Die Eroberung des Brotes/Der Ackerbau
DER ACKERBAU.
I.
Man hat der politischen Oekonomie häufig vorgeworfen, sie leite alle ihre Deduktionen aus dem – unzweifelhaft falschen – Prinzip ab, daß der einzige Beweggrund, der den Menschen zur Erhöhung seiner Produktivkraft treiben könnte, das persönliche Interesse, im engsten Sinne genommen, sei. Der Vorwurf ist ein vollkommen gerechtfertigter, so gerecht, als es Tatsache ist, daß die Epochen der großen industriellen Entdeckungen und wahrer Fortschritte in der Industrie gerade diejenigen waren, in denen man von dem Glück Aller träumte, wo man am wenigsten an eine persönliche Bereicherung gedacht hat. Die großen Forscher und die großen Erfinder dachten hauptsächlich an die Befreiung der Menschheit; und wenn die Watts, die Stephensons, die Jaquards usw. hätten ahnen können, welches Elend aus ihren schlaflosen Nächten für den Arbeiter resultieren würde, so würden sie wahrscheinlich ihre Pläne verbrannt, ihre Modelle zerbrochen haben.
Ein anderes Prinzip, welches gleichfalls in der politischen Oekonomie Anklang gefunden hat, und ebenso falsch ist, ist die stillschweigende, fast allen Oekonomisten gemeinsame Voraussetzung, daß – wenn es auch eine Ueberproduktion in gewissen Industriezweigen gegeben haben mag – gleichwohl eine Gesellschaft niemals genügend Produkte erzielen könnte; und daß folglich niemals der Moment kommen wird, wo jemand des Zwanges enthoben sein würde und dürfte, seine Arbeitskraft gegen einen Lohn zu verkaufen. Diese stillschweigende Voraussetzung ist die Basis aller Theorien und aller sogenannten „Gesetze“, die uns von den Oekonomisten gelehrt werden.
Und dennoch ist es sicher, daß an dem Tage, wo sich irgend eine zivilisierte Gesellschaft nur fragt, welches die Bedürfnisse Aller und welches die Mittel sind, diese zu befriedigen, sie sehen würde, daß die Industrie und Landwirtschaft schon vollkommen im Besitz dieser Mittel sind. Sie kann allen vorhandenen Bedürfnissen gerecht werden, wenn sie es nur versteht, diese Mittel zur Befriedigung ihrer wirklichen Bedürfnisse anzuwenden.
Daß dies für die Industrie zutrifft, kann keiner mehr bestreiten. Es genügt in der Tat, nur die in den großen industriellen Etablissements heute schon gebräuchlichen Verfahren, um Kohle und Erz zu graben, um [158] Stahl zu gewinnen und zu formen, um zu fabrizieren, was zur Bekleidung usw. dient, zu studieren; und man muß sich sagen, daß bezüglich der Produkte unserer Manufakturen, Hüttenwerke und Bergwerke kein Zweifel möglich ist. Wir könnten unter gewissen Umständen schon heute unsere Produktion vervierfachen, und noch dabei an Arbeit sparen.
Doch wir gehen weiter. Wir behaupten, daß der Ackerbau in der gleichen Lage wie die Industrie ist: der Landwirt besitzt ebenso wie der Industrielle heute schon die Mittel, um seine Produktion zu vervier-, zu verhundertfachen, und er könnte dies mit dem Augenblick zur Wahrheit machen, wo er das Bedürfnis dazu fühlte und zu einer gesellschaftlichen Organisation der Arbeit anstelle der kapitalistischen schritte.
Jedesmal, wenn man von der Landwirtschaft spricht, so denkt man an den Bauer, der über seinen Pflug gebückt einherschreitet, der das schlecht ausgelesene Saatkorn, so wie es gerade fällt, auf den Acker wirft und dann mit Bangen harrt, was ihm die Witterung, ob gut oder schlecht, bescheren wird. Man sieht vor Augen eine Familie, die vom Morgen bis zum Abend sich abquält und als Entgelt dafür ein schlechtes Lager, trockenes Brot und sauren Wein hat. Man sieht in einem Wort „la bête fauve“ (das wilde Tier) von La Bruyère.
Und was will man für diesen dem Elend anheimgefallenen Menschen tun? Im Notfall die Last der Steuern und der Pacht erleichtern. Doch man kann sich nicht zu dem Gedanken aufschwingen, den Landmann einmal in gerader Haltung zu sehen, einen Landmann zu sehen, der sich Muße nimmt und in wenigen Stunden täglich das produziert, womit er nicht allein seine Familie, sondern 100 Menschen wenigstens ernähren könnte. In ihrem weitgehenden Zukunftstraum wagen selbst die Sozialisten nicht einmal über die große amerikanische Landwirtschaft, die im Grunde genommen, sich noch in den Kinderschuhen befindet, hinauszugehen.
Der heutige Landwirt hat weitergehende Ideen, Pläne von ganz anderer Großartigkeit. Er fordert nur einen Hektar Land, um darauf die ganze Pflanzenkost für eine Familie wachsen zu lassen; um 25 Haupt Rindvieh mit Futter zu versorgen, braucht er heute keinen größeren Raum, als ehemals für die Haltung eines notwendig war; er will dahin gelangen, Boden zu erzeugen, der Witterung und dem Klima zu trotzen, die die junge Pflanze umgebende Luft und Erde zu wärmen; in einem Wort, auf einem Hektar zu produzieren[WS 1], was man früher kaum auf fünfzig geerntet hatte, und dies ohne große Anstrengungen und bei einer bedeutenden Verminderung der Totalarbeitsleistung. Er behauptet, daß man reichlich produzieren könnte, was jedermann gebraucht, wenn man nur der Landwirtschaft die nötige Sorgfalt und Pflege widmete, die man ihr überdies unter eigenen Vergnügungen und Freuden zuwenden könnte.
Das ist die gegenwärtige Tendenz der Landwirtschaft.
[159] Während die Gelehrten, an der Spitze Liebig, der Schöpfer der Agrikulturchemie, sehr häufig in ihrer Theoretikerblindheit fehlgingen, haben die ungelernten Landwirte dem Glücke der Menschheit neue Wege gezeigt. Die Gemüsegärtner von Paris, von Troyes, Rouen, die englischen Gärten, die flämischen Farmer, die Landwirte von Jersey, Guernesey und den Scilly-Inseln haben der Landwirtschaft einen so weiten Horizont eröffnet, daß das Auge ihn kaum zu fassen wagt.
Während eine Bauernfamilie wenigstens 7 oder 8 Hektare bedurfte, um die zu ihrer Erhaltung nötigen Bodenprodukte erzielen zu können, – und man weiß, wie schlecht die Bauern leben – so kann man heute nicht einmal bestimmen, wie winzig klein wirklich der Raum sein wird, der zur Ernährung einer ganzen Familie nicht allein vom Standpunkt des Notwendigen, sondern auch des Luxus erforderlich sein wird – sobald man ihn nur nach den Prinzipien der modernen Landwirtschaft bewirtschaftet. Jeder Tag fast setzt diese Grenze herab. Und wenn man uns fragt, wie groß die Anzahl der Personen sein wird, die auf einer Quadratmeile werden leben können, ohne landwirtschaftliche Produkte von anderwärts zu importieren, so würde es uns schwierig sein, diese Frage genau zu beantworten. Diese Zahl vergrößert sich in gleichem Schritte mit den rapiden Fortschritten der Landwirtschaft.
Vor zehn Jahren konnte man schon behaupten, daß eine Bevölkerung von 100 Millionen sehr gut, und ohne etwas zu importieren, von den Bodenprodukten Frankreichs leben könnte. Doch wenn man heute die vor wenigen Jahren in Frankreich wie in England gemachten Fortschritte ins Auge faßt, wenn man den neuen Horizont betrachtet, der sich vor uns eröffnet, so werden wir sagen, daß man die Erde nur in der Weise zu kultivieren braucht, wie man sie schon heute in vielen Gegenden, sogar bei armem Boden kultiviert, und 100 Millionen Bewohner auf den 50 Millionen Hektaren französischer Erde sind nur ein Bruchteil im Verhältnis zu der Zahl Menschen, welche dieser Boden ernähren könnte. Die Bevölkerung wird und kann sich ebenso schnell wie jetzt vermehren; der Mensch wird auch dementsprechend mehr von der Erde zu fordern wissen.
