Deutsche Kochkunst im 16. Jahrhundert
[235] Deutsche Kochkunst im 16. Jahrhundert. Daß man nach Erfindung des Drucks alsbald beflissen war, auch die Theorie der Kochkunst schriftstellerisch auszubauen und zu vervielfältigen, ist natürlich, und mehr als zuvor beeinflußt von nun an der französische Geschmack deutsche Art und deutschen Brauch, keineswegs indessen zum Nachtheil des deutschen Gaumens. In eines dieser ältesten Kochbücher einen Einblick zu gewinnen, ist vielleicht für unsere Leserinnen nicht ohne Interesse. Die Verfasserin, Frau Anna Weckerin, ist jedenfalls eine der ersten Vorläuferinnen der Frau Davidis und Frau Allerstein und theilt auf alle Fälle mit ihnen das Fragwürdige sehr vieler ihrer Recepte. Sie datirt ihr Büchlein aus dem Jahre 1596, also aus ferner, ferner Zeit, und widmet es ihrer „gnädigsten Churfürstin und Frawen, der durchlauchtigsten, Hochgebornen Fürstin und Frawen, Frawen Loysae Julianae, Pfalzgräfin bei Rhein u. s. w. Churfürstin, gewesenen Princeßin von Oranien, Gräfin zu Nassaw, Katzenelnbogen u. s. w.“ unter dem Titel:
„New, köstlich vnd nutzliches Kochbuch. In welchen kurtzlichen begriffen, wie allerhand künstliche Speisen, sowol von zahmen als wilden Thieren: Vögel und Federwildprät, grünen vnd gedörrtem Fischwerck: Wie auch allerley gebachens, als Darten, Marcipanen-Pasteten vnd dergleichen. Beneben von viel vnd mancherley Obs, von Gemüß, für Gesunde u. Kranke, in allerley Beschwärungen vnd Geprästen, auch für Kindbettherinnen, Altbetagte schwache Personen, kunst- vnd nutzlich in der eyl, vnd mit geringem kosten zubereiten und zuzurichten.“
Die Speisezettel selbst erweisen sich den früheren mittelalterlichen gegenüber bereits kultivirt: die damals üblichen Krähen, Raben, Störche, Reiher sind geschwunden. Nur „ein Essen von einem Rindsmagen für ein Fürsten“ erregt noch einiges Befremden, und auch das Recept: „Holderblütmuß zu Feigenmuß zu machen“, weckt wenig Vertrauen. Dagegen ist ein anderes: „Einen grünen oder eyngesaltzenen Biberschwantz gut zu machen“ wohl durchdacht, gründlich ausgearbeitet und löblich instruktiv. Es lautet folgendermaßen und soll auch für „Bärenklawen“ Gültigkeit haben: „Nimm den Biberschwantz vnd die Klawen, welches beydes Fischart ist, den schwantz lege auff einen Rost, vnd laß ihn wol erwarmen, so geht ihm die schwartze Haut ab; die Klawen aber brühe mit siedendem Wasser, biß die ober Haut abgehet, seude die Klawen, vnd den Schwantz in Wasser, vngefehr zwey stunde, denn so küle ihn auß, mache ihn vollend rein, schneide ihn zu Stücken, lege ihn in ein Töpfflin oder ander Gefesse, geuß ein meßlin Wein daran, thue ein wenig geriebnen Pfefferkuchen, geschnittene Mandelnkerne, grosse oder kleine Rosinen darzu, vnd laß darmit sieden, denn geuß noch ein Gläßlein Essig darein, saltze es recht, mache es mit Zucker oder Honig ein wenig süsse, würtze es mit Ingwer, Pfeffer, Zimmet, Saffran vnd Nägelin, wann es nun mit der Würtz eine weile gesotten hat, so richte den Fisch (sic) mit der Brühe an, es ist recht vnd gut. Also kan man auch die Bärenklawen zurichten.“
Nicht weniger liebevoll behandelt die Autorin das anziehende Problem, „Schnepffen gut zu braten“.
Der Suppenkatalog der Frau Anna Weckerin ist einigermaßen beschränkt, doch weist er immerhin verlockende Nummern auf wie: „Ein Reinfallsuppe. Ein guldenesuppe. Ein vast nutzliche Supp für schwache Leuth, panabra auff welsch genannt. Ein kräftig kelt Süplin. Ein Suppe, so gut als ein Mandelsuppen. Ein Supp wie ein Hafermuß. Ein Monsupp zum schlaffen“ etc. Ich indessen entscheide mich für ihre „kräfftige Kapaunen- oder Hüner-Suppe.“
Damit aber unsere schönen Leserinnen in der Lage seien, ein vollständiges historisches Diner im Genre des 16. Jahrhunderts herzurichten, so empfehle ich ihnen zum Schluß aus der reichen Receptsammlung der Frau Weckerin für Mehlspeisen ganz besonders das folgende für „Gefüllte Oblaten mit Latwergen oder Säfften“: „Nimm eine gute Latwerge oder Safft vnd weich’s in gutem Wein. Dann thu’ ein wenig Kirschmuß oder Safft daran, auch Zucker, Zimmet vnd Ingwer, vnd wanns gesotten ist, so streich’s auff die Oblaten, und eines darüber, vnd tuncke es in ein gelbes Teiglin, oder weiß, druck es allweg an orten zu mit Wasser, ehe [236] man es in das Teiglin tuncket, und backe es rösch ab: so ist es recht.“ So wäre denn ein artiges Menü zusammengestellt: Kapaunensuppe, Biberschwanz, gebratene Schnepfen, gefüllte Oblaten, und dies Menü wurde gewiß seiner Zeit mit bestem Appetit verzehrt.