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Die Franzmänner

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Die Franzmänner
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aus: Lerne lachen ohne zu weinen, S. 78-80
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1932 (EA 1931)
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Weltbühne, 12. November 1928
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[78]
Die Franzmänner

sind bekanntlich Leute, die die Phrase meisterhaft beherrschen, mit zierlich gedrechselten Redensarten herumfackeln und hochtönend schwätzen. Der Deutsche, bieder, fromm und stark, handelt.

Mit Kriegsanleihe, zum Beispiel.

So er das aber nicht tut, erläßt er Proklamationen, und es hat sich im ganzen Lande für dergleichen ein einheitlicher Stil herausgebildet, der ebenso papiern wie großfressig immer da angewandt wird, wo er nicht hinpaßt.

Ein Zirkus besucht eine sächsische Provinzstadt. Der Bürgermeister bedankt sich dafür bei dem Zirkusdirektor – ein etwas ungewöhnlicher Vorgang, wenn man bedenkt, wen er unbeachtet in seinen Mauern weilen läßt. Er bedankt sich aber, und ich sehe ihn aufs Knöpfchen drücken. „Fräulein Bockmann soll mal reinkommen, zum Diktieren – und ich will jetzt nicht gestört werden!“ – und während Fräulein Bockmann dasitzt und still stenographiert, überkommt jenen die Erinnerung an Abukir und die Pyramiden, haben sich gut geschlagen meine Sachsen, nein, der Zirkus, Hindenburg, Versailles, Eckener, Großtat deutschen Geistes, wir sind ein armes [79] Land, die Höchstleistungen der Industrie, Deutschland, tatkräftig, Pionier, deutsch, deutsches … „Schreiben Sie mal –!“

Chemnitz, 25. Januar

     Sehr geehrter Herr Direktor!

Eigentlich hatte ich die Absicht, während der gestrigen Eröffnungsvorstellung Sie und Ihre auserlesene Künstlerschar namens der Stadt Chemnitz willkommen zu heißen und Ihnen für die freundliche Einladung des Rates der Stadt unsern Dank auszusprechen. Leider bot sich hierzu nicht die passende Gelegenheit. Ich möchte es deshalb auf schriftlichem Wege nachholen.

Wir begrüßen es, daß es grade die Stadt Chemnitz ist, in der Ihr neuer strahlender Prachtbau, diese Großtat deutscher Technik, die aus der Wanderschau gradezu eine Wunderschau macht, zum ersten Male gezeigt wird. Wir bewundern Sie, sehr geehrter Herr Direktor, als hervorragendsten Förderer deutscher Zirkuskunst, der ältesten Volkskunst, wir bewundern Sie vor allem aber auch als tatkräftigen Pionier deutschen Unternehmungsgeistes im Auslande, der durch die Tat dem deutschen Namen im Auslande mehr genützt hat, als es lange Parlamentsreden könnten. Möge der stolze, neue Bau, den wir gestern in Chemnitz einweihen konnten, und der die Bestrebungen der deutschen Städte auf Förderung des Fremdenverkehrs wesentlich unterstützt, Ihnen neue Erfolge und reichen Segen bringen. Das gestrige Eröffnungsprogramm war ein derart reichhaltiges und künstlerisches, wie es bisher in Chemnitz wohl noch nicht gegeben worden ist.

     Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung

Arlart, Bürgermeister[WS 1]

[80] Warum bot sich dem Rat der Stadt keine passende Gelegenheit, die auserlesene Künstlerschar dressierter Affen schon während der Vorstellung willkommen zu heißen? Kein dummer August hätte solchen Erfolg eingeheimst.

Und nicht, daß die Kommunalpolitiker die Außenpolitiker nachahmen, ist das Schauerliche. Sondern, daß die Terminologie der Außenpolitiker auf dem Niveau von Bureauvorstehern und Sparkassenbeamten steht, und daß man alle vier Beide nicht mehr voneinander unterscheiden kann.

In den „Briefsteller für deutsche Politiker“ aber sollte dieser Brief unbedingt aufgenommen werden. Herr Löbe kann ihn, mit ganz kleinen Änderungen, bei der nächsten Anschluß-Kundgebung noch einmal verlesen. Er paßt immer.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Walter Arlart (* 1873; † Unbekannt) war 1930 bis 1933 Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz und zuvor u. a. als Dezernent für das Theater- und Orchesteramt der Stadt zuständig. Er bemühte sich in dieser Funktion verschiedene Kultureinrichtungen zu erhalten.