In jedem Fall – wir werden es sehen – kann man es als bewiesen betrachten, daß, wenn z. B. Paris und die beiden Departements Seine und Seine-et-Oise sich morgen zu einer kommunistischen Gemeinde vereinigen würden, in welcher alle mit ihren Armen arbeiten, und wenn dann die ganze übrige Welt sich weigerte, dieser einen einzigen Zentner Weizen, ein einziges Haupt Rindvieh, einen einzigen Korb Früchte zu senden, und ihr nur das Territorium dieser beiden Departements lassen würde – so könnte diese Gemeinde nicht nur das Getreide, das Fleisch und die notwendigen Gemüse, sondern auch noch alle Luxusfrüchte für die ländliche wie städtische Bevölkerung in genügenden Quantitäten produzieren.
Und wir behaupten außerdem, daß der Totalaufwand an menschlicher Arbeitskraft um vieles geringer sein würde, als der, welcher gegenwärtig zur Ernährung dieser Bevölkerung erfordert wird – durch den Konsum von Getreide, das in der Auvergne und in Rußland gebaut ist, [160] von Gemüsen, die an allen möglichen Orten der Erde gezogen wurden, und von Früchten, die im Süden von Frankreich reiften.
Wir verlangen keineswegs, daß alle Austauschakte verschwinden sollen und daß jede Gegend sich unbedingt der Produktion dessen, was unter ihrem Klima nur bei einer mehr oder minder künstlichen Kultur wächst, widmen soll. Wir wollen nur beweisen, daß die Theorie des Austausches in der Weise, wie man sie heute predigt, äußerst übertrieben ist, daß viele Austauschakte unnütz oder gar schädlich sind. Wir behaupten außerdem, daß man bei derartigen Diskussionen niemals die Arbeitsmenge in Rechnung stellt, welche bei aller Fruchtbarkeit ihrer Wiesen und Felder von den Weinbauern des südlichen Europas erst zur Ermöglichung ihres Weinbaues, von den russischen und ungarischen Bauern zur Ermöglichung ihres Getreidebaues aufgewandt wurde. Mit ihrem gegenwärtigen Verfahren der extensiven Landwirtschaft haben sie unendlich viel mehr Arbeitslast, als man haben würde, um die gleichen Produkte durch die intensive Kultur zu erzielen, – selbst bei weniger günstigen klimatischen Bedingungen und unendlich weniger fruchtbaren Boden.
II.
Es ist hier unmöglich, die Tatsachen aufzuzählen, auf die wir unsere Behauptungen stützen. Wir sind also gezwungen, den Leser für weitere Aufklärungen auf diesem Gebiet auf die einschlägige Literatur zu verweisen, welche die aufgestellten Behauptungen bestätigen wird.
Was die Einwohner der großen Städte betrifft, welche sich keine Vorstellung von dem zu machen vermögen, was die Landwirtschaft wirklich sein könnte, so raten wir ihnen, die Umgebungen ihrer Städte zu Fuß zu durchstreifen und dabei die Gartenwirtschaft zu studieren.
Mögen sie beobachten, mit den Gärtnern plaudern – eine ganz neue Welt wird sich dann vor ihnen auftun. Sie werden dann begreifen, was die Landwirtschaft des 20. Jahrhunderts sein wird; sie werden dann einsehen, mit welcher Kraft die soziale Revolution ausgestattet sein wird, wenn man erst alles vom Boden zu erhalten weiß, was man von ihm fordert.
Die Aufzählung einiger Tatsachen wird genügen, um zu beweisen, daß unsere Behauptungen keineswegs übertriebene sind. Zuvor halten wir es indessen für angebracht, noch einige allgemeine Bemerkungen folgen zu lassen.
Man weiß, in welchen elenden Verhältnissen sich die Landwirtschaft Europas befindet. Wenn der Landwirt nicht durch den Grundeigentümer geplündert wird, so geschieht dies durch den Staat. Und wenn ihn der Staat in bescheidener Weise schröpft, so macht ihn der Geldverleiher, der ihn mittels Wechsels knechtet, tatsächlich bald zu einem bloßen Pächter seines Bodens, der in Wirklichkeit einer Gesellschaft von Geldmännern gehört.
Der Eigentümer, der Staat und der Bankier plündern also den Landwirt mittels der Pacht, der Steuern und der Zinsen aus. Diese Summe variiert mit jedem Lande, aber nirgends fällt sie unter ein Viertel, sehr [161] häufig erreicht sie sogar die Hälfte des Gesamtertrages. In Frankreich führt die Landwirtschaft 44 Prozent ihres Gesamtertrages an den Staat ab.
Und noch mehr. Der Teil des Eigentümers und des Staats ist immer im Wachsen begriffen. Sobald einmal der Landwirt durch wahre Wunder an Arbeit, Erfindungsgeist und Unternehmungstrieb größere Ernten erzielt hat, so erhöht sich auch sofort dementsprechend der Tribut, den er an den Staat, den Eigentümer und den Bankier abzuführen hat. Wenn sich die Zahl der geernteten Hektoliter pro Hektar verdoppelt, so wird sich auch die Pacht verdoppeln, und folglich auch die Steuern, die sich der Staat zu steigern beeilen wird, solange noch die Preise im Steigen begriffen sind. Und so geht es immer fort. Kurz, überall arbeitet der Landwirt 10 bis 16 Stunden täglich, und überall rauben ihm diese drei Geier alles, was er beiseite legen könnte; überall entblößen sie ihn dessen, was mittelbar zur Verbesserung seines Bodens dienen könnte. Das sind die Ursachen, weswegen die Landwirtschaft sich im Durchschnitt auf einem so niedrigen Niveau befindet.
Nur unter ganz ausnahmsweisen Bedingungen, etwa durch einen Streit der drei Blutsauger untereinander, oder durch hervorragende Anstrengungen der Intelligenz, durch eine außerordentliche Arbeitsamkeit gelingt es der Landwirtschaft, einen Schritt vorwärts zu machen. Wir haben dabei noch nicht einmal von dem Tribut gesprochen, den jeder Landwirt an den Industriellen zahlt. Jede Maschine, jeder Spaten, jede Tonne künstlichen Düngers wird zu einem drei- oder viermal so hohen Preis verkauft, als deren Herstellungskosten betragen. Vergessen wir auch nicht den Zwischenhändler, welcher den Löwenanteil an den Bodenprodukten schluckt.
Das alles sind die Gründe, weshalb in diesem Zeitalter der Erfindungen und des Fortschritts die Landwirtschaft nur in vereinzelten Gegenden, fast nur zufällig und ganz schrittweise Fortschritte machen konnte.
Glücklicherweise hat es immer kleine Landesteile gegeben, die einige Zeit von den drei Geiern übersehen wurden, und dort können wir lernen, was die intensive Landwirtschaft leisten könnte. Geben wir einige Beispiele.
In den Prairien Amerikas (die übrigens nur schwache Ernten von 7 bis 12 Hektoliter pro Hektar ergaben; und lange Perioden von Trockenheit schaden hier noch sehr häufig den Ernten) produzierten 500 Menschen den jährlichen Bedarf für 50 000 Personen. Dieses Resultat wird durch eine sehr starke Arbeitsersparnis erzielt. Auf diesen weiten Ebenen, die das Auge nicht umfassen kann, sind die Bestellung, die Ernte und das Dreschen fast militärisch organisiert; kein unnützes Kommen und Gehen gibt es da, keine Zeitverluste. Alles vollzieht sich mit der Exaktheit einer Parade.
Es ist die große Landwirtschaft, die extensive Landwirtschaft, jene, welche den Boden hinnimmt, wie sie ihn aus den Händen der Natur empfängt, und welche ihn nicht zu verbessern sucht. Wenn die Kraft [162] des Bodens erschöpft ist, so läßt man ihn liegen und sucht sich an anderer Stelle jungfräulichen Boden, um diesen gleichfalls zu erschöpfen.
