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Die Frau im alten Rom

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Textdaten
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Autor: Ernst Eckstein
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Titel: Die Frau im alten Rom
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 524, 526–528
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[524]

Die Frau im alten Rom.

Von Ernst Eckstein.


Wenn wir das Frauenleben im alten Rom und insbesondere die Stellung betrachten, welche die Gattin im Hause wie in der Gesellschaft einnahm, so gilt es zwei zeitliche Hauptabschnitte zu unterscheiden, die etwa gegen das Ende der Republik nach und nach ineinander übergehen.

Man könnte den ersten dieser beiden Zeitabschnitte als den der römischen Frau, den zweiten als den der römischen Dame bezeichnen.

Hand in Hand mit dieser Veränderung der Hausherrin geht eine Umgestaltung des Hauses, der alten Wahrheit entsprechend, die in dem Satze enthalten ist: „Sage mir, wie Du wohnst, und ich sage Dir, wer Du bist.“

Es sei hier gleich im voraus bemerkt, daß die hier folgende kleine Studie ausschließlich die Frau höherer Stände ins Auge faßt, da jene Umwandlung nur auf sie Bezug hat. Die Frau des Landmanns, des Kleinbürgers, die sich in ihrer Entwicklung naturgemäß weit konservativer zeigt, muß hier unerwähnt bleiben, da sie nach römischen Kulturbegriffen nicht mitzählt, daher denn auch die Quellen für ihre Darstellung sehr spärlich fließen.

Der Mittelpunkt des römischen Hauses, in welchem die Herrin (domina) schaltete und als Zeichen ihrer Herrschaft sämmtliche Schlüssel unter Verwahrung hielt, war das Atrium, so genannt von dem schwärzenden Rauch (ater = schwarz), der von dem Familienherde durch die viereckige Dachöffnung abzog.

Dieses Atrium glich in der guten alten Zeit mehr einem Wohnzimmer, in der späteren Periode ward es vollständig zum Salon.

Ursprünglich hatte hier – außer dem Herde, der gleichzeitig irdische Feuerstätte, Hausaltar und Standort für die Penaten, die Hausgötter, war – alles das Platz gefunden, was mit dem Wesen und dem Begriff der Familie zusammenhing. So befand sich hier, am Boden befestigt oder in die Wand eingelassen, die eiserne Geldkasse des Hausherrn. Liebe Erinnerungen an Verstorbene wurden hier angebracht, vor allem auch die aus Wachs gefertigten sogenannten imagines, die Porträtmasken der Vorfahren. Das Schlafgemach der Ehegatten stieß unmittelbar an diesen Raum oder bildete gar einen Theil desselben.

Das Atrium war auch die Stätte, wo die sittsame Hausfrau, umringt von ihren lustig mitschaffenden Dienerinnen, der Arbeit oblag, besonders dem Wollespinnen. In jener bekannten Scene, die uns der Geschichtschreiber Titus Livius gezeichnet hat, finden die römischen Edelinge die schöne Lucretia noch spät in der Nacht [526] mit den fleißigen Mägden „deditam lanae“, das heißt: an der Wollarbeit. Und Lucretia war einem der ersten Geschlechter der Siebenhügelstadt entsprossen.

Dies reizende Genrebild – die Frau in dem engen Bezirk des Atriums, dem sie den Stempel ihres geräuschlosen Waltens aufprägt – ist für das römische Haus jenes Zeitalters typisch.

Das häusliche Leben der alten Zeit im allgemeinen kennzeichnet Columella in seiner Schrift „De re rustica“ („Ueber den Landbau") etwa wie folgt: „Die Arbeit war damals eine gern geleistete Pflicht der Frauen, während sich die Familienväter nur an den Herd zurückzogen, um die staatsgeschäftlichen Sorgen abzuschütteln und sich Erholung zu gönnen. Im Atrium wehte der Geist der Eintracht, der liebenden Fürsorge, der gegenseitigen Achtung. Die Frau war darauf bedacht, den Mann zu zerstreuen, und doch wieder an seinen Bestrebungen Antheil zu nehmen. Es gab hier nichts, was getrennt war, nichts, was der Mann oder die Frau als ein persönliches, ausschließliches Recht in Anspruch nahm: beide gingen vielmehr einmüthig Hand in Hand.“ – Selbst der strenge, vielleicht etwas allzu mürrische Cato war, wie uns Plutarch erzählt, von zartester Rücksicht gegen seine Gemahlin. Er soll öfters den Ausspruch gethan haben, daß er einen braven Familienvater und Gatten „höher schätze denn einen klugen Senator“.

