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Des deutschen Volkes Ehrentag

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Textdaten
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Autor: Ferdinand Hey’l
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Titel: Des deutschen Volkes Ehrentag
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 716–718
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[716]

Des deutschen Volkes Ehrentag.

Von Ferdinand Hey’l.

„– Lebendig ist geworden,
Was uns’rer Väter Hoffen war.
Vom Fels bis zu des Meeres Borden
Flog unser mächt’ger Kaiseraar.
In Lieb’ und Treue jubelnd weihen
Wir Deutschland ewig Herz und Hand. –
Heil uns’rem Kaiser! Heil dem freien
Und ein’gen deutschen Vaterland!“
E. Rittershaus.

So sind sie denn vorüber, die herrlichen Festesstunden der letzten Septembertage, so ist denn die Weihe geschehen in würdigster Form, durch keinen Mißton gestört, durch keinen Unfall getrübt! Das waren Stunden, wie sie jedem Volk zu wünschen sind – hehr und geheiligt durch eine Stimmung der Andacht und Weihe, wie sie unter dem blauen Dom des Himmels nicht häufig erscheint!

Wenn auch die „Gartenlaube“ darauf verzichten muß, nachträgliche Schilderungen der Feier ihren Lesern zu bieten, wie solche in den Blättern des Tages längst vorgelegen, so gelingt es uns doch vielleicht, noch mancher Einzelheiten gedenken zu können, die der Aufbewahrung für spätere Zeiten würdig sind. Hat die „Gartenlaube“ mit zuerst den Gedanken der Errichtung unseres nationalen Denkmals auf dem Niederwald vertreten, so ist sie auch zu einem Schlußworte berechtigt, ja verpflichtet.

Ohne Ueberhebung dürfen wir sagen, daß edler wohl selten ein Volk das Fest einer Verbrüderung gefeiert, wie an jenem Tage das unsere. Welche Einstimmigkeit trat in diesen Menschenmassen hervor – in diesem Menschengewühl, das mindestens aus hunderttausend Theilnehmer zu berechnen war! Ja, wir sind ein Volk, und einig können wir handeln! Trotz Wein und Festesjubel, ohne Ueberwachung der heiligen Hermandad, würdig von Anfang bis zu Ende verlief der Tag. Nichts erinnerte an jene kriegerischen Zeiten, in denen wir uns zu der jetzigen Bedeutung als Volk hindurchrangen – Alles war vermieden, was auch nur irgendwie Feindseligkeit oder Uebermuth gegenüber dem Nachbarlande kund thun konnte – die deutsche Nation hat ein Beispiel gegeben, wie ein Volk sich selbst ehrt.– –

Schwer lagerten die Wolken drüben über der Grenze nach Frankreich hin, die Vogesenkette nur hier und da durch abwechselnde Aufhellung erleuchtend. Ein frischer, rheinischer Luftzug setzte die Helmbüsche der zahlreichen Generalität in flatternde Bewegung, daß sie erschienen wie friedliche Festesfahnen, die Banner der Krieger- und Sängervereine wehten ihre Grüße über die Festversammlung hin und hinunter in’s Land, als setzte sie eine unsichtbare Hand in diese grüßende Bewegung, und einzelne Sonnenstrahlen leuchteten hier und da über die hehre Gestalt der Germania, als geschähe dies Alles auf höhere Anordnung. Und als nun unser ehrwürdiger Kaiser seinem Wagen entstieg, als die alten Standarten mit den Resten ihrer zerschossenen und verwitterten Flaggentücher den Ehrengruß boten, sich vor dem Monarchen senkend, da ging es – nachdem der brausende Jubel des Willkomms sich endlich gelegt – wie ein geheimnißvolles Rauschen über den grünbelaubten Berg dahin, da erfaßte Rührung Alle, die da harrten des bedeutungsvollen Augenblicks der gemeinsamen Denkmal-Weihe. Vom Strom und vom anderen Ufer herüber tönte das fernschallende Hurrah mächtig wirkend in den Jubel der droben versammelten Festgenossen. Es war ein Gefühl, ein Band, welches das deutsche Volk in diesem unvergeßlichen Augenblicke umschlang. Wohl dem, der diese Stunde mit erlebt! Sie verkündete: Wir sind jetzt ein Volk, wir sind eines Stammes, eines Sinnes.