Anders die intensive Landwirtschaft. Ihr kommen die Maschinen mehr und mehr zu Hülfe, ihr Ziel ist es, einen beschränkten Raum gut zu kultivieren, ihn zu düngen, zu verbessern, die Arbeit zu konzentrieren und den größtmöglichsten Ertrag zu erzielen. Diese Art der Landwirtschaft breitet sich von Jahr zu Jahr mehr aus, und während man sich in der Großlandwirtschaft des Südens von Frankreich wie der fruchtbaren Strecken des westlichen Amerikas mit einer Durchschnittsernte von 10 bis 12 Hektoliter pro Hektar begnügt, erntet man auf dem gleichen Raum im Norden Frankreichs regelmäßig 36, sogar 50 und bisweilen 56 Hektoliter. Der jährliche Getreide-Konsum eines Menschen ließe sich unter diesen Verhältnissen von der Fläche eines Zwölftel-Hektars erzielen.
Und je mehr man sich der intensiven Kultur zuwendet, um so weniger Arbeit erfordert die Produktion eines Hektoliters Getreide. Die Maschine ersetzt den Menschen bei den vorbereitenden Arbeiten, und man macht eine derartige Bodenamelioration, wie die Drainage oder das Beseitigen von Steinen – Arbeiten, welche die zukünftigen Ernten verdoppeln – ein für alle Male. Bisweilen gelangt einzig durch eine tiefe Bestellung eines mittelmäßigen Bodens, ohne daß man im geringsten düngt, jahrelang zu ausgezeichneten Ernten. Man hat es so während zwanzig Jahren in der Nähe von London, in Rothamstead, gemacht.
Doch schreiben wir keinen landwirtschaftlichen Roman. Bleiben wir bei jener Ernte von 40 Hektolitern stehen, die keinen exzeptionellen Boden, sondern einfach eine rationelle Landwirtschaft erfordert, und sehen wir, was bedeutet sie.
Die 3 600 000 Menschen, welche die beiden Departements Seine und Seine-et-Oise bewohnen, konsumieren jährlich zu ihrer Erhaltung etwas weniger als 8 Millionen Hektoliter Brotgetreide. Nach unserer Annahme müßten sie, um diese zu erzeugen, von den 610 000 Hektaren, die sie besitzen, 200 000 bewirtschaften.
Es ist offenbar, daß sie dieselben nicht mit dem Spaten bestellen werden. Dies würde zuviel Zeit (nämlich 240 Tage à 5 Stunden pro Hektar) erfordern. Sie werden statt dessen den Boden ein für alle Male verbessern, sie werden drainieren, was drainiert werden muß; applanieren, was applaniert werden muß; den Boden von Steinen säubern usw. – Sollte diese vorbereitende[WS 2] Arbeit 5 Millionen Arbeitstage à 5 Stunden in Anspruch nehmen, so würde dies pro Hektar einen Durchschnitt von 25 Arbeitstagen ergeben.
Man würde alsdann den Dampfschälpflug (défonceur) anwenden, was 4 Tage pro Hektar beansprucht, und noch 4 weitere Tage für die Bestellung mit dem gewöhnlichen Doppelpflug hinzufügen. Man würde auch nicht den ersten besten Samen nehmen, sondern man würde denselben zuvor durch das Dampfsieb auslesen lassen. Man würde ihn auch nicht wie heute, in die vier Windrichtungen werfen, sondern ihn (durch die Drillmaschine) [163] in Reihen pflanzen lassen. Und bei alledem würde man noch keine 25 Arbeitstage, à 5 Stunden gerechnet, verausgabt haben, falls sich nur die Arbeit unter günstigen Bedingungen vollzieht. Möge man ruhig während dreier oder vier Jahren 10 Millionen Arbeitstage für eine gewissenhafte Kultur verausgaben, man wird später dafür Ernten von 40 und 50 Hektoliter pro Hektar haben, ohne daß man dann mehr als die Hälfte jener Zeit auf die Bestellung verwendet.
Man wird also nur 15 Millionen Arbeitstage zu verausgaben haben, um dieser Bevölkerung von 3 600 000 Einwohnern das Brot zu schaffen. Und die Art der Arbeit wird obendrein eine derartige sein, daß sie jeder verrichten kann, auch wenn er über keine Muskeln von Stahl verfügte und nie vorher Feldarbeit verrichtet hätte. Die Initiative und die allgemeine Verteilung der Arbeiten werden von denen ausgehen, welche die Bedürfnisse des Bodens kennen. Was die Arbeit selbst anbetrifft, so gibt es keinen Pariser und keine Pariserin, die so degeneriert wären, daß sie nicht nach einigen Stunden Lehrzeit die Maschinen überwachen oder ihren Teil Feldarbeit leisten könnten.
Wenn man nun bedenkt, daß es in dem gegenwärtigen Chaos, ohne die Müßiggänger der „oberen“ Klassen zu rechnen, gegen 100 000 den verschiedensten Berufen angehörige Menschen gibt, die fast ständig arbeitslos sind, so sieht man, daß die Arbeitskraft, die in unserer gegenwärtigen Organisation verloren geht, allein genügen würde, um bei einer rationellen Kultur das Brot für die 3 oder 4 Millionen Einwohner der beiden Departements zu schaffen.
Wir wiederholen, dies ist kein Roman. Wir haben noch nicht einmal von der wahrhaft intensiven Kultur gesprochen, die noch weit überraschendere Resultate liefert. Wir haben unsere Rechnungen nicht auf jene in 3 Jahren durch Mr. Hallet gewonnenen Getreidemengen aufgebaut. Mittels eines Umpflanzungsverfahrens erzielte er aus einem einzigen Getreidekorn einen Büschel, dessen Halme mehr als 10 000 Körner trugen. Bei derartigen Resultaten könnte man den Lebensunterhalt einer Familie von 5 Personen auf einem Raum von 100 Quadratmetern erhalten. Wir haben nur die Erfolge erwähnt, die schon von zahlreichen Landwirten in Frankreich, England, Belgien, Flandern usw. erzielt worden sind, und die sich, auf Grund der Erfahrungen und Kenntnisse, die man durch die vielfachen praktischen Versuche im Großen gesammelt hat, morgen allgemein verwirklichen ließen.
Aber ohne die Revolution wird dies nicht geschehen. Und zwar: weil die Großgrund- und Kapitalbesitzer kein Interesse daran haben würden, und weil die Bauern, welche davon Nutzen haben würden, weder das Wissen, noch das Geld, noch die Zeit zu den ersten notwendigen Arbeiten besitzen.
Die gegenwärtige Gesellschaft ist nicht dazu berufen. Mögen die Pariser nur die anarchistische Kommune erklären, – dann werden sie dazu gelangen müssen. Sie werden nicht die Torheit besitzen, bei der Fabrikation von Luxusspielsachen (welche Wien, Warschau und Berlin schon ebenso gut herstellen) zu verbleiben, und sie werden sich nicht der Gefahr aussetzen, ohne Brot zu bleiben.
[164] Uebrigens wird auch die Feldarbeit, erleichtert durch die Maschine bald eine der angenehmsten und freudigsten aller Beschäftigungen werden.
Genug der Juwelierarbeit! Genug des Ankleidens niedlicher Puppen! Man wird in der Feldarbeit sich zu stählen suchen, in ihr Kraft und natürliches Fühlen, kurz die „Lebensfreude“ zu finden wissen, die man in den finsteren Werkstätten der Vorstädte verloren hat.
Im Mittelalter verdankten die Schweizer viel mehr den Matten der Alpen, als den Arquebusen ihre Befreiung von den Grafen und Königen. Der modernen Landwirtschaft wird die revoltierende Stadt die Befreiung von den vereinigten Bourgeoisien zu danken haben.
III.
Wir haben gesehen, wie die 3½ Millionen Einwohner der beiden Departements (Seine und Seine-et-Oise) reichlich das nötige Brotgetreide gewinnen würden, wenn sie nur ein Drittel ihres Territoriums kultivierten. Gehen wir jetzt zu dem Schlachtvieh über.