Als mit der sinkenden Republik der Luxus und die Verweichlichung überhand nahmen, als man Gefallen an übergroßem gesellschaftlichen Verkehr, an Gelagen und Schwelgereien fand, da erfuhr das römische Atrium und mit ihm ein beträchtlicher Theil der römischen Hausfrauen die oben erwähnte Umwandlung. Der alte Familienherd mit den Hausgöttern paßte nicht mehr in den wachsenden Prunk; er nahm ja Platz weg, wenn des Morgens in aller Frühe die Staatsbesuche und Aufwartungen begannen, bei welchen nicht mehr wie einst die guten Freunde und nächsten Verwandten die Hauptrolle spielten, sondern die „Leute von Distinktion“, der Schwarm der Modepersönlichkeiten, außerdem aber die Rotte der Scheinklienten, die gegen ein Trinkgeld den Hausherrn mit ihrer Begleitschaft umgaben. Die Stätte, wo einst die fleißige Hausfrau gesponnen, dem Spiel ihrer blühenden Kinder zugeschaut oder mit gütigem Lächeln die Scherze der Sklavinnen angehört hatte, ward von den gravitätischen Togaträgern, von den Schmarotzern und Schmeichlern erobert. Keine Dienerin durfte hier mehr im Korbe von Spartgras oder von Weidengeflecht Spindel um Spindel bergen oder die Nadel handhaben zur kunstlosen Anfertigung der Kindergewänder. Das Wohn- und Familiengemach war von der großen, geräuschvollen Welt siegreich gestürmt worden.

Sehr natürlich paßte sich nun auch die Hausfrau diesem veränderten Zustand an. Statt wie früher die Rolle der Trösterin, der Erzieherin, der freundlichen Allverwalterin und Mutter zu spielen, mußte sie nun „repräsentieren", geistreich thun und über den neuesten Vortrag des oft sehr langweiligen Tagespoeten eben so eifrig mitschwatzen wie über die Vorzüge eines vergötterten Schauspielers oder den neuesten Klatsch der Hauptstadt. Sie mußte belesen sein in schöngeistigen und philosophischen Werken, die sie im Grunde durchaus nicht verstand, eine glitzernde, oberflächliche Scheinbildung möglichst auffällig und kokett zur Schau tragen, und vor allem griechisch parlieren, was nur das Zeug hielt.

Der Satiriker Juvenal wendet sich gegen die grauenhafte Verbildung des schönen Geschlechts, wie sie bereits zu Anfang des ersten Jahrhunderts grassierte, wiederholt mit den unbarmherzigsten Ausdrücken.

„Was ist ekelhafter,“ heißt es in der berühmten sechsten Satire, „als daß sich heutzutage kein Frauenzimmer für reizvoll erachtet, ehe sie nicht aus einer geborenen Tuskerin sich zur Hellenin, aus einer Sulmonenserin sich zur echten Tochter Athens gemacht hat? In dieser Sprache – in der griechischen nämlich – zagen und zürnen sie; in ihr strömen sie all ihre Freuden, all ihre Sorgen und die gesammten Geheimnisse ihrer Seelen aus!“

Eine andere Stelle verurtheilt den litterarisch-kritischen Dilettantismus:

„Unerträglicher selbst als ein Weib, das sich bezecht, ist mir die Dame, die, wenn sie kaum Platz genommen, für den Virgil schwärmt, es ganz berechtigt findet, daß Dido, von Aeneas verlassen, sich tötet, und bei den Haaren herbeigezogene Vergleiche anstellt zwischen den einzelnen Poeten und ihren Schöpfungen! Schauderhaft, wenn sie so den Virgil in die eine Wagschale und in die andere den alten Homer legt! Kein Schulmeister kommt gegen sie auf, kein Rhetor, kein Advokat, kein öffentlicher Ausrufer, ja kaum eine andere Dame! Wie ein Bergstrom stürzen die Worte von ihren Lippen; das schallt und dröhnt und klingelt – man möchte verrückt werden!“

