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Die 75jährige Jubiläumsfeier der deutschen Burschenschaft in Jena

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Textdaten
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Autor: Hermann Pilz
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Titel: Die 75jährige Jubiläumsfeier der deutschen Burschenschaft in Jena
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 589, 592–594
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[589]

Jena.       Zeichnung von R. Püttner.

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Die 75jährige Jubiläumsfeier der deutschen Burschenschaft in Jena.

„Und in Jene lebt sich’s bene,
Und in Jene lebt sich’s gut,
Bin ja selber dort gewesen,
Sechs Semester wohlgemuth!“

So lange zwar nicht, aber doch manchen herrlichen Tag meiner zu schnell verrauschten Studentenzeit! Unsere alles ausgleichende Zeit hat auch dem Studentenleben auf den meisten Hochschulen seinen Nimbus genommen, es hat seine goldene Freiheit und Ungebundenheit aufopfern müssen, und Heldenthaten, wie sie im Kommersbuch, dieser versifizierten Geschichte des deutschen Studententhums, fortleben, gehören heutzutage zu den Seltenheiten des akademischen Lebens. Nur an den kleineren Universitäten, in Jena vor allem, lebt die „alte Burschenherrlichkeit“ in unverfälschter Weise fort, von der auch ein goldener Strahl auf uns „Finken“ fiel, die weder zu Corps noch Burschenschaft Farbe bekannten.

Das freundliche Jena, das „liebe närrische Nest“, wie Goethe – das „kleine Florenz“, wie Karl V. es nannte, ist noch heute mit seinen Studenten eng verwachsen. Während diese in anderen Universitätsstädten im Strom des täglichen Lebens verschwinden, sind sie in Jena am Fuße des Hausberges, von dem der alte Fuchsthurm, der König des Saalethales, herablächelt, noch in Wahrheit die Beherrscher der Stadt. Der Jenenser „Philister“ betrachtet die Spritzfahrten, Biersuiten, Fackelzüge, Mensuren und Kommerse seiner Studenten als ein Stück Weltgeschichte, seine Gattin, die „Phileuse“, betrachtet es als schönste Lebensaufgabe, einen Herrn „Doktor“ zu bemuttern, und die „Philine“, ihr blondes, braunes oder schwarzes Töchterlein, spielt ihre schönste Rolle als Ehrenjungfrau bei den Festlichkeiten des Bruder Studio. Unter solchen Verhältnissen ist es kein Wunder, wenn das alte Jena tief in die Herzen eingeschrieben ist und in der Erinnerung der „Alten Häuser“, wie beim Herrn Pastur in „Hanne Nüte“, noch fortlebt, wenn ihre Scheitel längst kahl geworden sind wie der Jenzig, das Wahrzeichen Jenas.

Wir haben das wieder recht deutlich gesehen, als wir den 4. August gen Jena pilgerten, um dem 75jährigen Burschenschaftsjubiläum, das vom 4. bis 6. August festlich in Jena begangen wurde, beizuwohnen. In der besonders errichteten „Festhalle“, die mit grünem Tannenreisig, Fahnen, studentischen Abzeichen, Blumenampeln u. s. w. reichlich geschmückt war, fand am Abend des 4. August die erste Begrüßung der Festtheilnehmer statt. Da fanden sie sich wieder, die alten Burschen, die seitdem der Beruf des Lebens in alle Welt zerstreut hatte. Ihr Haar war ergraut, Band und Mütze verblichen, aber das Herz noch frisch und das Auge noch so klar wie einst, da die neue Mütze beim ersten feierlichen „Landesvater“ vom Schläger durchbohrt ward.

Aber auch ganz Jena hatte ein Festgewand angethan. Von allen Häusern wehten die Fahnen, glänzten die Wappen der Burschenschaften Und glühten grüne Guirlanden. In erster Linie ist der Stätten zu gedenken, an denen sonst die Burschenschaften hausen. Festlich prangte der alte „Burgkeller“ mit dem urgemüthlichen bilderreichen Arminenzimmer,

[593]

Bilder von der Jubiläumsfeier der deutschen Burschenschaft in Jena.
Zeichnung von O. Gerlach.

[594] der sich so traulich an die alte, spätgothische Stadtkirche anlehnt. Der Burgkeller wurde 1546 erbaut und hat eine große Vergangenheit. In dem eigenartigen Renaissancebau berieth einst der hochherzige sächsische Kurfürst Johann Friedrich der Großmüthige, als er 1547 von Karl V. mit einem spanischen Heer durch Jena geführt wurde, mit seinen Söhnen über die Gründung einer Universität daselbst. Hier hausten später die „Burgkelleraner“, ehe eine Spaltung der Burschenschaft in Burschenschaften eingetreten war. Festlich prangte auf der Camsdorfer Flur unmittelbar an der Brücke die alte „Tanne“, in welcher sich einst die Gründung den deutschen Burschenschaft vollzogen hat. Festlich prangten auch die neuen Kneiphäuser, das reizende Germanenhaus am Markt und das prächtige Teutonenhaus am Löbder Graben. Auch das alte Karzer hätte gewiß geflaggt, wenn es nicht sammt seinen historischen Wandgemälden niedergerissen gewesen wäre.