Die Engländer, die viel Fleisch essen, konsumieren eine durchschnittliche Quantität von weniger als 100 Kilogramm pro Erwachsenen und pro Jahr, und unter der Voraussetzung, daß alles konsumierte Fleisch Rindfleisch wäre, würde dies etwas weniger als ein Drittel eines Rindes ausmachen. Ein Rind gäbe im Jahre also für 5 Personen eine genügende Quantität Fleisch. Für 3½ Millionen Einwohner würde dies einen jährlichen Konsum von 700 000 Haupt Rindvieh bedeuten.
Bei dem heutigen Weidesystem gebraucht man – schlecht gerechnet – 2 Millionen Hektare, um 600 000 Haupt Schlachtvieh ernähren zu können.
Auf sehr mäßig mittels Quellwasser bewässerten Wiesen (eine solche Bewässerung hat man kürzlich für Tausende von Hektaren im Südwesten von Frankreich geschaffen) genügen aber schon 500 000 Hektare für die gleiche Anzahl. Wenn man aber die intensive Kultur anwendet, wenn man Futterrüben pflanzt, so bedarf man ein Viertel dieses Raumes, d. h. 125 000 Hektar. Und wenn man dann noch seine Zuflucht zu Mais nimmt und wie die Araber das Siloverfahren[WS 3] anwendet, so gewinnt man das gesamte notwendige Futter auf einer Fläche von 88 000 Hektaren.
In der Umgebung von Mailand, wo man das Kloakenwasser zur Bewässerung der Wiesen benutzt, erhält man auf einer Fläche von 9000 Hektaren pro Hektar das Futter für 4–6 Haupt Rindvieh; und auf einigen besonders begünstigten Stellen erntet man auf dem Hektar bis zu 45 Tonnen Heu, was zum Füttern von 9 Milchkühen während eines ganzen Jahres genügen würde. Drei Hektar pro Haupt Rindvieh bei dem jetzigen Weidesystem, und neun Ochsen oder Kühe auf einem Hektar – das sind die Extreme der heutigen Landwirtschaft.
Auf der Insel Guernesey sind von 4000 Hektaren unter Kultur fast die Hälfte (1900 Hektar) dem Getreide- und Gemüsebau unterworfen und 2100 Hektar sind allein für Wiesen übrig. Auf den 2100 Hektaren ernährt man 1480 Pferde, 7260 Haupt Rind, 900 Hammel und 4200 Schweine, was pro Hektar schon mehr als 3 Haupt Rindvieh ausmacht, ungerechnet [165] der Pferde, Hammel und Schweine. Es ist unnütz, hinzuzufügen, daß die Fruchtbarkeit des Bodens durch Anwendung von Tang und künstlichem Dünger hervorgerufen worden ist.
Kommen wir jetzt auf unsere 3½ Millionen Einwohner der Kommune Paris zurück, so sieht man, daß die Oberfläche, die zum Aufziehen des Schlachtviehs notwendig ist, von 2 Millionen Hektar auf 88 000 herabsinkt. Nehmen wir nun aber nicht die niedrigsten Ziffern, sondern diejenigen der durchschnittlichen intensiven Kultur; fügen wir noch das Terrain hinzu – und seien wir nicht karg – welches für das Aufziehen des Kleinviehs, das einen großen Teil des Hornviehs ersetzt, erforderlich ist, und rechnen wir 160 000 Hektar, ja 200 000 Hektar, wenn man es verlangt, für das Aufziehen von Schlachtvieh. Nach der Versorgung der Bevölkerung mit Brot blieben uns immer noch 410 000 Hektar.
Seien wir großmütig und rechnen wir 5 000 000 Arbeitstage, um diesen Raum in der gewünschten Weise produktiv zu machen.
Nachdem wir also während eines Jahres 20 Millionen Arbeitstage (davon die Hälfte für dauernde Verbesserungen) aufgewendet haben, werden wir vollkommen für Brot und Fleisch gesorgt haben. Nicht einbegriffen ist dabei das Fleisch, das man zur Abwechselung in Form von Geflügel, gemästeten Schweinen, Kaninchen usw. ißt. Wir haben dabei nicht einmal ein Anschlag gebracht, daß eine Bevölkerung, die mit ausgezeichneten Gemüsen und Früchten versehen ist, viel weniger Fleisch als die Engländer, welche ihre schmale Pflanzenkost durch starke Fleischnahrung ergänzen, konsumieren würde. Doch wieviel würde bei 20 Millionen Arbeitstagen à 5 Stunden auf den einzelnen Einwohner von Paris entfallen? Eine Kleinigkeit in Wahrheit. – Eine Bevölkerung von 3½ Millionen muß mindestens 1 200 000 erwachsene arbeitsfähige Männer und ebensoviele Frauen aufweisen. Um den Brot- und Fleischkonsum Allen zu sichern, genügten demnach pro Person 17 Arbeitstage im Jahre, wenn man nur die Männer in Betracht zieht. Füget noch 3 Millionen Arbeitstage hinzu, um die nötige Milch zu erhalten. Rechnet so hoch, wie ihr wollt, die Summe erreicht nie eine Zahl von 25 Arbeitstagen à 5 Stunden – ein Leichtes, ein Amüsement auf den Feldern – um zu den drei vornehmlichsten Produkten: Brot, Fleisch und Milch zu gelangen. Ihr Erwerb bedeutet heute nur für 9 Zehntel der Menschheit eine geradezu unerträgliche Arbeitslast, eine fast ebenso große, als für die Beschaffung der Wohnung erforderlich ist.
Und dennoch – werden wir nicht müde, es zu wiederholen – wir haben mit diesen Ziffern keinen Roman geschrieben. Wir haben nur berichtet, was besteht, was schon in großem Maßstabe verwirklicht ist, was schon die Sanktion durch die Praxis erhalten hat. Die Landwirtschaft könnte morgen in dieser Weise reorganisiert werden, wenn dem nicht die Eigentumsgesetze und die allgemeine Ignoranz im Wege ständen.
An dem Tage, wo Paris begriffen haben wird, daß die Kenntnis dessen, was man ißt und wie man dies produziert, eine Frage von öffentlichem Interesse ist; an dem Tage, wo Jedermann eingesehen hat, daß diese Frage unendlich viel wichtiger ist, als die Debatten im Parlament oder im Stadtrat, – an diesem Tage wird die Revolution geschlagen sein, Paris wird von den Feldern der beiden Departements Besitz ergreifen [166] und wird sie in Bewirtschaftung nehmen. Und nachdem man während seines ganzen Lebens ein Drittel seiner Zeit geopfert hat, um eine ungenügende und schlechte Nahrung zu gewinnen – wird der Pariser sie dann selbst produzieren am Fuße seiner Mauern, innerhalb des Bereichs der Forts (wenn diese dann noch existieren sollten), und zwar im Verlaufe einiger Stunden anziehender und gesunder Arbeit.
Jetzt fehlen noch die für den Bedarf notwendigen Früchte und Gemüse. Verlassen wir die Tore von Paris und besuchen wir eines jener Etablissements für Gemüsekultur, die einige Kilometer von den Akademien entfernt liegen und Wunder verrichten, von denen die dort hausenden ökonomischen Weisen sich nichts träumen lassen. Treten wir z. B. einmal bei Mr. Ponce, dem Autor eines der erwähnten Werke über Gemüsekultur, ein. Er macht keineswegs ein Geheimnis aus seinen Erträgen. Im Gegenteil, er hat uns des längeren davon erzählt.
