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Die Baukunst - Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln in Köln

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
DIE BAUKUNST
herausgegeben von
WS: handschriftlich: [ichard] (Richard)
R. Borrmann & R. Graul
Programm:

Die Tempel von Karnak.
Olympia von Richard Borrmann.
Der Parthenon und Theseustempel zu Athen von Paul Graef.
Die Akropolis von Athen.
Pergamon.
Der jonische Tempelbau.
Das Forum des alten Rom v. O. Richter.
Römischer Tempelbau v. J. Bühlmann.
Das antike Theater.
Römische Amphitheater.
Römische Stadtanlagen.
Römische Provinzialkunst.
Das Münster zu Aachen von C. Plath.
Hildesheim von A. v. Behr.
Jerusalem.
Die Marcuskirche zu Venedig von G. Gronau.
Die mittelrheinischen Dome von Mainz, Speyer und Worms von F. Schneider.
Die Bauten der Normannen in Sicilien von Adolph Goldschmidt.
Die Kirchen Gross-St, Martin und St. Aposteln in Köln von M. Hasak.
Die Kathedrale von Chartres.
Das Kloster St. Michel in der Normandie von Cornelius Gurlitt.
Die Stadt Carcassone und ihre Be­festigungen von Cornelius Gurlitt.
Die Kathedrale von Amiens.
Das Münster zu Strassburg.
Der Dom zu Köln von Max Hasak.
Koniah und die Bauten der Seldschuckenfürsten von Friedrich Sarre.
Die Alhambra zu Granada v. R. Borrmann.
Das Münster zu Ulm von J. Neuwirth.
Die Kirchen S. Sebald, S. Lorenz und die Frauenkirche in Nürnberg.
Die mittelalterlichen Befestigungsbauten von Nürnberg von C. Schäfer.
Die Dome zu Orvieto und Siena.
Samarkand und die Bauten Timurs von Fr. Martin.
Der Dom zu Mailand.
Die Westminster-Abtei zu London.

 
Programm:

Vlämische Rathäuser von Rich. Graul
Norwegische Holzbauten.
L. Battista Alberti, der Theoretiker der Renaissance v. Fritz Schumacher.
Florentiner Renaissance-Paläste von H. Stegmann.
Die Peterskirche in Rom v. F. Thiersch.
Römischer Palastbau der Renaissance.
Die Certosa von Pavia von A. G. Meyer.
Die Schlösser von Blois und Chambord.
Das Heidelberger Schloss.
Die Grabbauten der Mogulkaiser in Indien.
Rothenburg a. d. Tauber.
Das Escorial.
Das Rathaus zu Amsterdam.
Renaissance-Schlösser in Schweden von G. Upmark.
Das Louvre zu Paris von R. Stettiner.
Die Paulskirche zu London v. C. Guriitt.
Das Schloss von Fontainebleau.
Versailles von R. Graul.
Die Schlösser zu Berlin und Charlotten­burg von Richard Borrmann.
Der Zwinger zu Dresden v. J. L. Sponsel.
Das Belvedere zu Wien.
Die Schlösser zu Schleissheim und Nymphenburg von R. Streiter.
Die Bauten Friedrichs des Grossen in Potsdam von R. Graul.
Die Frauenkirche zu Dresden von J. Louis Sponsel.
Schinkel u. d. Wiedererweckung d. Antike von A. G. Meyer.
Das Parlamentsgebäude in London von Cornelius Gurlitt.
Sempers Theaterbauten.
Die grosse Oper in Paris von R. Graul.
Das moderne englische Wohnhaus.
Das Reichstagsgebäude in Berlin von Oscar Hossfeld.
Das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig von Ludwig Hoffmann.
Der Justizpalast in München von F. Thiersch. u. s. w. u. s. w.


11. HEFT: DIE KIRCHEN GROSS ST. MARTIN UND ST. APOSTELN IN KÖLN
VON
WS: handschriftlich: I
MAX HASAK
WS: handschriftlich: [1899]
VERLAG VON W. SPEMANN IN BERLIN UND STUTTGART


Bis jetzt sind erschienen und einzeln zum Preise von 3 Mark durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
DAS DEUTSCHE WOHNHAUS DER RENAISSANCE
von Professor Ferdinand Luthmer.
Preis 3 Mark.

DER DOM ZU PRAG
von Professor Dr. Joseph Neuwirth.
Preis 3 Mark.

DIE GRAB=MOSCHEE DES SULTANS KAIT=BAI
von Franz Pascha.
Preis 3 Mark.

ALTCHRISTLICHE BASILIKEN IN ROM UND RAVENNA
von Professor Dr. Heinrich Holtzinger.
Preis 3 Mark.

PORTUGIESISCHE FRÜHRENAISSANCE
von Professor Albrecht Haupt.
Preis 3 Mark.

DAS RATHAUS ZU BREMEN
von Dr. Gustav Pauli.
Preis 3 Mark.

DIE SCHLÖSSER ZU WÜRZBURG UND BRUCHSAL
von Dr. Edmund Renard.
Preis 3 Mark.

DER DOM ZU PISA
von Dr. Paul Schumann.
Preis 3 Mark.

DIE KATHEDRALE VON REIMS
von Dr. K. Schaefer.
Preis 3 Mark.

DIE SOPHIENKIRCHE UND VERWANDTE BAUTEN DER BYZANTINISCHEN ARCHITEKTUR
von Professor Dr. Heinrich Holtzinger.
Preis 3 Mark.

DIE KIRCHEN GROSS ST. MARTIN UND ST. APOSTELN IN KÖLN
von Max Hasak.
Preis 3 Mark.


Fig. 1. Die Kirche Gross St. Martin vom Rhein aus gesehen.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln in Köln
von
Max Hasak.


DIE romanische Kunst hat heutzutage die Auf­merksamkeit weiter Kreise auf sich gezogen, aller Orten erheben sich neue Kirchen in ihrem Formenkleide, man betrachtet sie als die eigentlich deutsche Kunst, und da sie bei uns in Deutschland im Anfang des XIII. Jahrhunderts plötzlich zu Gunsten der Gotik verlassen worden ist, ohne sich anscheinend ausgelebt zu haben, so erhofft man von ihrer Wiederaufnahme die Möglichkeit ihrer Weiterentwickelung — gar einen neuen deutschen Stil.

     Es lohnt daher der Mühe, eine Charakteristik dieser Kunst in kurzen Zügen zu geben, einige ihrer vorzüglichsten Meisterwerke eingehender zu betrachten, die Gründe zu untersuchen, welche in Frankreich aus ihr die Gotik entwickelt und welche die Deutschen veranlasst haben, sie nach dem Jahre 1200 plötzlich aufzugeben und sich begeistert der französischen Frühgotik zuzuwenden.

     Als Anfänge der romanischen Kunst können wir in den Kulturländern des Occidents diejenigen Bauten betrachten, welche nach den Stürmen der Völker­wanderung und in dem ausserrheinischen Deutschland nach seiner Bekehrung zum Christentum entstanden sind.

     Je nach der Art der Bauten, welche nach den verheerenden Kämpfen der Völkerwanderung in jenen Ländern noch aufrecht standen, entwickelte sich die junge Kunst in Anlehnung an das Vor­handene verschieden: Selbstverständlich trugen auch

 

der Charakter, die Sitten und das Können der ein­gewanderten Stämme das ihre dazu bei, den bau­lichen Schöpfungen ganz besondere Eigentümlich­keiten aufzuprägen. Denn dass die alten Deutschen durchaus nicht mit rohen Bärenhäuten bekleidete und nur von der Jagd lebende Wilde waren, wie sie sich uns von Jugend auf durch einseitige Geschichtsschilderungen in unserer Vorstellung einnisten, das beweisen vor allem die Funde in den Grabstätten, das beweisen auch Nachrichten selbst römischer Schriftsteller.

     Doch sind vor dem Jahre 1000 so wenige Denk­mäler erhalten, dass man erst für die Zeit nach dem­selben von einer eigentlich romanischen Kunst sprechen kann.

     Die Bezeichnung romanische Kunst hat sich nach dem Vorgange der Sprachwissenschaft gebildet, welche diejenigen Sprachen, die aus dem Lateinischen nach dem Eindringen der deutschen Völkerschaften in das alte römische Reich entstanden sind, als romanische bezeichnet.

     Gleich wie nun diese romanischen Sprachen sich in den einzelnen Ländern verschieden ausgestaltet hatten, so auch die Baukunst.

     In Frankreich hatte die späte Römerherrschaft — das bas empire, wie sie die Franzosen nennen — eine provinziale, meistens ziemlich verrohte Kunst hinterlassen. Je dichter diese spätrömischen Denk­mäler gestanden hatten, wie in der Provence, im

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Languedoc und in Burgund, und je mehr davon erhalten waren, desto mehr beeinflussten sie die neu werdende Kunst. Dagegen tritt nur in Gebieten, welche weniger alte Ueberreste enthielten, wie die Normandie oder die Rheingegenden eine selbstständigere Bauweise entgegen.

     Zu den einheimischen Einflüssen spätrömischer Kunst traten fremde, italienische und besonders byzantinische. In Byzanz wie in Italien hatte sich nach dem Siege des Christentums aus den Ausgängen der antiken Kunst eine neue Kunst entwickelt, die altchristliche. In zwei grosse Aeste gespalten, den byzantinischen Gewölbebau und den italienisch-römischen Basilikenbau mit hölzernen Decken, ver­pflanzte sie dieses Doppelwesen auch auf die ro­manische Kunst. Diejenigen Gegenden, in denen Römer-Denkmäler durch den Sturm der Völker­wanderung fast ganz verschwunden waren, wie teil­weise im Norden Frankreichs, am Rhein, oder Gebiete, in denen römische Bauten nie gestanden hatten, wie Sachsen, nahmen vorzugsweise den Basilikenstil mit Holzdecken auf, während sich der schwierige Ge­wölbebau im südlichen und westlichen Frankreich

Fig. 2. St. Apostelkirche, Choransicht

 

und in Italien behauptete, woselbst sich römische Ueberlieferungen erhalten hatten oder byzantinische Einflüsse hinzugekommen waren.

