Die Feueresser in Algier
„Warum murrt ihr? Gläubet und Ihr werdet haben, was ihr begehrt. Esset Steine, Insecten, sogar Feuer, und wenn ihr gläubet, werden diese Insecten, diese Steine, dieses Feuer zu Nahrung werden für euren Hunger.“
Diese Worte soll, nach dem Koran, einst Jesus zu seinen Jüngern gesprochen haben, als sie in der Wüste über Hunger und nichts zu essen klagten. Auf Grund dieses verlangten starken Glaubens bildete sich eine muhamedanische Secte, die noch heutzutage besteht und noch bis heute jährlich mehrmals festlich und feierlich Feuer ißt. Diese Feueresser nennen sich Beni Aissa (Söhne Jesu) und das Fest des Feueressens Hdrh, gesprochen Adra. Marcolte de Luiviers erwähnt das Fest in seinem Reisewerke: „Deux ans en Afrique“ (Zwei Jahre in Afrika) Seite 43, und Dr. Bodichon, Arzt in Algier, sucht die Art, wie sie es machen, um sich beim Genusse dieses seltsamen Nahrungsmittel nicht den Mund zu verbrennen, physisch zu erklären. Uns liegt die Schilderung eines solchen Festschmaußes von einem Augenzeugen, dem Engländer Bessie R. Parkes[WS 1], vor, die wir hier im Wesentlichen wiedergeben.
„An einem wässerigen und windigen Abende machten wir uns auf, um die berühmte Ceremonie des Feueressens und des Genusses ähnlicher Delikatessen von dem Stamme Ben Aissa in Algier mit anzusehen. Wir begaben uns in den Schutz eines arabischen Protectors, der kühn und knochig genug aussah, uns sicher durch die nicht geheuere Vorstadt zu führen. Nach mühsamen Wirren und Wallen durch die endlosen Zickzacks unseres Weges vor den Mauern draußen hinauf zu dem Casbah, dem alten Schlosse der Dey’s von Algier (jetzt ein Gebäudelabyrinth von Kasernen und Waffenniederlagen) kamen wir in die Vorstadt, den Hauptsitz der Beni Aissa. Ali Ben Ali, unser schöner Berber, der Malern als Modell sitzt, hatte versprochen, uns am Porte neuve (neuen Thore) zu treffen und uns in den Festsaal der Feueresser einzuführen. So graspten wir uns mühsam weiter, an dem schauerlichen Casbah vorbei, in welchem der letzte Dey Hussein sich fünfzehn Jahre lang verborgen gehalten hatte, ohne seinen Kopf jemals zu einem Fenster herauszustecken, aus Furcht, seine Janitscharen möchten ihm diesen Kopf absäbeln, der schweigenden, schwarzen Erinnerung an viele schwarze Thaten, die im regnigten Nachtwinde um uns her gespenstisch zu toben schienen, über und durch kleine Ströme und Schmutzpfützen, die der Regen immer höher schwoll, nach dem neuen Thore, das mindestens 300 Jahre alt aussah und fähig erschien, in seinen Recessen und Winkeln jede beliebige Zahl von Piraten zu verbergen. Wir stellten uns dessenungeachtet unter den Schutz dieser Mauern und riefen mit immer steigender Kraftanstrengung: Ali Ben Ali! aber vergebens. So gingen wir endlich weiter in die Straße hinein. „Straße“ in der alten Dey-Hauptstadt heißt eine steile, enge, vielfach gekrümmte, steigende und fallende Passage, oft in Stufen ab-, oft aufwärts abbrechend, unter vorspringenden obern Häuseretagen hindunkelnd und tunnelartig in die weißen Mauern hineinkriechend. In diesem heulenden, Regen peitschenden Winde mit den an Ketten schwingenden und knirschenden Straßenlampen oben, die alle hundert Schritt einmal aber nur düster sehen lassen, wie schrecklich finster und unheimlich es ringsum auszieht und wie schauerlich die Höhlungen von Bogen und Winkeln hereinstieren, und die weißen Häuser geisterhaft tanzen zu lassen scheinen, war unsere Entdeckungspromenade durch eine solche Straße wirklich ein gutes Stück Heldenthum. Vergebens schrieen wir Ali Ben Ali! in die heulende Nacht hinein. Nur einmal erschien oben über uns eine Französin mit einem Lichte an einer hoch gelegenen Hausthür. Sie wußte natürlich nichts von unserm Ali Ben Ali, auch nicht, wo das Hdrh-Fest gefeiert wurde; doch versicherte sie uns, daß hier überall herum Araber wohnten. Das war wenig, aber doch ein guter Trost für uns: Wir hatten doch ein menschliches Wesen gehört und in diesem unheimlichen Nachtsturme eine menschliche Stimme vernommen.