Monsieur Ponce und namentlich seine Arbeiter arbeiten wie die Neger. Es sind ihrer 8, um ein wenig mehr als einen Hektar (11 Zehntel Hektar) zu kultivieren. Sie arbeiten sicherlich 12–15 Stunden täglich, d. h., dreimal mehr, als nötig wäre. Ihrer 24 wären nicht zu viel für diese Arbeit. Auf eine derartige Bemerkung würde uns Monsieur Ponce wahrscheinlich entgegnen, daß er zur Ausbeutung seiner Arbeiter gezwungen ist, weil er jährlich die erschreckende Summe von 2500 Francs an Pacht und Steuern für seine 11 000 Quadratmeter Erde und 2500 Francs für den Dünger, den er aus den Kasernen kauft, zahlen muß. „Ausgebeutet, beute ich meinerseits aus“, würde aller Voraussicht nach seine Antwort lauten. Sein Inventar hat ihm auch noch 30 000 Francs gekostet; die Hälfte davon ist ein Tribut an die faulenzenden Industriebarone. Im ganzen repräsentiert sein Inventar höchstens 3000 Arbeitstage – wahrscheinlich noch viel weniger.
Doch sehen wir uns seine Ernten an: 10 000 kg Karotten, 10 000 kg Zwiebeln, Rettige und andere kleine Gemüsesorten, 6000 Köpfe Kohl, 3000 Köpfe Blumenkohl, 5000 Körbe Tomaten, 5000 Dutzend ausgewählter Früchte, 154 000 Köpfe Salat, kurz, ein Gesamtertrag von 125 000 kg Gemüsen und Früchten von 11 Zehntel Hektar, von einem Raum, der 110 m lang und 100 m breit ist. Ein Ergebnis also von mehr als 110 Tonnen Gemüse auf einem Hektar.
Da nun ein Mensch während eines Jahres nicht mehr als 300 kg Gemüse und Früchte ißt, so trägt der Hektar eines solchen Gemüsegärtners soviel Gemüse und Früchte, daß man damit reichlich den Tisch von 350 erwachsenen Personen während eines Jahres versehen könnte. Wenn also 24 Personen während eines Jahres täglich 5 Stunden arbeiten würden, so würden sie genug Gemüse und Früchte für 350 Erwachsene oder, was gleichbedeutend wäre, für wenigstens 500 Einwohner produzieren.
In anderen Worten, bei der Kultur von Ponce würden – und seine Resultate sind schon überholt – 350 Erwachsene etwas über 100 Stunden (103) im Jahre arbeiten müssen, um 500 Personen mit Gemüsen und Früchten zu versehen.
[167] Bemerken wir, daß eine derartige Produktion durchaus keine Ausnahme ist. Sie wird betrieben vor den Mauern von Paris, auf einer Fläche von 900 ha und seitens 5000 Gärtnern. Heute sind diese Gärtner allerdings zum Leben eines Lasttiers verdammt, weil sie eine Durchschnittspacht von 2000 Frcs. pro Hektar bezahlen müssen.
Aber diese Tatsachen, von deren Richtigkeit sich ein Jeder überzeugen kann, beweisen sie nicht, daß 7000 ha (von 210 000 verbleibenden) ausreichen würden, um alle möglichen Gemüse und eine reiche Auswahl an Früchten für die 3½ Millionen Einwohner unserer beiden Departements liefern zu können?
Was die Quantität Arbeit anbetrifft, die zur Produktion dieser Früchte und Gemüse erforderlich ist, so würde sie eine Zahl von 50 Millionen Arbeitstagen à 5 Stunden erreichen (eine Ziffer von 50 Arbeitstagen für den erwachsenen Mann), wenn wir die Arbeitsleistung der Gemüsegärtner zum Maßstab nehmen. Doch wir werden sich diese Quantität sofort reduzieren sehen, wenn man in gleicher Weise verfahren wollte, wie man heute schon in Jersey oder Guernesey verfährt. Wir wollen auch noch daran erinnern, daß der Gemüsegärtner nur deswegen gezwungen ist, solange zu arbeiten, weil er namentlich frühe Gemüse zieht, deren hoher Preis zur Bezahlung seiner fabelhaften Lasten dienen muß, und daß sein Produktionsverfahren mehr Arbeit, als in Wirklichkeit notwendig ist, erfordert. Da er auch nicht über die genügenden Mittel verfügt, um einmalige große Auslagen für die Beschaffung seines Inventars zu machen, so muß er das Glas, das Holz, das Eisen, die Kohle sehr teuer bezahlen; er fordert deswegen vom Dünger die künstliche Wärme, die man mit viel geringeren Kosten durch Kohle und Wärmhäuser erreichen kann.
IV.
Die Gemüsegärtner sind, wie wir sagten, gezwungen, sich zu Arbeitsmaschinen herabzuwürdigen und auf alle Freuden des Lebens zu verzichten, um zu ihren fabelhaften Ernten zu kommen. Doch diese wackeren Arbeiter haben der Menschheit einen immensen Dienst geleistet, indem sie uns lehrten, daß man Erde erzeugen kann.
Sie erzeugen sie mit dem Mist, der dazu gedient hat, den jungen Pflanzen und den Erstlingen die nötige Wärme zu geben. Sie fabrizieren Erde in so großen Quantitäten, daß sie jedes Jahr gezwungen sind, sie teilweise zu verkaufen. Sonst würden sich ihre Gärten jährlich um 2 oder 3 cm erhöhen. Sie fabrizieren deren so viel und so gut, daß (Barral unterrichtet uns darüber im „Dictionnaire d’agriculture“ in dem Kapitel: „Maraichers“) der Gemüsegärtner sich in seinen neuen Kontrakten ausbedingt, seine Erde mit sich zu nehmen, falls er die Parzelle, die er bebaut hat, verläßt. Die Erde, die auf Wagen zugleich mit den Möbeln und den Glasdächern forttransportiert wird – dieses Bild ist die Antwort, welche die praktischen Landwirte auf die Hirngespinste eines Ricardo geben, der in der Grundrente das einzige Mittel zur Ausgleichung der natürlichen Vorteile mancher Bodenarten sah. „Der Boden ist wert, was der Mensch wert ist“ – das ist das Losungswort des Gärtners.
[168] Bei alledem mühen sich indessen die Gemüsegärtner von Paris und Rouen noch dreimal mehr ab, als ihre Kollegen in Guernesey und England, die trotzdem zu den gleichen Resultaten als jene gelangen. Indem diese die Industrie in die Landwirtschaft einführen, erzeugen sie neben der Erde auch noch das Klima.
In der Tat, die gesamte Gemüsekultur ist auf diesen zwei Prinzipien basiert:
1. Unter Glasbedachung zu säen: die jungen Pflanzen in einem üppigen Boden und auf einem beschränkten Raum, wo man sie gut pflegen kann, aufzuziehen; und sie später, wenn sie kräftige Wurzeln entwickelt haben, zu verpflanzen. Zu tun, was man mit dem Vieh getan hat, d. h. ihnen in ihrer Jugend Sorgfalt widmen.
Und 2. um frühzeitige Ernten zu erzielen, den Boden und die Luft zu heizen, zu welchem Zwecke man die Pflanzen mit Glasdächern oder Glocken bedeckt und in dem Boden durch die Gärung des Düngers eine starke Wärme erzeugt.
Das Umpflanzungsverfahren und eine bedingungsweise erhöhte Temperatur, – das ist das Wesen der Gartenkultur, nachdem man einmal den Boden künstlich fabriziert hat.
Wie wir gesehen haben, ist die erste der beiden Bedingungen schon Wirklichkeit geworden und erfordert nur noch einige Vervollkommnungen in den Einzelheiten. Und um die zweite – die Erwärmung der Erde und der Luft – zu verwirklichen, hat man nur den Dünger durch warmes Wasser, das in Metallröhren im Erdboden oder im Inneren von Wärmhäusern zirkuliert, zu ersetzen.
Aber auch dieses hat man schon geleistet. Der Pariser Gemüsegärtner fordert teilweise schon vom „Thermo-Syphon“ die Wärme, die er früher durch den Dünger erzielte. Und der englische Gärtner baut sich heute schon seine Wärmehaus.
Ehemals war das Wärmhaus ein Luxus der Reichen. Man bewahrte darin exotische Zierpflanzen. Heute ist dasselbe zum Volke herabgestiegen. Ganze Hektare sind auf den Inseln Jersey und Guernesey mit Glas überdacht, ohne die Tausende von kleinen Wärmhäusern zu rechnen, welche man auf Guernesey auf jedem Landgut, in jedem Garten antrifft. In der Umgegend von London beginnt man gleichfalls schon, ganze Felder mit Glas zu überdachen und tausende von kleinen Wärmhäusern bevölkern von Jahr zu Jahr die Vorstädte.