     So haben sich in Frankreich, Italien und Deutschland verschiedene romanische Baurichtungen oder Bauschulen herausgebildet. Während man jedoch in Frankreich eine ganze Anzahl verschie­dener Schulen unterscheidet, die Schule von Aquitanien, des Limousin, der Provence, der Auvergne, Burgunds, der Ile-de-France, der Normandie, des Périgord, und des Poitou*), so besitzt Deutschland deren nur eine, welche sich die Franzosen liebens­würdigst als école des bords du Rhin hinzurechnen. Diese schliesst sich der italienisch-lombardischen an und weist nur wenige Unterarten auf. Ferner kann man behaupten, dass in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich, in annähernder Schätzung wohl 95 pCt. aller romanischen Kirchen im Mittelschiff nicht gewölbt waren, sondern nur Holzdecken besassen, und dass höchstens die Hälfte dieser Kirchen auch in den Seitenschiffen Gewölbe aufwies. Von denjenigen Gewölben, welche man in Deutsch­land bisher für romanisch gehalten hat, sind die allermeisten spätere Einwölbungen in frühere ursprünglich rein romanische Kirchen, die erst nach dem Jahre 1200 in den Formen der eindringenden Frühgotik hergestellt worden sind. Wie wir ferner im Verlaufe dieser Ab­handlung kurz zeigen werden, sind fast sämt­liche Bauten Deutschlands, welche man bisher unter dem Namen „Uebergangsstil“ zusammengefasst hat, gar nicht die Erzeugnisse einer Stilperiode.

     Es sind, wie gesagt, rein romanische Bauten, die erst nach ein oder zwei Jahr­hunderten, zu frühgotischer Zeit, an Stelle der Holzdecken Kreuzgewölbe erhalten haben. Die Innenräume sind bei dieser Auswölbung im Hochschiff — häufig auch in den Seiten­schiffen — durch vorgeblendete Säulen und Pfeiler, welche die neuen Gewölbe­rippen und Kappen aufnahmen, in meistens überaus reizvoller Weise ausgestattet worden. Häufig sind dabei auch neue Triforien**) ein­gezogen worden. All der Zauber derartiger Innenräume kommt allein auf Rechnung


*) Die Franzosen schwanken selbst noch bei der Abgrenzung ihrer romanischen Schulen. Dass die­selben jünger als die deutsch-lombardische Schule seien, wird niemand behaupten wollen; damit ergiebt sich von selbst, dass man die romanische Kunst nicht als eine den Deutschen besonders gehörende oder gar in Deutschland entstandene Kunst ausgeben darf.

**) Triforien nennt man die schmalen Laufgänge unter den Fenstern des Hochschiffes, welche sich in zierlichen Bogenstellungen auf Säulchen gegen das Schiff öffnen und den toten Raum in Hohe der Seitenschiffdächer beleben.

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Fig. 3. St. Apostelkirche, Ansicht der Nordseite.
Nach einer Aufnahme der Kgl. Messbildanstalt.

der Frühgotik, die romanische Kunst ist an denselben ganz unschuldig. Besonders am Rhein finden sich reizvolle Bauten dieser Art in grosser Fülle. Man hat im vollsten Missverständnis ihrer Entstehung sie als den „rheinischen Uebergangsstil“*) benannt


*) Schnaase in seiner „Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter“ schreibt Band 3, Seite 220—221 folgendes: „In den meisten der bisher betrachteten Länder giebt es in der That keinen Uebergangsstil... Anders verhält es sich in Deutschland. Hier bildete sich seit dem Anfange dieser Epoche wenigstens in einigen Provinzen eine Bauweise, welche weder ganz romanisch noch wirklich gotischer Tendenz war, sondern Elemente beider Stile in sich verband, aber doch so viel Eigen­tümlichkeiten hatte und sich so lange, selbst noch neben dem schon bekannten gotischen Stile erhielt, dass man sie als einen eignen, wenn auch nicht konsequent durchgebildeten Stil be­trachten muss.“ Und S. 241: „In den Rheinlanden begann dagegen schon mit dem Anfange dieser Epoche die Ausbildung des deutschen Uebergangsstils..... Aber sie (die rheinischen

 

und man fängt sogar heutzutage an, diesen „Uebergangstil“ nachzuahmen, man baut die Aussenhaut romanisch, die innere Ausstattung mit Säulchen und Triforien nach frühgotischer Weise. Um den Beweis hierfür im einzelnen zu führen, ist der Raum dieser Abhandlung zu knapp. Hier seien nur solche Bauten aufgeführt, welche dem Uebergangs­stil angehören sollen, aber romanische Bauten sind, und wie schon hervorgehoben meist kurz nach 1200 erst frühgotisch ausgewölbt und ausgebaut worden waren. Solche Bauten sind:

     St. Quirin zu Neuss, St. Kunibert zu Köln, St. Gereon daselbst, von St. Aposteln daselbst das


Baumeister) hatten dabei nicht wie die französischen Meister vorzugsweise die Konstruktion und Haltbarkeit, sondern mehr die malerische Wirkung im Auge.“

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westliche Querschiff und die Gewölbe des Hochschiffes, ebenso die von St. Ursula und von St. An­dreas daselbst, die von Brauweiler, die Pfarrkirchen zu Linz am Rhein, zu Sinzig, St. Goar, Boppard und Bacharach, die Dome zu Limburg und Bamberg, insofern als deren Seitenschiffsmauern, bei letzterem auch teilweise die Türme und Chöre, von den vor­hergegangenen romanischen Bauten stammen.

     Kurz, es giebt in Deutschland keinen einheimischen Uebergangstil. — Doch finden wir ausser den ange­führten Bauten bei uns noch etwa ein bis zwei Dutzend des französischen Uebergangstiles, die zur Hauptsache dem burgundischen Uebergang der Cisterzienser Bauten angehören und nur zum geringen Teil dem Uebergangstil der nordfranzösischen Ge­genden. Ueber diese Bauten weiter unten. — Da die Einwölbung der romanischen Kirchen also zu aller­meist nicht dem romanischen Stil angehört, die ro­manischen Mittelschiffe in Deutschland fast gar nicht gewölbt waren, so fällt damit auch die Lehre von dem sogenannten „gebundenen System“, nach welchem das Mittelschiff romanischer Kirchen deswegen doppelt so breit als die Seitenschiffe an­gelegt worden sei, weil man nur quadratische Kreuz­gewölbe zu romanischer Zeit hätte herstellen können. Hieraus ergäbe sich auf ein Quadrat im Mittelschiff die Anordnung von zwei Quadraten in den Seiten­schiffen. Wenn viele romanische Kirchengrundrisse ein doppelt so breites Mittelschiff als die Seiten­schiffe aufweisen, trotzdem dieses nicht gewölbt war, so liegt das einfach an einem Herkommen, welches den entwerfenden Baumeister auf eine un­gezwungene Art und Weise des Zweifels und der Versuche überhob, wie er diese Breiten gegen­einander abstimmen sollte.

     Selbst in jenen Gegenden, besonders Süd- und Westfrankreichs, in denen man zu romanischer Zeit die Kirchen schon frühzeitig wölbte, wie in den da­mals unter englischer Herrschaft stehenden Pro­vinzen Aquitanien, Anjou und Maine, hatten die Gewölbe fast ohne Ausnahme nicht die Form der Kreuzgewölbe, sondern waren Kuppeln oder rundbogige,*) häufig auch spitzbogige Tonnengewölbe über den Mittelschiffen und halbe Tonnengewölbe über den Seitenschiffen. So sind mit Kuppeln über­wölbt, um nur einige der wichtigsten anzuführen, die Kathedralen und Kirchen zu Périgueux, Fontevrault, Cahors, Angoulême, Puy en Velay und Saint Hilaire zu Poitiers. Mit Tonnen im Mittel­schiff sind überwölbt: N. Dame du Port zu Clermont, S. Étienne zu Nevers, Saint Savin bei Poitiers, S. Sernin zu Toulouse, S. Trophime zu Arles. — In der Kirche S. Philibert zu Tournus ist


*) Ein Tonnengewölbe hat die Form eines halben Cylinders.

 

das Mittelschiff durch eine Reihe quergelegter Tonnengewölbe überdeckt.

     Auch ist die Ansicht nicht aufrecht zu erhalten, dass oblonge Kreuzgewölbe sich mit Rundbögen nur schwer ausführen liessen und im Rundbogen hergestellt geringere Sicherheit und Haltbarkeit böten, als solche mit Spitzbogen hergestellte. Kreuzgewölbe mit besonderen Rippen unter den Diagonalgraten lassen sich, ob mit rundbogigen Gurten und Schildbogen oder mit spitzbogigen in ganz gleicher Weise ohne besondere Schwierig­keiten herstellen und halten in gleicher Weise; nur dass die rundbogigen einen grösseren Seitenschub ausüben.

     Im allgemeinen ist festzuhalten, dass die romanischen Kreuzgewölbe im Gegensatz zu den gotischen ohne Rippen hergestellt worden sind; die Rippe ist, wie wir sehen werden, grade das Charakteristische des gotischen Kreuzgewölbes, ihre Erfindung im Norden Frankreichs löst aus dem Schosse der romanischen Kunst die Gotik allmäh­lich los. Sie ist das Hauptzersetzungsmittel, welches die romanische Kunst im Norden Frankreichs um­wandelt. — In Deutschland weisen frühromanische Kreuzgewölbe Rippen nirgends auf. Wo wir in Deutschland Kreuzgewölbe mit Rippen unter den Diagonalgraten finden, können wir daher auf eine späte Zeit der Entstehung schliessen, selbst wenn keine Beweise vorlägen. Denn fast bei allen Rippen­gewölben in romanischen Kirchen ist ihre späte Entstehung am Bau selbst nachweisbar.

