Die Eroberung des Brotes/Die Luxusbedürfnisse
DIE LUXUSBEDÜRFNISSE.
I.
Der Mensch ist keineswegs ein Wesen, welches ausschließlich leben könnte, um zu essen, zu trinken und zu schlafen. Sobald er den materiellen Erfordernissen genügt hat, regen sich in ihm jene Bedürfnisse, die man Bedürfnisse künstlerischer Natur nennen könnte, nicht minder heftig. So viele Individuen, ebensoviele verschiedene Neigungen gibt es. Und je zivilisierter eine Gesellschaft ist, um so entwickelter ist auch die Individualität, um so mannigfaltiger sind die Neigungen.
Selbst heute schon sieht man Männer und Frauen sich das Notwendige versagen, um diese oder jene Kleinigkeit zu erwerben, um sich dieses Vergnügen oder jenen Genuß geistiger oder materieller Natur zu verschaffen. Ein Christ, ein Asket kann solche Luxusbedürfnisse zurückweisen; aber in Wirklichkeit sind es gerade diese Kleinigkeiten, welche die Einförmigkeit des Daseins durchbrechen und es angenehm machen. Wäre das Leben mit allen seinen unausbleiblichen Enttäuschungen und Kümmernissen des Lebens wert, wenn sich der Mensch nach seiner täglichen Arbeit niemals ein Vergnügen, das seinen individuellen Neigungen entspräche, verschaffen könnte?
Wenn wir die soziale Revolution wollen, so wollen wir sie ernstlich, um allen das Brot zu sichern, um diese fluchwürdige Gesellschaft umzugestalten, in der wir täglich robuste Arbeiter mit untätigen Armen umherirren sehen, weil sie keinen Ausbeuter finden konnten; in der wir Frauen und Kinder die Nacht ohne Obdach verbringen, ganze Familien sich von trockenem Brote nähren, Kinder, Männer und Frauen aus Mangel an Pflege, wenn nicht gar an Nahrung dahinsiechen sehen. Um diesen Ungerechtigkeiten ein Ende zu machen, empören wir uns.
Aber wir erwarten auch noch etwas anderes von der Revolution. Wir sehen, daß der Arbeiter, gezwungen, hart um das Leben zu kämpfen, niemals in die Lage kommt, an jenen hohen Genüssen – den höchsten, welche dem Menschen zugänglich sind – teilzunehmen, jenen Genüssen, welche die Wissenschaft und namentlich die wissenschaftliche Entdeckung, die Kunst und namentlich das künstlerische Schaffen gewähren. Um jedermann diese Freuden, die heute nur das Vorrecht einer kleinen Minderzahl sind, zu sichern; um ihm die Muße, die Möglichkeit zu schaffen, seine geistigen Fähigkeiten zu entwickeln, muß die [78] Revolution zuerst Jedem das tägliche Brot sichern. Die nötige Mußezeit, das ist nach dem Brote ihr höchstes Ziel.
Allerdings heute, wo die Menschen zu Hunderttausenden des Brotes, der Kohle, der Kleidung, des Obdaches ermangeln, ist der Luxus ein Verbrechen; um ihn zu befriedigen, muß das Kind des Arbeiters des Brotes ermangeln. Aber in einer Gesellschaft, wo alle nach Bedürfnis sich sättigen können, werden die Bedürfnisse, die wir Luxusbedürfnisse nennen, viel dringendere sein. Und da alle Menschen sich nicht gleichen können und sollen (die Verschiedenheit der Geschmacksrichtungen und der Bedürfnisse ist die Hauptgarantie für den Fortschritt der Menschheit), so wird es immer (und es ist dies sogar wünschenswert) Männer und Frauen geben, deren Bedürfnisse nach irgendeiner Richtung über das Mittelmaß hinausragen werden.