Man stellt sie in allen Qualitäten her, von dem Wärmhaus mit Granitmauern bis zu dem bescheidenen Schutzdach, dessen Wände aus Tannenbrettern und dessen Dach aus dünnem Glas besteht und dessen Preis, trotz aller kapitalistischen Blutsauger, pro Quadratmeter nicht mehr als 4 oder 5 Frcs. beträgt. Man heizt sie oder man heizt sie nicht (das Schutzdach allein genügt, wenn man es nicht gerade auf Erstlingsfrüchte absieht); und man läßt hier wachsen – nicht mehr Trauben oder tropische Blumen – sondern Kartoffeln, Karotten, Erbsen und Bohnen.
Man emanzipiert sich auf diese Weise von dem Klima. Man erspart sich die mühsame Arbeit der Mistbeete, man kauft nicht mehr den natürlichen [169] Dünger in großen Massen, dessen Preis mit der wachsenden Nachfrage gewaltig steigt; und man erspart einen großen Teil menschlicher Arbeitskraft. Sieben oder acht Menschen genügen, um einen Hektar unter Glas zu kultivieren und um die gleichen Resultate als bei Monsieur Ponce zu erreichen. In Jersey arbeiten sieben Männer in der Woche nicht ganz 60 Stunden und erzielen auf ganz minimalen Flächen Ernten, die ehemals ganze Hektare erforderten.
Man könnte bezüglich dieses Gegenstandes ganz überraschende Details geben. Beschränken wir uns auf ein einziges Beispiel. Auf Jersey bearbeiten 34 Arbeitsleute und ein Gärtner ein wenig mehr als vier Hektare unter Glasbedachung (setzen wir 70 Männer, die dieser Beschäftigung nur 5 Stunden täglich widmen) und erzielen Jahr ein, Jahr aus folgende Ernten: 25 000 kg Trauben, die man im Mai zu schneiden beginnt, 80 000 kg Tomaten, 30 000 kg Kartoffeln, die im April reifen, 6000 kg Erbsen und 2000 kg Bohnen, die man im Mai schneidet, in Summa 143 000 kg Früchte und Gemüse, ohne eine zweite sehr starke Ernte aus einigen Warmhäusern, oder den Ertrag eines ungeheuren Luxuswarmhauses, oder die Erträge aller Arten kleiner Kulturen, die unter freiem Himmel zwischen den Wärmhäusern erzielt werden, zu rechnen.
143 Tonnen Früchte und Erstlingsgemüse. Von diesen können mehr als 1500 Menschen reichlich während eines Jahres leben. Und dies erfordert nur 21 000 Arbeitstage – oder 210 Arbeitsstunden im Jahr für kaum die Hälfte der Erwachsenen.
Füget noch die Förderung von 1000 Tonnen Kohle (die man jährlich in diesen Wärmhäusern zur Erwärmung der 4 Hektare verbrennt) hinzu. Da die durchschnittliche Förderung bei zehnstündigem Arbeitstag pro Arbeiter 3 Tonnen beträgt, so macht dies einen Zuschuß von 6 bis 7 Stunden im Jahre für jeden der 500 Erwachsenen.
In Summa, wenn nur die Hälfte der Erwachsenen fünfzig halbe Arbeitstage im Jahre für die Zucht von Früchten und Erstlings-Gemüsen verausgabte, so könnte Jedermann während des ganzen Jahres in Hülle und Fülle Luxusfrüchte und Gemüse essen, unter der Bedingung allerdings, daß er sie in Wärmhäusern zieht. Und sie würden außerdem aus den gleichen Wärmhäusern als zweite Ernte den größten Teil der gewöhnlichen Gemüse erzielen, die in den Etablissements des Monsieur Ponce, wie wir sahen, 50 Arbeitstage erforderten.
Wir haben soeben von der Luxuslandwirtschaft gesprochen. Aber wir haben auch schon gesagt, daß die gegenwärtige Tendenz dahin geht, aus dem Wärmhaus einen einfachen Gemüsegarten unter Glasbedeckung zu machen. Und wenn man es in dieser Richtung verwendet, so erreicht man mit ganz einfachen Schutzdächern, während 3 oder 4 Monaten leicht geheizt fabelhafte Gemüseernten: z. B. 450 Hektoliter Kartoffeln pro Hektar als erste Ernte am Ende April. Danach kann man bei genügend gedüngtem Boden fast nach Belieben immer neue Ernten aufgehen lassen, und zwar vom Mai bis Ende Oktober in einer fast tropischen Temperatur, die dann einzig vom Glasschutzdach hervorgerufen wird.
[170] Um heute 450 Hektoliter Kartoffeln zu erzielen, muß man in jedem Jahr eine Fläche von 20 Hektaren oder mehr bestellen und bepflanzen, später die Pflanzen behäufeln, die Unkräuter mit der Hacke beseitigen und so fort. Man weiß, welche Mühe das alles kostet. Mit dem Schutzdach von Glas wird man vielleicht für den Anfang einen halben Tag Arbeit auf den Quadratmeter verwenden. Hat man aber einmal diese erste Arbeit geleistet, so wird man die Hälfte, wenn nicht zwei Drittel an der zukünftigen Arbeit ersparen.
Das sind Fakta, das sind Resultate, die gezeitigt, sicher belegt und weit bekannt sind, von denen sich ein Jeder, sobald er nur jene Kulturen besuchen will, überführen kann. Und diese Fakta geben eine genügende Vorstellung von dem, was der Mensch eigentlich von der Erde erlangen kann, sobald er sie nur mit Intelligenz ausbeutet.
V.
In allen unseren Raisonnements haben wir immer nur auf Voraussetzungen gebaut, die schon Bestätigung gefunden haben und zum Teil schon verwirklicht sind. Die intensive Kultur des Feldes, die Bewässerung der Ebenen durch Kloakenwasser, die Gemüsegartenkultur, endlich der Gemüsegarten unter Glasdach sind Wirklichkeiten. Die Tendenz der modernen Landwirtschaft ist, wie es Leonce de Lavergne[WS 4] vor dreißig Jahren vorhergesehen hatte, die größtmöglichste Reduzierung des zu bebauenden Raumes, die willkürliche Erzeugung der Erde und des Klimas, die Konzentration der Arbeit und die künstliche Vereinigung aller Bedingungen, die für das Leben der Pflanze notwendig sind
Diese Tendenz ist durch den Wunsch gezeitigt worden, große Summen Geldes aus dem Verkauf von Erstlingsgemüsen zu erzielen. Doch als erst einmal die Mittel der intensiven Kultur gefunden waren, verallgemeinerten sie sich und fanden auch auf den Bau der gewöhnlichsten Gemüse Anwendung, weil man durch sie mehr Produkte bei geringerer Arbeit und größerer Sicherheit erlangte.
In der Tat, nachdem wir die einfachen Glasschutzdächer auf Guernesey studiert haben, behaupten wir, daß man, alles gerechnet, viel weniger Arbeit verausgabt, um unter Glasdächern im April Kartoffeln zu erzielen, als man verwendet, um eine Ernte drei Monate später unter freiem Himmel zu erhalten, indem man einen 5 mal so großen Raum umgräbt, ihn bewässert und von Unkraut säubert usw. Es verhält sich ebenso, wie mit der Maschine oder dem Werkzeug. Man spart an Arbeit, wenn man ein vervollkommnetes Werkzeug oder eine vervollkommnete Maschine benutzt, selbst wenn es eines beträchtlichen Arbeitsaufwandes bedarf, um sich das Werkzeug zu beschaffen.
Vollständige Ziffern, die den Bau der gewöhnlichen Gemüsearten unter Glas betreffen, fehlen uns noch. Diese Kultur ist erst jungen Datums und findet erst in kleinen Dimensionen Anwendung. Doch wir haben Ziffern über die Entwicklung einer Kultur, die schon gegen 30 Jahre [171] alt ist, und einen Luxusgegenstand betrifft – den Weinbau. Diese Ziffern lassen weitere Schlüsse zu.
