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Die Aufsuchung unterirdischer Quellen

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Textdaten
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Autor: Gustav Henoch
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Titel: Die Aufsuchung unterirdischer Quellen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[444]
Die Aufsuchung unterirdischer Quellen.[1]
Von G. Henoch, Bergingenieur.

Mehrere wissenschaftliche Zeitschriften, darunter bergmännische Fachblätter, haben vor noch nicht langer Zeit eine Schwindelei aufzudecken vermeint, als sie gegen das Wirken des Verfassers dieses Aufsatzes auftraten, und ihm und jedem anderen Menschen die Fähigkeit absprachen, den Wasserlauf unter der Erdoberfläche verfolgen, in das Innere der Erde, wie sie sich ausdrückten, sehen zu können. – Mit solchen Angriffen wird nichts bewiesen.

Der Geologe macht bei Aufstellung seiner Schöpfungstheorien wohl gewagtere Schlüsse, als ich bei Bestimmung meiner Brunnenpunkte, und der Bergmann schließt in Folge äußerer Anzeichen auf die Beschaffenheit größerer Tiefen, als solche, in denen der Quellenfinder sein Wasser sucht, beide aber – Geologe und Bergmann – würden es, und gewiß mit Recht, sehr übel nehmen, wollte Jemand ihnen die Fähigkeit absprechen, nach oberirdischen Anzeichen auf unterirdische Verhältnisse mit Anspruch auf Richtigkeit schließen, also gewissermaßen auch in das Erdinnere sehen zu können.

Beleuchten wir vor Allem die Entstehungsart der Quellen etwas näher. Der Lauf der Gewässer auf der Erde ist eine so bekannte Erscheinung, daß wenige Worte hinreichen, sie in allgemeinen Umrissen zu bezeichnen. Aus allen Gewässern der Erdoberfläche, aus dem Meere, aus den Flüssen, aus den Seeen etc. steigen ununterbrochen Wasserdünste in die Atmosphäre, um so mehr, je wärmer oder trockener die Luft, um so weniger, je kälter und feuchter sie ist, verdichten sich dort zu Wolken und kehren als Regen, Schnee, Hagel und Thau wieder auf die Erde zurück. Hier fließen sie von höheren Stellen nach niederen, bilden Bäche, Flüsse etc. und sammeln sich endlich im Meere, den ewigen Kreislauf zu erneuern.

Da aber die Erdoberfläche nicht vollkommen wasserdicht ist, sondern mehr oder weniger Wasser durchläßt, so dringt stets ein Theil der wässerigen Niederschläge in die Erde ein und nimmt einen unterirdischen Lauf. Das bis zu gewissen Tiefen gedrungene Wasser kommt entweder an tieferen Stellen der Erdoberfläche wieder zum Vorschein, oder es setzt seinen unterirdischen Lauf bis zu benachbarten Bächen, Flüssen oder Meeren fort. – Die Meteorwasser also: der Regen, Schnee, Thau etc., das Wasser der Bäche, Flüsse, der Seeen und des Meeres, das schmelzende Eis der Gletscher sind die Gewässer, aus denen die Quellen entstehen.

Je wasserdurchlassender nun die dem Eindringen der Meteorwässer ausgesetzten Erdschichten sind, desto größere Wasserquantitäten werden sie in sich aufnehmen und desto reicher werden sie auch an Quellwassern sein, während eine wasserdichte oder nahezu wasserdichte Oberlage dem größeren Theile der Meteorwässer Zeit zur Verdunstung läßt oder dieselben in Form von oberirdischen Bächen und Flüssen in die Niederungen ableitet. Je ungleichartiger und poröser eine Oberflächenschichte ist, desto wasserdurchlassender ist sie, und desto mehr begünstigt sie eine ergiebige Quellenbildung, und je gleichartiger und dichter das Oberflächengestein ist, desto wasserdichter ist es, und desto geringer ist seine Production an unterirdischen Wasserläufen.