Jedermann bedarf nicht eines Teleskopes, denn selbst wenn Erziehung und Unterricht für Alle gleich sein werden, so wird es gleichwohl Personen geben, welche mikroskopische Studien denen des Sternenhimmels vorziehen. Es wird Leute geben, welche Statuen, andere wieder, welche Gemälde lieben; dieses Individuum hat den sehnlichsten Wunsch, ein Piano zu besitzen, während jenes sich mit einer Maultrommel begnügen wird. Der Bauer schmückt heute sein Zimmer mit irgendeinem Oeldruckgemälde, und wenn sich sein Geschmack entwickelt, so wird er sich in den Besitz eines schönen Stiches wünschen. Heute kann derjenige, der künstlerische Bedürfnisse hat, sie nur befriedigen‚ wenn er Erbe eines großen Vermögens ist; sogar derjenige, der sich durch „fleißige Arbeit“ ein intellektuelles Kapital erworben hat und sich so einem geistigen Berufe zuwenden kann, darf sich nicht mit Gewißheit der Hoffnung hingeben, eines Tages seinem künstlerischen Geschmack genügen zu können. Man wirft gewöhnlich unseren Idealen von einer kommunistischen Gesellschaft vor, daß ihr einziges Ziel die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse eines Jeden sei: „Ihr werdet vielleicht das Brot für Alle haben“, entgegnet man uns, „aber ihr werdet in euren Gemeindemagazinen keine schönen Gemälde, keine optischen Instrumente, keine Luxusmöbel, keine Schmuckgegenstände haben – kurz, nicht alle jene tausend Dinge, welche der Befriedigung der unendlich vielen und verschiedenen menschlichen Geschmacksrichtungen dienen. – Und Ihr beseitigt mit diesem eurem Ideal jede Möglichkeit, sich irgend etwas zu verschaffen, das außer dem Bereiche des Brotes und des Fleisches liegt. Dieses und die graue Leinewand, in die ihr alle eure Bürgerinnen kleiden werdet, kann eure Kommune wohl bieten.“
Es ist dieser Vorwurf, welcher stets gegen alle kommunistischen Systeme erhoben wird – ein Vorwurf, dessen Berechtigung die Gründer jener jungen Gesellschaften in den Einöden Amerikas niemals begriffen haben. Sie glaubten, wenn die Gemeinde genügend für Tuch, um ihre Mitglieder zu kleiden, allenfalls noch für einen Konzertsaal gesorgt hätte, wo „die Brüder“ ein Musikstück mehr „verhunzen“ als vortragen, oder von Zeit zu Zeit ein Theaterstück aufführen konnten – daß dann alles getan sei. Sie vergaßen, daß der Kunstsinn bei dem Landmann ebenso gut wie bei dem Bourgeois besteht und daß, wenn auch die Empfindungsweise [79] mit dem Kulturniveau variiert, doch das Fundament das gleiche ist. Und die Gemeinde mochte Jedem seine Bouillon sichern, sie mochte alles, was zur Ausbildung einer Individualität beitragen konnte, unterdrücken, sie mochte einem Jeden die Bibel als Lektüre aufzwingen, – die individuellen Geschmacksrichtungen machten sich schließlich in einer allgemeinen Unzufriedenheit Luft: kleinliche Streitigkeiten brachen über die Frage aus, ob man ein Piano oder physikalische Instrumente kaufen sollte; die Fundamente für allen Fortschritt schwanden, die Gesellschaft konnte nur leben unter der Bedingung, daß sie jedes individuelle Gefühl, jede künstlerische Tendenz, jede Entwicklung ertötete.
Wird die anarchistische Kommune denselben Weg beschreiten?
Offenbar nein, vorausgesetzt natürlich, daß sie anerkennt und sich bemüht, allen Kundgebungen des menschlichen Geistes mit dem Augenblick Genüge leisten zu wollen, wo die Produktion alles dessen, was unerläßlich zur Erhaltung des Lebens ist, gesichert ist.
II.
Wir gestehen offen, wenn wir an die Abgründe des Elends und der Leiden, die uns umgeben, denken; wenn wir den herzzerreißenden Ruf der Arbeiter hören, welche die Straßen durcheilen und um Arbeit betteln, so widersteht es uns, die Frage zu diskutieren: Wie wird man es in einer Gesellschaft, in der Jeder gesättigt ist, bewerkstelligen, um einer Person, die Porzellan von Sèvres oder ein Sammtkleid zu besitzen wünscht, Genüge leisten?
Anstatt jeder Antwort sind wir versucht zu sagen: Sichern wir uns zuerst das Brot. Was das Porzellan und den Sammt anbetrifft, so werden wir später sehen.
Aber da man anerkennen muß, daß der Mensch auch noch nach anderen Genüssen Verlangen hat, außer den Lebensmitteln und da die Stärke des Anarchismus gerade darin besteht, daß er alle menschlichen Fähigkeiten und alle Leidenschaften umfaßt, keine ignoriert, so wollen wir in wenigen Worten sagen, was geschehen könnte, um den geistigen und künstlerischen Bedürfnissen des Menschen zu genügen.
Wenn jeder bis zu einem Alter von 45 oder 50 Jahren täglich 5 oder 4 Stunden arbeitet, so wird der Mensch, wie wir sagten, leicht alles das produzieren, was notwendig ist, um der Gesellschaft den Wohlstand zu sichern.
Aber der Tag des an die Arbeit gewöhnten und die Maschine bedienenden Menschen hat mehr als 5 Stunden, er hat 10 Stunden und dies während 300 Tage im Jahre und während seines ganzen Lebens. So kommt es, daß seine Gesundheit zerstört und seine Intelligenz abgestumpft wird. Wenn man aber seine Beschäftigungen wechseln kann, und besonders, wenn man zwischen Hand- und Kopfarbeit [80] wechseln kann, so bleibt man gern 10 bis 12 Stunden beschäftigt, ohne zu ermüden. Das ist nur normal. Der Mann, der mit einer 4- oder 5 stündigen Handarbeit den notwendigen Lebensunterhalt gewonnen hat – wird am Tage noch 5 oder 6 Stunden vor sich haben, die er seinen Neigungen entsprechend auszufüllen wünscht. Und diese 5 oder 6 Stunden werden es ihm vollkommen ermöglichen, sich durch Verbindung mit andern alles das zu beschaffen, dessen er bedarf und das außerhalb des Kreises des Notwendigen liegt.