Im Norden Englands, auf der Grenze von Schottland, wo die Kohle an den Oeffnungen der Schachte nur 4 Francs pro Tonne kostet, widmet man sich seit langer Zeit der Weinkultur in Wärmhäusern. Vor dreißig Jahren wurden diese Trauben, die zum Januar reiften, vom Gärtner pro Pfund zu 25 Francs verkauft und man bezog sie damals vom Kaufmann pro Pfund zu 50 Francs für die Tafel von Napoleon III. Heute verkauft derselbe Produzent das Pfund nicht höher als zu 3 Frcs. Er selbst teilt uns dies in einem jüngst erschienenen Artikel eines Journals für Gartenbau mit. Es gibt zu viele Konkurrenten, die Tonnen über Tonnen von Trauben alljährlich nach London und Paris senden, und dank der Billigkeit der Kohle und einer intelligenten Kultur, wächst der Wein im Norden und im Winter und macht – im Gegensatz zu den meisten Früchten – eine Reise nach dem Süden. Im Mai sind die englischen Trauben von Jersey zu 2 Francs und billiger pro Pfund bei den Gärtnern verkäuflich, und selbst dieser Preis hält sich nur wie jener vor 30 Jahren, wenn die Konkurrenz noch verhältnismäßig schwach ist. Im Oktober werden die Trauben, die in immensen Quantitäten in der Umgegend von London gewonnen werden – stets unter Glas, aber mit geringer künstlicher Wärme – zu dem gleichen Preis verkauft, als sie in den Weinbergen der Schweiz oder des Rheins käuflich sind, d. h. für 20–25 Pfg. das Pfund. Und dennoch sind sie noch um zwei Drittel zu teuer, dies in Folge der enormen Bodenpracht, der Kosten des Inventars und der Heizung, auf welche der Gärtner einen horrenden Tribut an den Landeigentümer, den Industriellen und den Zwischenhändler zahlt. Danach könnte man mit vollem Recht sagen, daß es fast nichts kostet, um im Herbst unter der Breite und dem nebligen Klima von London vorzügliche Trauben zu haben. In einer seiner Vorstädte z. B. liefert mir ein kümmerliches Schutzdach aus Glas, das sich an mein Häuschen lehnt und eine Länge von 3 m und eine Breite von 2 m hat, jährlich im Oktober und schon seit 3 Jahren fast 50 Pfund Wein von ganz ausgezeichnetem Geschmack. Der Ertrag rührt von einem einzigen 6jährigen Weinstock her. Mein Schutzdach ist obendrein so mangelhaft, daß es durch dasselbe hindurchregnet. Des Nachts ist die Temperatur unter ihm fast die gleiche, wie die in freier Luft. Es ist klar, daß man nicht heizt, solange man für die Straße heizen soll. Und die Mühen, die er erfordert, sind: das Beschneiden des Weinstockes, das eine halbe Stunde in Anspruch nimmt, und das Heranschaffen einer Karre Mist, die man am Fuße des Stockes umstülpt.
Wenn man andererseits die außergewöhnlichen Mühen, die man dem Wein an den Ufern des Rheins oder des Genfer Sees widmet, abschätzt, die Arbeit, welche der Bau der Steinterassen an den Abhängen, der Transport des Düngers und auch häufig der Erde auf eine Anhöhe von 2–300 Fuß repräsentiert, so gelangt man zu dem Schluß, daß, alles gerechnet, die Arbeit, welche die Kultur des Weins in der Schweiz und an den Ufern des Rheins erfordert, beträchtlich höher ist, als die, welche sich unter Glasbedachung in den Vorstädten von London als nötig erweist.
[172] Dieses erscheint für den ersten Augenblick paradox, weil man im allgemeinen annimmt, daß der Wein im Süden Europas von selbst wächst und die Arbeit des Winzers nichts kostet. Die Gemüse- und Obstgärtner sind auch weit entfernt, uns dies zu bestreiten, sie bestätigen sogar unsere Behauptungen. „Die vorteilhafteste Kultur Englands ist der Weinbau“, sagt ein praktischer Gärtner, der Redakteur des englischen „Journals für Gartenbau“. Uebrigens haben auch die Preise, wie man weiß, ihre Sprache.
Deutet man diese Tatsachen für den Kommunismus, so kommen wir zu dem Resultat, daß ein Mann oder eine Frau, die von ihrer Muße im Jahre 20 Stunden darauf verwenden, um 2 oder 3 Weinstöcke, die unter einem Glasdach (ganz gleich, in welchem Klima Europas) gepflanzt sind, zu pflegen – eine keineswegs unangenehme Mühe – soviel ernten werden, als man in ihrer Familie oder ihrem Freundeskreis während eines Jahres verzehren kann. Und dieses trifft nicht allein für den Wein zu, sondern auch für die Früchte aller akklimatisierten Obstarten.
Eine Kommune, welche die Errungenschaften der Kleinkultur im großen anwendet, wird alle möglichen Gemüse, einheimische wie ausländische, und alle erwünschten Früchte haben, ohne dafür je mehr als 10 Arbeitsstunden pro Jahr und pro Einwohner zu verausgaben.
Das sind Tatsachen, die man schon morgen zur Wahrheit machen kann. Es genügte dazu, daß eine Gruppe von Arbeitern während einiger Monate die Produktion gewisser Luxusgegenstände aufgäbe und ihre Arbeit auf die Umgestaltung von 100 Hektaren der Ebene von Gennevilliers in eine Reihe von Gemüsegärten verwendete (jeder mit seinem Wärmhaus für Sämereien und junge Pflanzen ausgestattet) und außerdem zur Erzielung der Luxusfrüchte noch 50 Hektar mit ökonomisch eingerichteten Wärmehäusern versähe und die Sorge für alle Details der Organisation den Gemüsegärtnern und Obstzüchtern von Fach überließe.
Wenn man mit dem Durchschnittsresultat von Jersey rechnet, wo die Kultur eines Hektars unter Glasdach die Arbeit von 7 bis 8 Mann erfordert – was weniger als 24 000 Arbeitsstunden im Jahre ausmacht, – so würde die Unterhaltung dieser 150 ha jährlich ungefähr 3 600 000 Arbeitsstunden erfordern. Hundert Gärtner von Fach brauchten dieser Aufgabe täglich nur 5 Stunden zu widmen, – alles übrige könnte von Leuten besorgt werden, die, ohne Gärtner von Profession zu sein, den Spaten, den Rechen, die Bewässerungspumpe zu handhaben oder einen Heizofen zu überwachen verstehen.
Diese Arbeit würde, niedrig gerechnet – wir haben es im vorigen Kapitel gesehen – alles Notwendige und allen möglichen Luxus an Früchten und Gemüsen für 75 000 oder gar 100 000 Personen ergeben. Nimmt man an, daß es in dieser Zahl 36 000 Erwachsene gäbe, die eine Zeitlang in einem Gemüsegarten zu arbeiten verlangten, so würde Jeder 100 Stunden, die über ein ganzes Jahr zu verteilen sind, darauf zu verwenden haben. Diese Arbeitsstunden würden Stunden der Erholung werden, verbracht mit Freunden, mit den Kindern, in herrlichen Gärten, schöneren wahrscheinlich, als denen der sagenhaften Semiramis.
[173] Das ist die Bilanz der Mühen, denen man sich zu unterziehen hätte, um nach Gefallen von den Früchten zu essen, deren wir uns heute berauben müssen, und um alle Gemüse im Ueberfluß zu haben, welche die Hausfrau heute so ängstlich zumißt, weil sie der Sous gedenken muß, mit denen sie den Industriellen und den blutsaugerischen Grundbesitzer bereichern soll.
Wenn die Menschheit doch nur das Bewußtsein dessen hätte, was sie vermag, und wenn ihr dieses Bewußtsein doch nur die Kraft zum Wollen gäbe!
Wenn sie nur wüßte, daß die Trägheit des Geistes die Klippe ist, an der alle Revolutionen bis zum heutigen Tage gescheitert sind.
VI.
Man sieht klar die neuen Horizonte, die der kommenden sozialen Revolution eröffnet sind.
