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Des edlen Möringers Wallfahrt

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Des edlen Möringers Wallfahrt
Untertitel:
aus: Deutsche Sagen Bd. 2, 1818, S. 253–256 Nr. 523 (in modernen Ausgaben Nr. 529)
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Zusammenfassung der Moringer-Ballade
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[253]
523.
Des edlen Möringers Wallfahrt.
Nach dem alten Lied.

Vergl. Schmid in Bragur III. 402
Gräters Odina S. 200–210.


Zu Mörungen an der Donau lebte vor Zeiten ein edler Ritter; der lag eines Nachts bei seiner Frau und bat sie um Urlaub, weil er weit hin ziehen wollte [254] in Sanct Thomas Land; befahl ihr Leute und Gut und sagte, daß sie sieben Jahre seiner harren möchte. Früh Morgens stand er auf, kleidete sich an und empfahl seinem Kämmerer, daß er sieben Jahre lang seiner Frauen pflege, bis zu seiner Wiederkehr. Der Kämmerer sprach: Frauen tragen lange Haar und kurzen Muth; fürwahr nicht länger denn sieben Tage mag ich eurer Frauen pflegen. Da ging der edle Möringer hin zu dem Jungen von Neufen und bat, daß er sieben Jahre seiner Gemahlin pflege; der sagts ihm zu und gelobte seine Treue.

Also zog der edle Möringer fern dahin, und ein Jahr verstrich um das andere. Wie das siebente nun sich vollendete, lag er im Garten und schlief. Da träumte ihm, wie daß ein Engel riefe und spräche: erwache Möringer, es ist Zeit! kommst du heut nicht zu Land, so nimmt der junge von Neufen dein Weib. Der Möringer raufte vor Leid seinen grauen Bart, und klagte flehentlich seine Noth Gott und dem heiligen Thomas; in den schweren Sorgen entschlief er von neuem. Wie er aufwachte und die Augen öffnete, wußte er nicht, wo er war; denn er sah sich daheim in Schwaben, vor seiner Mühle, dankte Gott, jedoch traurig im Herzen und ging zu der Mühle. Müller[WS 1] – sprach er – was gibts Neues in der Burg? ich bin ein armer Pilgrim. Viel Neues – antwortete der Müller – der von Neufen will heut des edlen Möringers Frau nehmen; leider soll unser guter Herr todt seyn. – Da ging der edle Möringer an sein [255] eigen Burgthor, und klopfte hart dawider. Der Thorwart trat heraus: geh und sag deiner Frauen an, hier stehe ein elender Pilgrim; nun bin ich vom weiten Gehen so müde geworden, daß ich sie um ein Almosen bitte, um Gottes und Sanct Thomas Willen, und des edlen Möringers Seele. Und als das die Frau erhörte, hieß sie eilends aufthun, und solle er dem Pilger zu essen geben ein ganzes Jahr.

Der edle Möringer trat in seine Burg, und es war ihm so leid und schwer, daß ihn kein Mann empfing; er setzte sich nieder auf die Bank, und als die Abendstunde kam, daß die Braut bald zu Bett gehen sollte, redete ein Dienstmann und sprach: sonst hatte mein Herr Möring die Sitte, daß kein fremder Pilgrim schlafen durfte, er sang denn zuvor ein Lied. Das hörte der junge Herr von Neufen, der Bräutigam, und rief: singt uns, Herr Gast, ein Liedelein, ich will euch reich begaben. Da hub der edle Möringer an und sang ein Lied, das anfängt: „eins langen Schweigens hatt ich mich bedacht, so muß ich aber singen als eh“ u. s. w.[1], und sang darin: daß ihn der junge Mann an der alten Braut rächen, und sie mit Sommerlatten (Ruthen) schlagen solle; ehemals sey er Herr gewesen und jetzt Knecht, und auf der Hochzeit ihm nun eine alte Schüssel vorgesetzt worden. [256] Sobald die edle Frau das Lied hörte, trübten sich ihre klare Augen, und einen goldnen Becher setzte sie dem Pilgrim hin, in den schenkte sie klaren Wein. Möringer aber zog ein goldrothes Fingerlein von seiner Hand, womit ihm seine liebste Frau vermählt worden war, senkt es in den Becher und gab ihn dem Weinschenken, daß er ihn der edlen Frau vorsetzen sollte. Der Weinschenk brachte ihn: das sendet euch der Pilger, laßt’s euch nicht verschmähen, edle Frau. Und als sie trank und das Fingerlein im Becher sah, rief sie laut: mein Herr ist hier, der edle Möringer, stand auf und fiel ihm zu Füßen. Gott, willkommen, liebster Herr, und laßt euer Trauern seyn! meine Ehr hab ich noch behalten, und hätt’ ich sie verbrochen, so sollt ihr mich vermauern lassen. Aber der Herr von Neufen erschrak, und fiel auch auf die Knie: liebster Herr, Treu und Eid hab ich gebrochen, darum schlagt mir ab mein Haupt! – Das soll nicht seyn, Herr von Neufen! sondern ich will euren Kummer lindern und euch meine Tochter zur Ehe geben; nehmt sie und laßt mir meine alte Braut. Deß war der von Neufen froh, und nahm die Tochter; Mutter und Tochter waren beide zarte Frauen, und beide Herren waren wohl geboren.

Fußnote der Vorlage

  1. Vergl. Samml. von Minnesingern I. 124. wo das Lied merkwürdig dem Walther von der Vogelweide beigelegt wird.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mutter