Wer konnte ungerührt bleiben, als die Vertreterinnen der rheinischen Städte (Marie Hey’l aus Wiesbaden, Helene Rittershaus aus Barmen, Anna und Clara Schilling aus Dresden, Emma vom Bruck aus Crefeld, Elise Götz-Rigaud aus Frankfurt und Louise von Ritter aus Rüdesheim) an den Monarchen herantraten, als die Sprecherin derselben (Marie Hey’l) das warmgefühlte treffliche Poem von Emil Rittershaus in innigster Erregung sprach, als der Heldenkaiser näher herantrat und unverwandten Blickes, selbst in offenbarer Gemüthsbewegung, der Rede lauschte:

„Segen, Heil dem Zollernsohne! – Sei gegrüßt im Land der Reben,
Du, der Deutschlands Kaiserkrone hat dem Reich zurück gegeben!
Dir, der Volkesglück zu schaffen, nimmer, nimmer müd’ geworden,
Friedensfürst und Held in Waffen, Gruß Dir an des Rheines Borden!
In des Rheines Rauschen hören wir das Herz von Deutschland schlagen.
Jauchzend schlägt es Dir entgegen, der durch Gottes gnädig Walten
Uns geführt auf Siegeswegen, der den Rhein uns deutsch erhalten!
Dank Dir, Herr, daß Du erschienen! Dankend blicken wir nach oben –
Treu dem Vaterland zu dienen, ist’s, was jubelnd wir geloben; –
Gott mit Dir! Er sprech’ ein Amen zu den Wünschen, die wir hegen!
In des deutschen Volkes Namen: Unserm, Kaiser Heil und Segen!“

Die Sonne brach einen Augenblick durch das bereits gelichtete Gewölk, so klar, daß sich selbst für die Theilnehmer auf den Schiffen drunten durch das offene Kaiserzelt hindurch ein Bild von mächtiger Wirkung bot. Wann drückte der Heldenkaiser der Sprecherin die Hand und sagte in innig bewegtem Tone:

„Wohl haben Sie Recht gehabt mit Ihren trefflichen Worten – durch Gottes gnädiges Walten ward uns der heutige Tag beschieden, und mit Dank blicke auch ich nach oben, zu Dem, der uns bis dahin geführt!“

Und nicht wohl anders als wahrhaft erschütternd mußte auf alle Theilnehmer nach dieser Rede der feierliche Choral: „Nun danket alle Gott“ wirken, der, von den Edelsten und den erlesenen Abgesandten des Volkes, von der ganzen Versammlung angestimmt, über den Berg weit, weit dahin tönte. Wer den greisen Kaiser beobachten konnte, wie er den Blick zu der im Sonnenlicht hier und da erglänzenden Germania hinaufwarf, während der Festrede des Grafen zu Eulenburg, der mußte unwillkürlich mit fühlen, was die Seele des Heldenfürsten in diesem Augenblick bewegte. Und wenn auch ein Ungefähr den Kanonendonner zu früh ertönen ließ, sodaß dieser sich in die Worte des Herrschers mischte, nicht leicht kann eine Rede einen mächtigeren Nachdruck empfangen, als es hier geschah, da der Kaiser, auf die Vorsehung hinweisend, sagte:

„Millionen Herzen haben ihre Gebete zu Gott erhoben, ihm für seine Gnade ihren demüthigen Dank dargebracht und ihn gepriesen, daß er uns für würdig befand seinen Willen zu vollziehen.“

Und als er endete:

„In diesem Sinne weihe ich dieses Denkmal: den Gefallenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Anerkennung, den kommenden Geschlechtern zur Nacheiferung,“ da bekräftigte der Donner der Geschütze die königlichen Worte, da gab der Widerhall der mächtigen Salven dem Gesagten ein bedeutsames Geleit. Hoch aufrechtstehend mit dem Blick nach dem Denkmal, das Haupt entblößend, schloß Kaiser Wilhelm mit den feierlichen Worten: „das walte Gott!“

[717] Als nun der Kronprinz dem bewegten Herrn und Vater die Hand küssen wollte, als der Kaiser den stattlichen Thronfolger an seine Brust zog und ihn küßte - wo ist eine Feder, welche diese Scene würdig und entsprechend schildern wollte?