Konglomerate oder Breccien und lose Gebirgsarten, wie Sand und Dammerde, sind demnach die günstigsten Decken für unterirdische Quellen, und man wird auch allenthalben unter diesen die reichsten Wassermassen aufschließen. Die Gesteine haben in den meisten Fällen entweder eine deutliche regelmäßige Schichtung, oder sie sind durch Höhlen, Klüfte, Risse und Sprünge unregelmäßig und oft bis zu bedeutenden Tiefen durchzogen. Diese Structurverhältnisse der Gesteine bewirken, daß Gebirgsmassen, die ihrer Zusammensetzung nach sehr dicht und undurchlässig sind, in vielen Fällen die Quellenbildung äußerst begünstigen, indem sie durch die Zerklüftungen und Schichtenflächen wasserdurchlassend werden; so sind beispielsweise die Kalkgebirge ihrer Zusammensetzung nach so dicht, daß man, wie bekannt, aus Kalk Gefäße macht (Taufbecken, Badewannen etc.), die bestimmt sind, zur Aufbewahrung von Wasser zu dienen, während gerade das Kalkgebirge, in Folge seiner Zerklüftungen, die reichsten und mächtigsten Quellen bildet. Eine genaue Kenntniß der Durchdringbarkeit der einzelnen Gesteine vom Wasser und ein intenstves Studium ihrer Schichtung und Structurverhältnisse, mit einem Worte geognostisches Wissen ist demnach vor Allem das Vorstudium des Quellenfinders.

Ein zweiter Hauptfactor bei den Studien des Quellenfinders ist die Oberflächenbildung. Wenn das Regenwasser auf wasserdurchlassende Erd- und Gesteinsschichten niederfällt, sinkt es in Folge seiner Schwere und flüssigen Beschaffenheit beständig abwärts. Seine Bewegung ist langsam, unmerklich und richtet sich nach den Zwischenräumen des Bodens, den es unterwegs antrifft. Die einzelnen Wassertheilchen treffen zusammen, verbinden sich mit einander, bilden unzählige und kaum bemerkbare Aederchen, die nach und nach wachsen und zu bemerkbaren Wasserfäden werden. Diese Wasserfäden dringen immer tiefer unter die Erde, nehmen andere in verschiedenen Zwischenräumen in sich auf, treffen auf undurchlässige Schichten, deren Neigung sie folgen, und bilden endlich unterirdische Wasserläufe, deren Volumen mit der Entfernung vom Orte ihres Ursprungs wächst. Wenn man also eine Quelle entspringen sieht, darf man sich nicht vorstellen, daß sie unter der Erde in ihrer ganzen Länge einen einzigen horizontalen Wasserlauf mit stets gleichem Volumen bildet. – Jede Quelle ist das Product einer unendlichen Menge von kleinen Wasseradern und Fäden, die sich in einander ergießen, anwachsen und, indem sie weiter vordringen, [445] endlich den Wasserlauf bilden, den man an der Oberfläche erscheinen sieht. Ein anschauliches Bild der Quellenbildung gewährt die Entstehung und Circulation der auf der Oberfläche befindlichen Bäche, Flüsse und Ströme. Denkt man sich die obere, wasserdurchlassende Schicht der Erdkruste abgehoben, so wird die undurchdringliche Schicht ein Bild von Bach-, Fluß- und Stromgebieten zeigen, das dem ganz gleich ist, das wir uns durch unsere geographischen Karten vom oberirdischen Wassernetze entwerfen.

Die Richtung des Laufes dieser unzähligen Wasserfäden und Adern, die sich in den durchlässigen Gesteinen bilden und auf den undurchlässigen abfließen, wird nicht vom Zufalle bestimmt. Sie theilen sich unter der Erde auf dieselbe Weise wie das Regenwasser, an unterirdischen Gehängen entstehend, in unterirdischen Thälern sich zu größeren Wasserfällen sammelnd und in Ebenen sich zu unterirdischen Seeen ausbreitend. Da nun die Oberflächenbildung einer Gegend in den meisten Fällen, namentlich in den geringen Tiefen, in denen der Quellenfinder sein Wasser sucht, ein analoges Verhalten im Niveau der unterirdischen Wasserläufe voraussetzen läßt, oberirdische Wasserscheiden, Gehänge, Thäler und Ebenen mit unterirdischen correspondiren werden, so ist einleuchtend, daß in der Oberflächenbildung dem Quellenfinder ein wichtiger Anhaltspunkt für seine Forschungen gegeben ist, und der Leser wird eine Bestätigung dieser Behauptung in der Erfahrung finden, daß oberirdische Gehänge bei Grabung von Brunnen viel ungünstigere Resultate liefern, als lange Thäler oder Ebenen.

