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Deutschlands Handel mit Amerika

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Titel: Deutschlands Handel mit Amerika
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aus: Das Ausland, Nr. 87–89. S. 345–346; 351–352; 354–356.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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[345]

Deutschlands Handel mit Amerika.

Resultate langjähriger Erfahrung, an Ort und Stelle gesammelt.

Es herrscht jetzt bei den deutschen Fürsten und Städten das rühmliche Streben, nach dem Beispiele von Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden, Consuln und Handels-Agenten nach den amerikanischen Staaten abzusenden, so wie auch mit einzelnen derselben besondere Handelsverträge anzuknüpfen. Der noch im Jahre 1825 z. B. von preußischer Seite laut ausgesprochene Entschluß, sich nie mit den Rebellen gegen die spanische Suprematie vor ihrer Emancipation durch das Mutterland in einen diplomatischen Verkehr einzulassen, ist seitdem durch eingetretene Umstände wankend gemacht, und hat sich in die Neigung verwandelt, endlich auch dem deutschen Erwerbfleiß den Mitgenuß an den Vortheilen, welche aus der Befreiung Amerikas vom Joche des Colonialsystems hervorgehen, zu verschaffen, eine Neigung, welche um so ersprießlicher ist, als sich überhaupt Deutschlands Verkehr nach außen richten muß, indem der Binnenhandel unsers Vaterlandes fast allenthalben den drückendsten Beschränkungen, Quälereien und Plakereien unterliegt. Es bleibt unter so bewandten Umständen die erste und nothwendigste Obliegenheit des deutschen Handels, so viel als möglich ins Ausland zu senden, und den deutschen Producten, insonderheit den Manufaktur- und Fabrik-Waaren in allen Enden der Erde schnellen und möglichst vortheilhaften Absatz zu verschaffen. Wir sind in dieser Rücksicht so gut versorgt, daß wir wahrlich Alles, was wir an sogenannten Colonialwaaren und Droguerien gebrauchen, mit unsern eignen Produkten austauschend bezahlen können, wenn wir sie nur selbst an Ort und Stelle hinbringen und abholen. Dazu ist aber erforderlich, daß sich die deutschen Flaggen in möglichst vielen, und nicht blos in den Hauptplätzen der amerikanischen Ost- und Westküste unter den Schutz des Völkerrechts stellen, und also der Schiffer und Handelsmann auch in kleinern Ankerplätzen auf die Hülfe eines vom Vaterlande aus beglaubigten Agenten rechnen könne. So sind wirklich im Laufe des letzten Jahrs (1827) hamburgische Viceconsuln in die kleinen südbrasilischen Häfen Porto Alegre, Rio grande do Sul und Santos ernannt worden. Doch giebt es auch Beispiele, daß seit Jahren auf deutschen Schiffen die bedeutendsten Geschäfte nach amerikanischen Häfen gemacht sind, wo es bis jetzt keine hanseatische Consuln giebt, und wo an den Abschluß eines Handelstractats mit der Regierung bis jetzt nicht zu denken ist. Als Beispiel diene hier das so wichtige Havana und überhaupt die Häfen auf Cuba, welche mit Hamburg und Bremen ununterbrochen in Verkehr stehen[1]. Ueberhaupt irrt man sich sehr, wenn man den ordentlichen, gewöhnlichen Verkehr mit amerikanischen Häfen für den vortheilhaftesten hält. Dieser ordentliche Verkehr findet zunächst mit den Häfen der Vereinigten Staaten: Salem, Boston, New-York, Philadelphia, Baltimore, Richmond, Norfolk, Charleston etc. statt.; die Einfuhr deutscher Fabrikate ist dort freilich jetzt durch Zoll-Restriktionen beschränkt; doch ist zu erwarten, daß der neue Vertrag, den jetzt der hamburgische Abgesandte, Hr. Rumpff, mit der Union-Regierung unterhandelt, der deutschen Flagge noch bedeutende Vortheile verschaffen wird, indem die Nordamerikaner z. B. der wohlfeilen deutschen Eisenwaaren, des Leins etc. für ihren überall