Er wird zuerst die Arbeit auf den Feldern oder in den Werkstätten verrichten, die er seinerseits der Gesellschaft als Beitrag zu der allgemeinen Produktion schuldet. Und er wird die andere Hälfte seines Tages, seiner Woche oder seines Jahres zur Befriedigung seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Bedürfnisse verwenden.
Tausend Gesellschaften werden entstehen, entsprechend ebenso vielen Geschmacksrichtungen und allen denkbaren Bedürfnissen.
Die einen z. B. werden ihre Mußestunden der Literatur widmen. Diese werden sich dann in Gruppen vereinigen, die ihrerseits Schriftsteller, Setzer, Drucker, Graveure, Zeichner usw., Alle umfassen werden, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: Die Propagierung der Ideen, die ihnen teuer sind.
Heute weiß der Schriftsteller, daß es ein Lasttier gibt, genannt Arbeiter, dem er gegen eine Entschädigung von 4 oder 5 Mark pro Tag den Druck seiner Bücher aufbürden kann, aber er kümmert sich nicht darum, was heute eine Druckerei bedeutet. Wenn der Setzer durch den Bleistaub vergiftet wird, und wenn das Mädchen, daß die Maschine bedient, vor Blutarmut dahinsiecht – so gibt es genug andere arme Teufel, um diese zu ersetzen.
Aber wenn es keine Hungerleider mehr geben wird, die bereit sind, ihre Arme für einen kärglichen Lohn zu verkaufen, wenn der gestern noch Ausgebeutete Erziehung und Bildung genossen hat, und wenn er seine Ideen zu Papier bringen und anderen mitteilen können wird, so werden die Literaten und die Gelehrten gezwungen sein, sich untereinander zu vereinigen, um sich ihre Prosa oder ihre Verse selbst zu drucken.
Solange der Schriftsteller die Blouse und die Handarbeit als ein Zeichen der Unterordnung betrachtet, wird es ihn komisch berühren, einen Autor sein Buch selbst setzen zu sehen. Er hat ja seinen Turnsaal und ein Domino, um sich zu zerstreuen. Wenn aber die Schmach, die auf der Handarbeit liegt, verschwunden sein wird, wenn alle gezwungen sein werden, sich ihrer Arme zu bedienen und niemand mehr finden werden, auf den sie jene Handarbeit abwälzen können – dann werden die Schriftsteller, wie ihre Bewunderer und Anbeterinnen, gar bald die Kunst des Setzers oder des Schriftgießers erlernen, sie werden dann einen Genuß darin finden, Alle – die Verehrer des Buches, das gedruckt werden soll – zusammen zu kommen, es zu setzen, es entgleiten [81] zu sehen, zu entnehmen – schön in jungfräulicher Reinheit – einer Rotationsmaschine. Und diese stolzen Maschinen – heute Torturmittel für den Menschen, welcher sie vom Morgen bis zum Abend bedient – werden eine Quelle reicher Genüsse für alle diejenigen werden, die an denselben tätig sind, um den Gedanken ihres Lieblingsautors Verbreitung zu schaffen.
Wird die Literatur dabei verlieren? Wird der Poet weniger poetisch sein, nachdem er auf den Feldern geschafft und mit seinen Händen an der Vervielfältigung seines Werkes mitgearbeitet hat? Wird der Romandichter etwas von seiner Kenntnis des menschlichen Herzens einbüßen, nachdem er Schulter an Schulter in der Fabrik, im Forst, am Wegebau und in der Werkstatt mit anderen gearbeitet hat? Diese Frage stellen, heißt sie beantworten.
Manche Bücher werden vielleicht weniger umfangreich ausfallen; aber man wird weniger Seiten bedrucken, um auf diesen mehr zu sagen. Vielleicht wird man weniger Makulatur veröffentlichen, aber was man drucken wird, wird mehr gelesen, mehr geschätzt und gewürdigt werden. Das Buch wird sich an einen größeren Kreis gebildeterer und urteilsfähigerer Leser wenden.
Ist es ein Traum, dem wir uns hingeben? Sicherlich nicht für diejenigen, welche beobachtet und nachgedacht haben. Heute schon drängt uns das Leben in diese Richtung.
III.
Heißt es träumen, eine Gesellschaft zu planen, in der Alle Produzenten geworden sind, Alle eine Erziehung empfangen haben, auf Grund deren sie Wissenschaften und Künste pflegen können, und in der Alle im Besitze der dazu nötigen Muße sich zu Gruppen vereinigen werden, um ihre Werke, an deren Druck sie selbst mitarbeiten, zu veröffentlichen?