Der Einfluß der Forstculturen auf unterirdische Wasserläufe ist ein dritter Factor, den der Quellenfinder bei Bestimmung seiner Grabungspunkte nicht außer Acht lassen darf. Wenn die Höhenzüge hoch genug sind, um den niedrigen Luftströmungen ein Hinderniß sein zu können, so lenken sie diese nicht nur vielfältig von ihrer Bahn ab, sondern üben auch, wenn sie bewaldet sind, durch die Verdunstungskälte, welche das fortwährend Wasser aushauchende Laub hervorbringt, einen erkältenden Einfluß auf sie aus, wodurch sie genöthigt werden, einen Theil ihres Wasserdampfes als Thau oder Regen fallen zu lassen.

Auf diese Weise wird ein bewaldetes Gebirge durch Quellenbildung ein Segen für seine Umgebung. Ist dagegen ein hohes Gebirge unbewaldet, so vermag es wohl auch, den über seinen Scheitel hingehenden Wolken ihr Wasser zu entziehen; dieses fließt aber dann an den kahlen Felsen in hundert kleinen reißenden Bächen abwärts und kommt dem Gehänge und der Ebene nicht zu gute, sondern richtet sogar Verheerungen an, indem es die Ackererde der Fluren mit sich fortreißt, oder sie mit Sand und Schutt bedeckt. Hierin liegt die wichtige Rolle, welche die Gebirgswaldungen in der Wasserfrage spielen. Sie halten das Wasser, wie eine sorgliche Hausmutter ihr Hab und Gut, zu Rathe.

Roßmäßler hat uns in seiner „Flora im Winterkleide“ ein treffendes Bild von der Bedeutung des Gebirgswaldes gegeben, indem er von der Mooswelt in unserem Naturhaushalte spricht: „So klein die Moose sind, so wichtig ist das Amt, dessen sie zu Füßen der ragenden Stämme warten, zu dichten Haufen geschaart. Im Verein mit Haide und Heidelbeergesträuch bilden sie die Bodendecke unserer Gebirgswälder. Die Moose,“ sagt er, „sind die kleinen Regulatoren der Bewohnbarkeit ganzer Provinzen. So groß ist ihre Bedeutung! Diese kleinen, schönen Pflänzchen sind Vermittler zwischen Himmel und Erde. Wenn der Regen in Strömen niederstürzt, als wollte er mit einem Male den durch Entwaldung verkümmerten Flüssen wieder aushelfen, so rufen ihm die Moose beschwichtigend zu. Nur gemach, Du Ungestümer! und werfen sich zwischen ihn und die bedrohte Erde und fangen die Fluthen des Himmels mit den Millionen ihrer zierlichen Blättchenarme auf und brechen ihre Gewalt, daß sie nur tropfenweise durch sie hindurch können und der Boden gemächlich auffangen kann, was er braucht, und was darüber ist, ruhig hinabsickert von Stein zu Stein unter der Moosdecke hinunter unter die Erde oder in den sammelnden Bach.“

Wie wesentlich die Waldungen für die Wasserbildung beitragen, zeigt der See Tacarigna im Thale von Aragua in Venezuela, der durch Entwaldung der umliegenden Höhen und durch ausgedehnte Urbarmachungen in wenig mehr als 200 Jahren so bedeutend verringert worden ist, daß eine Menge ehemaliger Inseln desselben zu freistehenden Hügeln wurden. Allein dieser See liefert auch noch einen weiteren Beweis in dieser Frage. In neuerer Zeit decimirten viele Jahre lang politische Kämpfe die fleißige Bevölkerung, und der in den Tropen das verlorne Terrain bald wieder erobernde Wald füllte den See wieder und vertrieb so die Zucker- und Indigopflanzen, welche sich an seinen trockengelegten Rändern angesiedelt hatten.

