewahrtes Exemplar des Liedes, wie er es damals am 12. Juni 1815 und mit diesem Datum auf dem Titel behändigt erhalten hatte, aus der Tasche zog! Wie erklangen Toaste so innig, so kräftig auf die Gründer der Burschenschaft, auf ein einiges, freies deutsches Vaterland, auf Fichte, auf ein frisches, freies Studentenleben, auf dahingegangene Freunde etc.! Wie begeistert verabredeten die Theilnehmer am Wartburgfeste von 1817, treu dem Geiste, in dem sie dort vereinigt gestanden, eine Erinnerungsfeier für das Jahr 1867!
Nur Eines fehlte: die alte Burschenfahne, und damit hatte es seine ganz eigenthümliche Bewandtniß.
Am 31. März 1816, am zweiten Jahrestage der Einnahme von Paris, wurde, wie schon im ersten Theil diesen Artikels berichtet ist, der Jenenser Burschenschaft von den Frauen und Jungfrauen Jenas eine prachtvolle Fahne zum Geschenk überreicht. Sie besteht, wie die Abbildung auf Seite 509 der Gartenlaube zeigte, aus einem schwarzen und zu beiden Seiten [832] zwei rothen Streifen, durch welche drei Felder ein goldgestickter Eichenzweig sich quer hinzieht; die Fransen sind ebenfalls golden, die Quasten schwarz-roth-golden, die schwarze Spitze ist goldberandet mit rothem E. F. V. („Ehre, Freiheit, Vaterland“, der Burschenwahlspruch). Diese Fahne wehte seitdem der Burschenschaft bei jedem öffentlichen feierlichen Aufzug voran und zog 1817 an der Spitze des Festzugs, vom Grafen Keller getragen, in die Wartburg ein. In der Zeit der Demagogen-Verfolgungen, im Jahre 1822, als auch ein Befehl zur Confiscation dieser Fahne erlassen worden war und ganz besonders auf sie gefahndet wurde, hielt man sie, das Heiligthum der Burschenschaft, in Jena nicht mehr sicher. Ein Vorsteher der Burschenschaft, Stud. theol. W., überbrachte sie im Jahre 1822 seinem Bruder W. W., ebenfalls einem gediegenen, alten Burschenschafter, in das väterliche Haus nach Dornburg. Dort wurde sie mit Wachstuchüberzug in dem Schlote aufbewahrt. Die Mutter wußte darum. Der Schlotfeger wurde nicht eher zugelassen, bis die Fahne unbemerkt anderwärts geborgen war. Sie bewachten dieselbe wie ein Heiligthum. Die Brüder W. kamen von Dornburg fort, der ehemalige Stud. theol. W. gab daher die Fahne zur Aufbewahrung an einen andern ehemaligen Burschenschafter, Pfarrer T., damals in Sch. in der Nähe von Camburg. Sie soll dort mehrjähriges sicheres Versteck unter dem Altar gefunden haben. In der Zeit der Arminen und Germanen wurde einem der Vorsteher der Arminen die Vollmacht zu Theil, die Fahne für die Arminen in Empfang zu nehmen. Eine Deputation der Letzteren holte sie nach Jena ab. Als aber auf eine vertrauliche Anfrage die Eröffnung erfolgte, daß der Confiscationsbefehl noch nicht zurückgezogen sei, und man daher die Fahne in einer Studentenwohnung nicht sicher glaubte, wurde sie einem damals in Jena lebenden Burschenschafter Prof. R. S. anvertraut, mit welchem sie über die Grenze Deutschlands in die freie Schweiz nach Bern wanderte. Im Jahre 1848 bot Prof. S. den Burschenschaften Jenas, falls sie sich vereinigen wollten, die Fahne an, die Einigung kam aber nicht zu Stande. Zum Jubiläum 1858 kam die Fahne nach Jena, aber sie erschien nicht im Festzuge. Man erzählte sich, daß die weimarische Regierung das Wiederenthüllen der Fahne nicht gestattet habe. Da man damals das Fest der Universität, folglich aller Studenten und aller Verbindungen feierte, so hätte das Enthüllen der alten Burschenschaftsfahne wohl ein zu einseitiges Interesse auf sich gezogen und jenen zu einem politischeren Anstrich Gelegenheit geboten, als man wünschte; dies mochte damals für die Beseitigung der alten Burschenschaftsfahne einen Grund bieten, der natürlich bei dem Feste des Burschenschaftsjubiläums wegfiel.