verbreiteten Zwischenhandel bedürfen. Freilich ist dieser Bedarf nicht bedeutend; der Amerikaner verführt überhaupt das am liebsten, was er selbst baut und hat; die eigentlichen amerikanischen Stapelwaaren: Holz, Mehl u. dgl. kann der Deutsche nicht gebrauchen; so bleiben eigentlich nur Baumwolle und Tabak übrig, und einige durch den Zwischenhandel nach den Vereinigten Staaten gebrachten Artikel, z. B. Thee, den sich die Nordamerikaner wohlfeiler aus China zu verschaffen wissen, als irgend eine andere Nation. Unter den deutschen Städten hat sich jetzt Bremen des größten Theils des nordamerikanischen Tabakshandels bemeistert, und einige Handelshäuser jener Hansestadt sind als vorzügliche Abnehmer auf den Märkten in Baltimore, Richmond, Norfolk etc. in Credit. Den Reishandel theilt Bremen mit Hamburg; nach der letzteren Stadt lieferte Charleston im Jahre 1827 auf neun Schiffen 6061 Tonnen Reis. Kurz, das Geschäft mit den Vereinigten Staaten geht noch so ziemlich den alten Gang, aber wie schon der alte Büsch 1782 weissagte, war und ist der Verkehr mit diesem Freistaate keineswegs gewinnverheißend für Deutschland, und wird von Jahr zu Jahr unbedeutender, weil die Nordamerikaner durch den außerordentlichen Aufschwung ihrer [346] Fabriken und Manufakturen, welche ein beispielloser, durch nichts gehemmter Unternehmungs- und Erfindungsgeist unterstützt, immermehr gegen Deutschlands Fabrikation in die Schranken treten, und in Rücksicht des Absatzes der Lebensmittel mit uns geradezu rivalisiren. In den südlichen Häfen am mexikanischen Meerbusen, in New Orleans, Pensacola, Mobile, S. Marc etc. ist vielleicht für deutsche Schiffe etwas mehr auszurichten, doch nur in so fern als dort die Geschäfte einen westindischen Charakter haben. Auch muß sich der Deutsche sehr hüten, weil sich in der Regel der nordamerikanische Kaufmann wenig daraus macht, wenn der deutsche Ausländer Schaden leidet; an Credit in Frankreich und England liegt ihm schon mehr, auch suchen die Yankees zum Theil noch Ersatz für das, was sie 1799 so schändlicherweise in Hamburg einbüßten, und bei der schlechten Justiz-Verfassung ist in allen amerikanischen Hafenplätzen auf dem Wege Rechtens selbst gegen solvente Häuser wenig auszurichten.

[351] Der Handel Deutschlands mit dem brittischen Nordamerika, selbst wenn auch nur mittelbar über England betrieben, wird mit jedem Jahre wichtiger, und wirkt schon vortheilhaft auf die Landwirthschaft Norddeutschlands ein. Die große Schlachterei in der Nähe von Hamburg zur Versorgung von Newfoundland etc. ist fortwährend in Thätigkeit, consumirt ganze Heerden von Hornvieh und Schweine, bedarf einer großen Menge Butter, und läßt ungeheuer viel Brod backen. Die Nachbarschaft Jütlands, Schleswigs, Hollsteins, Mecklenburgs und der hannövrischen Marschländer befördert diesen höchst ersprießlichen Betrieb; aber auf Deutschlands Fabriken und Manufakturen kann dieser Verkehr nur wenig einwirken; denn jene Lebensmittel werden auf brittischen Schiffen nach Nordamerika geschafft, und also läßt sich nicht einmal durch Schleichhandel dort etwas einbringen. Indeß ist deutschen Schiffen die Hinreise nach jenen brittischen Colonien gestattet, und sie können, wenn sie den breiten St. Lawrence Strom hinaufsegeln, zu beiden Seiten allerdings manches anbringen, was sich dort mit Vortheil absetzen läßt. Auf Newfoundland braucht die blutarme Bevölkerung nur das Nothwendigste, und das wird ihr gegen Stockfisch von der wahrhaft väterlichen Regierung geliefert; hingegen verdient Nova Scotia (Halifax) die größte Aufmerksamkeit, und gleichfalls die Holzfäller-Häfen an New Brunswick’s Küste. So verheißt allerdings der zwischen Großbritannien und den Hansestädten am 29ten Sept. 1825 abgeschlossene Handelsvertrag dem deutschen