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Die Deutschen in Valparaiso

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Textdaten
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Titel: Die Deutschen in Valparaiso
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 234, 235
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[234] Die Deutschen in Valparaiso. Chili’s Hauptseehandelsstadt bebeherbergt Fremde aller Zungen, darunter auch deutsche und französische, und darum schlug selbst bis an das ferne Gestade des stillen Oceans der Krieg der beiden Nationen in Europa seine Sturmwellen. Leider ist auch dort das Bild der französischen „Revanche“ für die Niederlagen daheim ein sehr unerquickliches, aber ebenso wenig erhebend ist die von der deutschen Vertretung geübte Nachgiebigkeit gegen das übermüthige Gebahren der Franzosen. Hören wir, was in einem unterm 8. Januar d. J. von acht deutschen Landsleuten (je zwei Herren Brandt und von der Burg, sowie die Herren Renken, Dancke, Linau und Rademacher) an die Redaction der Gartenlaube gerichteten Schreiben darüber mitgetheilt ist.

Am 11. December 1870 feierte der Chef eines dortigen Handelshauses, Herr Garbe, seine silberne Hochzeit. Zur Verherrlichung des Tages hatten dem Hause befreundete Schiffscapitäne ein Flaggenschiff hinter Herrn Garbe’s Waarenlager gelegt. Da aber am Abend vorher die Nachricht von der Schlacht bei Sedan in Valparaiso angekommen war, so erklärte der Befehlshaber des dort stationirten französischen Kriegsschiffes die deutschen Flaggen für Siegeszeichen und drang bei dem chilenischen Intendanten, dem höchsten Regierungsbeamten der Stadt, auf die sofortige Beseitigung derselben. Von diesem Anspruch wurde eiligst der deutsche Consul in Kenntniß gesetzt, der auch nichts Eiligeres zu thun hatte, als durch seinen Secretär Koch Herrn Garbe die schleunigste Entfernung der Flaggen [235] befehlen zu lassen. Um nicht seinem Familienfest sehr mögliche Störungen zu bereiten, gab Herr Garbe dem Verlangen ohne Widerstand nach.

Man sollte nun denken, die eine Rücksicht wäre – unter gebildeten Nationen – der anderen werth. Anders dort. Plötzlich gefällt es einem Buchhändler in der belebtesten Straße der Stadt, der Calle del Cabo, ein Schmähbild auf Kaiser Wilhelm, den Reichskanzler und Moltke auszuhängen. Empört über die Verhöhnung, die man damit sich vor der hiesigen und anderen fremden Bevölkerung gegen die Deutschen erlaubt, forderten diese nun ihren Generalconsul Pius auf, die Beseitigung des Schmähbildes zu veranlassen. Diesmal war’s jedoch etwas Anderes. „Carricaturen seien straffrei,“ hieß es – „wer etwas auf sich halte, müsse solche Sachen mit Stillschweigen übergehen,“ wurden die deutschen Bürger belehrt und ihnen ihr verrathenes Gelüste, das Schmähbild dem Reichskanzleramt zu übersenden, mit der Deutung verwiesen, daß dazu denn doch erst „die Vermittelung des Ministerresidenten in Santiago“ gehöre.

So müssen denn die Deutschen den französischen und sonstigen Hohn über sich ergehen lassen und die Faust in der Tasche machen, fast wie zu des seligen Bundestags Zeiten.

So weit die Mittheilung. Wir gestehen, daß auch wir hier ein großes Gewicht auf die französische Carricaturen-Kinderei nicht legen – ein um so größeres jedoch auf die Erscheinung, daß der Deutsche draußen sich als Deutscher fühlt, und aus Ehrgefühl für das Reich nicht die geringste Unbill mehr dulden will.

Dieses Gefühl sollte allerdings von Reichswegen gepflegt werden, und ebendeßwegen ist es ebenfalls ein Aergerniß der Deutschen in Chili, daß in der Hafenstadt Concepcion, wo sehr tüchtige deutsche Männer wohnen, noch jetzt der deutsche Consul ein Engländer ist.