Die Dresdner Kunstausstellung
Die Ausstellung steht nun in ihrer vollen Blüthe. Es ist in der That ein gar seltsamer Tulipanen-Flor. Man kann sich nichts schreiender und bunter denken. Freilich könnte wohl eine dem Auge wohlthuendere Anordnung gemacht seyn; allein wo dann den Platz hernehmen für so vieles, das doch auch gesehen seyn will, und wenn es auch nur Schüler- und Anfängerarbeiten sind, doch nicht ausgeschlossen werden darf und soll. Es ist eine königliche Anstalt. Der König gibt das Local und die Unkosten und den Gehalt für alles, was zur Akademie gehört. Mit unbeschreiblicher Nachsicht und Geduld stellt dann der ehrwürdige Jubelgreis, wenn er gegen Ende der Ausstellungszeit, umringt von allen Gliedern der königlichen Familie, diese Ausstellung zu besuchen kommt, in der Mitte sämmtlicher Professoren, Lehrer und Akademiemitglieder, die dann ihren großen Courtag feiern, alle Versuche und Leistungen an, eilt keinem vorbei, würdigt auch das Geringste seines Blickes. Dies sollten die Zuschauer, besonders die Fremden, die doch immer nur Gaste sind, (die 2 Gr. Entrée sind ja offenbar kein Legegeld zu nennen, sondern nur zu Erhaltung der Ordnung eingeführt,) wohl bedenken! Manches voreilige und einseitige Urtheil würde dann ganz unterdrückt oder wenigstens sehr gemildert werden.
Zu den 592 Nummern des Verzeichnisses wird so eben noch ein Anhang gedruckt. Manches einzelne kommt wohl auch noch nach, wie man denn z. B. von einem Porträt der Königin spricht, in ganzer Figur, von einem Dilettanten gemalt, der aber mit seinem Pinsel so geschickt umzugehen, und so gut zu treffen weiß, daß er viele Künstler, welche die volle Schule haben, hinter sich läßt. Es soll, wenn es wirklich noch zur Ausstellung kommt, davon auch die Rede seyn. Schon nach den ersten Tagen waren die im Verzeichniß bereits angekündigten Porträts im Professorzimmer sämmtlich aufgestellt. Seit einigen Tagen ist auch das letzte der Art vom Prof. Rößler angekommen, ein Kniestück, den seit 2 Jahren hier in Dresden lebenden Dichter Tiek mit ungemeiner Wahrheit und charakteristischer Eigenthümlichkeit brav darstellend. Die Ruhe, die auf diesem Gesichte ruht, ist unbeschreibbar. Im Blick und in der Lippenbewegung erscheint der Phantasus, der hinter dieser breiten Stirn so herrlich gestaltet sein Wesen treibt. Die Bewegung der Finger an der rechten Hand, die auf einem Tisch ruht, zeigt den mit Ueberredung und siegreich seinen Beweis führenden Sprecher. Es kömmt uns vor, als habe er eben eine seiner unvergleichen Verlesungen aus seinem Shakespeare vollendet, und unterhalte sich nun noch darüber mit dem erlesenen Kreise, denen eine solche Vorlesung den höchsten Genuß gewährt. Das zweite Bild Rößler’s gibt das Porträt des dänischen Landschaftsmalers und Mitgliedes der hiesigen Akademie Dahl, welcher eben jetzt zu sehr ungünstiger Zeit über die Alpen gereiset ist, und bald zurück erwartet wird. Auch dies Bild verbindet sprechende Aehnlichkeit mit charakteristischem Ausdruck, läßt aber im Fleiß der Ausführung vieles vermissen. Die Umgebung zeigt Landschaft. Dahl hat einen Felsenvorsprung erklettert und stutzt sich auf einen jungen Baumstamm, am zur Ueberschau zu gelangen. Das Landschaftliche, sagt Man, habe Dahl selbst hinzugemalt. Sein Himmel ist es wenigstens, denn da ist’s nordisch kalt. Es sind 8 Landschaften von Dahl in diesem Zimmer. Ein sehr großes Bild, einen vielfach gebrochenen Wassersturz in der wildesten Naturumgebung vorstellend. Man könnte, wenn man ihn in der Mitte durchschnitt, füglich zwei ganz getrennte Bilder daraus machen. Dahl componirt und arbeitet aber viel zu schnell. Bei seiner unerschöpflichen Phantasie und Begier, diese so schnell als möglich auf der Leinwand zu verkörpern, droht ihr große Gefahr eine bloße Skizze zu werden. Von der schönsten Ausführung ist eine Ansicht von Dresden von Neudorf herauf. Wenigen gefällt seine Darstellung der Aussicht von der Bastei. Das herrliche Silberbad, der herrliche Strom, welcher in dieser mit Felswänden umschlossnen, paradiesisch grünenden und in entzückender Mannigfaltigkeit in 4 Horizontlinien sich aufthürmenden Landschaft die Hauptzierde ist, erscheint wie ein schmutziger, verlängerter Wasserkübel darin. Das Gegentheil von dieser Arbeit und Composition sind des Altmeisters Klengel und seines Schülers K. G. T. Faber Landschaften. Da vereinigt sich die fleißigste Ausführung mit Wahrheit. Vorzüglich gefällt vom letzten eine Scene aus dem großen Garten, diesem Lieblingsort für die Morgen - und Abendlustwandler in jeder Jahreszeit. Das ist Natur! Um von den Porträts in diesem Saale nur noch einiges zu erwähnen; so hat nun auch Professor Matthiä drei schöne Bildnisse aufgestellt. Das eine in voller Lebensgröße stellt mit sprechendem Ausdruck einen in Leipzig sich aufhaltenden geistreichen Ausländer aus dem Norden vor. Es ist ein sehr gelungenes Bild mit großer Kunst vollendet. Nur scheint der treffliche Künstler, indem er die Farben möglichst in Harmonie zu bringen sucht, den Mantel, den der an eine Felswand angelehnte denkende Mann zum Theil um sich geschlagen hat, in der Färbung gar zu wenig von dem Granitblocke, an dem er sich lehnt, unterschieden zu haben. Von unbeschreiblicher Wahrheit ist das Porträt des ehrwürdigen Veterans des Buchhandels, Crusius, von demselben Meister. Diese Ruhe nach der Arbeit ist zufriedenes Selbstbewußtseyn, nicht vergeblich gelebt zu haben, dies ganz charakteristische Wesen des Alten spricht uns mit regem Zauber an. Aber die Aussicht durch’s Fenster tritt vielleicht nicht genug zurück. Matthiä ist ein vollendeter, akademischer Zeichner, zu dem sich die Akademie wahrhaft Glück wünschen kann, und der stets treffliche Schüler bildete. Wohl möglich, daß der Trieb nach möglichster Richtigkeit und Bestimmtheit zumal die Haltung und Verschmelzung der Töne in den Hintergründen ein wenig beeinträchtigt. Ein drittes weibliches Porträt ist gleichfalls ein Meisterstück seines kräftigen Pinsels.