Ueber die Frage, ob ausgedehnte Entwaldungen auch die Regenmenge verringern, ist in Europa noch schwer zu entscheiden, weil Anhaltspunkte hierüber noch fehlen und die physische Geographie noch nicht gar zu lange Zeit mit dem Ombrometer mißt. Für Amerika steht aber, nach Boussingault’s[WS 1] Aussage, die Thatsache fest, daß die dort im größten Maßstabe ausgeführten Entwaldungen stets mit Verminderung der Regenmenge verbunden gewesen sind.

Wir aber, wenn wir unsere geringe Waldfläche mit den unermeßlichen Urwäldern Amerika’s vergleichen, müssen es uns eingestehen, daß Walddevastation in Deutschland mehr und mehr aufhört, ein bloßes Gespenst zu sein, womit der seinen Wald liebende Forstmann die Holzgierigen zurückscheucht. Ja im südlichen Frankreich ist durch Entwaldung während der ersten Revolution ein Zustand der Gegenwart herbeigeführt worden, von welchem Blanqui, Professor der Staatswissenschaft in Paris, eine grauenerregende Schilderung macht.

Den mächtigen Rhein um seine vielen großen und kleinen Zuflüsse zu berauben, scheint Manchem vielleicht eine Chimäre. Wenn man sich aber nicht ganz verschließt für die Beachtung der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung und die Macht der Zeit nicht übersieht, welche durch den kleinen Tropfen den Stein höhlt, so muß man in der Verminderung der Quellen eine Beeinträchtigung auch des größten Flusses erkennen. Zum Glücke liegen die Quellen des Rheins größtentheils außer dem Bereiche menschlicher Eingriffe, denn die bedeutendsten seiner schweizerischen Quellen sind Gletscherbäche. Die Donau ist mehr gefährdet, als der Rhein, da sie fast nur durch die 55 den Inn speisenden Gletscher Eiswasser erhält, der auch bei seinem Einströmen in die Donau bei Passau bedeutend breiter als diese ist; ihre übrigen Zuflüsse stammen aus Waldgebirgen.

Abhängiger von menschlichen Eingriffen sind die nordwärts strömenden deutschen Flüsse zweiter und dritter Ordnung, z. B. die Elbe, Weser und Oder und deren noch kleinere Zuflüsse. Sie hängen mit tausend feinen Quellenfäden am Gedeihen unserer Bergwälder. Man muß oft weit und in Hunderte von kleinen bewaldeten Gebirgsschluchten zurückgehen, um diese Abhängigkeit ganz zu würdigen. Soweit an diesem Orte über den Einfluß der Wälder auf die Wasserläufe; derselbe ist zu wichtig, um nicht obige Erörterung zu rechtfertigen.

Die meisten Menschen gingen bisher von der Meinung aus, daß die Pflanzen dem Quellenfinder die einzigen sicheren Zeichen für seine Bestimmungen geben könnten. Dies ist aber nicht der Fall. Die Physiognomie der Pflanzenwelt ist allerdings ein Anzeiger des Feuchtigkeitsgehaltes des Standortes und zwar in doppelter Weise, entweder durch bestimmte Pflanzenarten, die an einen gewissen Feuchtigkeitsgrad ihres Bodens gewiesen sind, oder durch das Aussehen der auf einem Boden wachsenden Pflanzen überhaupt, durch ihr besseres oder kümmerliches Gedeihen, die Tiefe ihres Grüns etc.

Aber aus der Physiognomie der Pflanzenwelt auf die Entstehungsart dieser Feuchtigkeit schließen zu wollen, wäre in den meisten Fällen doch zu gewagt. Ob Tagwasser, Stauwässer oder Quellwässer dem Boden die zur Hervorbriugung der Feuchtigkeitspflanzen nothwendigen Wassermengen liefern, wird man denselben wohl schwerlich ansehen können. Im Gegentheil wird man, falls man die Vegetation bei Bestimmung von unterirdischen Wasserläufen ausschließlich zu Rathe ziehen wollte, oft die größten Täuschungen erfahren. Man denke sich beispielsweise die oberen Erdschichten in einer Mächtigkeit von zehn bis zwölf Klaftern aus Sand bestehend, der auf einer Tegelschichte aufgelagert ist. Aehnliche Schichtenlagerungen sind, wegen der Leichtigkeit, mit welcher die obere Schichte die Meteorwasser aufnimmt, erfolgreichen Brunnengrabungen sehr günstig und geben große Wasserquantitäten in der Nähe der Tegelschichte.