Im gegenwärtigen Augenblick schon zählt man gelehrte, literarische und andere Gesellschaften zu Tausenden und aber Tausenden. Diese Gesellschaften sind nichts anderes, als ebenso viele freiwillige Gruppierungen von Menschen, die sich für den und den Zweig des Wissens interessieren und sich zusammengeschlossen haben, um ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Die Autoren, welche an den gelehrten Abhandlungen mitarbeiten, werden nicht bezahlt. Die Abhandlungen werden nicht verkauft: sie werden unentgeltlich nach allen Richtungen der Welt an andere Gesellschaften, welche die gleiche Wissensgebiete kultivieren, versandt. Gewisse Mitglieder dieser Gesellschaften lassen in dieselben eine Note (vielleicht von einer Seite) einrücken, welche die Resultate einer Beobachtung wiedergibt; andere Mitglieder veröffentlichen darin ausgedehnte Arbeiten, die Früchte langer Jahre eifrigen Studiums; wieder andere beschränken sich darauf, aus ihnen Belehrung für neue Forschungen zu schöpfen. Alles dies sind unbestreitbar Assoziationen [82] zwischen Autoren und Lesern zu dem Zwecke, die Arbeiten, an denen sie Alle Interesse nehmen, veröffentlicht zu sehen.
Es ist wahr, daß die gelehrte Gesellschaft – ganz wie das Journal des Bankiers – sich heute allerdings an einen Verleger wendet, der seinerseits wieder die Arbeiter, die den Druck des Buches besorgen, einstellt. Leute, die geistige Berufsarbeiten ausführen, verachten die Handarbeit, die sich heute allerdings auch unter total abstumpfenden Bedingungen vollzieht. Eine Gesellschaft jedoch, die jedem ihrer Mitglieder eine umfassende Erziehung, philosophischer und wissenschaftlicher Natur, angedeihen läßt, wird die körperliche Arbeit in einer Weise zu organisieren wissen, daß sie der Stolz der Menschheit wird; und die gelehrte Gesellschaft wird dann eine Vereinigung von Forschern, Interessenten und Arbeitern, kurz von Leuten sein, die alle eine Handarbeit kennen und sich alle für die Wissenschaft interessieren.
Wenn z. B. die Geologie der Gegenstand ihres Interesses ist, so werden sie alle ihr Scherflein dazu beitragen, um jeden Winkel und jede Tiefe der Erde zu durchsuchen, ein Jeder wird seinen Teil zu diesen Forschungen beitragen. Zehntausend Beobachter an Stelle von hundert werden mehr in einem Jahre leisten, als man heute in 20 Jahren leistet. Und wenn es sich darum handelt, die verschiedenen Arbeiten zu veröffentlichen, so werden 10 000 Männer und Frauen, in den verschiedensten Berufen beschäftigt, zur Stelle sein, um die Karten zu entwerfen, die Zeichnungen zu stechen, den Text zu setzen, und das Werk zu drucken. Freudig werden sie alle ihre Muße widmen im Sommer der Forschung, und im Winter der Werkstattarbeit. Und wenn dann ihre Werke erschienen sind, so werden sie nicht mehr hundert Leser finden: sie werden deren 10 000 finden. Alle interessiert für das gemeinsame Werk.
Die fortschreitende Entwicklung zeigt uns übrigens selbst diesen Weg.
Als sich England seinerzeit ein großes Diktionär seiner Sprache schaffen wollte, hat es nicht gewartet, bis ein Sprachgelehrter geboren wurde, der sein ganzes Leben dieser Arbeit widmete. Es hat an Freiwillige appelliert und tausend Personen haben sich von selbst und unentgeltlich angeboten, um die Bibliotheken zu durchsuchen, um so in wenigen Jahren ein Werk zu vollenden, zu dem ein ganzes Menschenleben nicht genügt hätte. Damit dieses Werk ein wahrhaft kollektives freilich zu nennen wäre, hätte man es in der Weise organisieren müssen, daß 5000 Freiwillige (Autoren, Drucker, Korrektoren) daran gemeinschaftlich gearbeitet hätten; aber auch dieser Schritt ist schon Dank der Initiative der sozialistischen Presse gemacht worden, die uns schon Beispiele für die Kombination von Hand- und Kopfarbeit liefert. Man kann dort häufig den Autor seines Artikels diesen selbst setzen und drucken sehen. Der Versuch ist noch ein minimaler, ein mikroskopischer, wenn man will: aber er bezeichnet den Weg, den die Zukunft einschlagen wird.
Auf allen Gebieten menschlicher Geistestätigkeit macht sich heute der gleiche Zug bemerkbar und man müßte die Menschheit schlecht kennen, um nicht zu ahnen, daß es die Zukunft ist, die sich in diesen [83] Versuchen von Kollektivarbeit an Stelle der heutigen individuellen Arbeit ankündigt.
Und er ist der Weg der Freiheit! Wenn in der Zukunft ein Mensch etwas Nützliches zu sagen, eine Idee zu äußern hat, welche die Ideen seines Zeitalters überflügelt, so wird er sich nicht mehr einen Verleger suchen, der ihm das nötige Kapital vorschießen soll. Er wird Mitarbeiter suchen, unter denen, welche das Handwerk verstehen und die Tragweite des neuen Werkes begriffen haben. Und gemeinsam werden sie dann das betreffende Buch oder Journal veröffentlichen.