Wir wanderten und wanden uns weiter in engen Straßenlabyrinthen, bis wir eine weiße, wallende Gestalt aus einem dunkeln Tunnel heraufschimmern sahen, „Adra? Adra?“ frugen wir ihm zu. „Oui! Oui!“ erwiederte das weiße Gespenst und winkte uns freundlich, ihm zu folgen. Er führte uns durch neue Labyrinthe, halsbrechende Treppen auf und ab, durch neue Tunnels und endlich durch einen niedrigen Thorbogen in das Innere eines ausgehauenen, soliden Felsens. Die Häuser der Araber sahen alle so aus von der Straße. Bloße Mauern mit einem niedrigen Eingangsbogen, ohne Fenster, blos hier und da mit ganz kleinen Luftlöchern. Die Fenster vertretenden größeren Oeffnungen sehen alle nach dem Hofe hinein. Durch das dunkele Haus wurden wir in den Tempel geführt, einen ummauerten Hof mit dem dunkeln Himmel als Decke. Hier saßen etwa dreißig dunkele Araber kreuzbeinig, umfaltet von weißen Gewändern. Andere standen umher, sprachen und lachten, ohne uns besonders zu beachten. Jeder, der den Hof betrat, that dies barfuß. Das Marmorsteinpflaster war also geweiht, heilig.
Man bot uns höflich eine Bank unter einer Arcade des Hofes. Das Sitzen bekam uns nach den Strapatzen vortrefflich. Zugleich war es warm, denn außer dem Winde ist’s in Algier nie ernstlich kalt, aber der sehr oft von den Atlasgebirgen her wüthende Sturm fühlt sich desto härter und kälter an. Das seltsame Schauspiel vor uns, die weißen Gewänder, die dunkeln Gesichter, die feurigen Augen, die acht Säulen ringsum – Alles war durch ein einziges großes Licht schwach, aber mit starkem Relief erleuchtet. Unter den braunen Gesichtern auf Weiß mit den scharfgeschnittenen Zügen war ein kohlenpechschwarz glänzender Neger mit dickwulstigen Lippen und mit so viel Weiß in den Augen wie eine Schießscheibe, die nur einen kleinen schwarzen Punkt in der Mitte hat. Er machte sein großes, paukenartiges Tambourin zurecht, um auf ein gegebenes Zeichen gleich loszudreschen. Andere trockneten ähnliche Instrumente über einem Kohlenbecken, um ihnen den vollen Ton zu geben. Unser treuloser, schöner Ali Ben Ali war unter ihnen, ohne uns zu beachten. Seine elastische Jugend contrastirte scharf zu dem alten, vertrockneten Sheikh des Stammes, dem Häuptlinge eines in den Winkeln von Alt-Algier noch geduldeten, aber aussterbenden, wahnsinnigen Cultes. Er erinnerte mich an die Figur des Jeremias, den Verfall des Judencultus beklagend, auf einem Bilde Michel Angelo’s. Die eigentlichen Beni Aissa sahen meist überraschend schön aus mit Geist und Leben [143] in ihren scharfen Physiognomien mit hohen Stirnen und hakigen Nasenlinien. Einige davon hatten außerdem den Vortheil blühender Jugend und mochten funfzehn bis sechzehn Jahre alt sein.