Wegen der Leichtigkeit jedoch, mit welcher die Wasser im Sande versinken, werden die obersten Theile der Sandschichte einen äußerst geringen Feuchtigkeitsgrad zeigen und Pflanzen produciren, die viel eher den Wassersucher abhalten, als ihn bestimmen werden, Grabungen auf Wasser vorzunehmen. Entgegengesetzt tritt sehr oft der Fall ein, daß die Erdoberfläche aus einer sehr wasserdichten Lehm- [446] oder Tegelschichte besteht. Es werden sich also die Meteorwässer in die Mulden der Lehm- oder Tegelschichte zusammenziehen und, da sie nicht versinken können, einen Feuchtigkeitsgrad erzeugen, der massenhaft Feuchtigkeitspflanzen produciren wird, und man würde also wiederum falsch schließen, wollte man sich durch diese Vegetation bestimmen lassen, Grabungen auf Quellen vorzunehmen.

Diese wenigen Bemerkungen werden genügen, darzuthun, daß der Vegetations-Physiognomie in keinerlei Weise als Factor bei Quellenbestimmungen der Werth beigelegt werden darf, den Laien ihr bis jetzt anschreiben, und dies um so weniger, als die unterirdischen Wässer meistens in solchen Tiefen fließen, in denen sie keinerlei Einfluß auf die Vegetation der Erdoberfläche mehr auszuüben vermögen. Ungleich wichtiger als die Pflanzen-Physiognomie ist die Kenntniß der klimatischen Verhältnisse bei den Bestimmungen des Quellensuchers. Die geographische Lage der Gegend, in der man Wasser sucht, deren Seehöhe, die Größe ihres Regenniederschlages, sind von wesentlichem Einflusse auf den Reichthum und die Natur der unterirdischen Quellenläufe und dürfen nicht außer Rechnung gelassen werden.

In gleicher Weise muß der Quellensucher den Einfluß erwägen, den menschliche Thätigkeit auf die Natur und die Qualität der Quellenläufe hervorgebracht hat, und er darf nicht vergessen, daß Entsumpfungen, Fluß- und Bachregulirungen, Canalisirungen, Drainirungen, ja oft die einfachsten Grabungsarbeiten große Umwälzungen in dem unterirdischen Quellensysteme hervorbringen können.

Es würde für diesmal zu weit führen, wollte ich neben diesen wissenschaftlichen Factoren der Quellenkunde auch noch alle praktischen Erfahrungssätze anführen, deren sich der Quellensucher, durch langjährige Beobachtungen hierzu berechtigt, bedient und die, obgleich bis heute nicht wissenschaftlich begründet, doch vollständig untrüglich sind. Ich werde über dieselben ein anderes Mal sprechen.

Durch ein genaues Studium der einzelnen angeführten Factoren ist dem Quellenfinder sämmtliches Material geboten, zur praktischen Ausübung seiner Wissenschaft zu schreiten. Freilich bleibt es einem richtigen Blicke, einer eigenen Combinationsgabe und einer langjährigen Praxis vorbehalten, die Wechselbeziehung der einzelnen Factoren zu einander kennen zu lernen und keinem derselben einen geringeren oder größeren Einfluß zu gestatten, als ihm, den localen Verhältnissen entsprechend, wirklich zukommt. Sandiger Obergrund mit lettiger Unterlage ist sicherlich ein der unterirdischen Wasserbildung günstiges Terrain, und doch werden in demselben Grabungen zu keinem Resultate führen, wenn der Brunnen auf die Kuppe einer Anhöhe gestellt wird, oder wenn die Lettenschichte unganz ist.

Waldungen haben einen großen Einfluß auf die Quellenbildungen, und doch wird man in der Nähe der großartigsten und üppigsten Waldvegetation keine großen Resultate erzielen, falls man die übrigen Factoren bei Bestimmung des Brunnenanschlagpunktes außer Acht läßt. Basaltboden ist beispielsweise ein der Waldvegetation äußerst günstiges – der Quellenbildung jedoch äußerst ungünstiges Terrain.

