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Deutschlands Platz an der Sonne

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Bernhard von Bülow
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Titel: Deutschlands Platz an der Sonne
Untertitel:
aus: Fürst Bülows Reden nebst urkundlichen Beiträgen zu seiner Politik. Mit Erlaubnis des Reichskanzlers gesammelt und herausgegeben von Johannes Penzler. I. Band 1897–1903. S. 6–8
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 6. Dezember 1897
Erscheinungsdatum: 1907
Verlag: Verlag von Georg Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Die Rede des Staatssekretär des Äußeren und nachmaligen Reichskanzlers im Reichstag am 6. Dezember 1897 ist ein Schlüsseltext des deutschen Kolonialismus.
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Staatssekretär von Bülow:

[6] Meine Herren, im Laufe der heutigen Diskussion sind zwei Angelegenheiten meines Ressorts zur Sprache gebracht worden: die eine ist die Differenz, welche infolge der Verhaftung und Verurteilung des Deutschen Emil Lüders in Port-au-Prince zwischen dem Deutschen Reich und Haiti entstanden ist; die andere die Entsendung unserer Kreuzerflotte nach der Kiautschoubucht. Beide Angelegenheiten befinden sich noch in der Schwebe, und das legt mir für den Augenblick Zurückhaltung auf, so begreiflich ich auch an und für sich den Wunsch nach näherer Auskunft finde. Sobald der Zeitpunkt gekommen sein wird, werde ich gern bereit sein, diesem hohen Hause über das, was in beiden Fragen von unserer Seite geschehen ist, nähere Auskunft zu geben.

Für heute möchte ich über den Zwischenfall in Haiti nur Folgendes erklären. Wir haben uns nicht zufrieden gegeben mit der Freilassung des Lüders, vielmehr betrachten wir es als unser Recht und unsere Pflicht, als Aequivalent für die unbillige, der haitianischen Landesgesetzgebung, der Verfassung von Haiti und dem Völkerrechte gleichmäßig widersprechende Einkerkerung eines deutschen Staatsangehörigen angemessene Genugtuung und Entschädigung zu verlangen.

(Bravo!)

[7] Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß die haitianische Regierung nicht länger zögern wird, unseren Anforderungen Folge zu geben, die ebenso wohlberechtigt und wohlbegründet wie maßvoll sind. Ich gebe mich dieser Erwartung um so lieber und um so bestimmter hin, als wir nicht nur das gute Recht auf unserer Seite haben, sondern auch den Willen und die Macht, unserem Rechte Geltung zu verschaffen.

(Lebhaftes Bravo.)

     In Ostasien schien der Herr Abgeordnete Dr. Schoenlank zu fürchten, daß wir uns in Abenteuer stürzen wollten. Fürchten Sie gar nichts, meine Herren! Der Herr Reichskanzler ist nicht der Mann, und seine Mitarbeiter sind nicht die Leute, irgend unnütze Händel zu suchen. Wir empfinden auch durchaus nicht das Bedürfnis, unsere Finger in jeden Topf zu stecken. Aber allerdings sind wir der Ansicht, daß es sich nicht empfiehlt, Deutschland in zukunftsreichen Ländern von vornherein auszuschließen vom Mitbewerb anderer Völker.

(Bravo!)

Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte, wo die reine Doktrin thront

(Heiterkeit – Bravo!)

diese Zeiten sind vorüber. Wir betrachten es als eine unserer vornehmsten Aufgaben, gerade in Ostasien die Interessen unserer Schiffahrt, unseres Handels und unserer Industrie zu fördern und zu pflegen.

     Die Entsendung unserer Kreuzerdivision nach der Kiautschoubucht und die Besetzung dieser Bucht ist erfolgt einerseits, um für die Ermordung deutscher und katholischer Missionare volle Sühne, andererseits für die Zukunft größere Sicherheit als bisher gegen die Wiederkehr solcher Vorkommnisse zu erlangen. In beiden Richtungen schweben Unterhandlungen, und bei der Natur diplomatischer Unterhandlungen und Geschäfte nötigt mich dies, meine Worte sehr sorgsam abzuwägen. Ich kann aber [8] doch folgendes sagen: wir sind gegenüber China erfüllt von wohlwollenden und freundlichen Absichten

(Heiterkeit links!),

wir wollen China weder brüskieren noch provozieren. Trotz der uns widerfahrenen schweren Unbill ist die Besetzung der Kiautschoubucht in schonender Weise ausgeführt worden. Wir wünschen die Fortdauer der Freundschaft, welche Deutschland seit langem mit China verbindet, und die bisher nie getrübt wurde. Aber die Voraussetzung für die Fortdauer dieser Freundschaft ist die gegenseitige Achtung der beiderseitigen Rechte. Die Niedermetzelung unserer Missionare war der nächstliegende und war ein zwingender Grund für unser Einschreiten; denn wir waren nicht der Ansicht, daß diese frommen Leute, welche friedlich ihrem heiligen Berufe nachgingen, als vogelfrei zu betrachten wären.

(Sehr gut!)

Aber auch abgesehen von diesem traurigem Vorfall hatten wir gegenüber China eine Reihe anderer Beschwerdepunkte. Wir hoffen, daß es gelingen wird, diese Beschwerden auf dem Wege loyaler Unterhandlung gütlich beizulegen. Wir konnten aber nicht zugeben, daß sich in China die Ansicht festsetze, uns gegenüber sei erlaubt, was man sich anderen gegenüber nicht herausnehmen würde.

(Sehr richtig! und Bravo!)

Wir müssen verlangen, daß der deutsche Missionar und der deutsche Unternehmer, die deutschen Waren, die deutsche Flagge und das deutsche Schiff in China geradeso geachtet werden wie diejenigen anderer Mächte.

(Lebhaftes Bravo.)

Wir sind endlich gern bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren Voraussicht, daß unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden.

(Bravo!)

Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.

(Bravo!)

In Ostasien wie in Westindien werden wir bestrebt sein, getreu den Ueberlieferungen der deutschen Politik, ohne unnötige Schärfe, aber auch ohne Schwäche unsere Rechte und unsere Interessen zu wahren.

(Lebhafter Beifall.)