     Man könnte einwerfen, dies sei eine willkürliche, nicht zu beweisende Annahme und die Einteilung eine gemachte. Verfolgen wir daher den Verlauf der Umgestaltung des romanischen Stiles Nordfrankreichs bis er sich zur Frühgotik entwickelt hat.

     Als Grenzstein zwischen die romanische und gotische Baukunst Nordfrankreichs war man seit Franz Mertens und Viollet-le-Duc gewöhnt, den Neu­bau der Abteikirche von S. Denis bei Paris zu setzen, der in den Jahren 1140 (in seinen westlichen Teilen) und 1144 (der Chor) vollendet worden ist. Doch hat Viollet keineswegs behauptet, wie man ihm vorwirft*), dass mit S. Denis die Gotik fertig dem Haupte eines ersten Gotikers entsprungen sei. Er zeigte nur, dass an St. Denis zum ersten Mal ohne jedes Schwanken und Tasten die Kreuzgewölbe mit Rippen, bei durchgängiger Verwendung des Spitz­bogens in Gurt- und Schildbögen, zur Anwendung gelangt sind.**) Dabei weist Viollet grade auf die unmittelbaren Vorgängerinnen von St. Denis, nämlich Notre-Dame zu Ghalons-sur-Marne und die Kathe-


*) A. S.-Paul: Viollet-le-Duc et son système d’archéologie.

**) Viollet-le-Duc dictionnaire raisonné de l’architecture Bd. 9, S. 503 ff.

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drale von Sens hin, deren Gewölbe er in sorgfältigen Aufnahmen vorführt. Dass St. Denis auf den Schultern anderer steht und diese ihrerseits wieder auf Vor­gängern, war auch Viollet klar. Er verfolgte daher scharfsinnig die Entwicklung der Gewölbe, der Um­gänge um den Chor, und zeigte, wie sich aus den ungeteilten ringförmigen Tonnengewölben allmählich

 

frankreich, zur Hauptsache in dem Gebiete der alten Diözese Soissons aufgefunden und in mühsamen Reisen aufgemessen zu haben, dieses grosse Ver­dienst gebührt einem zweiten französischen Bau­meister Lefèvre-Pontalis, der seit Jahren sich mit deren Studium beschäftigte.*)

     Das Ergebnis dieser Forschungen stellt sich etwa

Fig. 4. Gross St. Martin, Blick in die nördliche Concha.

solche mit Gurten und Rippen entwickeln. Aber zu frühgotischer Zeit sind fast alle Kathedralen Nordfrankreichs abgebrochen und neu errichtet worden, auch die allermeisten Klosterkirchen und grösseren Stadtkirchen, so dass deren romanische Vorgängerinnen sich sehr selten erhalten haben. Nur in abgelegenen Dörfern und Weilern zeigen kleine bescheidene Kirchen, was bei den grossen nicht mehr zu sehen ist und zu Viollets Zeit noch nicht bekannt war. Diese Dorfkirchen in Nord-

 

wie folgt: Zwischen 1000 und 1075 ungefähr wird in den Gebieten nördlich von Paris, in der alten Diözese Soissons, die abgeminderte römische Basilika in ein­fachster Form nachgeahmt. Die Pfeiler zwischen


*) Lefèvre-Pontalis, l’architecture religieuse dans l’ancien diocèse de Soissons au XI et XII siècle. I. 1894.

*) Die Herausgabe der genauen Zeichnungen und Nach­weise erforderte jedoch Zeit, und so hatte schon im Jahre 1884 Gonse in seinem Prachtwerke, L’art gothique, mit Erlaubnis Lefèvre’s die Ergebnisse seiner Forschungen vorher veröffent­licht. Seit 1894 ist auch das Werk von Lefèvre-Pontalis selbst erschienen.

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den Schiffen sind gewöhnlich von rechtwinkligem Querschnitt, schwer und nackt, manchmal von Vorsprüngen begleitet oder von vier Halbsäulen, wie im Schiff von S.-Germain des Prés zu Paris. Die Bögen über diesen Pfeilern sind ebenfalls im Querschnitt einfach viereckig, manchmal mit einem rechtwinkligen Einsatz. Die Mittelschiffe sind mit Holzdecken versehen, häufig auch die Seitenschiffe. — Dieselbe Anordnung findet man am Rhein, so sind in Köln fast sämtliche Kirchen aus jener Zeit Pfeilerbasiliken mit Holzdecken im Mittelschiff: so das Langschiff von Gross St. Martin, St. Maria im Capitol, St. Ursula (letztere mit Emporen), St. Kunibert, St. Aposteln, St. Pantaleon und St. Cäcilien.

     Weiter im Osten in den sächsischen Landen wiegt die Säulenbasilika vor, so St. Michael und St. Godehard zu Hildesheim, die Klosterkirchen zu Paulinzelle, Hersfeld und Hamersleben.

     In Deutschland fand man beim Ueberwölben der Umgänge um die runden Chöre anscheinend keine grösseren Schwierigkeiten als das Ueberwölben der Seitenschiffe bot. Denn, wo wie in St. Maria im Capitol zu Köln und in St. Godehard zu Hildesheim solche gewölbten Umgänge vorkommen, sind die rippenlosen Kreuzgewölbe in vollständig richtiger und wohlverstandener Anordnung ausge­führt. Es lag somit ein Bedürfnis zu neuen Kon­struktionen anscheinend nicht vor, wohl weil die Ab­messungen der Ringgewölbe klein und ihre Unter­ansichten verputzt waren, so dass sich ihre mangel­hafte Herstellung an dem unregelmässigen Gefüge der Gewölbequadern nicht zeigte. In Nordfrankreich dagegen beginnen in den letzten Jahren vor 1100 sich schüchtern Rippen unter den Diagonalen der Kreuzgewölbe zu zeigen.

     Zuerst sind sie etwas gedrückte Rundbögen, später sind sie Halbkreise und bleiben es fast aus­nahmslos die ganze Gotik hindurch. Diese Rippen haben die Form von runden Wulsten, seltener sind sie vierkantig. Gegen 1125 ist das Kreuzgewölbe mit Rippen fertig gelöst. Auch die Gurtbögen (d. h. die Teilungsbögen der Gewölbefelder) sind nun aus dem Rundbogen in den Spitzbogen übergegangen, bald folgen auch die Schildbögen (d. h. Wandbögen an den Aussenmauern); doch sind gesonderte Schild­bögen noch selten.

     Die grossen Bögen unter den Hochschiffswänden waren den Gurt- und Schildbögen schon seit 1100 mit der Verwandlung in den Spitzbogen vorausge­gangen. Ein Beispiel hierfür findet sich auch auf deutschem Boden in dem Münster zu Basel. Auch die Lisenen fingen an sich schwach nach unten abzu­treppen und somit den Strebepfeiler vorzubereiten. Solche Beispiele bieten die Kirchen: Bellefontaine,

 

Cambronne, Vauxrezis, la Noël-Saint-Martin, die Eingangshalle von St. Leu d’Esserent.

     Die Rippen-Kreuzgewölbe*) haben sich also über den Seitenschiffen und Chorumgängen herausgebildet, sie kommen in den Quadraten der Chorschlüsse und unter den Türmen vor. Die Hochschiffe erhielten in vielen Fällen an Stelle der Holzdecken spitzbogige Tonnengewölbe.

     Die halbkreisförmigen Absiden, welche bis dahin mit Halbkuppeln überdeckt waren, werden polygonal gestaltet, Rippen spannen sich unter die einspringen­den Grate und laufen gegen die Spitze des ab­schliessenden grossen Bogens. In Deutschland finden sich solche mit Rippen verstärkten polygonalen Halbkuppeln noch in Offenbach am Glan. Daneben bleiben aber immer noch Kreuzgewölbe ohne Rippen im Gebrauch, jedoch nun in sauberster Schnittsteinherstellung. (Poissy, Vernouillet, Tracy-le-Val, die Krypta von S. Léger zu Soissons, die Templerkapelle zu Laon.) Die Rippen ihrerseits verfeinern sich allmählich. Sie werden mandel­förmig oder aus drei Rundstäben gebildet, oder aus zwei Rundstäben, die durch eine kleine Kante ge­trennt sind. — Während sich im Innern Rippen und Spitzbogen heimisch machen, bleiben die Fenster und Thüröffnungen fast ausnahms­los rundbogig. Auch die Rundbogenfriese unter den Hauptgesimsen bestehen fort, so dass sich das Aeussere kaum verändert; nur werden die Rund­bogenfenster länger und die Rundbogenfriese ein­facher als zu romanischer Zeit. Es ist, als wenn die Baumeister Bedenken trugen, das gewohnte Schema im Aeussern fallen zu lassen und nur im Innern wagten, sich frei den Bedürfnissen entsprechend zu entwickeln.

     Dieses Verhältnis zwischen dem völlig ins Gotische veränderten Inneren und dem kaum merk­lich veränderten romanischen Aeusseren bleibt bis gegen Ende des 12. Jahrhunderts beibehalten, be­sonders in Burgund, und wird von dort aus um 1200 durch die Cisterzienserbauten nach allen Ländern Westeuropas hinausgetragen; Bauten in diesem Stilcharakter finden wir in Italien, in den Klosterkirchen und Klöstern von Fossanova an der Via Appia, Casamari bei Frosinone, San Galgano,


*) Man nannte die Kreuzgewölbe auf Rippen im Mittel­alter richtig croisées sur arcs ogives (augives von augere, ver­stärken) Kreuzgewölbe mit VerstärkungsbÖgen. Als die Vor­liebe für die Baukunst des Mittelalters wieder rege wurde, verstand man jedoch die mittelalterliche Sprachweise nicht und nahm das Wort croisée für das gleichlautende Wort für Fenster und glaubte, es müsste arc ogive Spitzbogen heissen; das ganze also „Spitzbogenfenster“ statt „Kreuzgewölbe mit Verstärkungsgurten“. So ist das heutige französische Wort arc ogive für Spitzbogen entstanden! Man bemüht sich, nach­dem dieses Missverständnis schon um 1850 durch Lassus und Quicherat erkannt worden ist, arc brisé oder arc en tiers-point einzuführen.