Als die Vorbereitungen beendigt und Alle versammelt waren, kauerte sich das Tambourin-Orchester, mit der glühenden Kohlenpfanne vor ihnen, unter die Arcade rechts vor uns, mit einem erleuchteten Raume von Zuschauern hinter sich, und ließen nun plötzlich der Hölle eigene National-Melodie los. Es war ein Donnern und Krachen, wie wenn ein schwerer Eisenbahnzug in voller Hast fortwährend durch einen Tunnel raste. Aber das Finale jeder Leistung übertraf noch den gräßlichsten Lärm, den ein durch Tunnel rasender Eisenbahnzug machen kann. Die trommelnden Hände waren gar nicht mehr zu sehen, so schnell vibrirten sie auf den Instrumenten. Der Neger benahm sich dabei wie Generaldirektor Sr. höllischen Majestät. Nachdem sie gewiß zwanzig Minuten auf diese entsetzliche Weise musicirt hatten, so daß wir ganz verwirrt und abgestumpft waren, schraken wir mit jeder Muskel und Nervenfaser auf: ein schrillender, Mark und Bein durchdringender Schrei, wie ihn wohl kaum ein civilisirtes Ohr je vernahm, platzte unter der Arcaden hervor, damit ein Junge mit allen Zeichen wüthender, dämonischer Besessenheit. Er sprang hervor in Front des nun mit doppelter Leidenschaft arbeitenden Orchesters. Der Junge drehte und schwang seinen Kopf, wie eine Kugel an einem Stricke, als ob er gar keine Knochen im Halse, keine Rückenwirbel haben könnte, so heftig, so schnell, daß man einige Minuten lang schlechterdings nicht von seinem Gesichte sehen konnte. Trommler und Darsteller schienen sich in Beschleunigung überbieten zu wollen. Solch’ eine lose und rasche Bewegung, solch’ ein Schwingen und Rollen, solch’ eine Musik in Vierundsechzigstel und Hundertundachtundzwanzigstel Takten war wirklich zum Wahnsinnigwerden, zum Verlieren alles Bewußtseins von Zeit und Raum und physikalischen Gesetzen. Mir wurde in der That ganz schwindelig, so daß ich meine Augen schließen oder abwenden mußte. Mir wurde förmlich übel, als sich diese Bewegungen des Kopfes, wie eines Balles an seinem Stricke, über den ganzen Körper ausdehnten. Der ganze Körper wurde ein wirres Gewebe von Zuckungen und Schwingungen, die Glieder flogen umher und durcheinander, wie ein verwickeltes Gewebe von Stricken, die man umherpeitscht, als ob jedes Glied nur mit dünnen Bändern an den Rumpf gebunden wäre. Manchmal sah man weder den Kopf, noch Arme und Beine, so schnell zuckten und flogen sie umher und durcheinander. Diese gymnastische Uebung setzte er fort, nein steigerte er mit immer wahnsinniger werdender Geschwindigkeit der Trommel-Tempos, eine volle Viertelstunde, bis man wie an einem in vollem Carriere dahinrollenden Wagen die Räderspeichen, eben so wenig von seinen Gliedern sah. Dann stand er plötzlich still mit rollenden Augen und weit aufschwellenden Nasenlöchern, aber nur eine halbe Minute. Plötzlich kreischte er im wildesten Geheul auf: Feuer! Feuer! Feuer! und sprang dabei wahnsinnig umher. Ein Araber trat mit einem rothglühenden Stück Eisen, das er aus dem Kohlenbecken gezogen, an ihn heran und gab es ihm. Dieser ergriff es an dem kalten Ende, hielt es dicht vor seine Augen und betrachtete es mit dem Ausdruck des wahnsinnigsten Entzückens, das von der rothen Gluth des Eisens schauderhaft beleuchtet ward.