Weit schlimmer als diese Auswüchse war die fortschreitende Lockerung des Familienlebens, die schwindende Achtung vor der Heiligkeit des Ehebündnisses, die Leichtfertigkeit und Entsittlichung, die sich namentlich in gewissen hohen und höchsten Kreisen mit jedem Jahrzehnt breiter machte. Die Römer hatten schon in der Urzeit den Frauen eine viel freiere Stellung eingeräumt als z. B. die Griechen. Athen schloß die Frauen und Mädchen mit fast orientalischer Strenge in die sogenannte „Gynäkónitis“, das Weibergemach, ein. Oeffentlich zeigten sich die Griechinnen der geschichtlichen Zeit nur ausnahmsweise. Ganz anders in Rom! Schon die Sage von dem Raub der Sabinerinnen beweist, daß die Frauen und Mädchen der lateinischen Stämme bei Volksfesten zugegen sein durften. Am Forum befand sich im fünften Jahrhundert v. Chr. eine öffentliche höhere Töchterschule. Wiederholt wird berichtet, daß die Frauen schon in den frühesten Zeiten überall ungehindert erscheinen konnten, ein Recht, das sie einigemal – freilich nur in besonders dringenden Fällen – zur Abhaltung förmlicher Versammlungen und zu politischen Kundgebungen benutzten. Die oben angeführten Worte des Columella würden für sich allein schon ausreichen, um zu erhärten, daß die Auffassung von dem Zweck und dem Wesen der Ehe im republikanischen Rom eine ungleich würdigere und edlere war als in Griechenland. Diese Auffassung aber schwand allmählich, und die Freiheit, die Rom, im Gegensatze zu Hellas, seinen Frauen eingeräumt hatte, wurde mißbraucht. Im ersten Jahrhundert finden wir allenthalben die Spuren einer allzu ausgiebigen Emancipation. Die ursprüngliche strenge Form der Eheschließung ward durch andere, minder weihevolle verdrängt: die Rechtsbefugnisse der Frau wuchsen; ihr Pflichtgefühl stumpfte sich im gleichen Verhältniß ab. Kurz, es entwickelten sich allmählich Zustände, die sich einer Beleuchtung an dieser Stelle durchaus entziehen, Zustände, deren Auswüchse wir uns nicht abscheulich genug vorstellen können.

Dennoch ist es ein weitverbreiteter Irrthum, die römische Kaiserzeit, der wir so haarsträubende Beispiele weiblicher Entartung verdanken, durchweg für den verpesteten Pfuhl zu halten, den uns die unbarmherzigen Epigrammatiker und Satiriker, zum Theil aber auch die Historiker, in so abschreckendem Giftgrün erschillern lassen. Nicht einmal die aristokratische Welt war so überwiegend von Fäulniß zersetzt, wie man dies nach den Greueln, die uns die römischen Schriftsteller überliefert haben, voraussetzen möchte. Stellt doch selbst die Geschichte, die uns nur die gewaltigen Züge aufbewahrt, einer Verworfenen wie der Kaiserin Messalina die heroische Weiblichkeit einer Arria entgegen! Der Kenner des menschlichen Herzens wird ja von vornherein nicht daran zweifeln, daß Zartheit und Innigkeit des Empfindens, Edelmuth der Gesinnung, opferwillige Gattenliebe und fleckenloseste Reinheit und Trelle zu allen Zeiten öfter und herrlicher sich bewähren, als der erste oberflächliche Blick dies vermuthen läßt. Immerhin scheint es mir eine lohnende Aufgabe, einige solcher minder bekannten Beispiele hier zusammenzustellen und so dem Leser zu zeigen, daß auch das Iuvenalische Rom nicht arm war an jenen Lichtgestalten, in deren Herzen wie Bogumil Goltz sagt, „die Engel traumreden und Gott der Herr immer von neuem wieder Paradiese entwirft.“

Von Arria, der Gattin des Pätus, erzählt die Geschichte uns jenen heldenhaften Zug, der wohl uns allen seit unserer Schulzeit geläufig ist. Arria, gewillt, mit ihrem wegen einer Verschwörung gegen den Kaiser Claudius zum Tode verurtheilten Gatten gemeinsam zu sterben, erbittet sich von dem noch Zögernden das Stilett, stößt es mit ruhiger Hand sich selbst in die Brust und reicht es dann dem Gemahl mit den „unsterblichen“ Worten: „Pätus, es schmerzt nicht!“

Das gehört in die Weltgeschichte. Ein anderer Zug aber dieser hochherzigen und dabei außerordentlich weichmüthigen Frau ist minder bekannt, ohne an Größe dem hingebungsvoll verzweifelten „Pätus, es schmerzt nicht!“ nachzustehen.