Daß Feuchtigkeitspflanzen nur in dem Falle als Anzeiger unterirdischer Wasserläufe angesehen werden können, wenn die geognostische Beschaffenheit des Bodens und dessen Oberflächenniveau die Quellenbildung möglich machen, haben wir bereits oben erörtert, wie wir auch dort kennen gelernt haben, daß die magerste Pflanzenvegetation durchaus nicht als ein Kennzeichen des Mangels an Quellen betrachtet werden könne, wenn nicht andere Merkmale, geognostische und locale, das Vorhandensein derselben unmöglich machen.

So ließen sich Hunderte von Beispielen anführen, die alle bewiesen, daß keiner der angeführten Factoren für sich allein eine Anwendung zulasse, jeder derselben hat eben nur Bedeutung, wenn er mit allen anderen in richtige Wechselbeziehung gebracht wird. Diese Wechselbeziehungen je nach den localen Verhältnissen richtig beurteilen zu können, darin besteht meine Kunst, die ich neben meinen bergmännischen Studien durch die Beobachtung der Bildung und des Laufes zahlreicher oberflächlich entspringender Quellen und durch eine jahrelange Praxis mir angeeignet habe.

Man muß die Natur nachahmen, um glücklich zu graben, und die Terrainverhältnisse, unter denen man gräbt, müssen denen ähneln, welche das natürliche Hervortreten der Quelle begleiten. Darin liegt das ganze Geheimniß!

Seit drei Jahren in die Oeffentlichkeit getreten, habe ich bis heute nicht weniger als 2000 Quellenpunkte bestimmt, von denen nur 15, also kaum ½ Procent, das gewünschte Resultat nicht erzielt haben. Wenn man bedenkt, daß sämmtliche 2000 Punkte in Gegenden liegen, die als wasserarm bekannt sind, und daß man mich erst zu Rathe zog, nachdem man selbst schon wiederholte vergebliche Versuche, meist mit bedeutenden Geldopfern, in großen Tiefen gemacht hatte, so wird man die Zahl der mißlungenen Versuche kaum der Rede werth finden, und ich bin überzeugt, daß auch der größte Theil der verunglückten Grabungen das versprochene Resultat erzielt hätte, wenn die Arbeit nicht auf der präliminirten Tiefe eingestellt, sondern um einige Klafter fortgesetzt worden wäre.

Es sei mir zum Schlusse gestattet, noch kurz von den Tiefe- und Wasserquantums-Bestimmungen, die von dem Quellenfinder gemacht werden, zu reden, deren Möglichkeit von Vielen abgesprochen worden ist. Die Bestimmungen der Tiefe anlangend, so ist nicht zu leuguen, daß in vielen Fällen dem Quellenfinder jeder Anhaltspunkt fehlt, Angaben mit Anspruch von nur annähernder Genauigkeit zu machen, wenn er nicht durch praktische Erfahrung und langjährige Erfolge das zu ersetzen in der Lage ist, wozu ihm wissenschaftliche Hülfsmittel keinerlei Anhaltspunkte bieten. In vielen Fällen jedoch ist eine solche Tiefebestimmung möglich und wissenschaftlich zu begründen.

Bestehen in einer Gegend, in der Wasser gesucht werden soll, bereits auf größerer oder geringerer Distanz mehrere Brunnen, durch welche die Reihenfolge der einzelnen Schichten, ihr Neigungswinkel und die Tiefe der wasserdichten Unterlage bekannt ist, so lassen sich aus diesen Daten Profile zusammenstellen, die ein richtiges Bild der Lagerungsverhältnisse geben und zu Schlüssen auf die Tiefe zu grabender Brunnen berechtigen. In gleicher Weise können Steinbrüche, Erdfälle, das Bett klarer Bäche, die Schichtenköpfe der Gesteine, mit einem Worte die Beobachtung aller Erscheinungen, welche dem Geognosten und dem Bergmann sichere Anhaltspunkte zur Eruirung der Gesteine, zur Ermittelung der Streichungsrichtung und des Einfallens derselben, sowie zur Bestimmung ihrer Mächtigkeit geben, auch dem Quellenfinder zu seinen Bestimmungen gleich positives Material liefern.

