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Die Fortpflanzung des Aales

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Textdaten
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Autor: Dr. K. Eberhard
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Titel: Die Fortpflanzung des Aales
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 120
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Hierzu Ergänzung in Heft 29
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[120] Die Fortpflanzung des Aales. Wer mit den Erfolgen der künstlichen Fischzucht vertraut ist und die Bedeutung derselben für das Gemeinwohl kennt, wird nicht bezweifeln, daß die Kenntniß der Entwickelung der

Vergrößerter Aal-Embryo.

Fische nicht nur für die Wissenschaft werthvoll, sondern auch von großem praktischen Nutzen ist. Schon Aristoteles und nach ihm viele bedeutende Naturforscher bis auf die Jetztzeit suchten unter Anderem auch die Fortpflanzungsweise des Aales zu ergründen, ohne jedoch durch zweifellose Thatsachen ihre Ansichten beweisen zu können. Es ist immerhin auffallend, daß man bisher so wenig Sicheres über die ganze Lebensweise eines so gemeinen Fisches, wie der Aal es ist, hat in Erfahrung bringen können. Man hat weder die Beziehung des Weibchens, noch die des Männchens zur Fortpflanzung in genügender Weise kennen gelernt; ja man hat noch nicht einmal erreicht, mit Sicherheit einen männlichen Aal nachweisen zu können.

Mir ist es durch die Aufmerksamkeit eines Schülers unserer Lehranstalt, Namens Westendorf, möglich geworden, in den Besitz einer ziemlich ausgebildeten Aalbrut zu gelangen. Derselbe hatte seiner Tante, welche im Hause einer hiesigen Aalräucherin wohnt, mitgetheilt, daß man trotz der vielen jährlich gefangenen Aale über die Entstehungsweise derselben bis jetzt noch nicht im Klaren sei. Als nun vor einigen Wochen die Aalräucherin beim Aufschneiden eines solchen einen außergewöhnlichen Inhalt fand, theilte sie die Merkwürdigkeit ihrer Hausgenossin mit. Diese, sich der Worte ihres Neffen erinnernd, nahm einen Theil des Fundes an sich, um mir denselben durch Westendorf zukommen zu lassen. Leider kam ich durch ein Versehen erst einige Wochen später in den Besitz der Sendung, so daß mir die Möglichkeit abgeschnitten war, auch den seltenen Mutteraal zu erlangen.

Von der Aalräucherin erfuhr ich, daß der Fisch von gewöhnlicher Länge, aber auffallender Dicke war. Im Innern des Leibes, in einem netzartigen Beutel, befanden sich gegen tausend jener kleinen Embryonen – denn aus solchen bestand der Inhalt – und dieselben krochen noch längere Zeit munter umher, nachdem sie an’s Tageslicht befördert waren. Siebenundzwanzig dieser Aalsprößlinge habe ich erhalten und in Spiritus aufbewahrt; beifolgende Abbildung stellt einen derselben in fünffacher Vergrößerung dar. Die Farbe derselben ist grünlich weiß, die des Kopfes und Bauches mehr gelblich. Die Länge der Embryonen beträgt durchschnittlich fünfundzwanzig Millimeter. Die dunklen Augen fallen durch ihre Größe auf, und ein grauer, etwas verschwommener Ring deutet die Iris an. Der Unterkiefer ist etwas länger als der Oberkiefer. Auf dem Rücken, ein wenig vom Kopf entfernt, beginnt eine den ganzen Rücken umspannende zarte Flosse. Auch zwei Brustflossen sind sichtbar, dagegen fehlen Bauchflossen. Schon mit bloßem Auge bemerkt man das durchscheinende Skelet. Vermittelst einer vollkommen durchsichtigen zähen Haut ist eine gallertartige Substanz, die einen gelben Tropfen enthält, an der Brust befestigt: dies ist der Dottersack. Der Leib ist aufgetrieben.

Daß wir es hier mit einem Fisch zu thun haben, ist eben so klar, wie daß dieser Fisch ein junger Aal ist. Der Möglichkeit, daß ein alter Aal einige seiner nächsten, in sehr jugendlichem Zustande befindlichen Verwandten verschluckt habe, treten von vornherein zwei Umstände entgegen, nämlich erstens der, daß die Embryonen so zahlreich waren, und zweitens, daß sie lebend aus dem schon vor längerer Zeit eingefangenen Aal herausgenommen werden konnten.

Ich glaube nun, mich auf die angegebenen Verhältnisse stützend, die Behauptung aussprechen zu dürfen, daß der Aal lebendige Junge zur Welt bringt, und ferner glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich aus dem Vorhandensein des Dottersackes schließe, daß die Ernährung der Jungen im Mutterleibe auf dieselbe Weise vor sich geht, wie bei den Haien, nämlich auf Kosten jenes Dottersackes. –

Ohne Zweifel würde der Laie viel zur Aufklärung mancher Geheimnisse der Thierwelt beitragen können, wenn er die sich hier und da bietende Gelegenheit, Beobachtungen anzustellen, benutzen und etwaige Entdeckungen veröffentlichen oder einem Fachmann mittheilen wollte. Gelingt es mir, einen Theil der zahlreichen Leser der Gartenlaube für die Sache zu interessiren, dann werden wir gewiß bald neue Aufschlüsse über die geheimnißvolle Herkunft derartiger Fischsonderlinge zu erwarten haben.

Rostock, Anfang December.

Dr. K. Eberhard.