Jetzt beleckte er die rothglühende Masse ganz bedächtig und andächtig dreimal mit der Zunge, und schlug dann mit fürchterlichem Geheul mit der flachen Hand darauf. Hierauf gab er das Eisen zurück und schrie umherrasend um mehr Nahrung, während die Tambourin Virtuosen mit Höllenlärm seine Leidenschaft, den noch nicht befriedigten, wirklichen Heißhunger musikalisch auszudrücken suchten. Der Sheikh winkte ihm lächelnd, worauf er sich niederwarf und zu diesem, auf der Erde niedergeknixt, mit Händen und Füßen, wie ein Strafe erwartender Hund, herankroch, um von einem ihm hingehaltenen großen Stück stark- und dichtstacheligen Cactus mit Freudengeheul und blutendem Munde zu fressen. Der Sheikh lächelte wohlgefällig über diesen Beweis von Hingebung und religiöser Erhabenheit, und die andern Araber starrten andachtsvoll darein. Nachdem er seinen Appetit auf eine Weise gestillt, um welche ihn jeder Disteln fressende Esel beneidet haben würde, schwieg der Trommellärm und das Geheul des Andächtigen plötzlich. Letzterer ging nun eine Zeit lang in Andacht versunken und mit niedergeschlagenen Augen im Kreise umher, als wollte er sich sammeln. Aber die Tambourins fingen wieder zu arbeiten an, erst leise, dann rasch, an Kraft und Geschwindigkeit des Taktes zunehmend. Dies lockte einen zweiten Araber hervor mit langen Haaren, der sich mit dem ersteren verband, so daß nun die Kopfschwingungen doppelt und mit sechsfacher Gräßlichkeit durch das umherfliegende Haar wiederholt wurden, dann die Verrenkungen des großen Körpers und aller Glieder, die tanzend und wirbelnd und schwingend sich bald verschlagen, bald auseinander brachen. Dann schrieen beide im religiösen Heißhunger: Feuer! Feuer! Feuer! Immer lauter: Feuer! Feuer! Immer kreischender: Feuer! Feuer! Immer gellender: Feuer! Immer wahnsinniger: Feuer! Feuer! Feuer! Es wurden zwei rothglühende Eisenstücke gebracht, und mit heulendem Entzücken bedächtig mit der Zunge beleckt. Dann kam der Schmauß vom stacheligen Cactusstamme, wie oben, aber doppelt.
Hierauf gesellte sich ein Dritter zu ihnen, der ein neues Element der Unterhaltung einführte: eine grüne Schlange mit glühenden Augen und gegabelter, zitternd herausgestreckter Zunge. Er legte sie auf den Marmorboden in gefährlicher Nachbarschaft unserer Füße, die wir deshalb möglichst unter die Bank zurückzogen. Er spielte mit ihr, drohte ihr, daß sie sich wüthend aufbäumte, dann beschwor er ihren Zorn, daß sie sich liebkosend anschmiegte und nach den schnellen Takten des Trommel Spectakels knixte und sich wiegte und schwang, dabei ihre Augen stets auf den um sie tanzenden Meister richtend. Dann kränzte er sie um seinen Hals und Arm, und tanzte und schwang seine Glieder dazu gemeinschaftlich mit den andern Beiden, wozu sich die Schlange, entzückt und augenglühend, mit umherpeitschte, und oft in die erschrecklichste Nähe unserer Gesichter kam. Gegen mich schien sie mit besonderer Gier zu züngeln, so daß ich, weder ein Schlangenbeschwörer von Profession, noch ein gläubiger Ben Aissa, eine wirkliche Gefahr fühlte, vor der ich fliehen wollte, als der Zauberer das grüne Ungeheuer loswickelte und in einen hölzernen Kasten steckte. Jetzt entstand eine Pause, in welcher wir Jeder einen Becher ausgezeichneten, aromatischen Kaffees bekamen. Während wir tranken, brüllte der zweite Künstler plötzlich im höchsten Tone und Entzücken auf, und stieß sich ein spitziges, gewundenes Eisen durch die eine Backe, so daß die eine Spitze zum Munde heraus- und die andere an der Backe herabhing. Hierauf arbeitete er ruhig eine zweite solche Decoration durch die andere Backe, so daß Symmetrie in sein bluttriefendes Gesicht kam. Unter dem Halse zog er jetzt ein Stück Fleisch und Haut zusammen, und stieß sich ein drittes Stück Eisen hindurch. Das schien für seine und der Andern Erbauung genug zu sein. So wüthete und tanzte er im tollsten Jubel einher und die Tambourins arbeiteten dazu, wie nie zuvor. Das eine überstürzte sich selbst und ward plötzlich Reihe herum jedem Einzelnen hingehalten – zum Einsammeln von Kupfermünzen. So abgestumpft von Schrecken und Ekel ich war, mußte ich doch unwillkürlich über diese epigrammatische Wendung und Klimax, dieses plötzliche Umschlagen der unnatürlichsten Erhabenheit in natürliche Lächerlichkeit wirklich lachen. Meine Kupfermünzen klatschten mit besonderer Lustigkeit auf das jetzt demüthige Instrument, das eben noch solchen Höllenlärm gemacht hatte.