Lande wesentliche, wenn auch nicht glänzende Vortheile. Es scheint, als wollten jene beiden großen Seemächte, Großbritannien und die Vereinigten Staaten, überhaupt wetteifernd die deutschen Flaggen merkantilisch begünstigen, um die Scharten auszuwetzen, welche sie sich einander als Repressalie beibringen. Die Vereinigten Staaten belegen die brittischen Manufakturwaaren mit hohen Zöllen, welche noch dazu mit Strenge eingefordert werden, und nur mit größter Schwierigkeit zu umgehen sind – weil Großbritannien ihre Schiffe nicht auf gleichen Fuß mit den englischen setzen will, und lassen nun, um jene Macht zu kränken, deutsche Fabrikate unter billigern Bedingungen zu. Großbritannien verbietet die Zufuhr der amerikanischen Lebensmittel und Holzwaaren nach dem brittischen Westindien, erlaubt sie aber deutschen Schiffen, (so daß selbst schon preussische Schiffe aus Danzig etc. Mehl und Brod direkt nach Barbadoes und Jamaica gebracht haben, welche dort guten Absatz fanden), um jene Colonien von den Vereinigten Staaten in Rücksicht der nothwendigsten Bedürfnisse unabhängig zu machen. Diese Collision wird, so lange sie dauert, Deutschland etwas Gewinn verschaffen. Der Verkehr auf den Brittisch-Westindischen Inseln, wo Caffee, Zucker, Rum etc. als Rückfracht für Lebensmittel, (Manufakturen einzuführen ist nicht erlaubt), so leicht zu haben sind, kann eben so ersprießlich werden, wie sich der Verkehr mit Cuba und Puertorico bereits bewährt hat. Im Verhältniß, wie jene brittischen Inseln, Jamaica, Dominica, Barbadoes, Antigua, Tabago, Trinidad etc. reichlicher Waaren von besserer Qualität liefern, wird dieser Verkehr vortheilhafter, wie der Handel nach dem ganz verarmten Haïti, welches jetzt blos Caffee, Blauholz, Mahagonyholz und (schlechte) Häute liefert, und wo die Schwarzen gar wenige Bedürfnisse haben, abnimmt; selbst Bremen hat die Geschäfte dahin größtentheils aufgegeben, und wenn auch Schiffe nach den Häfen dieser Insel bestimmt werden, so haben doch diese größtentheils eine gewisse andre Bestimmung, wovon weiter unten die Rede seyn wird. Wegen des ungemein starken Zwischenhandels war und ist St. Thomas, wo die dänische Regierung auf das Beste für die Sicherheit des Eigenthums und der Person sorgt, höchst wichtig, auch als Vorschule für den eigentlich westindischen Commerz. Dieser eigentlich westindische Commerz [352] wird jetzt auch wohl einzeln durch deutsche Kaufleute, aber nur selten mit deutschen Schiffen und für deutsche Rechnung betrieben. Er ließe sich vielleicht in Ermanglung eines andern Worts mit dem Ausdrucke wildes Geschäft bezeichnen. Er besteht, seinem Wesen nach, in einem kühnen Ergreifen jedweder Gelegenheit, um Geld zu verdienen (to make money). Er umfaßt in seiner höchsten Potenz: Sklaven-Schleichhandel, Seeraub, Menschenraub etc. Die niederländische Insel S. Martin, die schwedische Insel S. Barts, Aux Cayers und die Insel S. Catharine an Haiti’s Südküste, Puerto real und Ponce auf Puertorico, die meisten Häfen auf Cuba und die französischen Inseln sind die Hauptplätze dieses Verkehrs, der sich auf das seltsamste und mannigfaltigste modificirt. Er versorgt fortwährend die westindischen Inseln und die südlichen Vereinigten Staaten mit frischen Negersklaven[2] und die wilden Indianer an der Moskito- und Goagira-Küste, westlich von Cartagena, mit Schießbedarf und Gewehren. – Allen Zollgesetzen und Zollverordnungen bietet dieser Commerz Hohn; auch die wildesten Wüsten sind seine Heimath, und es gibt wenige Gegenden, wo er nicht etwas zu holen, oder etwas abzusetzen wüßte. Dieser wilde Handel, der weit mehr Gewinn bringt, als ordnungsmäßige Speditionen gewöhnlicher Art nach wohlbekannten, bestimmt klarirten Häfen, ist überall sehr beliebt; die ersten westindischen Handelshäuser