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fünf Meilen von Siena in den toskanischen Maremmen, Santa Maria d’Arbona bei Chieti, San Martino bei Viterbo, Valvisciolo bei Sermoneta und Anderen.*) In Deutschland: zu Maulbornn in Württemberg das Mönchsrefectorium, die Kirchen in Otterberg und Enkebach in der Pfalz, die Ramersdorfer Kapelle zu Bonn, das Mittelschiff des Bamberger Domes, der Ostchor des Trierer Domes und andere.

     Von diesen Bauten, welche den französischen „Uebergangstil“, und zwar hauptsächlich den Bur­gundischen, mit Anwendung des Spitzbogens im Innern, aufweisen, muss man wohl unterscheiden diejenigen, welche die Frühgotik im „Rundbogenstil“ wiedergeben. Die Hauptvertreter dieser merk­würdigen Richtung sind der Dom zu Trient, be­gonnen 1212, die Schlafsäle und Refektorien an St. Matthias zu Trier, die Sakristei und der Kapitelsaal zu Rommersdorf bei Neuwied, in etwas auch Haister­bach und das Schiff des Bonner Münsters, von seinen Gewölben abgesehen.

     Diese Baumeister zeichnen reine Frühgotik in allen Profilen, dem Laubwerk (zur Hauptsache in französischen Hörnern an den Kapitellen bestehend) in den Gewölben, Säulen u. s. w., aber sie ver­meiden ängstlich mit unerschütterlicher Folge­richtigkeit jedweden Spitzbogen. Man erhält beim Durchwandeln dieser Bauwerke den Eindruck, als seien ihre Baumeister erbitterte Gegner des Spitz­bogens gewesen. Sie haben zwar in Frankreich die frühgotische Schule genossen, sie zeichnen auch weder romanische Einzelformen noch romanische Gesamtanlagen, es ist alles frühgothisch, was sie zeichnen, aber unter Ausschluss jedweden Spitz­bogens selbst im Inneren, während in Frankreich doch gerade die Verdrängung des Rundbogens durch den Spitzbogen im Innern begonnen hatte.

     Der Zeit nach steht diese rundbogige Gruppe den vorgenannten innen spitzbogigen Uebergangsbauten übrigens gleich. Ja die Bauten an St. Matthias in Trier sind vielleicht drei Jahrzehnte später ent­standen. In ihren Einzelheiten sind sie mindestens mit denen der Liebfrauenkirche daselbst gleich alt. Vom Dom zu Trient kennen wir die Jahres­zahl des Baubeginnes 1212**) aus der noch vor­handenen Bauinschrift aussen zwischen Kreuz­schiff und Chor.

     Als ein Gegenstück zu jener frühgotischen Gruppe, welche hartnäckig den alten romanischen Rundbogen beibehält, zeigen uns der Dom zu Limburg und die


*) Siehe: Enlart, origines françaises de l’architecture gothique en Italie.

**) Anno Dmi MCCXII . . . hujus Ecclesie opus incepit et construxit Magister Adam de Arognio Cumanae Dioceseos et circuitum ipse, sui filii, inde sui Aplatici cum appendiciis ..... fabricarunt. Cujus et suae prolis hic subtus sepulcrum manet.

 

Kirche zu Gelnhausen Baumeister, welche das Orna­ment und die Profile frühgotisch bilden, auch gegen den Spitzbogen keinerlei Abneigung haben, dagegen den äusseren romanischen Aufbau strengstens bei­behalten.

     Die Baumeister beider Richtungen haben die Frühgotik erlernt, sie zeichnen frühgotische Simse und ihr Laubwerk, die einen aber behalten den Rund­bogen bei, die andern die romanischen Umrisse der Aufbauten. Dabei haben die Meister von Gelnhausen und Trient so früh ihre Kunst erlernt, dass die äusseren Fenster dem französischen Uebergangstil gemäss noch Rundbogenfenster sind, während Lim­burg, welches 1235 geweiht wird, die Uebergangsgepflogenheit schon abgestreift hat und auch im Aeusseren fast durchweg den Spitzbogen aufweist.

     Wir müssen noch einen Blick auf das Laub­werk werfen, wie sich dieses während jener Ent­wicklungszeit in Nord-Frankreich verhalten hat. An­fangs sind die Kapitelle nur mit flachen geometrischen Ornamenten verziert, aber im ersten Viertel des XII. Jahrhunderts treten zum ersten Male die Pflanzen­blätter auf, anfangs die einfachsten Arten: die Wasser­blätter und die Arums. Gegen 1130 erfolgt eine Art Rückschlag, das Akanthusblatt, welches schon vorher hin und wieder in sehr schüchterner Weise nachgeahmt worden war, tritt in der kühnsten und reichsten Ausführung auf. Das Akanthusblatt wird dabei mit einer Vollendung und einem Liebreiz dar­gestellt, ohne genaue Kopie spätrömischer Ueberreste zu sein, dass man oft die besten Erzeugnisse italie­nischer Frührenaissance zu sehen glaubt, so besonders an den Kragsteinen unter den bekannten mumien­haften Figuren an der Westansicht der Kathedrale zu Chartres; die Kapitelle von S. Laumer zu Blois geben ein Beispiel eines hochvollendeten und doch nicht antiken Umrisses. Auch die Akanthusranke wird meisterhaft verwendet, so an Thürfüllungen der Westansicht von S. Denis und an der Kathedrale zu Bourges.

     Dann aber, gegen Mitte des XII. Jahrhunderts, hört diese kurze Herrschaft des Akanthusblattes auf, die Pflanzen des Landes setzen sich in immer reiche­ren Blattformen an seine Stelle, in einer saftigen Frische und in einer Ueppigkeit und Klarheit, dass sie mit dem späteren, rein frühgotischen Naturlaub um die Palme ringen. In Deutschland herrscht in der frühen Zeit das glatte Würfelkapitell und er­hält sich an vielen Bauten w. z. B. den Kölner Kirchen S. Martin und S. Aposteln bis gegen Ende des XIII. Jahrhunderts. Wo Laubwerk auftritt, ist es jenes bekannte an maurische Formen erinnernde Ranken­werk mit schematischen Blättchen, das am Rhein fast ausnahmslos wenig schön gehandhabt wird. S. Andreas zu Köln macht eine rühmliche Ausnahme.

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In Sachsen ist dieses Rankenwerk dagegen zu einer meisterhaften Vollendung gebracht worden; das schönste Ornament dieser Art ziert neben dem Dom zu Naumburg die romanischen Teile des Domes zu Magdeburg. Dort ist es zu wahrhaft klassischer Voll­endung gediehen. Will man das romanische Orna­ment wieder pflegen, so sind dort die vornehmsten und meisterhaftesten Beispiele zu finden, hart vor dem Ende romanischer Kunstübung in Deutschland, zwischen 1208 und 1210. Dazwischen tauchen auch damals in Deutschland die vollendeten Akanthusblätter französischer Schulung auf, wie am Aeusseren des Chores der Klosterkirche von Königslutter bei Magdeburg.

     Wenn man diesen sich so verändernden Schatz der nordfranzösischen romanischen Kunstformen,

 

Frühgotik (Fig. 5). Der Baumeister, welcher diese Teile gezeichnet hat, war ein fertiger Gotiker. Die Vorhalle, durch welche wir in die Kirche eingetreten sind, mit ihrem schönen frühgotischen Thor, rührt von derselben Hand her, ebenso das letzte (westlichste) Gewölbe des nördlichen Seitenschiffes. Diese Teile also scheiden für den romanischen Bau aus.

     Sie ruhen aber auf grossen romanischen Rund­bogenstellungen, welche von rechteckigen Pfeilern getragen werden. Auch die Fenster oben unter dem Gewölbe sind romanisch. Der frühgotische Baumeister hat also in vorhandene Hochschiffmauern Kragsteine und Säulenbündel eingebunden, um auf diese seine neuen Gewölbe aufsetzen zu können. Dabei hat er auch das Triforium in die starke Mauer eingebrochen, wahrscheinlich unter Beseiti-

Fig. 5. Kirche Gross St. Martin, Längenschnitt. (Nach Dehio u. v. Bezold.)

wie den des Uebergangsstiles vor dem Auge vor­überziehen lässt, dann taucht ganz von selbst die Frage auf, welche Formen sind denn nun in Deutsch­land die rein romanischen, die ohne französischen Einfluss diesem Stile eigentümlich sind.

     Dafür bieten sich zwei Bauten zu Köln als klassische Zeugen dar, die Chorbauten der Kirchen Gross S. Martin und S. Aposteln (Taf. II u. V). Betrachten wir sie eingehend im Einzelnen:

Gross S. Martin.

     Eine Wanderung durch das Innere belehrt uns am klarsten über die Entstehung des Baues. Man findet deutlich dreierlei verschiedene Bauformen. Gleich bei dem Eintritt fällt der Blick auf die Ge­wölbe des Mittelschiffes, welche frühgotisch sind, ihre Gurtbögen und Rippen weisen die bekannten Formen dieser Kunst auf (Taf. III). Die Säulenbündel, auf welchen sie ruhen, sind ebenfalls frühgotisch, die Kragsteine sind mit dem Laub des französischen Ueberganges geschmückt. Das Triforium (der Lauf­gang unter den Oberfenstern) ist ebenfalls ausgebildete

 

gung vorhandener Blendarkaden, die zu romanischer Zeit schon am Rhein üblich und gewöhnlich noch mit flachbogigen Nischen ausgetieft waren. Solch romanisches, ausgenischtes Triforium hat sich z. B. in St. Andreas zu Köln erhalten.