Und neben dieser Gruppe stand Johannes Schilling, der bescheidene Künstler, dem die Thränen unaufhaltsam in den vollen Bart rannen, der beglückte Meister, der seiner Erregung kaum Herr werden konnte. Brausend erklang die Nationalhymne in das Thal, jubelnd ertönte der Weihegesang: „Lieb’ Vaterland magst ruhig sein“ vom Eichwalde herab, von tausend Kehlen angestimmt, mächtiger wirkend als je zuvor. Da trat der Kaiser an Moltke heran und reichte dem treuen Kampfgenossen die Rechte, ihn mit seinen gewinnenden Augen fest anblickend – in diesem kaiserlichen Gruße den Dank aussprechend allen Jenen, die da mitgeholfen, seien sie noch unter den Lebenden, seien sie dahingerafft im Kampfe um das heiß errungene Ziel. Das waren keine äußerlichen Formen mehr, das waren wahrhafte Ergüsse väterlicher Liebe und unverbrüchlicher Volkestreue. Das hehre Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Stolz auf die jetzige Größe unseres Vaterlandes und unserer Nation, wie gerechtfertigt waren sie heute, waren sie an dieser Stelle - es war ein Fest von unsäglichem Zauber, wie wir in Deutschland noch keines erlebt. –

Und wie die Fahrt zum Berge hinauf, so war auch jene hinunter zur Festesstadt Rüdesheim ein Triumphzug der Liebe und Verehrung für Kaiser und Reich. Da jubelten deutsche Herzen den Führern der Nation entgegen, da verstummte politischer Hader, da fühlten Alle, wie König Albert von Sachsen später in Wiesbaden bedeutungsvoll sagte, „die Erinnerung an eine ernste, aber schöne Zeit“ und gedachten, wie er, „in dankbarer Freude, daß unser Vaterland während zwölf Jahren des äußeren Friedens seine Siege genießen konnte!“

Die kleine Festesstadt Rüdesheim darf stolz sein auf die Veranstaltungen, die sie zum Weihetag getroffen. Natürlich fehlten auch Triumphbogen und Festestrunk nicht, namentlich aber lenkte ein riesiges Faß, für die weingesegnete Stadt charakteristisch genug, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Dasselbe bildete eine kolossale Ehrenpforte und war von dem Architekten Franz Schädel aus Frankfurt am Main ausgeführt worden. Es ist 9,50 Meter lang und 4,80 Meter hoch, ohne den Kuppelbau auf der Mitte des Fasses, der sich auf einem 1,35 Meter hohen Untersatze erhebt und in einem Riesenrömer gipfelt. Beiläufig gesagt, würde das Faß gefüllt 473,000 Flaschen oder gegen 136 Stück Wein fassen, ist also etwa um 70 Stück größer als das berühmte Heidelberger Faß. Als der kaiserliche Zug sich dem mächtigen Faß näherte und die kolossalen Pforten desselben sich erschlossen, um das Gefährt des Kaisers hindurch zu lassen, da nähert sich, bis dahin im Innern des Fasses harrend, der alte Meuer dem Kaiser. Meuer ist Küfer seines Zeichens und Weinbauer, eine originelle Persönlichkeit, wie sie eben dem Rheine nur eigen. Er bietet den Pokal dar, und der Kaiser, ihn wieder erkennend, nimmt dankend auch diesmal den Edeltrank von ihm entgegen. War es doch Meuer, der auch bei der Grundsteinlegung des Denkmals 1877 denselben Ehrenposten inne hatte.

Der Kaiser im Faß zu Rüdesheim.
Originalzeichnung von Ferdinand Lindner.

Als damals Kaiser und Kronprinz den ersten Wilkommbecher geleert, bot der biedere Rheingauer den schnell wiedergefüllten Becher zum zweiten Male dar. Der Kaisen lehnte dankend die edle, aber feurige Gabe ab, da aber blickt Meuer treuherzig hinauf zum Kaiser Wilhelm und dann zum Kronprinzen und sagt:

„Majestät, dann lassen Sie ihn noch emol!“

Der Kaiser lächelt und leutselig thut der Kronprinz ein zweites Mal Bescheid.

Heute reicht der Kaiser den Becher dankend zurück, mit einigen Worten der Genugthuung Ausdruck gebend, den biederen Alten wieder am selben Posten zu finden.

„Ja,“ sagt Meuer, „damals war’s scheen, Majestät, heit ist’s aber noch scheener! Heit is was passirt, was noch nit da war, seit die Weltgeschicht’ existirt!“

Auf die fragende Miene des Kaisers setzt Meuer schnell hinzu:

„Nu, Majestät, das war doch noch nit da, daß mer mit vier Pferd’ in ä Faß ’neinfährt unn drinn ä Glas Wein trinkt!“

Herzlich lachten Kaiser und Kronprinz über den treuherzigen „Rhingaer“, der glücklich vor sich hinschmunzelte.

Aber schon naht sich der kaiserliche Zug der Rheinhalle unten am Rheinufer. Jungfrauen von Bingen und Mainz bringen auch hier in poetischer Form den Willkomm dar. Und draußen im Strome salutirt die buntbewimpelte Flotte, da harren die prächtigen Dampfer des Rheins, da jubeln die schmucken Matrosen droben in den Raaen, da ertönt ein tausendfaches Hurrah von Bord zu Bord, da donnern die Geschütze vom andern Ufer und von den Höhen herab über den Strom, und die volle Sonne scheint hernieder auf Berg und Thal, auf Flur und Au, als sei ein Sommertag erschienen, um lichte Strahlen zu gießen auf die fröhliche, glückliche Menge.

