Die Burgfrau von Hauenstein
I.
Von der Burg zu Hauenstein
Zieht der Herr hinab zum Jagen,
Läßt im Haus die Frau allein,
Ohn’ ihr seinen Gruß zu sagen.
Fort und fort auf raschem Pferde,
Ob sich in der Morgengluth
Nicht sein Gram verlieren werde.
Von dem Schloß treibt’s ihn davon,
Lange, lange wünscht er schon,
Daß er nimmermehr sie sähe.
Und so will[1] er auf die Birsch,
Fängt der Tag kaum an zu grauen,
Keine Fährte sey zu schauen.
Zieht er fort, steht gleich erfreut
Seine Frau auf hoher Zinne,
Spähend, ob geneigt die Zeit
So auch schaut sie jetzt in’s Thal,
Reich geschmückt in Gold und Seide:
„Kehrt zu bald nicht, Herr Gemahl,
Zum Verdruß mir und zum Leide!“
Spricht sie lachend, spött’scher Weise:
„Ist die Katze einmal fort,
Tanzen hopsa! gleich die Mäuse.“
Darauf öffnet sie die Thür,
Und ein Knecht tritt ein zu ihr,
Wohlberedt, ein feiner Knabe.
Sicher sind sie vor Verrath,
Lauscher hegt nicht das Gebäude,
Scheinen züchtig wieder Beide.
Hoch in’s Fenster doch herein.
Schaut der Wald mit tausend Zweigen,
Schüttelnd sich, als spräch’ er: nein!
Durch die schmucke Halle hin,
Ungefragt die Lüfte jagen;
Weib, sei keine Buhlerin!
Scheinen mahnend sie zu sagen.
Unten tief des Rheines Wogen,
Schauen wollen sie nicht mehr,
Wie da Treubruch wird gepflogen.
Doch nicht stören läßt sie sich,
Aber wirst, o Lied, du dich
Auch so freudig für sie schließen? –
II.
Kühn empor aus Felsengrunde
Steigt die Veste Hauenstein,
Unten liegt in halber Runde
Dran das Städtchen still und klein.
Hinten an dem Schlosse stehn,
Will der Kühnste nicht versuchen,
In die Nähe hinzugehn.
Und an sonnighellen Tagen
Schallt es durch den Wald, wie Klagen,
Aus der Felsen tiefstem Grund.
Und wo licht der Wald sich findet,
Bietend freies Lager dar,
Sich ein riesig Schlangenpaar.
Und sie dehnen und sie strecken
Schillernd sich im Sonnenlicht,
Wer es wagt, sie aufzuwecken,
Hoher Preis ist längst geboten,
Welchem es gelingen kann,
Dies Gewürme auszurotten,
Das viel Unheils schon gethan.
Einer armen Wittwe Sohn,
Daß der kranken Mutter Klagen
Stillen mag der reiche Lohn.
Und des Nachts, ohn’ längres Weilen,
Und wo Tags die Schlangen weilen,
Legt er Reißig um den Ort.
Tags darauf, als sie sich recken,
Dehnen in dem Sonnenlicht,
Und rasch auf die Flamme bricht.
Rings sind sie von Glut umzogen,
Ringsum loht und brennt der Wald;
Und das Feuer hat erflogen
Buhlend hält die Frau umfangen
Da der Knecht, der schlimme Wicht;
Wie auch zischen Glut und Schlangen,
Sie allein nur hören’s nicht.
Flammen schrecklich nun herein:
Können’s Niemand wir vertrauen,
Wollen selbst wir Rächer seyn!
Und die glüh’nden Arme schlingen
Und in tiefen Qualen ringen,
Schmachversühnend Mann und Weib.
Doch die Flammenzungen schlagen
Immer wilder um das Haus,
Rings Entsetzen nur und Graus.
Unten todt die Schlangen liegen,
Oben ist es dumpf und still,
Wie wenn richtend Gott verfügen
Als der Herr die Jagd geendet,
Liegen sieht in Schutt sein Haus,
Hat er stumm sich abgewendet,
Reitend in die Welt hinaus.
Trägt er seines Schmerzens Wucht,
Doch er hat mit keinem Worte
Je der Sünderin geflucht.