Gräbt man auf eine Quelle im Thale, so braucht man nur die Niveaudifferenz zwischen dem Punkte, auf dem die Brunnenanlage steht, und der Ausmündung derselben in’s nächste Bach- oder Flußbett zu erheben. Der Brunnen wird stets um etwas weniger tief werden, als diese Niveaudifferenz beträgt. Ist oberhalb der neuen Brunnenanlage die Quelle an irgend einem Punkte entweder durch die Natur oder durch Menschenhand zu Tage gelegt, so ist eine Tiefebestimmung noch um so leichter und sicherer zu machen. Kreuzen sich die wasserdichten Schichten zweier Gehänge im Thale, so ist der Kreuzungspunkt die Sohle des unterirdischen Wasserlaufes, und durch die Konstruktion der Einfallswinkel beider Thalabhänge ist auch gleichzeitig die Tiefe der Brunnenanlage zu ermessen.

Wenn ähnliche Bestimmungen auch, wie gesagt, nicht für alle Fälle ausreichen, so wird doch, wie dies die obigen Beispiele zeigen, eine wichtige Frage mit ihrer Hülfe meistentheils gelöst: man erfährt das Maximum der Tiefe, die eine Quelle auf dem Punkte, auf dem man graben will, haben kann, und folglich das Maximum der Kosten, die zu ihrer Ergreifung nothwendig werden müßten. In gleicher Weise gilt das eben Gesagte für die Volumenbestimmungen einer Quelle.

Nach der oben gegebenen Entstehungsart der Quellen, die der Entstehung und dem Laufe oberirdischer Wasserläufe ganz analog ist, wird die Quelle näher zu ihrem Ursprunge ärmer, gegen ihre Mündung dagegen immer wasserreicher werden. Jedes Seitenthal, jeder Bergabhang bringen ihr neue Wasserflüsse zu. Kennt man die Länge des Hauptthales und der ober dem Brunnenpunkte einmündenden Seitenthäler, berechnet man sich ferner, aus der Höhe und dem Neigungswinkel der Berglehnen, das Oberflächenterrain, das diese den Meteorwässern bieten, weiß man endlich in Folge meteorologischer Beobachtungen, die in Folge der bereits gemachten Erhebungen fast überall bekannt sind, den durchschnittlichen wässerigen Niederschlag per Quadratfuß oder per Joch: so kann man aus diesen Daten sich genau die Wassermenge berechnen, die in der betreffenden Gegend jährlich auf die obere Erdkruste niederfällt.

Das solcher Hand ermittelte Regenquantum, mit den Durchdringbarkeits-Coefficienten der betreffenden Gesteine multiplicirt, wird demnach hinreichende Anhaltspunkte über den Reichthum der Quellen geben, und wenn man auch nicht in die Lage gesetzt wird, [447] das Quantum mit mathematischer Genauigkeit zu bestimmen, so ist dieser Berechnungsmodus doch für die meisten Fälle genügend, und man wird beispielsweise einem industriellen Unternehmer sagen können, ob die Lage der Fabrik derart ist, daß ihre Bedürfnisse an Wasser durch Brunnengrabungen gedeckt werden können, oder ob es eine Unmöglichkeit sei, das hinlängliche Quantum zu beschaffen. Aehnliche Volumenbestimmungen lassen sich auch für Brunnenpunkte an den Abhängen der Gebirge und in der Ebene machen.

Diese Mittheilungen, denen ich mit Vergnügen weitere für den Fall folgen lassen werde, als dieselben des Interesses der Leser dieses Blattes nur einigermaßen werth gehalten werden, mögen darthun, daß die Quellenkunde, obgleich in ihrer Kindheit, einer wissenschaftlichen Begründung nicht entbehre und daß dem Quellenfinder keine übernatürliche Begabung zur Seite stehen müsse, um mit Erfolg zu wirken.


  1. Dieser Gegenstand hat, namentlich seit dem Auftreten des bekannten französischen Quellensuchers, die Presse so lebhaft beschäftigt, daß die Redaction es für ihre Pflicht hielt, ihren Lesern die Ansicht eines deutschen Quellenfinders über diese neue Erscheinung von diesem selbst vorlegen zu lassen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Boussingoult’s