Man urtheile!

Ihr Gatte war einst lebensgefährlich erkrankt; ihr Sohn ebenfalls. Beide Leidenden wurden in verschiedenen Gemächern gepflegt. Arria führte die Oberaufsicht und theilte sich mit unermüdlicher Liebe zwischen Vater und Kind. Der Sohn, ein [527] entzückender Knabe, die ganze Wonne des Mutterherzens, starb. Der Vater jedoch, der selbst noch in größter Gefahr schwebte, durfte von diesem Tode nichts wissen. Arria traf sonach – das bitterste Weh in der Brust – geräuschlos die Anstalten zum Leichenbegängniß und ließ den Knaben zur ewigen Ruhe bestatten, ohne daß ihr Gemahl das Geringste erfuhr. So oft sie das Zimmer ihres Gatten betrat, gab sie in frommem Betrug vor, der Sohn lebe und befinde sich besser. Sie mußte sich oft genug, wenn sich Pätus erkundigte, mit allerlei Einzelheiten befassen, ein ganzes Gewebe spinnen, ihm sagen, der Sohn habe das und das mit Appetit gegessen, so und so lange geschlafen – und bei all dem die Miene lächelnder Hoffnung zur Schau tragen! Nur wenn die lange verhaltenen Thränen die Oberhand bekamen und sie plötzlich zu überwältigen drohten, entfernte sie sich und überließ sich rückhaltlos ihrem Schmerze. Hatte sie dann sich satt geweint, so kehrte sie trockenen Auges, gefaßt, heiter zu dem Gatten zurück, „als ob sie ihren Verlust vor der Thüre gelassen hätte.“

Und so ward Pätus gesund.

Der Aufwand an Seelengröße und sittlicher Kraft, den Arria bei diesem Anlaß bekundete, überbietet noch den bei ihrem heldenmüthigen Tode.

Zur Beurtheilung dieses Todes – und mancher ähnlichen Vorkommnisse im alten Rom – muß sich der Leser vergegenwärtigen, daß bei den Römern die Selbstentleibung nicht nur in gewissen Ausnahmefällen entschuldigt wurde, sondern geradezu für ein sittliches Recht, ja, unter gewissen Verhältnissen für eine Pflicht galt. Der Gedanke, mit ihrem Pätus gleichzeitig in den Tod zu gehen, war bei Arria nicht erst in dem Augenblick der letzten Entscheidung entstanden. Sie hatte bereits der Gattin des Scribonianus (des Mitverschworenen ihres Gemahls), als diese verhört wurde und vor dem Cäsar Geständnisse ablegte, den verächtlichen Zuruf entgegengeschleudert: „Dich soll ich anhören, die Du noch lebst, nachdem Scribonianus in Deinen Armen ermordet wurde?“ Auch wird überliefert, daß ihr Schwiegersohn Thrasea sich eifrig bemüht habe, sie von dem Vorsatz, mit Pätus gemeinsam zu sterben, durch vernünftige Vorstellungen abzubringen. Thrasea fragte sie schließlich: „Also wünschtest Du, daß Deine Tochter im gleichen Falle auch mit mir in den Tod ginge?“ Worauf sie versetzte: „Ja, wenn sie so lang und so glücklich mit Dir gelebt hätte wie ich mit Pätus.“

Einen ganz ähnlichen Fall – nur aus unberühmten Kreisen – erzählt uns der jüngere Plinius in einem Briefe. Die Scene, die er uns schildert, gemahnt an das einst viel bewunderte Bild „Die Lebensmüden“, nur mit dem Unterschied, daß auf dem Bilde der Mann der aktivere Theil ist.

