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Die Fabrication des Schrots in England

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Textdaten
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Autor: Fr. v. Wickede
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Titel: Die Fabrication des Schrots in England
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 96
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[96] Die Fabrication des Schrots in England. Wie eine Flintenkugel gegossen wird, weiß ein Jeder, auch ohne daß er dem Caspar in der Wolfsschlucht dabei zusah, die Fabrication des Schrotes aber, welches ähnlich wie die Kugeln früher in kleinen, viele Löcher enthaltenden Formen gegossen wurde, dürfte, wie sie heute betrieben wird, weniger bekannt sein, deshalb will ich es unternehmen, das, was ich darüber in England sah und hörte, in gedrängter Kürze mitzutheilen.

Die Geschichte der Erfindungen, in welcher neben dem Bedürfniß nach Besserung einer Hantirung der Zufall oft eine so hervorragende Rolle spielt, erzählt uns, daß vor ungefähr fünfzig Jahren ein Bleigießer in Bristol, Namens Watts, durch einen Traum, in dem er einen Bleiregen auf sich herabfallen sah, auf den Gedanken gekommen sei, geschmolzenes Blei von der Höhe des Kirchthurms seiner Vaterstadt herab in ein unten hingestelltes Gefäß mit kaltem Wasser zu gießen, um auf diese Weise die kleinen Kügelchen herzustellen, deren Anfertigung seither so viel Zeitaufwand und Mühe kostete. Der Versuch gelang ihm vollkommen und er verkaufte seine Erfindung für eine nicht unbedeutende Summe.

In ähnlicher Weise, wie Watts vor einem halben Jahrhundert Schrot goß, wird dasselbe nun heute noch fabricirt, nur ist im Laufe der Jahre das dabei eingehaltene Verfahren wesentlich verbessert.

Die Thürme, von denen herab das geschmolzene Metall mittels Röhren in die darunter angebrachten Bassins fällt, haben eine Höhe von zweihundert Fuß. Mittels einer schmalen eisernen Wendeltreppe, welche ihr Licht von oben erhält, besteigen wir einen derselben und betreten den runden, staubigen Arbeitsraum, in dem sich, umgeben von unzähligen Mulden Blei, vor einem großen Schmelztiegel ein einziger Mann befindet. In der Mitte dieses Raumes sehen wir eine offene Fallthür und über unseren Köpfen gerade oberhalb derselben eine zweite, denn wir sind erst in dem ersten Schmelzzimmer angekommen, von welchem aus nur die feineren Nummern Schrot, zu deren Bildung ein geringerer Fall nothwendig ist, als zu den größeren, hergestellt werden. Die nichts weniger als einen freundlichen Anblick gewährenden Wandungen dieses Raums sind mit einer schmutzig grünen Decke überzogen, deren Entstehung uns sofort klar wird, wenn wir aus dem Schmelztiegel die erstickenden gelblichgrünen Dämpfe aufsteigen sehen, welche theils durch den im Bleie enthaltenen Schwefel, theils aber auch durch den der Masse zugesetzten Arsenik entstehen; letzterer Zusatz ist nothwendig, um sowohl das Metall zu härten, als auch dessen vollständigere Rundung zu bewirken. Diese giftigen Dünste üben einen sehr nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit Derer, welche sie einzuathmen gezwungen sind, und stellen somit die Schrotfabrication in die Reihe derjenigen industriellen Unternehmungen, welche nur auf Kosten menschlichen Wohlergehens bestehen. Ueber der Fallthür steht, von einem eisernen Rahmen getragen, ein zwölf Zoll im Durchmesser haltendes Sieb. Der Boden desselben ist mit Löchern versehen, welche der Größe des zu gießenden Schrots entsprechen und in den in Anwendung kommenden verschiedenen Sieben von 1/50 Zoll Durchmesser bis zu 1/360 Zoll variiren. Die Dimensionen der Löcher sind wesentlich schmaler als das entsprechend fabricirte Schrotkorn, für welches sie bestimmt sind, indem das flüssige Blei in feinen Fäden durch dieselben fließt und sich erst während des Herabfallens zu Kügelchen bildet.

Ehe der Gießer das flüssige Metall vermittels eines eisernen Schöpflöffels in das Sieb zu füllen beginnt, bedeckt er den Boden desselben mit einer ziemlich dicken Lage der Schlacken oder des Bleioxyds von der Oberfläche der Schmelzpfanne, und erst nachdem er sich durch eine Probe überzeugt, daß er eine genügende Masse dieses Stoffes hineingelegt hat, um einen gleichmäßigen Abfluß zu bewerkstelligen, beginnt er seine Operation, die schnell und ohne Aufhören fortgesetzt wird, bis die Pfanne geleert ist. Zischend hören wir dann die sich formenden Körner in das Wasserbassin fallen, welche hell und blitzend wie Silber von einem oder mehreren anderen Arbeitern herausgeschöpft und in das Trockenzimmer geschafft werden, woselbst sie auf durch Dampf erhitzten eisernen Platten schnell die anhaftende Feuchtigkeit absorbiren, doch auch den bisherigen Glanz sofort verlieren.

Daß nicht auch manche unvollkommene Körner bei dieser Fabricationsmethode vorkommen, bedarf wohl kaum der Erwähnung; diese werden dann nach vollendetem Trockenproceß auf eine ebenso einfache wie sinnreiche Weise von den vollkommenen getrennt, indem man sämmtliches Schrot mit einer besonders geformten Schaufel auf eine schiefe Ebene wirft und herablaufen läßt, wo dann die nicht ganz runden Körner nach verschiedenen Zickzackbewegungen auf derselben liegen bleiben und demnächst noch einmal in die Schmelzpfanne wandern.

Nach diesem Proceß folgt der des Sortirens, welcher mit Hülfe einer Maschine geschieht, die einer Kornreinigungsmaschine nicht unähnlich ist und die Körner mittels durchlöcherter Cylinder, je nach deren Größe, kunstgerecht in ein besonderes Fach wirft.

Der letzte Gang, den die Schrotkörner vor ihrer Verpackung für den Markt zu machen haben – die in Säckchen von achtundzwanzig Pfund englisch von Frauenhänden geschieht – ist in die Polirmühle, welche gleichzeitig mehrere hundert Centner derselben, die mit einer bestimmten Quantität gepulvertem Reißblei gemischt und in große, von Dampfkraft in Bewegung gesetzte Cylinder gebracht werden, durch die schnelle rotirende Bewegung, welche sie erhalten, vollkommen abschleift und ihnen das tiefschwarze Aussehen giebt, welches wir an denselben kennen.

Der Jäger von Fach unterscheidet zwölf Sorten von Schrot, deren Nummern durch die Größe bestimmt werden. Die Körner der größten derselben, Schwanenschrot oder auch Rehposten genannt, haben ungefähr den Umfang gewöhnlicher Erbsen, während die kleinsten, Nummer 12, Vogeldunst genannt, einem Stecknadelkopf gleichkommen. Einige wenige Fabriken machen eine noch kleinere Sorte, deren Körner nicht größer sind, als die des gewöhnlichen Schießpulvers, und besonders in England von Naturalisten und Sammlern zum Schießen von Schmetterlingen und kleinen tropischen Vögeln, welche durch das gewöhnliche Schrot zu sehr zerfetzt werden würden, sehr geschätzt sind. F. v. Wickede.