Die Literatur und der Journalismus werden alsdann auch aufhören, ein Bereicherungsmittel zu bilden. Gibt es jemand, der etwas von Literatur und Journalismus versteht und der nicht eine Epoche herbeiwünschte, in der die Literatur sich endlich freimachen kann von denen, welche sie ehemals protegierten, von denen, welche sie heute ausbeuten, und von dem Publikum, das sie mit seltenen Ausnahmen nur wegen ihrer Banalität und der Leichtigkeit, mit der sie sich dem schlechten Geschmack der Bourgeoisie anpaßt, bezahlt?
Die Literatur und die Wissenschaft werden den Platz, der ihnen in der menschlichen Entwicklung zusteht, erst mit dem Tage einnehmen, wo sie frei von der Lohnknechtschaft, ausschließlich für die, welche sie lieben, gepflegt werden.
IV.
Die Literatur, die Wissenschaft und die Kunst müssen von Freiwilligen bedient werden. Nur unter dieser Bedingung werden sie dazu gelangen, sich vom Joche des Staates, des Kapitals und der bürgerlichen Mittelmäßigkeit, worunter sie heute ersticken, zu befreien.
Ueber welche Mittel verfügt denn heute wirklich der Gelehrte, um den Forschungen, die ihn interessieren, nachgehen zu können? Die Hülfe des Staates anzurufen, die von Hunderten nur einem gewährt wird, und die keiner erlangt, der sich nicht ostentativ bemüht, die ausgetretenen Pfade zu wandeln und die alten Geleise zu benutzen! Denken wir an das „Institut de France“, welches einen Darwin verwarf, an die Akademie von Petersburg, die einen Mendéléeff verstieß, und die königliche Gesellschaft von London, die sich weigerte, eine Abhandlung Joules, welche die Bestimmung der mechanischen Aequivalents der Wärme enthielt, zu veröffentlichen – da sie die Abhandlung[WS 1] „zu wenig wissenschaftlich“ fand.
Aus diesem Grunde sind alle großen Forschungen, alle großen Entdeckungen, welche die Wissenschaft revolutionierten, außerhalb der Akademien und der Universitäten gemacht worden, sei es von Männern, die das nötige Vermögen hatten, um unabhängig zu bleiben, – wie Darwin und Lyell, oder von Männern, die, in Not und häufig gar in Elend arbeitend, ihre Gesundheit untergruben, die aus Mangel an einem Laboratorium unendliche Zeit vergeudeten und sich nicht einmal die [84] nötigen Instrumente und Bücher verschaffen konnten, um ihre Forschungen fortzusetzen, doch bei aller Hoffnungslosigkeit standhaft blieben, häufig aber auch in Not verkamen. Ihre Namen sind Legion.
Uebrigens ist das System der Staatshülfe ein so schlechtes, daß die Wissenschaft sich von jeher von ihm loszumachen suchte. Gerade aus diesem Grunde wimmelt es auch in Europa und Amerika von Tausenden von wissenschaftlichen Gesellschaften, organisiert und unterhalten von Freiwilligen. Einige derselben haben eine derartig gewaltige Entwicklung angenommen, daß alle Mittel der subventionierten Gesellschaften und alle Reichtümer der Bankiers nicht ausreichen, um ihre Schätze anzukaufen. Keine gouvernementale Institution ist so reich als die „Zoologische Gesellschaft von London“, die sich aus freiwilligen Beiträgen erhält.
Sie kauft nicht die Tiere, welche zu Tausenden ihre Gärten bevölkern: diese werden ihr durch andere Gesellschaften und seitens wissenschaftlicher Sammler der ganzen Welt zugesandt: eines Tages ist es ein Elefant, eine Gabe der Zoologischen Gesellschaft zu Bombay, ein anderes Mal ein Nilpferd, geschenkt von ägyptischen Naturforschern, und alle diese großartigen Geschenke erneuern sich täglich, unaufhörlich von allen vier Windrichtungen der Welt einlaufend: Vögel, Reptilien, Insektensammlungen usw. Diese Sendungen enthalten häufig Tiere, welche man nicht für das ganze Gold der Welt kaufen könnte: z. B. ein Tier, das unter Lebensgefahr von einem Reisenden erbeutet worden ist, der nun an ihm wie an einem Kinde hängt und es der Londoner Gesellschaft übergibt, weil er sicher ist, daß es dort gut versorgt wird. Das von den Besuchern gezahlte Eintrittsgeld – und ihrer sind unzählige – genügt zur Unterhaltung dieser immensen Menagerie.
Was dem Zoologischen Garten von London allein fehlt, sowie anderen Gesellschaften der gleichen Art, das ist, daß die Unterhaltungskosten nicht aus freiwilliger Arbeit fließen, daß die Wärter und zahlreichen Angestellten dieses immensen Etablissements nicht als Mitglieder der Gesellschaft anerkannt werden, indessen es für viele kein anderes Motiv gibt, ihr Mitglied zu werden, als den Wunsch, auf ihren Karten die Initialien F. Z. S. (Mitglied der Zoologischen Gesellschaft) drucken lassen zu können. Was ihr in einem Wort fehlt, das ist der Geist der Brüderlichkeit und der Solidarität.
