Dichtkunst 1926
Was werden die Dichter heuer schreiben –?
Das wird auch in diesem Jahre so bleiben:
Wenn der Sekundaner, sanft erhitzt,
vor einem nackerten Bilderbuch sitzt,
er wackelt leise mit dem Gesäße;
hochrot der Kopf, hochrot das Ohr,
stellt er sich etwas Schönes vor:
eine züngelnde und rundbauchige Fee –
So auch der Deutsche.
Alle Knaben,
die eine Schreibmaschine haben,
verfassen heute radikal
Der alte Fritz sagt mürrisch; „Er …!“
und plaudert mit dem Affen Voltaire;
er kann zwar nicht richtig deutsch buchstabieren,
doch das tut der Krückstock remplacieren –
Die Juden vom Film gehn mit Bismarck schlafen
und stehn mit Moltken wieder auf –
das ist so der deutsche Lebenslauf.
Arminius, der Große Kurfürst und Stein
Blücher und Barbarossa mit Bart
kiebitzen dazu auf deutsche Art;
und inmitten dieses großen Geschreis
steht Turnvater Jahn und riecht nach Schweiß.
die gute Königin Luise,
eine wahrhafte, echte, deutsche Frau.
Fällt einem nichts ein, schreibt er: Gneisenau.
Und auch die Operetten aus Wien
(mit Renten).
So besinnt sich weit und breit
der Deutsche auf seine Vergangenheit:
Hochrot der Kopf, hochrot das Ohr,
in Büchern, Theaterstücken, Journalen –
und dann spielt er mit seinem Nationalen.
Denn dieses Deutschtum mit Sonnenstich
ist eine Beschäftigung an und für sich.
Das wird auch im kommenden Jahre so bleiben.