     Schreiten wir jedoch weiter auf den Hochaltar zu, so sehen wir uns auf einmal in rein romanischer Umgebung, die aus einem Guss entstanden ist. Die drei Conchen sind mit romanischen Halbkuppeln überwölbt, kurze Tonnengewölbe schliessen die Kreuzarme an die Vierung an, und diese selbst weist eine Kuppel auf. Hier begegnen wir also keinerlei Formen der Frühgotik oder des französischen Uebergangstiles. Eine Hand hat Alles geschaffen; ein Stil tritt uns entgegen. Auch das Konstruktions­system ist romanisch, durchaus nicht gotisch. Es ist ein hochinteressantes System, dessen genauere Untersuchung sich wohl verlohnt und besonders jenen zur Beachtung empfohlen werden soll, welche die romanische Kunst wieder aufnehmen möchten, aber bei dem Ueberwölben ihrer Kirchen in der Not zu den gotischen Strebepfeilern greifen, um die

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Gewölbe zu halten; — allerdings sind ja auch diese neuzeitigen Gewölbe keine romanischen, sondern richtige gotische Gewölbe mit Rippen, denen nur der Spitzbogen fehlt. Es ist doppelt interessant, dieses romanische Gewölbesystem der Kölner Bauten zu zergliedern, da es zeigt, wie man am Rhein die Aufgabe, grosse Räume zu überwölben, in der Mitte des 12. Jahrhunderts ganz anders schon gelöst hatte, als es zur selben Zeit durch die gleichzeitig entstandene Gotik in Nordfrankreich geschehen war.*)

     Die inneren Halbkuppeln der Kirche werden von einer Reihe dünner, nur wenige Centimeter starken Säulchen aus Trachyt getragen, welche durch kleine Rundbogen untereinander verbunden sind (Fig. 4).

     Hinter jenen Säulchen ist ein bequemer Um­gang ausgespart und die Aussenmauer nur 1,30 m stark angelegt. Dieser Umgang ist mit einer kleinen Tonne überwölbt, in welche von den Rundbögen über der Säulenreihe Stichkappen einschneiden. Man kann allerdings nicht verkennen, dass diese Stich­kappen, wie die Rundbögen kleinlich aussehen.

     Während also die Säulchen zur Hauptsache die Eigenlast der Halbkuppeln aufnehmen, dient die kleine Tonne mit ihrer äusseren Hälfte als durch­laufender Strebebogen, welcher den Schub der Kuppeln auf die Aussenmauern überträgt.

     Ueber den Säulchenreihen ist die Mauer hoch­geführt, um den Dachraum abzuschliessen und zu­gleich als Auflast zu dienen. Ueber dem untern Umgang ist dann wiederum ein zweiter Umgang angeordnet, der sich mit der bekannten Zwerggallerie nach aussen öffnet. Auch dieser Umgang ist mit einer Tonne überwölbt. Diese Zwerggallerie mit ihrem Hauptgesims und dem Dach dient ebenfalls als Auf­last. So sind mit verhältnismässig wenig Mauerwerk die Halbkuppeln im Gleich­gewicht gehalten. Im unteren Geschoss hat die Mauer dann allerdings die volle Stärke erhalten, aber sie ist durch eine Reihe Nischen erleichtert, welche durch starke Säulen geschieden sind.

     Die frühgotischen Baumeister, welche nach 1200 romanische Kirchen auswölbten und ausbauten, haben dieses System mit Vorliebe weiter verwendet, denn es gab ihnen die Möglichkeit, auch ohne äussere Strebepfeiler die bisher noch nicht gewölbten Chöre zu überwölben, so in St. Quirin zu Neuss und St. Kunibert zu Köln.


*) Schnaase, Geschichte der bildenden Künste, Bd. 3, S. 221, schreibt allzu einseitig, dass sich die romanischen Baumeister jener Zeit mehr um die malerische Wirkung als um die Konstruktion gekümmert hätten.

 

     Den vier kurzen Tonnen, welche an die Vie­rung anschliessen, dienen die vier Ecktürmchen be­ziehentlich deren Unterbauten als Widerlager.

     So ist die ganze romanische Gewölbeanlage ohne aussen sichtbare Strebepfeiler im Gleichgewicht ge­halten. Dass dieselbe aus einem Gusse hergestellt ist, beweist folgendes: Der mächtige Vierungsturm von 10,00 m innerem Durchmesser steht mit seinen vier Seiten auf den vier Gurtbogen der Vierung — seine Mauerstärke beträgt, um ihn so leicht als möglich herzustellen, nur 90 cm. Sein grosser Durch­messer und die vier Begleittürmchen gestatten dies. Alles was unter diesen Türmen steht, muss also vor ihnen aufgeführt gewesen sein, ebenso auch die Säulen mit den Würfelkapitälen, welche unter den westlichen Begleittürmchen innen neben der Vie­rung stehen. Da die Unterbauten der westlichen Türmchen auch den Vierungsturm tragen, so mussten sie, falls bei ihrer Aufführung auch der Vierungsturm schon beabsichtigt war, beträchtliche Stärke erhalten. Bei den östlichen Türmchen hatte dies keine Not, da ein kräftiger Unterbau derselben nirgends den Weg versperrte. Anders stellt es sich bei den westlichen Türmchen, deren Unterbauten sperren die Seitenschiffe. Ohne Not und besonderen Grund hätte der zweite Baumeister sich nicht dazu verstanden, die Seitenschiffe, in der Weise, wie es geschehen ist, zu verbauen Wegen der Seitentürmchen allein, ohne den grossen Turm, hätte man der vorhandenen Unterbauten aber nicht bedurft.      Die Säulen mit ihren Würfelkapitälen, welche unter diesen westlichen Seiten-Türmen stehen,

Fig, 6. Kirche Gross St. Martin, Grundriss.
(Die älteren Teile schraffiert, die späteren schwarz.)

wiederholen sich dann weiterhin genau unter den Gewölben der Seitenschiffe, sie können also erst um diese Zeit, als der Dreiconchenchor errichtet wurde, den alten romanischen Pfeilern und Wänden angeblendet und eingebunden worden sein. Auch in der Aussenarchitektur macht sich der Schnitt zwischen dem Dreiconchenbau und dem Langschiffe deutlich geltend.

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Fig. 7. Kirche Gross St. Martin, Aufriss der Chorseite.
(Nach Boisserée.)

     Wenn wir nun die geschichtlich überlieferten Jahreszahlen mit dem Baubefund vergleichen, so bleibt kaum ein Zweifel über die Entstehungszeit der einzelnen Teile der jetzigen Kirche übrig.

     Ein schottischer Benediktinermönch Tilmon hatte sich im Jahre 690 auf der Rheininsel vor der Kölner Stadt niedergelassen.*) Andere irische Mönche folgten ihm und es entstand, besonders mit Unterstützung der heiligen Plectrudis, der Gattin Pipins von Heristal, eines der vielen Schottenklöster jener Zeiten. Es wurde dem hl. Martin von Tours, dem hochverehrten Schutzheiligen des fränkischen Reiches geweiht. Tilmons ursprüngliche Kapelle soll heute


*) Ueberrest einer Chronik in der Stadtbibliothek, abgedruckt bei Pertz Mon. Germ II. 214.

 

noch als Unterraum unter der jetzigen Hilfs-Sakristei vor­handen sein; ein sicheres Urteil lässt sich hierüber nicht gewinnen. 778 wurden Kirche und Kloster von den Sachsen zerstört, als Karl der Grosse in Spanien stritt. Einer seiner Paladine, der Dänenfürst Olger, liess das Bauwerk auf seine Kosten unter Beihilfe Karls wieder aufbauen, und Papst Leo III. weihte bei sei­ner zweiten Anwesenheit in Köln 805 zwei Altäre — hier­bei soll er auch den Tauf­stein geschenkt haben, der aber seines entwickelten ro­manischen Ornaments halber höchstens von 1150 stammen kann. Als in den Jahren 846 und 882 das Kloster zweimal durch die Normannen zer­stört worden war, scheint es sich schwer wieder erholt zu haben. Denn erst von Erz­bischof Bruno [gest. 965], dem Bruder Ottos des Grossen, wird berichtet, dass er das Kloster und die Kirche wie­der hergestellt habe. Aller­dings wird auch von dem Erzbischof Warinus [976-985] berichtet, dass er die gänzlich zerstörte [plane destructum] Abtei des heiligen Martinus auf der Rheininsel wieder aufgebaut und sie den schotti­schen Benediktinermönchen als Wohnung angewiesen oder zurückgegeben hätte. Erzbischof Warinus zog sich auch, als er auf seine Würde Verzicht leistete, in dieses Kloster zurück, um dort seine letzten Lebenstage zu verbringen. Eine alte Inschrift sagt: HaeC saCra ClaVstra DeCoraVIt honore gVarInVs.

     Dass zu der damals aufgeführten Kirche nicht der Dreiconchenbau gehören kann, erweisen die Einzelformen. S. Maria im Capitol z. B. ist fast aus einem Gusse erhalten, wir wissen nur von einer Einweihung im Jahre 1049. So hohe Vorstellungen dieser Bau auch von dem Können jener so frühen Zeit erweckt, so stimmen die altertümlichen Bau­glieder doch vollständig zu dieser Zeitbestimmung. Im Vergleich mit S. Maria im Capitol weist der Chorbau von Gross S. Martin aber lauter hochentwickelte

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Einzelformen auf. Diese können nicht aus den Zeiten des Erzbischofs Warinus stammen, wohl aber die grossen Bogenstellungen im Schiff der Kirche, an welche der Chorbau nachträglich angebaut ist. Allerdings sind auch die Basen dieser grossen Rundbogenstellungen dieselben wie die in den Con­chen, aber diese Basen sind sicherlich erst zu der Zeit angebracht worden, als man die Choranlage an­fügte. Bei dem Bau dieser neuen Choranlage hat man die Seitenschiffe mit romanischen Kreuzgewölben überwölbt und, um für die Gurtbögen das nötige Auflager zu gewinnen, Halbsäulen mit Würfel­kapitellen an die grossen Schiffspfeiler wie an die Aussenwände angesetzt. Die Kirche des Erzbischofs Bruno oder Warinus hatte also wahrscheinlich Holz­decken in allen drei Schiffen und einen weniger weit nach Osten hinausgerückten Chor.