Was für die Gelehrten gilt, gilt auch im allgemeinen für die Erfinder. Wer wüßte nicht, auf Kosten welcher Leiden fast alle Erfindungen das Licht der Welt erblickt haben.
Schlaflose Nächte, die Familie ohne Brot, Mangel an Werkzeugen und Materialien für die ersten Versuche, das ist die Geschichte fast aller derer, welche die Industrie mit dem beschenkt haben, was den Stolz, den einzig berechtigten Stolz der Zivilisation ausmacht.
Aber wessen bedarf es, um diese Bedingungen zu beseitigen, die jeder als unhaltbar anerkennt? Man hat es mit dem „Patent“ versucht [85] und man kennt dessen Resultate. Der ausgehungerte Erfinder verkauft es für einige Mark und der, der ein wenig Kapital daranwagt, säckelt die enormen Erträgnisse des Patents ein. Außerdem isoliert das Diplom den Erfinder. Er ist gezwungen, seine Forschungen geheim zu halten, was häufig ihrer Spät- oder Fehlgeburt gleichkommt. – Die einfachste Verbesserung, die einem weniger von der Fundamentalidee absorbierten Gehirn entstammt, genügt bisweilen, um die Erfindung zu befruchten oder sie überhaupt erst nutzbar zu machen. Wie jede Autorität, hemmt das Patent nur den Fortschritt der Industrie.
Theoretisch eine schreiende Ungerechtigkeit – der Gedanke kann nicht patentiert werden – ist das Patent in praktischer Beziehung eines der großen Hindernisse in der raschen Entwickelung der Erfindung.
Eine Vorbedingung für die Befruchtung des Erfindungsgeistes ist vor allem ein Erwachen des geistigen Lebens, es ist der Mut, zu denken, der unter unserer gegenwärtigen Erziehung erschlaffen muß; es ist ein weitverbreitetes Wissen, welches die Zahl der Forscher verhundertfacht; es ist endlich das Bewußtsein, daß die Menschheit mit jeder Erfindung einen Schritt vorwärts tut; denn es ist sehr häufig der Enthusiasmus oder die Illusion des Guten, welche die großen Wohltaten inspiriert hat.
Die soziale Revolution allein kann den Anstoß zu diesem Aufschwung des Gedankenlebens, dieser Kühnheit, diesem Wissen, dieser Ueberzeugung, daß man für Alle arbeitet, geben.
Alsdann wird man große Fabriken erblicken, ausgerüstet mit motorischer Kraft und Instrumenten aller Art, ausgedehnte industrielle Laboratorien, geöffnet für alle Forscher. Dorthin wird man gehen, um seinem Verlangen entsprechend zu arbeiten – nachdem man seine Pflichten gegen die Gesellschaft getan hat; dort wird man eine 5- bis 6 stündige Muße verbringen, dort wird man Erfahrungen sammeln, dort andere Gefährte finden, die in anderen Zweigen der Industrie erfahren sind und gleichfalls dorthin kommen, um irgendein schwieriges Problem zu lösen; man wird sich gegenseitig helfen, sich gegenseitig aufklären und endlich wird aus dem Zusammentreffen der Ideen und ihrer Experimentierung die gewünschte Lösung entspringen. Und noch einmal sei es gesagt, dies ist kein Traum. In dem S. G.-Museum zu Petersburg hat man es schon verwirklicht. Solanoi Gorodok hat es in Petersburg auf dem Gebiete der Technik (teilweise wenigstens) verwirklicht. Es ist eine schön ausgerüstete Werkstatt, die Jedem offen steht. Man kann daselbst unentgeltlich die Instrumente und die motorische Kraft benutzen; das Holz allein und die Metalle werden zum Einkaufspreis berechnet. Doch die Arbeiter begeben sich erst des Abends, erschöpft nach zehnstündiger Arbeit in ihrer Werkstatt, dorthin. Und sie verbergen sorgsam ihre Erfindungen den Blicken Aller, dazu genötigt durch das Patent und den Kapitalismus, diesen Fluch der gegenwärtigen Gesellschaft, den Stein, der den Weg zum intellektuellen und moralischen Fortschritt versperrt.
[86]
V.
Und die Kunst? Von allen Seiten kommen uns Klagen über den Verfall der Kunst. Und in der Tat stehen wir auch weit hinter den großen Meistern der Renaissance zurück. Die Technik der Kunst hat in der jüngsten Zeit große Fortschritte gemacht; Tausende von Menschen, begabt mit einem gewissen Talent, kultivieren alle ihre Zweige, aber die Kunst selbst scheint die zivilisierte Menschheit zu fliehen. Die Technik schreitet fort, doch die Inspiration meidet mehr wie jemals die Ateliers der Künstler.
Woher sollte sie auch kommen? Eine große Idee allein ist im Stande, die Kunst zu inspirieren. Kunst ist in unserem Ideal gleichbedeutend mit Schöpfung, man muß seine Blicke vorwärts richten können; aber abgesehen von einigen seltenen, sehr seltenen Ausnahmen, bleibt der Künstler von Profession zu unwissend, zu sehr Bourgeois, um neue Horizonte entdecken zu können.