nehmen mehr oder weniger daran Theil, und er verbreitet sich von Westindien aus nach allen mittel- und südamerikanischen Küsten des atlantischen und des stillen Meeres, und die Bravos (Valientes), welche ihn in den antillischen Gewässern geübt haben, sind selbst noch an der Nordwestküste von Amerika beim Seeotter-Pelzhandel und zwischen den japanischen und ostindischen Inseln, vorzüglich aber zum Sklavenhandel an Afrika’s Westküste die brauchbarsten. „Kein Geschäft rentirt bis jetzt in Westindien besser, als der Sklavenhandel, und wer sich dort scheut sich mit solchen, großen Gewinn bringenden Geschäften einzulassen, genießt keines Credits und gilt für einfältig.“ – Die Waghalsigkeit der Pascher, welche auf dem Vestlande die Mauthen umschleichen, ist mit der Kühnheit und Tapferkeit der eigentlichen Mercatoren der neuen Welt gar nicht zu vergleichen. Die Fahrten für diesen Zweck werden unter allen möglichen europäischen und amerikanischen Flaggen vollführt; der Capitain, oft von einer Art von Supercargo begleitet, beide durchaus Menschen, die im Gefühl ihrer Kraft nichts fürchten und nichts scheuen, und mit allen Schrecknissen, als wären sie bloßer Scherz, vertraut sind, sowie das sämmtliche Schiffsvolk hat Theil an jedem Gewinn und zwar einen größern, je nachdem die Spedition ausfällt oder mehr oder minder gefahrvoll ist. Selbst für die bei solchen Fällen vorkommenden Greuelthaten: Ermordungen etc. wird den Thätern Einiges zu Gute gerechnet. Wie die Flibustier der Vorzeit segelt ein solches Schiff in absoluter Freiheit umher, kauft ein, wo am wohlfeilsten einzukaufen ist, raubt gelegentlich, wo der Kauf zu weitläufig ist, wechselt die Flaggen nach Belieben, und ist bei der genauen Küstenkenntniß der Seeleute allenthalben wie zu Hause. In Kriegsfällen verschaffen sich diese Fahrzeuge, wovon die westindischen Meere wimmeln, und welche gelegentlich unter der am meisten geeigneten Flagge die größten Häfen besuchen, weil es ihnen nirgends an Freunden fehlt und sehr große Häuser, namentlich in Havana, bei ihren Fahrten interessirt sind, leicht Kaperbriefe; sie nehmen z. B. unter colombischer Flagge spanische und unter spanischer Flagge colombische Schiffe, bringen auf, wenns gehn will, und dabei zu verdienen ist, verbrennen das Schiff und morden die Mannschaft, wenn deren Existenz Gefahr bringt. Als der Revolutionskampf zwischen Spanien und dessen Colonien lebhaft wüthete, stand das Gewerbe dieser Piraten in höchster Blüthe; Brion’s und Aubry’s Geschwader, oft zu 100 Segel angewachsen, bestanden aus solchen Fahrzeugen, und jetzt hat sich der Admiral Brown in den Gewässern nördlich und südlich von Rio de la Plata durch ihre Hülfe gegen Brasilien verstärkt. Sie auszurotten, wäre ein so vergebliches Bemühen, als wollte man die Moskitos und andres Ungeziefer in jenen Tropen-Gegenden aus der Welt schaffen. Schon oft gab dieser Raubhandel oder Handelsraub zu ganz eignen Vorfällen Veranlassung. Wir wollen hier nur zwei solche Beispiele anführen, welche zugleich beweisen, wie schnell solcher Verkehr bereichern kann. Ein Schiff von jener Art brachte Caffee in Säcken nach der Insel S. Barts und bot sie einem dort liegenden französischen Schiffer zum Verkauf an; die Säcke wurden geöffnet: es fand sich zwischen den Bohnen viel Lehm (erdige Stückchen); und der Caffee (15 Säcke) ward deswegen spottwohlfeil dem Franzosen überlassen; dieser verkaufte ihn wieder an einen Nordamerikaner, der ihn nach New York brachte, dort ward endlich die Waare von den Unreinigkeiten gesäubert, und siehe – diese Unreinigkeiten waren Cochenille, wahrscheinlich irgendwo in Mexico oder Guatemala dazwischen gemischt, um den kostbaren Färbestoff aus dem Lande zu schmuggeln. Der letzte Inhaber verdiente daran eine enorme Summe.