     Die nächste Baunachricht meldet, dass der heil. Anno, Erzbischof von Köln, der erste strenge Er­zieher Heinrichs IV., der Kirche des heil. Martin zwei Türme hinzugefügt hat [habito consilio duas turres, a fronte Sanctuarii consurgentes in aerem suberigi praecepit, laudem meritumque viduae duo minuta offerentis procul dubio obtinens].*) Diese Türme sind nicht mehr vorhanden. Sie müssen neben der Vorhalle gestanden haben, der Unterbau des südlichen ist anscheinend heut noch im Treppen­hause zur Orgelbühne erhalten. Der nördliche scheint erst abgebrochen worden zu sein, als die frühgotische Vorhalle erbaut wurde und das Hochschiff seine Ge­wölbe erhielt, denn auch das Gewölbe des letzten Seitenschiffsjoches ruht auf frühgotischen Säulen und ist um die (Treppen-) Turmbreite länger als die übrigen Kreuzgewölbe.

     1149 brennt dann die Kirche bei einem grossen Stadtbrande ab.**) 1172 wird sie durch Erzbischof Philipp I. von Heinsberg feierlich eingeweiht.***)

     Dass dieser Neubau nichts Anderes sein kann, als der heut noch erhaltene Dreiconchenbau mit seinem riesigen Vierungsturm macht folgendes wahrscheinlich. Das Benediktinerkloster Gross S. Martin war reich begütert. Als sein Gotteshaus ab­brannte, wird es sicher sofort zu einem würdigen Neubau geschritten sein. Wenn dieser von 1149 bis 1172 gedauert hat, so muss es sich schon um eine bedeutende Bauunternehmung gehandelt haben, denn es ist nicht anzunehmen, dass — da der Erzbischof von Köln zur Einweihung verhältnismässig leicht zu


*) Surius IV. 145 nach Dittges, Grss. S. Martin in Köln.

**) Ennen und Eckertz, Quellen zur Geschichte der Stadt Köln. Was in Lotz, Kunst-Topographie Deutschlands, an Zeit­bestimmungen für jene Zeit gegeben ist, muss mit Vorsicht benutzt werden.

***) Nach Kessel, Antiquitates Monasterii s. Martini majoris Coloniensis S. 98 befand sich früher folgende Inschrift in der Kirche: „Consecratum est hoc oratorium a.0 1172. Id. Maii.“

 

haben war — dieselbe erst lange nach Fertigstellung des Baues stattgefunden haben sollte. Aber die Mönche mussten einen Raum für die Abhaltung des Gottesdienstes während so langer Jahre haben. Der Brand der Kirche wird die Dächer und die Holzteile vernichtet und die Anno’schen Türmchen dem Einsturz nahe gebracht haben. Zuvörderst hat man daher Dach und Decken schleunigst wieder hergestellt, um einen gottesdienstlichen Raum zu besitzen. Dann aber ist ostwärts vom alten Chor die neue Dreiconchenanlage begonnen worden. Der Rhein war indessen seit Tilmon weit zurückgetreten, die Insel hatte sich der Stadt angegliedert. So führte man auf dem neuen Rheinstrande, welcher tief unten lag, auf riesigem Unterbau die neue Choranlage mit ihrem gewaltigen Vierungsturme auf. Dann zogen die Mönche in den neuen Chorbau, die alte Apsis mit der Chorwand wurde abgebrochen und nun auch die Seitenschiffe mit Kreuzgewölben überwölbt. Da­bei wurden sie mit romanischen Halbsäulen versehen und deren Basen auch den alten Pfeilern der Kirche des Erzbischofs Warinus umgelegt. Nur so erklärt sich im romanischen Langschiff der plötzliche Wechsel in der Bogenstellung und in sämtlichen Höhenmassen. Bei einem Bau aus einem Gusse würde kein Bau­meister auf solche unbegründete und unschöne Anstückelung verfallen sein. Nur so erklärt sich aber auch die lange Bauzeit. — Aus späterer Zeit ist eine Urkunde vorhanden, in welcher ein Abt Symon (1206—1211) bekundet, dass ein Magister Rudengerus ein Haus zu Seelenmessen für sich und seine beiden Frauen dem Kloster vermacht habe.*)


*) Ennen und Eckertz, Quellen zur Geschichte der Stadt Köln. Bd. II, S. 40. „Symon dei gratia abbas ecclesie beati Martini. Notum esse uolumus tam posteris quam presentibus quod Rudengerus bone memorie confrater noster quandam domum secus renum in area ecclesie ante cellarium sitam XVIII solidos annuatim persoluentem ecclesie nostre pro remedio anime sue et uxorum suarum Atzele scilicet et Petronille quam plurium testimonio delegauit ea conditione, ut in anniuersario suo VI sol. eiusdem census fratribus deseruiant, in anniuersario prioris uxoris Atzele IIII, in anniuersario Petronille II, in dedicatione ecclesie V sol. et VI denar., familiaribus uero ad signa ecclesie in eius anniuersario compulsanda VI denar. Preterea idem Rudengerus in edificio ecclesie nostre fideliter laborans VII marcas, tunc et XXX denarios de suo proprio in emptis lapidibus et calicem V marcarum bona fide deo et beato Martino optulit. Decrevit vero idem Rudengerus ut censum supradicte domus, quoad usque uiueret, libere susciperet.“ In Uebersetzung:

     Symon, von Gottes Gnaden Abt der Kirche des h. Martin. Es sei der Nachwelt wie den Gegenwärtigen bekannt gemacht, dass Rud. guten Angedenkens, unser Mitbruder, ein Haus am Rhein auf dem Kirchplatz vor dem Kellergebäude gelegen, das jährlich 18 Solidi einbringt, unserer Kirche zum Heile seiner Seele wie seiner Frauen, nämlich Atzela und Petronilla, unter der Bedingung vor sehr vielen Zeugen übertragen hat, dass an seinem Jahrestage 6 Sol. jenes Zinses den Brüdern zukäme, am Jahrestage seiner ersten Frau Atzela 4, am Jahres­tage der Petronilla 2, am Kirchweihfest aber 5 Sol. und 6 Denar; den Dienern aber, welche am Jahrestage die Kirchenglocken läuteten, 6 Den. Ausserdem gab dieser Rud., der in dem Ge­bäude unserer Kirche treu arbeitete, 7 Mark; dann noch 30 Den.

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     Da nur dreierlei Bauformen an der Kirche auf­treten, so müssen die frühgotischen Formen diesem Baumeister angehören. Die Zeit nach 1200 ist aller­dings in Deutschland die Grenzscheide zwischen ro­manischer und gotischer Kunst. In den beiden ersten Jahrzehnten des dreizehnten Jahrhunderts führt häufig ein Baumeister der alten Schule einen Bau in rein romanischen Formen auf, während ein jüngerer neben ihm schon rein gotisch baut oder es wird gar — wenn der romanische Bau seinen Meister vor seiner Vollendung verliert, der Bau gotisch fertiggestellt. So ist es z. B. dem Dom zu Magdeburg ergangen.*)

 

     Als weitere Nachricht ist uns der Bericht von einem grossen Brande im Jahre 1378 erhalten, welcher sich vom Fischmarkt aus auf die Kirche verpflanzte. Der Turmhelm brannte ab, die Giebel stürzten ein und zerschlugen das Kuppelgewölbe in der Vierung.

     Dass die Giebel, welche umgestürzt sein sollen, nicht die drei am Fusse des Vierungsturmes sein können, gegen welche die Dächer der Absiden an­laufen, dürfte ziemlich sicher sein. Es ist kaum möglich, dass, da der Turm stehen geblieben ist, diese Giebel umgestürzt sein können. Sie stehen entsprechend den Wänden des Vierungsturmes,

Fig 8. St. Apostelkirche. Querschnitt.
(Nach Dehio und v. Bezold.)

Es könnte also auch der Dreiconchenbau mit seinem Vierungsturm um diese Zeit noch ent­standen sein, denn die romanischen Formen verändern sich in der letzten Hälfte des XII. Jahrhunderts ziem­lich wenig. — Aber welcher Bau sollte dann von 1149 bis 1172 errichtet worden sein?

     Die frühgotischen Teile aber können schon ihren Formen nach nicht später als höchstens 1230 bis 1240 entstanden sein, und zuguterletzt be­zeugt eine Urkunde, dass 1240 die Vorhalle schon bestand.

     „ . . . . Notum, quod Methildis, que fuerat filia Euerardi Cleingedanc, et Gertrudis de morte parentum suorum obtinuit octauam partem domus, que dicitur Bungart, sitam prope porticum (S. Martini), ante et retro, ubicunque eam hereditarie in partitione attingit, ita quod iure et contradictione obtinebit. Actum anno domini MCCXL.**)

     Diese Vorhalle führte auch in die Brigidakirche, welche rechtwinklich an das südliche Seitenschiff von S. Martin anstiess. Daher ist dasselbe dort auch schmäler eingezogen. — Doch zurück zu Rudengerus. Auch der Wortlaut „fideliter laborans in edificio ecclesie nostre“ stimmt zu der Art seiner Bautätig­keit***), d. h. zu dem Einwölben der Kirche.


in Steinen, die er für sein Geld gekauft hatte, und einen Kelch 5 Mark unter Brüdern wert, Gott und dem h. Martin. Es be­stimmte aber dieser Rud., dass er den Zins des obenbesagten Hauses, so lange er lebe, frei erhielte.

*) Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgang 1896: Hasak, zur Geschichte des Magdeburger Dombaues.

**) Ennen und Eckertz, Quellen Bd. II, S. 207.

***) Während in Bock, Rheinlands Baudenkmale 2. Serie, vollständige Unsicherheit über die Zeitstellung der einzelnen Bauteile herrscht, hat Dittges die hier entwickelte Reihenfolge ebenfalls angenommen, allerdings ohne nähere Erweise.