Und diese Inspiration kann auch nicht aus Büchern geschöpft werden: sie muß aus dem Leben geschöpft werden, und die gegenwärtige Gesellschaft weiß dieses Leben nicht zu bieten.
Die Raphaels und Murillos malten in einer Epoche, wo das Suchen nach einem neuen Ideal sich noch mit den alten religiösen Traditionen verquickte. Sie malten, um die großen Kirchen zu schmücken, die selbst wieder das fromme Werk mehrerer Generationen repräsentierten. Die Basilika mit ihrem feierlichen Aussehen, ihrer Erhabenheit, durch welche sie an das Leben der mittelalterlichen Stadt erinnerte, konnte wohl den Maler inspirieren. Er arbeitete für ein Volksmonument; er wandte sich direkt an die Menge und empfing von dieser die Inspiration zurück. Er sprach zu ihr in dem gleichen Sinne, wie zu ihr das Schiff, die gotischen Pfeiler, die gemalten Fenster, die Statuen, die ornamentreichen Portale sprechen. Die größte Ehre, welche der heutige Maler erstrebt, ist, sein Gemälde in einem Goldrahmen eingerahmt und in einem Museum – einer Art Rumpelkammer – aufgehangen zu sehen, wo man wie im „Prado“ die „Himmelfahrt“ von Murillo und den „Bettler“ von Velasquez neben den „Hunden von Phillipp II.“ sieht. Armer Murillo, armer Velasquez und ihr armen griechischen Statuen, die ihr auf der Akropolis Euer Stadt lebtet und heute unter den roten Tapeten des Louvre ersticken müßt!
Wenn ein geschickter Bildhauer seinen Marmor meißelte, so suchte er ihm den Geist und das Temperament seiner Stadt einzuhauchen. Alle ihre Leidenschaften, alle ihre Ruhmestraditionen mußten in dem Werke wieder aufleben. Heute hat die Stadt aufgehört, ein Ganzes zu sein. Keine Ideen-Gemeinschaft besteht mehr. Die Stadt ist nur ein Haufen zufällig zusammengewürfelter Menschen, die sie nicht kennen, die keine gemeinschaftlichen Interessen haben, ausgenommen das Interesse, sich [87] zu bereichern, und zwar auf Kosten der großen Masse; das Vaterland existiert nicht . . . . . Welches Vaterland könnte auch der internationale Bankier und der Lumpensammler gemeinsam haben?
Nur, wenn die Stadt, das Territorium, die Nation und die Gruppe von Nationen ihre Einheit im sozialen Leben wieder erlangt hat, wird die Kunst ihre Inspiration in der Allgemeinidee der Stadt oder der Föderation schöpfen können. Dann wird der Architekt das Monument einer Stadt konzipieren können, das keine Kirche, kein Gefängnis, keine Festung mehr sein wird; dann wird der Maler, der Bildhauer, der Ziseleur, der Ornamenteur wissen, wo sie ihr Gemälde, ihre Statuen, ihre Ornamente aufstellen – sie, die alle die Kraft zum Schaffen aus derselben Lebensquelle schöpfen und alle vereint und ruhmreich der Zukunft entgegeneilen.
Aber bis dahin kann die Kunst bestenfalls nur vegetieren.
Die besten Gemälde der modernen Maler sind noch diejenigen, welche die Natur, das Dorf, das Tal, das Meer mit seinen Gefahren, das Gebirge in seiner Pracht wiedergeben. Aber wie sollte der Maler die Poesie der Feldarbeit wiedergeben können, wenn er sie nur im Geiste gesehen, sie sich nur vorgestellt hat, wenn er sie niemals selbst gekostet hat? Wenn er sie nur so flüchtig kennt, wie ein Strichvogel jene Länder, über welche er bei seinen Wanderungen fortzog? Wenn er nicht in der ganzen Frische seiner frohen Jugend mit der Morgenröte dem Pfluge gefolgt ist, wenn er nicht den Genuß gekostet hat, in breiten Schwaden an der Seite starker Heuer die Wiese zu mähen – wetteifernd mit den lachenden Mädchen, die die Wiese mit ihren Gesängen erfüllen? Die Liebe zum Lande und zu dem, was auf dem Lande wächst, erwirbt man nicht, indem man die Studien mit dem Pinsel macht. Man erwirbt sie nur in seinem Dienste, und wie sollte man es, ohne es zu lieben, malen können? Darum ist auch alles das, was die besten Maler auf diesem Gebiet haben leisten können, noch so unvollkommen, noch so häufig falsch: fast stets die Frucht der Sentimentalität; Kraft liegt nicht darin.
Man muß, von tüchtiger Feldarbeit heimkehrend, den Sonnenuntergang gesehen haben, man muß Bauer mit den Bauern gewesen sein, um den Glanz der Sonne im Auge bewahren zu können.