Wir hatten genug. Mit einem höflichen Gruße gegen den Sheikh zogen wir uns zurück und graspten, kletterten und glitschten unsern Weg heimwärts durch todte, seltsam ruhige und unheimliche Straßen und Schlupfwinkel.
Den folgenden Morgen kam mir die ganze Festlichkeit der Feueresser wie ein böser Traum vor. Aber ich überzeugte mich bald, daß ich wirkliche Thatsachen der seltsamsten und scheußlichsten Art gesehen. Ich suchte sie mir auch zu erklären, fand aber in der menschlichen Natur durchaus keinen Zug, der dazu hätte führen können.“
Wenn wir eine Erklärung versuchen sollten, würden wir uns nicht in der physischen Natur des Menschen selbst danach umsehen, sondern in den Religionen und Cultur-Bedürfnissen der Menschheit. Alle Völker und Racen haben sich in ihren Religionen mehr oder weniger die Pflichten der Selbstverleugnung bis zur Selbstvernichtung im Dienste einer oder mehrerer höhern, idealen, geglaubten Mächte auferlegt. Der buddhistische Indier begräbt sich Jahre lang in bewegungslose, unnatürliche Stellungen, und ließ sich schon zuweilen freiwillig lebendig begraben. Die alten Babylonier opferten ihre Kinder dem Moloch. Andächtige Christen zerfleischten sich mit Geißeln, standen bis 38 Jahre lang (glaub’ ich) ununterbrochen auf einer Säule und thaten oder litten [144] in anderer Weise freiwillig mehr, als die Feueresser. Auch die weltliche Gottheit der Staatsidee, der Patriotismus, fordert Selbstaufopferung und bekommt auch heut zu Tage seine Opfer. Curtius stürzte sich für’s Vaterland in den Abgrund, Winkelried in die Speere der Feinde: „der Freiheit eine Gasse“ für mein Leben! In unzähligen Schlachten haben sich schon Tausende nichts daraus gemacht, daß sie erschossen wurden. Wie Viele suchten den Tod im Dienste Gottes oder des Vaterlandes! Kurz, man kann den Zug der Selbstpeinigung, der Resignation, der Selbstaufopferung, des freiwilligen Todes für ein höheres Gut durch die ganze Geschichte der Menschheit in unzähligen erhabenen und komischen, rohen und schönen, tragisch erschütternden und erhebenden Formen verfolgen. Christus stirbt am Kreuze für die Menschheit, Sokrates trinkt den Giftbecher, Huß läßt sich verbrennen.
So ekelhaft auch die geschilderte Feueresserei für sich allein aussehen mag, es geht doch ein erhabener Zug mit durch die Backe des wüthend Verzückten, der sich selbst durchspießt. Und das Feuer, für uns gewiß stets zu heiß und zu wenig nahrhaft, mag dem braunen Helden doch wie ein Stückchen momentane ewige Seligkeit geschmeckt haben.
Nach Dr. Bodichon nehmen sich übrigens die Feueresser sehr wohl in Acht, nicht zu viel zu lecken, da hier allzuviel besonders ungesund sein würde. Er meint, mit recht nasser Zunge und recht schnellem Kuß auf die glühende Geliebte von Eisen kämen die Herren Feueresser sogar ohne Brandblasen davon. Aber schwach und leidend sind sie alle nach jedem solchen Feste, wie der Doctor aus eigener Praxis berichtet, obgleich der Sheikh keinen Candidaten des Feueressens, der ihm nicht stark und kräftig genug erscheint, zuläßt. Wenn so ein schwacher, von den Trommeln und seiner eigenen Phantasie aufgereizt, in Verzückungen hervorspringt, um sich mit Feuer und Cactusdornen zu erquicken, winkt er ihn zu sich und legt einfach seine Hand auf dessen Kopf. Dies ist das Zeichen, daß er zurücktreten soll, ein Wink, dem immer unbedingt Folge geleistet wird.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ gemeint ist die Journalistin: Bessie Rayner Parkes