 

die auf den inneren Gurten der kleinen Tonnen aufsitzen, auf den äusseren derselben. Ihr Einsturz hätte auch die Kuppel im Turm nicht beschädigen können. Er­sichtlich hat also der Turm früher oben vier Giebel besessen mit einem grossen Rhombendach, wie es der Turm von St Apos­teln heut noch aufweist.

     Mancher, dem der heutige Turm­helm zu versunken zwischen den vier schlanken Begleit­türmchen vorkommt, wird dadurch deren Form und Grösse besser erklärt und be­gründet finden. Der Bau des jetzigen Hel­mes ist erst unter Abt Adam Mayer (1454 bis 1499) durch ein Geschenk eines wohlhabenden Kölner Kaufmanns, Ewald von Bacharach, ermöglicht worden.

     Ein Begleittürmchen, das südwestliche, stürzte 1527 ein, das nordwestliche muste 1789 abgetragen werden und ist erst 1847 wieder aufgeführt worden, das vierte 1870. Die Annahme von Bock, dass die Begleittürmchen früher niedriger gewesen und erst im dreizehnten Jahrhundert erhöht worden wären, entspricht durchaus nicht dem Baubefund. Die Türmchen sind aus einem Gusse aufgeführt. Auch zu St. Aposteln ragen die zwei Begleittürmchen am Chor grade so keck über das Hauptgesims in die Luft.

     Wenn man sich die vier grossen Giebel oben auf dem Turm als noch bestehend vorstellt, dann erscheint der kleinen Türmchen Höhe nicht abson­derlich auffallend.

     Eine Anordnung ist noch von grossem Interesse. — Das Geschoss der Westtürmchen, welches in Höhe der Hochschiffsfenster zu einem grösseren viereckigen Raum ausgestaltet ist, zeigt Kreuzgewölbe mit Rippen!

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Dem Baumeister, welcher also von 1149—1172 den romanischen Dreiconchenbau aufgeführt hatte, waren die Errungenschaften jenseits der Grenze bekannt. Seine Rippen sind allerdings sehr roh, vierkantig und von grossem Querschnitt; es sind die ersten Rippen in einem romanischen Bau Deutschlands, deren Zeit sich bestimmen lässt. Die beiden Türmchen stehen auf diesen so verstärkten Kreuzgewölben. Auch die französischen Versuche, einfache Blattformen zu verwenden, sind jenem Meister nicht fremd; dies zeigt sich an den Säulchen der Apsiden innen und aussen.

     Wenden wir uns nun zu dem zweiten Meister­werke romanischer Kunst in Köln:

St. Aposteln.

     Die grosse Aehnlichkeit ihrer Choranlage mit der von Gross St. Martin springt sofort in die Augen, nur dass an Stelle des hohen Vierungs­turmes eine Art von achtteiligem Kuppelbau getreten ist. Auch diese Choranlage ist einem älteren romanischen Kirchenbau später angefügt. Betritt man das Innere, so sieht man, dass grade so wie in St. Martin bei Gelegenheit des Chorneubaues die Seitenschiffe in romanischer Weise überwölbt worden sind und dass das Hochschiff auch erst zu frühgotischer Zeit sein Gewölbe erhalten hat. Ausserdem hat hier der frühgotische Baumeister noch das weiträumige, westliche Querschiff über­wölbt und zu diesem Zwecke dieses von unten auf in zwei Geschossen übereinander mit Säul­chen und Spitzbogen­reihen versehen. Auf diesen finden die Ge­wölberippen dann ge­nügend Platz, während gleichzeitig für den Gewölbeschub eine ge­hörige Widerlagsstärke geschaffen ist.

     Der zweite roma­nische Baumeister hat dann bei der Ueberwölbung der Seitenschiffe die Hochschiffsmauern auch innen im Mittelschiff noch durch Vorblendung einer 26 cm starken Vorlage, über die sich oben Stichbogen setzen, verstärkt. Ausser­dem hat er wohl die Blendgalerie unter den Ober­fenstern hergestellt und so nachträglich ein blindes romanisches Triforium geschaffen. Auch der herr­liche Turm wird in seiner jetzigen Gestalt von diesem Baumeister herrühren, wenn auch unten

 

der Kern dem alten Baue angehören mag. — Die Choranlage erscheint entschieden reifer als zu Gross St. Martin; besonders das Innere weist bedeutende Fortschritte auf. Die Kreuzconchen versperren nicht mehr die Seitenschiffe. Die verbindenden Tonnen sind so lang gemacht, dass die Conchen erst ausserhalb der Seitenschiffe ansetzen. Auch ruhen die Halbkuppeln der Chöre nicht mehr auf einer grösseren Zahl Säulchen mit den dann un­vermeidlich kleinlichen Rundbögen darüber, nur drei grosse Bogen tragen die Kuppeln, die ihrer­seits wieder von je zwei Paaren gekuppelter Säulchen, die in der Mauerstärke hintereinander stehen, ge­stützt werden. In dem unteren Geschoss entsprechen diesen drei Bögen drei grosse Nischen. Hierdurch ist ein klares, künstlerisch abgerundetes und voll­endetes System geschaffen. Dieses ist in rein früh­gotischen Bauten, wie zu Münstermaifeld, mit grossem Glück aufgenommen worden.

     Betrachten wir nun die geschichtlichen Ueberlieferungen.

     Gelenius behauptet, der heilige Heribertus habe die Kirche 1001 gegründet; diesem ist auch in dem einen Thürbogenfelde unter dem Turme diese Ehre in der Neuzeit in Stein bescheinigt worden. Aber 1643 am 17. August hatte man das Grab seines Nachfolgers, des heil. Piligrin, aufgefunden und geöffnet. Die Inschrift auf dem Bleitäfelchen unter seinem Haupte lautete:

     „Anno Incarnationis Domini MXXXVI. Indictione XV. VIII. K. Septemb. PILIGR Archps. Fundator Ecclesiae huius.“ Im Jahre des Heils 1036 am 8. September starb Piligrinus, Erzbischof und Stifter dieser Kirche.

Fig. 9. St. Apostelkirche. Grundriss.

     Man wird doch angesichts des Todes nicht zu unberechtigter Schmeichelei gegriffen haben. Es dürfte sich indes der Widerspruch lösen, wenn man annimmt, dass der heil. Heribert die Kirche

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gegründet habe. Sein Bau wird klein und wahr­scheinlich noch in Holz hergestellt gewesen sein.*) Als die neue Gemeinde dann stärker geworden war, hat der heilige Piligrin die Kirche in Stein auf­führen lassen. Ihm ist daher durch das neue Bogenfeld in etwas Unrecht angethan worden. Dasselbe ist übrigens in der am Rhein üblichen Handwerksmässigkeit hergestellt. Von dem Bau Piligrins rühren die Mauern des Langschiffes (Hoch- und

 

meisterhaften Behandlung der Säulenstellungen unter den Halbkuppeln darf man den Dreiconchenbau von St. Aposteln als nach diesem Brande er­richtet betrachten. Die bisherige Ansicht, dass die Chöre von Gross St. Martin jünger als der Chorbau von St. Aposteln seien, hat keinerlei Beweis für sich. Dass der Conchenbau hinwiederum jünger als der des Langschiffes ist, steht hier in St. Aposteln über jeden Zweifel erhaben vor Augen. Die höheren

Fig. 10. Apostelkirche, Seitenansicht. (Nach Boisserée.)

Seitenschiffsmauern) her, wohl auch die des westlichen Querschiffes. Wir begegnen weiter keinen Nachrichten bis 1199, in welchem Jahre nach Gelenius**) die Kirche völlig in Asche verwandelt worden ist (basilica rursus in cineres abiit).

     In Anbetracht der fortgeschrittenen Einzelformen wie der besseren Grundrisslösung und der


*) Gelenius, de magn. Colon. S. 903. Uebrigens hat auch schon vor Heribert eine Apostelkirche daselbst bestanden, in welcher die Leiche des Erzbischofs Bruno 965 bei ihrer Ueberführung aus Frankreich eine Nacht geruht hat.

**) De magnitudine Coloniae. S. 296.

 

Kämpfer und Kapitelle der Chöre sind da, wo sie an das Langschiff anschneiden, über die alten vorhandenen Kapitellgesimse gesetzt worden, ohne dass diese entfernt wurden. Auch die nachträgliche Anfügung der Säulen in den Seitenschiffen und der damit zusammenhängenden Ueberwölbung derselben sowohl mit romanischen, rippenlosen Kreuzgewölben liegt klar zu Tage. Der romanische Baumeister von 1199 hat auch in den Seitenschiffen die höheren Kämpfer des Conchenbaues durchgenommen; sie sitzen über den alten Kämpfergesimsen. Er hat sich genau nach dem Vorgange des Baumeisters von Gross

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St. Martin gerichtet. Um 1200 wird dieser Anbau und Umbau vollendet worden sein. Im Mittelschiff und dem westlichen Kreuzschiff war die alte Holz­decke noch beibehalten worden. Wahrscheinlich haben auch hier die Stiftsherren ihren Gottesdienst während des Umbaues abgehalten. Als sie dann in den Besitz des neuen Chorbaues gelangt waren, musste sich in ihnen der Wunsch regen, auch die

 

     Dass Gelenius seine Baunachrichten nicht erdichtet hat, beweist seine hiermit übereinstimmende Nach­richt: testudo ejus Ecclesiae absoluta fuerat Anno 1219. per Alberonem laicum.*)

     Dass diese Inschrift nicht zu der Thätigkeit des romanischen Baumeisters des Dreichörebaues passt, liegt auf der Hand, denn dieser hat die Kirche nicht bloss gewölbt; dagegen passt dieser Wortlaut

Fig. 11. St. Apostelkirche, Turmfront.