Ein anderes Schiff der vorbeschriebenen Art warf einen Sack Mehl, welches durch Seewasser beschädigt war, bei Ponce an Puertorico’s Südküste, über Bord. Arme Negerfischer bemächtigten sich des Sacks, nahmen das schimmmelichte Mehl heraus, um es zu trocknen – und fanden in der Mitte des Sacks ein Kästchen mit Juwelen, über 50,000 Piaster an Werth. Die Neger brachten den Fund freudig in die Stadt; doch der spanische Commandant ließ ihnen sogleich das Kästchen abnehmen, und als sich die Kerle etwas vorlaut darüber beschwerten, empfing jeder von ihnen eine Tracht Peitschenhiebe, und der edle Castilier verkaufte die edlen Steine für eigne Rechnung an einen Nordamerikaner.

[354] Da jetzt die Zeiten ruhiger sind, so beschränkt sich der Verkehr jener Freikäufer auf den Handel mit frischen Negern (negros brutos), auf das Wegstehlen einzelner Neger und Mulatten (Kidnapping), welche sie auf andern Inseln und Küsten wieder verkaufen, auf geheimes Holzfällen, vornehmlich an der Küste der Honduras- und Campeche-Bay, auf Schleichhandel zum Trotz der Zollgesetze. Noch immer verderben sie fast allenthalben dem ordentlichen Handel den Markt. Sie versorgen sich z. B. durch Austausch dessen, was ihnen größtentheils auf unerlaubtem Wege zu Theil geworden, selbst in den größern Handelsplätzen, namentlich auf St. Thomas, mit europäischen Bedürfnissen jeder Art; sie wissen genau, was jede Gegend am liebsten hat, so wie den eigenthümlichen Charakter der Nationen, und sind namentlich bei den Indianern gerne gesehen; sie sind aller Sprachen und Bräuche kundig, und wissen daher allenthalben anzukommen. Sie sind darauf eingerichtet, mit dem kleinsten Gewinn fürlieb zu nehmen, und können alles gebrauchen und benutzen. So wird z. B. ein sehr bedeutender Verkehr mit den Cunna-Indianern an den Küsten zwischen St. Marta und Cartagena getrieben; die Schleichhändler vertauschen dort Eisenwaren, Messer, Scheeren, Machettas, Schießpulver, bunte Zeuge, gegen Goldstaub; die Cunnas setzen jene Waaren wieder an die Weißen ab; daher war dort dergleichen, wenigstens im Jahre 1824, gar nicht an den Mann zu bringen. Kommt ein auf gewöhnliche Weise spedirtes Schiff aus Hamburg etc. nach Omoa oder Truxillo an der östlichen Küste von Central-Amerika (Guatimala), so wissen die einfältigen Behörden gar nicht, was sie damit anstellen sollen und machen blos aus Unerfahrenheit Weitläufigkeiten, besonders wenn Capitän [355] und Supercargo höflich und bescheiden sind. – Solche Freibeuter, gewöhnlich unter englischer oder nordamerikanischer Flagge, wissen zu imponiren und machen sich selbst die Gesetze. Mit Schiffen und Menschen dieser Art wird ein großer Theil der Geschäfte von Trinidad und den Orinoko-Gegenden gemacht; wenigstens wissen sie den Zollabgaben zu entgehen. Deutsche Schiffer, an Zucht und Ordnung gewöhnt, durch Assecurateure, Rheder und Verlader beschränkt, können mit solchen Wagehälsen nicht gleichen Schritt halten. Die meisten Nordamerikaner, Franzosen, Britten und selbst auch Hanseaten haben indeß doch so viel gelernt, daß sie auf freundschaftliche Weise mit den Zollbeamten in den mexikanischen und westindischen Häfen umzugehen und einen Theil der Zollabgaben höflichst zu beseitigen wissen. Wer diese Kunst nicht versteht, sollte gar nicht nach Amerika handeln. Vornämlich wird sie in Colombia, Brasilien, Chili, Peru und überhaupt an der Westküste geübt. In Rio de Janeiro ist man