„Ich fuhr auf unserem Larischen See[1],“ so schreibt Plinius, „als mir ein sehr bejahrter Freund ein Landgut und ein Schlafzimmer zeigte, das auf den See herausgeht. ‚Aus diesem,‘ erzählte er, ‚stürzte sich einst eine Landsmännin von uns mit ihrem Gatten.‘ Ich fragte ihn um die Ursache. ‚Der Mann litt an einer unheilbaren Krankheit. Da die Gattin nun sah, daß jede Hoffnung verloren sei, so ermahnte sie ihn, zu sterben. Sie war seine Begleiterin, ja seine Führerin, sein Beispiel im Tode und die nothwendige Ursache desselben, denn sie band sich mit ihm zusammen und stürzte sich so in den See.‘“

Der Name dieser Frau ist nicht auf die Nachwelt gekommen. Plnius aber findet die That „nicht minder groß als jene berühmte That der Arria“.

Eben dieser jüngere Plinius bietet mit seiner Gattin Calpurnia das Beispiel einer fast idealen Ehe, deren Einzelzüge uns vielfach modern anmuthen. Es lohnt in der That, die Briefe, die Plinius an seine Calpurnia geschrieben hat, wenigstens flüchtig ins Auge zu fassen. Alsbald wird man erkennen, daß es sich hier um ein Verhältniß von edelster Innigkeit, um eine Lebensgemeinschaft handelt, wie sie nur mit einer Frau möglich war, die alle Vorzüge echter Weiblichkeit in sich vereinigte.

So lautet ein kurzes Briefchen:

„Du sagst mir, liebe Calpurnia, meine Abwesenheit schmerze Dich sehr; den einzigen Trost gewähre Dir die Beschäftigung mit meinen Schriften. Ach, wie freue ich mich, daß Du eine so große Sehnsucht nach mir empfindest und mit solchen Mitteln Dich zu beruhigen strebst! Mir geht es genau so. Immer wieder nehme ich Deine Briefe zur Hand, als wären sie neu. Ich stelle mir vor, welches Glück es sein müßte, Dich in der Nähe zu haben, da mich schon diese Briefe so sehr entzücken – freilich mir auch eine quälende Sehnsucht wecken.“

Ein anderes Mal schreibt er noch stürmischer:

„Meine Sehnsucht nach Dir übersteigt jeden Begriff. Ich liebe Dich gar zu sehr und bin so gar nicht gewohnt, von Dir getrennt zu sein. Den größten Theil der Nacht flieht mich der Schlaf; bei Tage wandle ich um die Zeit, da ich sonst bei Dir zu sein pflege, in unbewußtem Drange nach Deinem Gemach, dessen verödete Wände ich dann traurig verlasse wie ein Zurückgewiesener. Nur die Arbeit erlöst mich für Augenblicke von dieser Pein. Sage Du selbst, Calpurnia, was ich hiernach für ein Leben führe!“

Ein dritter Brief, den er ihr nach einem campanischen Luftkurort, wahrscheinlich nach Bajä, schreibt, zeigt die fiebernde Unruhe eines Herzens, das um sein Liebstes bangt. Noch niemals ist dem vielbeschäftigten Manne seine Berufsthätigkeit so verhaßt gewesen als jetzt, da sie ihn hindert, die etwas kränkelnde Gattin ins Bad zu begleiten. Er wäre gar zu gern bei ihr gewesen, um sich mit eigenen Augen von dem Fortschreiten ihrer Genesung zu überzeugen. „Wenn Du auch ganz gesund wärest, würde ich dennoch besorgt sein, denn man ist angsterfüllt, wenn man von dem, was man so zärtlich liebt, zeitweise ohne Nachricht bleibt. Jetzt aber fürchte ich alles, male mir die entsetzlichsten Bilder aus und stelle mir gerade das vor, was mich am meisten erzittern und zagen läßt. Ich bitte Dich also, schreibe mir alle Tage, womöglich zweimal.“

In einem Briefe an Hispulla – die Tante Calpurnias – spricht sich Plinius folgendermaßen über Calpurnia aus:

„Sie hat sehr viel gesunden Verstand, dabei die größte Einfachheit im Auftreten und einen Hauch von Kindlichkeit, der mich entzückt. Aus Liebe zu mir liebt sie die Wissenschaften. Sie besitzt meine sämmtlichen Schriften und studiert sie mit Eifer. Rührend ist ihr Interesse für meinen Beruf. Wenn ich für jemand einen Prozeß führe, so bangt sie, als ob die Sache sie selbst beträfe. Sie stellt Leute auf, die sie davon unterrichten sollen, wie ich gesprochen habe, ob ich Beifall errang, ob der Rechtsstreit gewonnen wurde. Lese ich etwas Litterarisches vor, so hält sie sich in der Nähe, etwa hinter einem Thürvorhang, und ist glückselig, wenn ich gelobt werde.“

Vielleicht das rührendste Beispiel unermüdlicher Treue und Hingebung im ganzen klassischen Alterthum bietet uns Peponila, die Gattin des Julius Sabinus. Ihr Schicksal bedeutet einen unauslöschlichen Flecken auf dem Wappenschild des sonst so tüchtigen, von altrömischer Gesinnung erfüllten Kaisers Vespasian. Julius Sabinus hatte in Gallien die Fahne des Aufruhrs erhoben, war aber nach heldenmütgigem Widerstande besiegt worden. Er floh auf sein Landgut, zündete dieses an und verbreitete das Gerücht, er sei mitsammt seiner Gattin Peponila – Tacitus nennt sie „Epponina“, Plutarch „Empona“ – im Feuer umgekommen. So lenkte er die Nachforschung von sich ab. Neun Jahre lang lebte er nun, von seiner treuen Gattin gepflegt, in einer unterirdischen Gruft, die er nur einmal verließ, um in der Tracht eines Sklaven die Peponila nach Rom zu begleiten, woselbst sie für seine Begnadigung allerlei Schritte that. Umsonst. Vespasian ließ sich nicht rühren und als später durch einen Zufall die Gruft entdeckt wurde, gab der hartherzige Fürst den Befehl, nicht nur den ehemaligen Aufrührer, sondern auch seine opfermuthige Lebensgefährtin dem Henker zu überantworten. Peponila hatte sogar ihre beiden Kinder dem Vespasian zu Füßen gelegt und, auf die bleichen Gesichter deutend, gesagt: „Siehe, Cäsar, die Kleinen hier habe ich in der Gruft erzogen, um auch durch ihren Mund Gnade für meinen Gemahl zu erflehen.“ Alle Umstehenden weinten, aber der Cäsar blieb unerbittlich. So starb Peponila denn muthig und noch im letzten Augenblick eine Trösterin dessen, dem sie Treue gelobt hatte bis in den Tod.

Unter den makellosen Frauen der Kaiserzeit findet sich auch eine Kaiserin, nämlich die Gemahlin des ausgezeichneten, mit allen Herrschertugenden reichgeschmückten Ulpiusans Trajanus, die edle Plotina. Sie zeigt viele verwandte Züge mit der Calpurnia des Plinius und war ein Muster der Sitteneinfalt, der Anapruchslosigkeit und der Frauenwürde. Als sie zuerst nach der Thronbesteigung ihres Gemahls den Palast betrat, machte sie auf der Treppe Halt und wandte sich zu den Umstehenden mit dem Gelöbniß, das Scepter ihres Gemahls werde nichts an ihrer [528] Einfachheit und Bescheidenheit ändern. Sie hat dies Gelöbniß gehalten. Dio Cassius giebt ihr das Zeugniß: „Und in der That führte sie während der ganzen Regierung das untadelhafteste Leben."

Es ist und bleibt eben ein wahres Wort: Weibliche Tugend, weibliche Seelengröße macht nicht halb so viel von sich reden wie die Ungebühr jener entarteten Frauen, die auf irgend einem Gebiete die Schranken, mit denen die Natur sie umgiebt, zu durchbrechen wagen. Von der besten Frau spricht man am wenigsten. Deshalb muß man sich die Belege zur Ehrenrettung der spätrömischen Frauenwelt aus Privatbriefen zusammensuchen, während die Annalen der Weltgeschichte und die Skandalchroniken der Epigrammendichter voll sind von Einzelheiten über die Ausschreitungen nicht nur entarteter Fürstinnen, sondern auch solcher Personen, von denen uns außerdem nichts übermittelt wird als ihr Name.



  1. Dem heutigen Comer See.