Man muß mit dem Fischer auf dem Meere gewesen sein, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht; man muß selbst gefischt, gekämpft haben mit den Wogen, dem Sturm getrotzt und nach harter Arbeit die Freude empfunden haben, das gefüllte Netz zu heben; oder die Enttäuschung, es leer zu finden, wenn man die Poesie des Fischfanges begreifen will. Man muß im Hüttenwerk gewesen sein, muß kennen gelernt haben die Ermüdungen, die Leiden und auch die Freuden der schaffenden Arbeit, das Metall im hellen Lichte des Hochofens geschmiedet, das Leben der Maschine gefühlt haben, um zu wissen, was die Kraft des Menschen ist, und um sie in ein Kunstwerk übertragen zu [88] können. Man muß sich in das Leben des Volkes versenkt haben, ehe man es darzustellen wagt.
Die Werke dieser Künstler der Zukunft, welche mit dem Volke gelebt haben, werden wie jene der großen Künstler der Vergangenheit nicht für den Verkauf bestimmt sein. Sie werden ein integrierender Teil des Gesamtlebens sein, welches nicht ohne sie wird sein können, wie Erstere nicht ohne das Letztere werden sein können. Dann wird man auch herbeieilen und sie betrachten, und ihre stolze und reine Schönheit wird einen wohltuenden Einfluß auf die Herzen und Geister ausüben.
Die Kunst muß, um sich entwickeln zu können, durch Tausende Bande mit der Industrie verknüpft sein, derart, daß beide förmlich ineinander aufgehen, wie es uns Ruskin und der sozialistische Poet Morris so treffend und so häufig gezeigt haben: Alles, was den Menschen umgibt, in seinem Heim, auf der Straße, im Innern wie im Aeußern der öffentlichen Gebäude, muß von rein künstlerischer Gestalt sein.
Aber dieses läßt sich nur in einer Gesellschaft verwirklichen, wo Alle den Wohlstand, die Freuden und die Muße genießen können. Dann wird man Kunstvereinigungen sich bilden sehen, in denen ein Jeder die Beweise seiner Fähigkeiten wird liefern können; denn die Kunst wird nicht einer unendlichen Menge von Hülfsarbeiten rein technischer wie physischer Natur entbehren können. Und diese Kunstvereinigungen werden die öffentlichen Gebäude wie die Häuser ihrer Mitglieder schmücken in gleicher Weise, wie es jene hochherzigen Freiwilligen von Edinburg taten, welche die Wände und die Plafonds des großen Armenhauses dieser Stadt zierten.
Und wenn ein Maler oder Bildhauer ein Werk rein persönlicher Empfindung, ganz intimer Art geschaffen hat, so wird er es der geliebten Frau oder einem Freunde schenken. Der Liebe entsprossen, sollte dieses Werk hinter jenen zurückstehen, welche heute die Prunksucht des Bourgeois und Bankiers befriedigen, weil sie viel Geld gekostet haben?
Das Gleiche gilt für alle Genüsse, denen man sich nach Befriedigung des Notwendigen hinzugeben wünscht. Derjenige, der einen Flügel wünscht, wird in eine Assoziation von Instrumentenmachern eintreten. Und wenn er ihr einen Teil seiner Mußestunden widmet, so wird er bald im Besitz seines ersehnten Flügels sein. Wenn er für astronomische Studien begeistert ist, so wird er sich einer Vereinigung von Astronomen, die Philosophen, Beobachter, Mathematiker, Gelehrte wie Laien in ihrer Mitte bergen wird, anschließen und er wird das Teleskop, welches er begehrt, bekommen, nachdem er seinem Anteile entsprechend an dem gemeinschaftlichen Werke mitgearbeitet hat, denn ein astronomisches Observatorium erfordert auch eine Menge grober Arbeit: Arbeiten des Maurers, des Tischlers, des Gießers, des Mechanikers – die [89] letzte Vollendung wird dem Instrumente durch die Hand des Künstlers verliehen werden.
In einem Wort, die 5 oder 7 Stunden, über die Jeder täglich verfügen wird, nachdem er einige Stunden der Produktion des Notwendigen gewidmet, werden vollkommen genügen, um den vielen, unendlich verschieden gearteten Luxusbedürfnissen gerecht zu werden. Tausende von Assoziationen werden sich diese Aufgabe stellen: Was heute das Privilegium einer kleinen Minderheit ist, wird dann Allen zugänglich sein. Der Luxus wird aufhören, ein törichtes und schreiendes Attribut der Bourgeois zu sein, er wird ein künstlerischer Genuß werden.
Und alle werden nur glücklicher dadurch werden. In der Kollektivarbeit, mit frohem Herzen geleistet, um ein ersehntes Ziel zu erreichen – ein Buch, ein Kunstwerk, einen Luxusgegenstand – wird jeder den Reiz und die nötige Erholung finden, die das Leben angenehm machen.
Indem wir daran arbeiten, die Spaltung der Gesellschaft in Herren und Knechte zu beseitigen, arbeiten wir an beider Glück, am Glück der Menschheit.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Abhandhandlung