unter den Augen des Kaisers noch am strengsten; doch soll es sogar Mittel geben, unmittelbar mit Sr. Majestät Privatcontracte abzuschließen, unter der Bedingung, daß man das zu zahlende Quantum in höchst eigne Hände bringt. Die brasilianischen Beamten lassen auch mit sich reden; je weiter von der Hauptstadt, desto leutseliger sind sie und finden es weit vortheilhafter, daß sie selbst die Zollabgaben nach einer billigen Berechnung beziehen, als daß sie sie dem kaiserlichen Schatze zuwenden. So bringt z. B. der Zoll der wichtigen Handelsstadt Bahia dem Kaiserschatz blutwenig ein; an Brasiliens Nordküste geht es zu, wie etwa in der Türkei oder in Egypten. So wie ein Schiff irgend wo in einem Hafen, Parahyba do Norte, Natal, Aracaty, Ceara, Parnaiba do Norte, Maranham oder Para anlangt, schließt man jetzt einen Vertrag mit dem Governador oder Commandanten; versteht der Capitän oder der Supercargo sein Handwerk, so erklärt er dem Brasilianer, er werde sogleich wieder absegeln, wenn er sich nicht billig finden lasse. Die brittische und nordamerikanische Flaggen sind dort diejenigen, welche am meisten Achtung einflößen; allenfalls auch die französische; die portugiesische wird nie wieder beliebt werden, wie neuerdings von Porto aus veranstaltete Expeditionen erwiesen haben; die deutsche Flagge wird dort, trotz des mit dem Kaiser abgeschlossenen Handelsvertrages, schwerlich gute Aufnahme finden. In Nord-Brasilien, wie in den meisten südamerikanischen Häfen spielen überhaupt Britten und Nord-Amerikaner das Prävenire; sie verjagen die andern Nationen nicht, machen ihnen aber Verkauf und Einkauf so schwer, daß der neue Ankömmling bald den Platz verwünscht. Vornämlich ist dies der Fall, wenn der Supercargo kein Valiente, sondern ein Schaf ist und sich auf gewöhnliche Weise Empfehlung an dort existirende Handelshäuser geben läßt. Dann tönt ihm sogleich die Wehklage entgegen, es gebe dort gar nichts zu kaufen und zu verkaufen. Auf sich selbst steht der Mann. An die Eingebornen, gleichviel von welcher Farbe, muß sich, wer in Süd-Amerika Handel treiben will, keck anschließen und seinem Gott danken, wenn er gar keinen Europäer trifft; für den Deutschen sind die Landsleute die gefährlichsten, denn leider ist dort kein Deutscher dem andern treu. Britten, Franzosen, Nord-Amerikaner halten zusammen, und das hebt sie über uns. Auch ist jedem, der dort gute Geschäfte machen will, Fertigkeit in der Landessprache höchst nothwendig. Selbst auf die Bigotterei des Volks läßt sich mit Grund eine gute Speculation bauen. Eine, welche wirklich Erwähnung verdient, ward vor wenigen Jahren von einem Deutschen in einem brasilianischen Hafen, südlich von Cap St. Roque, ausgeführt. Er war in Bahia gewarnt, diesen Hafen nicht zu besuchen, weil dort gar keine Geschäfte zu machen wären. Dennoch segelte er getrost dahin ab. Sein Schiff führte französische Flagge. So wie er in den stark befestigten Fluß einlief, fragten Zollbeamte, verwundert über die vorher nie erblickten Lilien, was denn das für ein Schiff sey? da antwortete der Supercargo in gutem portugiesisch: darauf hätte er Männern ihrer Art nichts weiter zu antworten, als daß das Schiff direct aus Rom von Sr. Heiligkeit dem Pabste abgeschickt sey, um dem Bischofe, von dessen Frömmigkeit und heilgem Wandel der heilige Vater viel Gutes vernommen, unschätzbare Reliquien und Heiligthümer zu überbringen. Erstaunt fuhren die Zollbeamten