Und es ist auch wahr geworden, was die obige Vermuthung ausspricht, und dadurch ist zugleich auch der Titel dieses Artikeln schließlich gerechtfertigt: man konnte in der That „das Jubiläum des schwarz-roth-goldenen Banners“ feiern, denn das erste dieser Farbe beging das Fest seiner Wiedererstehung in großartigster Weise. Die Festfeier selbst ist unseren Lesern durch die Tagesblätter wohl ausführlich genug geschildert worden. Wir haben hier blos hinzuzufügen, daß diese Jubelfeier sich bis nach Amerika erstreckte, wo die alten Burschen in New-York sie begingen und von wo Carl Schramm einen poetischen Gruß und ein Bändchen seiner recht frischen, warmen Gedichte (das wir auch dem großen Publicum zur Berücksichtigung empfehlen) an die Festgenossen in Jena sandte. Es ist eine hohe Genugthuung auf dieses fünfzigjährige Jubiläum der Burschenschaft mit dem Gedanken zurückblicken zu können, daß dasselbe vor allen bisherigen Nationalfesten – denn ein solches war es im besten Sinne den Wortes – sich dadurch auszeichnete, daß es nicht nur Gesinnungsgenossen im Streben für Freiheit, Vaterland, National- und Mannesehre zu einem Feste vereinte, bei welchem die Jüngeren sich am Anblick der tapfern Alten stärken und die Alten ihr Mühen und Leiden belohnt sehen sollten an dem frischen Zukunftsmuth der Jugend; sondern, daß es zugleich glänzender als irgend Etwas einen Triumph des Rechts gegen die Gewalt darstellte, indem es zeigte, wie das von der Burschenschaft verfolgte Ziel der Einigung der deutschen Volksstämme und Staaten sammt dem schwarz-roth-goldnen Zeichen dieser Einigung trotz heiliger Allianz und trotz Bundestag, trotz Rußland und Metternich, kurz trotz alle-alle-alledem zum Ziel und Zeichen der deutschen Nation geworden ist, die von Tag zu Tag deutlicher darthut, daß sie diese Errungenschaft nicht so leicht wieder aufgiebt, wie einst andere.
Ein Besuch bei Miß Braddon. Welche unserer freundlichen Leserinnen kennte wohl nicht Miß Braddon, die Verfasserin der Romane „Lady Audley’s Geheimniß“, „Aurora Floyd“, „Eleanor’s Sieg“ und noch vieler anderer spannend interessanter Werke? Sie zeichnet sich unter der zahlreichen Legion der englischen Schriftstellerinnen bedeutend aus, indem sie den von ihren Vorgängerinnen breitgetretenen Weg der Moralpredigten, der Proselytenmacherei für Mäßigkeitsvereine, Industrieschulen und religiöse Secten, der guten Lehren für Dienstboten, kurz, der sanften Langeweile entschieden gänzlich verließ und mit Wilkie Collins den englischen Sensationsroman schuf, welcher den französischen Werken dieses Genres an Reinheit und Feinheit der Ausführung weit überlegen ist.
Auch für die Bühne wurden die Romane Miß Braddon’s bearbeitet, und auch hier feierte die schöne Lady Audley mit den sonniggoldenen Locken und dem kindlich-lieblichen Antlitz, die kaltblütige Verbrecherin, sowie die ebenso reiche wie reizende Aurora Floyd, die als romantisches junges Mädchen mit einem Groom durchgegangen ist und dann einen achtbaren Gatten geheirathet hat, während der todtgeglaubte Jockey ihr unablässiger Quälgeist wird, gleiche Triumphe.
Miß Braddon vermählte sich vor etwa zwei Jahren mit dem Verleger ihrer Werke, dem Buchhändler Maxwell in London, der hierbei durchaus nicht blos aus Speculation handelte, wie manche boshafte Zungen behaupten wollten, sondern wohl meist durch aufrichtige Zuneigung für die liebenswürdige, geistvolle Dame dazu bewogen wurde, ihr seine Hand anzubieten.
Ich war so glücklich, mehrere Empfehlungsbriefe sowohl an Herrn Maxwell, wie auch an dessen Gattin zu besitzen, als mich mein Weg vor Kurzem nach London führte. Bei meinem ersten Besuch traf ich blos Herrn Maxwell an, welcher mich auf den folgenden Tag zum Essen einlud, so daß ich meine Neugierde, die vielgenannte Schriftstellerin zu sehen, noch etwas zügeln mußte.
Endlich war doch die erwünschte Stunde erschienen und ich klingelte abermals an der Hausthür des allerliebsten, eleganten Hauses in Mecklenburg-Square, einem sehr ruhigen und stillen Stadttheil, der ganz besonders für solche Schriftsteller geschaffen zu sein scheint, die wie Frau Maxwell zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Thaler des Jahres verdienen. Ich wurde von der berühmten Dame sehr anmuthig und freundlich empfangen und erhielt bei Tische einen Platz ihr gegenüber, so daß ich alle Gelegenheit hatte, sie zu betrachten und zu beobachten. Sie ist eine kleine, ziemlich volle Blondine mit ansprechenden Zügen, einfach, aber sehr geschmackvoll gekleidet, ohne irgend etwas Auffallendes in ihrem Wesen, ihrer Haltung und Sprache. Nichts an ihr verräth im Mindesten den „Blaustrumpf“ nach der Idee, die man sich von einem solchen macht; Niemand ahnt in der freundlichen, zierlichen Hausfrau die kühne Phantasie, welche sich in allen ihren Schriften zeigt.
