Die Ausstellung in Dresden
Unsere Kunstausstellung hat am 3. August, am Namenstage des Königs, wie seit mehreren Jahren, begonnen. Das Verzeichniß, zu dem wohl noch eine Zugabe zu erwarten ist, enthält 592 Nummern. Es hatten viele Fremde, die jetzt alle Gasthöfe hier füllen, auf die Eröffnung der Säle im schönen Local auf der Brühl’schen Terrasse gewartet. Diese konnten sich in den ersten Tagen nicht genug wundern, daß zwei der übrigen Säle zur Genüge, wenn auch nicht zur Zufriedenheit, angefüllt waren, daß aber das Professorzimmer noch so kahl da stand. Es ist doch etwas sonderbares, daß gerade die, welche in That und Beispiel vorangehen sollen, hier eine Art von privilegirtem Stand bilden und Exemtion verlangen. Auch fällt es auf, daß die Professoren Hartmann und Matthäi, zwei Männer, die das ganze Kunstpublicum mit Achtung nennt, jeder nur mit einigen Porträts erscheint; Professor Schubert aber, der diesmal noch obenein die, alle Jahr wechselnde, Direction hat, mit gar nichts angekündigt steht. Auch Professor Rößler, der einigemal mit historischen Stücken auftrat, ist müde geworden, und will uns, (denn auch er gab noch nichts,) mit einem einzigen Porträt abfertigen. Dadurch, vermeinen einige, werde es ja laut erklärt, daß es nur Porträtmalerei gebe, weil diese nur bezahlt werde. Da muß man doch Professor Pochmann loben. Dieser stellte seine büßende Magdalene nach eigener Erfindung gleich mit der Eröffnung aus, und verdient dadurch den Dank der Besuchenden, die nicht warten können, bis es für die Herren, die so lange warten lassen, die bequemere Zeit zu seyn scheint. Eine große Zierde des Professorsaals sind 5 Oelgemälde aus dem Nachlasse des so kläglich ermordeten Professors Gerhard von Kügelgen. Mit tiefer Trauer stehen die Gefühlvollsten vor diesen letzten Erzeugnissen seines Pinsels. Die größte Aufmerksamkeit zieht darunter sein verlorner Sohn auf sich, über dessen Vollendung ihn, wie bekannt, dir räuberischen Mordfäuste ereilten. Ich spreche absichtlich in der Mehrzahl; denn obgleich über die nun geschlossenen und bereits zum Urtheilsspruch qualificirten Acten das tiefste Stillschweigen herrscht, und bis jetzt nur Ein Mörder als überwiesener und eingeständiger Verbrecher im großen Publicum genannt wird; so wird doch der Verdacht der Theilnahme eines zweiten, der Anfangs allein die Schuld trug, später aber leugnete, noch lange haften. Der verlorne Sohn ergreift die anschauenden mit einer magischen Gewalt, und erfüllt mit wehmüthigen und andächtigen Gefühlen. Die Kunstrichter sagen freilich, der Jüngling da in diesem weißen Tuche um den Leib, mit dieser weißen Binde über die Stirn, sei kein Schweinehirt, sei viel zu sauber und zierlich für einen verlornen Sohn. So hat auch ein Herr Mette in der Abendzeitung viel daran zu tadeln und zu zweifeln gefunden. Allein man will oder kann den Meister nicht verstehen, dessen Absicht durch den Bericht mehrerer seiner Freunde bekannt genug seyn könnte. – Der Veteran unserer Landschaften, Professor Klengel, ist auch diesmal nicht zurückgeblieben. Seine kleinen Landschaften und Viehstücke, seine kleine Kartoffelernte, seine Gras- und Weizenmähen, athmen Leben und Wahrheit, wo auch das Alter hie und da seine Spuren eindrückt. Der phantasiereiche Maler Friedrich hat wieder viel Originelles gegeben. Von allen unterhält seine vom Vollmond abwärts fliegende Eule im vorübergehenden Gewölke in einem Rundgemälde, worauf weiter gar nichts zu sehen ist als dieser