wieder ab. Eilends kam der Bischof mit einem Gefolge von Geistlichen selbst an Bord; nun überreichte diesem der gewandte Mercator mit schuldiger Ehrerbietung, ein saubres Kästchen, mit Sammt beschlagen. Darin befanden sich einige Todtenknochen, (am Strande der Insel Fernando Noronho gesammelt) mit einem lateinischen Revers, dies seyen die ächten Knochen des heil. Gloriosus und der St. Gertrudis, einer gebornen Hamburgerin; ferner wurden eine Menge Nürnberger-Heiligenbilder in Rahmen und Glas, sämmtlich von heiliger Hand geweiht, vorgezeigt. Der Bischof war über diese Schätze höchst erfreut, ertheilte dem Ueberbringer seinen Segen, nahm ihn in seinen Palast, bewirthete ihn aufs köstlichste und verschaffte ihm jedweden Genuß. – – Die Bilder gingen reißend ab, das Stück für 10–20 Piaster. Die Reliquien veranlaßten eine Procession und eine dreitägige Kirchenfeier. Die Ladung des Schiffs ward ganz freigegeben; eiserne Quincallerie und andere Waaren wurden mit bedeutendem Gewinn abgesetzt; denn jeder wollte etwas aus dem heiligen Schiffe (náo sagrada) besitzen; es hatte zufällig eine Partie farbiges Glanz-Leinen geladen; darin kleidete sich nun die ganze Bevölkerung, so daß schon am nächsten Sonntage jeder Neger und Mulatte im blanken Hemde erschien. Der Supercargo erhielt die Erlaubniß, sich, was dort jedem bei der härtesten Strafe verboten ist, kostbares Rotholz fällen zu lassen, welches er selbst in einer nahen Bucht entdeckt hatte. Unter dem Jubel der Einwohner segelte er mit einer reichen Ladung von dannen; die ganze Speculation brachte einen Gewinn wenigstens von 200 Pct. Männer dieser Art werden, wenn auch gar keine Verträge existiren, in der Regel in Amerika gute Geschäfte machen, aber auf ordentlichem, gewöhnlichem Wege ist wenig oder nichts auszurichten, und je tiefer jene Freibeuter und mit ihnen unternehmende Nord-Amerikaner, Britten und Franzosen [356] ins Innere eindringen, desto schlimmer wird es den gewöhnlicherweise expedirten Schiffe unter deutscher Flagge ergehen. Auch die Deutschen, welche sich in großen und kleinen Plätzen Amerikas als Kaufleute niederlassen, müssen mit ganz absonderlichen Talenten, seltenem Unternehmungsgeiste, und genauer, lebendiger Einsicht des Landes und des Volkes gerüstet seyn; sonst droht ihnen dort, im Kampfe mit den genannten Rivalen, ein sehr trauriges Geschick. Junge Leute, welche Sprache und gründliche Vorkenntnisse besitzen, und welche Lust haben, das höchst schwierige kaufmännische Geschäft Amerikas praktisch zu erlernen, thun sehr wohl, eine Zeitlang auf Comtoiren in Boston, Baltimore, Charleston, St. Thomas etc. zu arbeiten. Alle, welche dort waren und Augen hatten zu sehen, werden die Wahrheit der hier mitgetheilten Bemerkungen bestätigen, wenn sie aufrichtig seyn wollen. Schreiber dieses ist es seinem Vaterlande schuldig, zu melden, was er weiß und die Zeitschrift das Ausland steht unter keinem merkantilistischen Preßzwange. –


  1. Nach officieller Angabe der hamburgischen Einfuhrlisten langten im Jahre 1827 53 Schiffe von Havana und Matanzar auf der Elbe an, welche 492 Faß, 50,393 Kisten Zucker, 1039 Faß, 57570 Sack Caffee, 6162 Kisten Cigarren etc. in die Stadt lieferten.
    d. E.
  2. Auf den Vatten-Inseln östlich von Pensacola wird bei Nacht förmlich Sklavenmarkt gehalten. Ein glaubwürdiger Augenzeuge fand dort noch im Nov. 1827 über 200 solcher Unglücklichen zusammen.
    A. d. E.