Am 5. August versammelten sich die Burschen am Vormittag auf dem Marktplatz, der immer der Ort öffentlicher Scenen aus dem Studentenleben gewesen ist. Hier werden die Fackeln niedergeworfen, hier werden Versammlungen abgehalten, und in der guten alten Zeit mußte sich das ehrsame Rathhaus gar manchesmal gefallen lassen, daß vor seinen Augen eine regelrechte Mensur ausgepaukt wurde. In des „Rathes Zeise“, einem winkeligen, absonderlichen Bierlokal, hauptsächlich aber auf dem freien Marktplatz saßen die Füchse, Brandfüchse und Burschen unter den alten Herren, um sich bei „Creo“ und „Crollo“, dem Weiß- und Rothwein von Jenas Bergen, für den Festzug zu stärken. Auch das Denkmal Kurfürst Johann Friedrichs des Großmüthigen hatte Festschmuck erhalten. Der gute „Hannefriede“ trug einen Eichenkranz, und das Schwert, das schon manchen vorwitzigen Cylinder durchbohren mußte, war mit Tannenreisig geziert. Vom Markt bewegte sich der Festzug nach dem Eichplatz, auf welchem Donndorfs Burschenschaftsdenkmal steht. Hier bildeten die Burschenschafter eine schöne Gruppe um das Denkmal, vor dem Rechtsanwalt Dr. Harmening aus Jena, ein alter Armine, eine kernige Ansprache hielt, die mit einem Hoch auf die Burschenschaften schloß. Der Anblick, der sich hier den Zuschauern bot, war ein prächtiger. Hatten doch die Burschenschaften aller Hochschulen ihre Vertreter entsandt, Berlin, Greifswald, Königsberg, Halle, Straßburg, Gießen, Göttingen, Freiburg, Erlangen, Marburg, München, Bonn, Leipzig, Breslau, Kiel, Heidelberg, Rostock, Tübingen, Würzburg, ja sogar die Oesterreicher (Wien, Prag, Innsbruck) waren im Festzuge vertreten. Voran ritt ein Herold, dem drei Chargierte der Jenaer Arminia, Teutonia und Germania im Wichs zu Pferde folgten. Dann kamen die liebreizenden Ehrenjungfrauen, die am Burschenschaftsdenkmal Kränze niederlegten, Musikcorps, und nun die lange Reihe der alten und jungen Musensöhne. Sie boten zum Theil im Schnürrock, dem Sammetbarett mit der wallenden Straußfeder, der weißen Lederhose, den „Kanonen“ mit Sporen und dem blanken Paradeschläger einen malerischen Eindruck, den unser Hauptbild festzuhalten gesucht hat.

Vom Eichplatz ging es über den Markt nach der „Festhalle“, wo der allgemeine „Frühschoppen“ alsbald eine feuchtfröhliche Stimmung unter die akademischen Bürger und ihre Gäste brachte. Manches kräftige Kneiplied wurde vom Stapel gelassen, manche begeisterte Ansprache gehalten, und auch das Oberhaupt der Stadt Jena, Oberbürgermeister Singer, ließ es sich nicht nehmen, den Gefühlen, welche Jena für die Studentenschaft und insbesondere die Burschenschaft hegt, beredten Ausdruck zu verleihen. Am Nachmittag folgte die Aufführung eines poesievollen „Festspieles“ mit lebenden Bildern und Gesängen von Prof. Naumann, das eine Geschichte der Burschenschaft in dichterischem Gewande bot. Die wirkungsvollen lebenden Bilder stellten die Gründung der deutschen Burschenschaft auf der „Tanne“, das große Wartburgfest, die Auflösung der Burschenschaft, Barbarossa im Kyffhäuser, die Wacht am Rhein und eine Apotheose des burschenschaftlichen Geistes dar. In der Dichtung des Herrn Redakteur Schneider in Berlin findet sich manches markige Wort, das als ein schöner Beweis dafür gelten kann, wie die jüngern Burschenschafter gleich den alten den rechten, edlen Ausdruck für „Ehre, Freiheit, Vaterland“ zu finden wissen. Am Abend fand der eigentliche Festkommers in der Festhalle statt, der wieder durch Festlieder, ernste, begeisterte Ansprachen und launige „Bierreden“ ausgezeichnet wurde. Daß dabei insbesondere auch der Deutsch-Oesterreicher in warmen Worten gedacht wurde, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Die „alte Burschenherrlichkeit“ feierte einmal wieder ihre schönsten Triumphe. Am Gasthaus zur „Tanne“ wurde überdies eine Marmortafel mit der Inschrift: „Hier wurde die deutsche Burschenschaft gegründet, 12. Juni 1815“ enthüllt.

Ein fideler Frühschoppen am Markt in der „Zeise“, Ausflüge in die reizende, romantische Umgebung Jenas und ein gemüthliches Beisammensein mit einem Jubiläumstänzchen, bei dem auch die „Philinen“ zu ihrem Rechte kamen, bildeten den Abschluß des schönen Festes am 6. August. Die alten und jungen Burschenschafter, die jetzt wieder daheim sind, werden sich dieser Augusttage mit freudigem Herzen erinnern. Ist doch durch sie das Band, das die deutschen Burschenschaften umschlingt, wieder neu gefestigt worden. Was aber die deutsche Burschenschaft in der Geschichte des deutschen Geisteslebens zu bedeuten hat, das ist bereits von anderer Seite in der „Gartenlaube“ geschildert worden. Das Jubiläumsfest bekräftigte die Wahrheit des alten Liedes:

„Allein das alte Burschenherz
Kann nimmermehr erkalten,
Im Ernste wird wie hier im Scherz
Der rechte Sinn stets walten.
Die alte Schale nur ist fern.
Geblieben ist uns doch der Kern,
Und den laßt fest uns halten!“

Hermann Pilz.