Den vorherrschenden Auddruck ihres Gesichts bilden Güte und Sanftmuth; ihre Urtheile sind stets wohlwollend, und obgleich sie reiche Kenntnisse besitzt, macht sie doch mit ihrer Gelehrsamkeit in keiner Weise Parade, sie läßt ruhig ihr Licht unter dem Scheffel stehen, wie dies so wenigen ihrer Colleginnen möglich ist, aber gerade dadurch wird ihre Unterhaltung so wohlthuend und liebenswürdig. Sie ist eine sehr fleißige Arbeiterin, die Arbeit wird ihr indeß ungemein leicht. Fast immer arbeitet sie zu gleicher Zeit an zwei bis drei Romanen, die in verschiedenen illustrirten Journalen erscheinen. Ihr Gatte, Herr Maxwell, welcher äußerst thätig und speculativ ist, weiß die schriftstellerische Beliebtheit seiner Frau gehörig zu benützen und verfährt bei der Veröffentlichung ihrer Werke mit vieler Klugheit. Miß Braddon, oder vielmehr Frau Maxwell, steht sehr früh auf und arbeitet den ganzen Morgen, so daß sie gegen Mittag ihr Tagewerk beendet hat, worauf sie entweder spazieren fährt oder spazieren reitet, was sie besonders gern thut, da sie eine sehr gewandte Reiterin ist.
Sie spricht Französisch und auch ziemlich gut Deutsch, liest viel, da sie auch für die neuen Literaturerscheinungen des Auslandrs großes Interesse hegt, und sieht des Abends gewöhnlich einen gewählten Kreis von Bekannten und Freunden um sich, geht aber selbst wenig in Gesellschaft, weil sie sich zeitig zur Ruhe zu begeben pflegt, um des Morgens mit frischen Kräften an die Arbeit gehen zu können.
Sie hat mir einen sehr angenehmen Eindruck hinterlassen, weit angenehmer, als ich nach der Lectüre einiger ihrer letzten Romane, wie „Henry Dunbar“ und „die Frau Doctorin“ etc., die allerdings mit manchem bizarren Beiwerk ausstaffirt sind, für möglich gehalten hätte.
H–n, Colonie Blumenau in Brasilien. Die Gartenlaube steht zu keiner Partei in dieser Sache. Senden Sie also Ihre Entgegnung ein; wir werden dann sehen, ob sie sich zum Abdruck eignet. Nur ja keine Abhandlung, sondern Bilder frisch aus dem Leben heraus! An gutem Humor dazu scheint es Ihnen ja nicht zu fehlen.
S. K. in Paris. Heute endlich können wir Ihnen die erfreuliche Mittheilung machen, daß schon in einer der nächsten Nummern unsers Blattes die „Erinnerungen an meinen Bruder Heinrich Heine“, von Maximilian von Heine, Staatsrath in St. Petersburg, zu erscheinen beginnen werden.
F. R. in Potsdam. Sie irren sich wohl, wenn Sie von einem Abdrucke des Spielhagen’schen Romanes „In Reihe und Glied“ in der Janke’schen Romanzeitung sprechen. Derselbe erscheint ja bereits seit mehreren Wochen im Feuilleton der „Neuen freien Presse“.
jede mögliche Berücksichtigung finden werden, schleunigst aufgeben zu wollen.
- ↑ Unsere Leser wissen, daß unlängst Alexander Dumas Vater Deutschland als Vorleser oder „Causeur“ (Plauderer), wie er sich selbst in dieser Eigenschaft nennt, abzugrasen versuchte. Es ist daher wohl von Interesse, eine solche Dumas’sche „Plauderei“, wie sie annähernd gehalten worden ist, näher kennen zu lernen. D. Red.
- ↑ Im Jahre 1857 wurde das Archiv auf der Veste Heldburg im Meiningischen an die meistbietenden Kaufleute und Krämer der Umgegend verkauft. Ein mir befreundeter Kaufmann in Eisfeld gestattete mir die Durchsicht des Restes der von ihm erstandenen sechs Centner Archivpapiere; es waren im Ganzen über dreißig Centner verkauft worden. Was ich in dem geringen Vorrath, den mein Freund mir noch vorlegen konnte, fand, mußte mich befürchten lassen, daß mit diesem Archive manche wichtige historische Nachricht namentlich über die Zeit des dreißigjährigen Kriegs unrettbar verloren gegangen sein möge. Außer einem sehr interessanten und von der ersten Anzeige bis zur letzten Scharfrichtersrechnung vollständigen Hexenproceß fand ich Privatbriefe, Protokolle und Berichte aus der Zeit von 1567 (von Zeitgenossen Grumbach’s mit Bezug auf diesen) bis 1677 (wo der Hof- und Feldtrompeter von Heldburg um sein Neujahrstrinkgeld mahnt); die wichtigsten Stücke gehören aber der schlimmsten Zeit des dreißigjährigen Kriegs für das Coburger Land an, den Jahren 1635 bis 1637. Von diesen theile ich hier Einiges mit. – Eine Bitte darf ich aber wohl nicht ganz unterdrücken, die Bitte, nunmehr die alten Archive in Deutschland zu schonen; die Barbarei von Seiten kenntnißloser oder gegen Wissenschaft und Volksthum gleichgültiger Beamter gegen sie sollte doch endlich lange genug gedauert haben.