übrige Kirche feuer­sicher überwölbt zu haben, und so sehen wir das Hochschiff mit sechsteiligen und das westliche Quer­schiff mit siebentei­ligen frühgotischen Gewölben auf vor­geblendeten Säulchen ausgestattet. — Auch über diesen früh­gotischen Baumeister hat sich, wie zu Gross St. Martin, eine Nach­richt erhalten.

     In dem Cartular des Stiftes findet sich Fol. 329 folgendes:*)

     Anno incarnationis dominice MCCXIX, mense Marcio reliquie XI milium virginum deposite sunt in hunc sarcophagum cum aliis pluribus reliquiis, que hic continentur, que etiam prius fuerant in hac ecclesia sanctorum apostolorum in diuersis locis recondite, presidente Colonie venerabili archiepiscopo Engelberto, quo tempore hac ecclesia testudinata est, Alberone**) laico viro religioso cum multa sollicitudine hoc procurante.***)


*) Ennen und Eckertz, Quellen. Bd. II. S. 78. **) Im „Liber rubens“ steht „ab Alberone“, der Beweis, dass A. der Baumeister und nicht der Verwaltungsbeamte war, während die erste Lesart noch diesen Zweifel offen lässt. ***) Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1219, im Monat März, sind die Reliquien der 1100 Jungfrauen in diesen Sarko­phag niedergelegt worden mit mehreren anderen Reliquien, welche hierin enthalten sind und die hier in der Kirche der heiligen Apostel, auch früher an verschiedenen Orten auf­bewahrt gewesen waren, unter dem ehrwürdigen Kölner Erzbischofe Engelbert; in dieser Zeit wurde die Kirche von dem Laien Albero gewölbt, einem frommen Manne, welcher dieses mit grosser Beflissenheit besorgte.

 

vorzüglich zu dem, was der frühgotische Bau­meister geschaffen hat. Auch die Zeit 1219 stimmt zu der go­tischen Ausführung der Gewölbe.

     Dieser Albero Laicus war ein Laie wie Rudengerus. Beide führen ausserdem nicht den Titel „Stein­metz“. Bekanntlich sollen nach einer viel verbreiteten Anschau­ung im Mittelalter Steinmetzen mit einem Rezept, einem wun­derwirkenden Mittel aus Tausend und ei­ner Nacht bewaffnet, die Wunderwerke der Kathedralen erschaf­fen haben. Dass dies ein vollständiger Irr­tum ist, hat Verfasser bereits an anderer Stel­le nachgewiesen.**)

     Weder haben Stein­metzen zu gotischer Zeit jene Meisterwerke der Baukunst geschaf­fen, noch zu romani­scher Zeit Geistliche oder Mönche. Ebensowenig giebt es einen deut­schen Uebergangsstil. Ebensowenig ist es richtig, dass man in Deutschland bis 1275 romanisch neben einzelnen gotischen Bauten weiter gebaut hätte.

     Nach dem verheerenden Kampfe der beiden Gegenkönige Philipp von Schwaben und Otto IV., welcher besonders am Rhein fast alle Städte hart in Mitleidenschaft gezogen hatte, hört um 1210 die romanische Bauweise fast völlig auf. Von 1200 bis 1220 darf man jene Zeit ansetzen, in welcher die


*) Vita S. Engelberti S. 114. **) Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. 1895: „Haben Stein­metzen unsere mittelalterlichen Dome gebaut?“

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alten romanischen Baumeister abstarben und die neuen gotischen die Alleinherrschaft errangen.

     Ob damals die Verbindung Philipps mit Frank­reich den Verkehr zwischen Deutschland und Frank­reich besonders rege gemacht hatte, so dass die deut­schen Baumeister anscheinend sämtlich jenseits der Grenze gelernt haben, mag dahingestellt sein.

     Beide Kirchen Gross S. Martin und S. Aposteln zeigen uns in ihren Schiffen die Kunst um das Jahr 1000, Gross S. Martin 20 Jahre vor demselben, S. Aposteln 20 Jahre nach ihm, beide Kirchen zeigen an ihren Dreiconchenbauten und den Gewölben der Seitenschiffe in derselben Reihenfolge die romanische Kunst zwischen 1150 und 1200; beide Kirchen zeigen in den Gewölben ihrer Hochschiffe die frühgotische Kunst zwischen 1200 und 1220.

     Will man den Formenkanon der rheinisch­romanischen Kunst auf ihrem Höhepunkte, die innere Anordnung und die äussere Erscheinung ihrer Kirchen, kurz bevor man sie in Deutschland verliess, kennen lernen, dann haben wir in diesen beiden Bauten rein und unverfälscht erhaltene Bei­spiele. Dass diese Kunst eine grosse Vollendung erreicht hatte, dass besonders ihre äussere Er­scheinung, wie nicht minder ihre Innenräume jeden mit Bewunderung erfüllen, macht es begreif­lich, dass viele sie nachzuahmen versuchen.

     Warum aber hat man in Deutschland diese Kunst nach 1200 so plötzlich verlassen? Einer­seits mag die Grossartigkeit der französischen Kathedralen, denen die romanische Kunst Deutsch­lands kaum etwas Aehnliches an die Seite zu setzen hatte, die Augen bestochen haben, anderer­seits hat aber sicher die unerbittliche Folge­richtigkeit der Gotik in der Erschaffung ihrer Kunstformen aus der Konstruktion und deren

 

Erfordernissen die Ueberzeugung der deutschen Bau­meister für sich gewonnen. Die Simse der roma­nischen Kunst führten weder den Regen ab — musste man sie doch in gotischer Zeit zumeist nachträglich mit Schrägen versehen — noch entsprangen ihre einzelnen Glieder irgend welchem Erfordernis. Allein das Herkommen heiligte sie. Ebenso verhielt es sich mit dem romanischen Ornament. Woher stammten diese krausen Verschlingungen, warum sollte man solch unbekanntes Blattwerk immer wieder zeichnen? Nur weil man nichts Anderes kannte, war man dabei geblieben. Warum machte man flache Dächer, auf denen weder der Schiefer noch das Ziegelwerk dicht hielten? Auch die Kon­struktion der Gewölbe über den Mittelschiffen wollte nicht gelingen. Was sollte die Deutschen also bei einer Kunst halten, deren Einzelformen nicht zu begreifen waren, deren Konstruktion in vielen Fällen versagte. Ihnen bot sich eine andere Kunst so herrlich und jugendkräftig dar, in unerbitt­licher Folgerichtigkeit Formen und Konstruktionen umschaffend und neu erfindend, die in ungeahnter Pracht und Kühnheit Werke in den Himmel türmte, wie sie bisher keine Phantasie zu erdenken vermocht hatte. Und diese waren der germanischen Phantasie entsprossen, sie nahmen daher die Phantasie aller germanischen Stämme mit Zauberbanden gefangen und es bedurfte später der handwerkmässigen Miss­handlung derselben während zweier Jahrhunderte, um sie den Deutschen wenigstens in ihren Einzel­heiten zu verleiden.

     Aus diesen Gründen erlosch nach 1200 die ro­manische Kunst in Deutschland plötzlich. Die Art, wie man heutzutage diese Kunst wieder aufnimmt, scheint kaum geeignet, ihre Schwächen zu beheben, ihr eine längere Dauer zu bescheren.

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Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln
zu Köln. Tafel I.
     
Gross St. Martin. Ansicht von Westen.
     
Verlag von W. Spemann in Berlin und Stuttgart. Die Baukunst 1,11.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln
zu Köln. Tafel II.
     
Gross St. Martin. Nordseite.
     
Verlag von W. Spemann in Berlin und Stuttgart. Die Baukunst 1,11.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln
zu Köln. Tafel III.
     
Gross St. Martin. Ansicht des Innern.
     
Verlag von W. Spemann in Berlin und Stuttgart. Die Baukunst 1,11.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln
zu Köln. Tafel IV.
     
St. Apostelkirche. Ansicht vom Neumarkte aus.
     
Verlag von W. Spemann in Berlin und Stuttgart. Die Baukunst 1,11.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln
zu Köln. Tafel V.
     
St. Apostelkirche. Choransicht.
     
Verlag von W. Spemann in Berlin und Stuttgart. Die Baukunst 1,11.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln
zu Köln. Tafel VI.
     
St. Apostelkirche. Blick in das Langhaus.
Nach einer Aufnahme der Kgl. Messbildanstalt.
     
Verlag von W. Spemann in Berlin und Stuttgart. Die Baukunst 1,11.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln
zu Köln. Tafel VII.
     
St. Apostelkirche. Blick ins Mittelschiff und Seitenschiff
Nach einer Aufnahme der Kgl. Messbildanstalt.
     
Verlag von W. Spemann in Berlin und Stuttgart. Die Baukunst 1,11.


INHALT

Text: Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln in Köln von Max Hasak.

Tafeln: Gross St. Martin, Ansicht von Westen. — Gross St. Martin, Nordseite. — Gross St. Martin, Ansicht des Innern. — St. Apostelkirche, Ansicht vom Neumarkte aus. — St. Apostelkirche, Choransicht. — St. Apostel­kirche, Blick in das Langhaus. — St. Apostelkirche, Blick ins Mittelschiff und Seitenschiff.

Textabbildungen: Die Kirche Gross St. Martin vom Rhein aus gesehen. — St. Apostelkirche, Choransicht. — St. Apostelkirche, Ansicht der Nordseite. — Gross St. Martin, Blick in die nördliche Concha. — Kirche Gross St. Martin. Längenschnitt. (Nach Dehio und v. Bezoid.) — Kirche Gross St. Martin, Grundriss. — Kirche Gross St. Martin, Aufriss der Chorseite. (Nach Boisserée.) — St. Apostelkirche, Querschnitt. (Nach Dehio und v. Bezoid.) — St. Apostelkirche, Grundriss. — St. Apostelkirche, Seitenansicht. (Nach Boisserée.) — St. Apostelkirche, Turmfront.

Berlin, Druck von W. Büxenstein


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