Nachtvogel, auf mehr als eine Weise. Viele verstehen dies allegorisch, und da gibts auf die Freunde der Finsterniß manchen gereimten und ungereimten Einfall. Der dänische Maler Dahl, der, wie man allgemein sagt, jetzt nach Neapel zum Prinzen Christian gereiset ist, hat in seiner eigenen kräftigen Manier 5 Landschaften ausgestellt, die, wenn der Mann auch nur mit den Pinsel schreibt und gewaltig schnell arbeitet, doch zu den Sachen gehören, zu welchen man am liebsten zurückkehren mag. Das größte dieser Gemälde, der Wasserfall mit den Burgruinen, zeigt eine reiche Phantasie und ein seltenes Kunstvermögen. [214] Wer von Fremden den entzückenden Blick von der Bastei bei Raden auf der Elbe und den Vorgrund der sächsischen Schweiz that, verweilt auf Dahl’s Bild von dieser Bastei, das hier mit ausgestellt ist, und wornach auch in der Ritter-Arnoldischen Kunsthandlung ein colorirter Kupferstich jetzt zu kaufen ist, mit Vergnügen. In diesem Dahl, der bereits Mitglied der Akademie ist, erblüht für das Fach, welches auch diesmal in der Ausstellung das begünstigte ist, und überhaupt in Dresden am besten gedeiht, eine frische aufsprießende Hoffnung, da mancher alte Stamm verwelkt oder ganz gesunken ist. Aber auch Klengel hat sich in Traugott Faber einen braven Schüler gezogen. Was von ihm, als einem Mitgliede der Akademie, im Professorzimmer hängt, ist gut erfunden und wacker angeführt. Die von ihm treu nach der Natur hingezauberte Gegend aus unserm großen Garten erregte allgemeine Theilnahme. Natürlich! denn das ist auch eine Art von Porträt. Die Copie nach Mynauts gefällt Kennern am meisten. Wer so copirt, kann selbst ein Meister werden. Professor Richter’s Sepiazeichnung vom Schloß Altenburg erinnert lebhaft an Zingg’s Schule. Aber warum so wenig, wo so viel da wäre? Von dem Director der Leipziger Kunstakademie, V. H. Scherer, sehen wir sein eigenes Porträt. Wer ihn kennt sagt, es sei wahr und brav. Dann wünschen wir ihm aber von Herzen Kraft und Gesundheit. Von Kupferstichen können wir noch nichts ansagen, sie werden wohl noch kommen. Aber seit gestern sind zwei Blumen- und Fruchtstücke von einem Meister in Bamberg, dessen Namen uns Niemand sagen konnte, angekommen, die alle Achtung verdienen. Es wird schon noch Succurs anlangen. Diese leeren Wände werden sich schon noch füllen. Die Durchreisenden aber und Fremden sind damit sehr unzufrieden. Viele Kunstfreunde können durchaus nicht begreifen, wozu der Ritter von Grassi in Rom eine so ansehnliche Pension genießt, und nicht einmal dafür sorgt, daß die mit einem königlichen Stipendium in Rom studirenden Dresdner jungen Künstler etwas zum Augustustag, wo jeder Sachse gern etwas brächte, hierher schicken. Das ist von Seiten des Aufsehers und der ihm untergebenen Zöglinge der Akademie um so weniger zu verzeihen, als eine solche Aufmerksamkeit und Anerkennung der Wohlthat, die den jungen Männern zufließt, auch ihrer Denkart wohl anstehen würde. Professor Vogel, dessen schönes Bild vom Pabste eine Zierde der vorjährigen Ausstellung war, hat auch nichts geschickt. Aber er wird selbst von Rom kommen, und, wie man sagt, hier unmittelbar vom König beschäftigt werden; da liegt in der Reide volle Entschuldigung. Noch sind wir im Professorzimmer, und denken auch hier noch zu verweilen. Was in den vier übrigen Sälen zu sehen ist, davon soll künftig gesprochen werden. Nur so viel noch zum Trost: Die ermüdenden Copien nach unseren Gallerien haben, den Musen sei Dank, sehr abgenommen.