Jedesmal, wenn wir von Revolutionen sprechen, furcht der ernsthafte Arbeiter, der seine Kinder einst ohne Brot gesehen hat, die Stirn und wiederholt uns: – „Und das Brot? – Wird man nicht dessen ermangeln, wenn Jedermann nach Verlangen essen kann? Und wenn das flache Land, unwissend, von der Reaktion bearbeitet, die Stadt aushungert, wie es die schwarzen Banden im Jahre 1793 getan haben? Was wird dann werden?“
Möge es das flache Land nur versuchen! Die Großstädte werden des flachen Landes entbehren können.
Welcher Mühe sollten sich jene Hunderttausende von Arbeitern, die heute in den kleinen Werkstätten und Manufakturen dahinsiechen, an dem Tage widmen, wo sie ihre Freiheit erlangen? Werden sie auch nach der Revolution in ihren ungesunden Arbeitsräumen hocken? Werden sie fortfahren, Luxusspielsachen für den Export zu produzieren, zu einer Zeit, wo sie sehen, daß das Getreide ausgeht, das Fleisch rar wird, das Gemüse aufgebraucht wird, ohne durch neues ersetzt zu werden?
Offenbar nein! Sie werden die Stadt verlassen, sie werden auf die Felder ziehen! Unterstützt von der Maschine, die selbst den Schwächsten unter uns gestattet, mit Hand anzulegen, werden sie die Revolution in die Landwirtschaft einer sklavischen Vergangenheit tragen, ebenso wie sie dieselbe in die Institutionen und in die Ideen getragen haben.
Dann werden sich Hunderte von Hektaren mit Wärmhäusern bedecken, und Mann und Weib werden daselbst die jungen Pflanzen mit behutsamen Fingern pflegen. Dort werden andere Hunderte Hektare mit dem Dampfschälpflug bestellt und mittels Düngers oder künstlicher Erde, die man aus der Pulverisation von Felsen gewonnen, verbessert werden. Legionen freudiger gelegentlicher Feldarbeiter werden auf diesen Hektaren eine bienenhafte Tätigkeit entfalten, geleitet, geführt bei ihrer Arbeit und bei ihren Versuchen zum Teil von denen, die der Landwirtschaft kundig sind, hauptsächlich aber durch den großen und praktischen Geist eines Volkers, das von einem langen Schlummer erwacht ist und welchem der Weg von jener herrlichen Leuchte erhellt und gewiesen wird – und vom Glücke Aller.
[174] Und in zwei bis drei Monaten werden frühzeitige Ernten aufsprießen, und die dringendsten Bedürfnisse lindern und ein Volk mit Nahrung versehen, welches nach so vielen Jahren Harrens endlich einmal seinen Hunger stillen und nach seinem Appetit essen kann.
Unterdessen wird der Erfindungsgeist des Volkes, der Erfindungsgeist eines Volkes, das sich empört und seine Bedürfnisse kennt, daran arbeiten, der Landwirtschaft neue Mittel zugänglich zu machen, die man heute schon am Horizont gewahrt und welche nur noch des Prüfsteins des experimentellen Versuchs bedürfen, um verallgemeinert zu werden. Man wird Versuche anstellen mit dem Licht – jenem verkannten Agens der Landwirtschaft, welches unter der Breite von Jakutsk die Gerste in 45 Tagen reifen läßt: in konzentrierter oder künstlicher Form wird das Licht einst noch mit der Wärme rivalisieren, um das Wachstum der Pflanzen zu beschleunigen. Ein Mouchot der Zukunft wird dann die Maschine erfinden, welche die Sonnenstrahlen leiten und arbeiten lassen wird, ohne daß man nötig hätte, die Wärme in den Tiefen der Erde, wie sie in der Kohle aufgespeichert liegt, zu graben. Man wird Versuche anstellen, um den Böden mit Kulturen von Mikroorganismen zu bevölkern – eine so rationelle, erst kürzlich geborene Idee, welche den Boden mit jenen kleinen Lebewesen versehen würde, deren die Pflanze so nötig bedarf, sei es als Nahrung für die Wurzelzellen, sei es, um den Boden in seine Bestandteile zu zerlegen und diese den Pflanzen zu assimilieren.
Man wird versuchen. . . . doch halt, gehen wir nicht weiter, betreten wir nicht das Gebiet des Romans. Bleiben wir in der Wirklichkeit der bestätigten Tatsachen. Mit den Verfahren, die heute schon in der Landwirtschaft in Gebrauch stehen, die heute schon als Sieger aus dem Kampfe gegen die Handelskonkurrenz hervorgegangen sind, können wir uns bei einer angenehmen Arbeit Wohlergehen und Luxus schaffen. Die nächste Zukunft wird zeigen, was Praktisches an den Eroberungen ist, welche die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen uns erhoffen lassen.
Beschränken wir uns gegenwärtig nur darauf, den neuen Weg, bestehend im Studium der Bedürfnisse und der Mittel ihrer Befriedigung, anzudeuten und anzubahnen.
Das einzige, was der Revolution fehlen könnte, wäre die Kühnheit der Initiative.
Abgestumpft durch unsere Schulinstitutionen, geknechtet in der Vergangenheit von der Wiege bis zum Grabe, wagen wir überhaupt kaum zu denken. Handelt es sich um eine neue Idee, so suchen wir uns nicht selbst eine Meinung zu bilden, sondern fragen gewöhnlich erst alte Scharteken um Rat, um zu sehen, was die alten Meister darüber gedacht haben.
Wenn nicht die Kühnheit des Gedankens und die Initiative der Revolution fehlen, so werden es auch nicht die Lebensmittel sein, welche mangeln.
Von allen großen Tagen der großen Revolution war der schönste und großartigste jener Tag – welcher auch stets den Geistern am festesten [175] eingeprägt bleiben wird – an dem die Föderierten, von allen Seiten herbeigeeilt, den Boden des Marsfeldes zur Feier ihres Festes zurichteten.
An diesem Tage war Frankreich eins; beseelt von einem neuen Geiste, ahnte es, sah es die Zukunft – welche sich vor ihm in gemeinschaftlicher Arbeit auf den Feldern eröffnete.
Und in der gemeinschaftlichen Arbeit auf dem Felde werden auch die befreiten Gesellschaften ihre Einheit wiederfinden und den Haß und die Verachtung begraben, welche sie bis jetzt gespalten.
Da in der neuen Gesellschaft die Solidarität, diese immense Kraft, welche die Energie und die schöpferischen Kräfte des Menschen verhundertfacht, Platz findet – so kann sie mit der ganzen Frische der Jugend an die Eroberung schreiten.
Da sie aufhört, für unbekannte Käufer zu produzieren, und die Bedürfnisse und Geschmacksrichtungen in ihrem eigenen Schoße zu befriedigen sucht, wird eine solche Gesellschaft einem jeden ihrer Mitglieder reichlich das Leben und den Wohlstand sichern und zu gleicher Zeit die moralische Genugtuung bieten, welche die frei gewählte und frei verrichtete Arbeit und die Freude, leben zu können, ohne in das Leben Anderer störend einzugreifen, gewährt. Inspiriert von einer neuen Kühnheit, welche in dem Gefühl der Solidarität ihre Nahrung findet, werden dann Alle gemeinsam an die Eroberung der hohen Genüsse des Wissens und der künstlerischen Schöpfung gehen.
Eine derartig begeisterte Gesellschaft wird weder Zwistigkeiten im Inneren, noch äußere Feinde zu fürchten haben. Den Koalitionen der Vergangenheit wird sie ihre Liebe für die neue Ordnung, die kühne Initiative eines Jeden und Aller, nötigenfalls ihre Kraft, die durch das Erwachen ihres Erfindungsgeistes zu einer herkulischen geworden, entgegenstellen.
Vor dieser unwiderstehlichen Kraft vermögen die „verbündeten Könige“ nichts. Sie werden sich nur vor ihr zu beugen haben, und sich dem Wagen der Menschheit anschließen müssen, der neuen Horizonten, eröffnet von der sozialen Revolution, entgegeneilt.