Und in dem reichen Kranze der Fürsten, der Heerführer und Staatsmänner die festlich geschmückten rheinischen Mädchen, Jugend und Alter in bunter Gruppe.

Dann zogen sie vorüber, die dreißig Dampfer in ihrem Festesschmucke, die Insassen derselben die nationale Hymne anstimmend, und wenn ein Musikcorps endete, setzte das nächste ein – es war der Freude und des Jubels kein Ende. Wo aber Graf Moltke erschien, da stimmte von Neuem der tausendstimmige Chor sein Hurrah an, waren doch der Kampfgenossen so viele aus allen Gauen hier zusammengeströmt, auch ihn noch einmal zu sehen, der einst die Getreuen zum Siege geführt. Wenn selbst die allerdings nur wenig zahlreich erschienene französische Presse durch einen ihrer Vertreter uns das Lob spendet, „daß dies Fest [718] eine hohe, einmüthige Empfindung gewesen sei, die ein Volk erstarken macht“, so bedarf es kaum anderer Zeugnisse für die Weihe des Tages mehr.

Im Schmucke der Stadt Rüdesheim glänzte auch der von König Ludwig I. von Baiern dem Dichter des bekannten „Sie sollen ihn nicht haben“ – Niklas Becker – verehrte Pokal. Derselbe, fast einen Fuß hoch, zeigt ein Medaillon mit der allegorischen Darstellung des Vaters Rhein und trägt die Inschrift: „Der Pfalzgraf bei Rhein dem Dichter des Liedes: Der deutsche Rhein.“ Auch mit diesem Ehrenbecher ward dem Kaiser ein Ehrentrunk geboten.

Um die dritte Stunde des Nachmittags entführte unter dem Gesange der Nationalhymne und dem Hoch der tausendköpfigen Menge das Dampfroß den Kaiser nach Wiesbaden. Auch hier war der Empfang ein glänzender, auch hier sprach Kaiser Wilhelm seine Freude aus über das gelungene Fest. Und als bei der im königlichen Schlosse veranstalteten Galatafel König Albert von Sachsen den Führer der Nation, der Deutschland geeinigt, in warmen Worten feierte, da stand Kaiser Wilhelm auf und brachte den kaiserlichen Dank dar allen Fürsten und dem deutschen Volke, das in schwerer Stunde sich eins gefühlt in dem Gedanken an Heimath und Reich. Es war ein ernster feierlicher Augenblick! Wohl hatte der ehemalige Präsident des Reichstags, Simson, Recht, als er sagte: „bisher sei wohl die Krönungsfeier zu Königsberg das glänzendste Fest gewesen, das er gesehen, das Niederwaldfest aber habe jenes weit übertroffen, es sei weder ausschließlich Hoffest noch Volksfest – es sei eine schöne Verbrüderung beider gewesen.“

In Rüdesheim aber entwickelte sich unterdessen die ausgelassenste Festfreude. Da klangen deutsche und holländische, englische und französische Laute und alle deutschen Dialecte an’s Ohr, da verkehrten unter den Mitgliedern der Kriegervereine und den Sängern Amerikaner, Belgier und selbst italienische Minstrels in ihrer heimathlichen Tracht, da schlagen kräftige und zarte Hände die Guitarre und die Tambourins, da entwickelte sich ein heiteres Bild echt rheinischen Lebens. Und mitten in dem Gewirr der förmlich umlagerten Eßwaarenhändler, der Medaillen- und Festzeitungcolporteure tauschte Freund zu Freund den Bruderhandschlag, jubelte der Norden mit dem Süden, West und Ost Alldeutschlands in gleicher Gesinnung. Allein 65,000 Menschen beförderten die Eisenbahnen in Rüdesheim und Bingen an diesem Tage in sechsundsechszig Bahnzügen, der Verkehr auf dem Strome aber war nach ungleich bedeutender. Und nicht eine Störung, nicht ein Mißton!

Während die Stadt Wiesbaden durch eine bis dahin kaum jemals gesehene prächtige Illumination, durch eine sinnige Huldigungsfeier im Theater, durch Feuerwerk und Festball den Tag abschloß, wie er verlaufsen – groß und herrlich – fanden sich in Rüdesheim deutsche Männer zum Festmahle zusammen, in ihren Trinksprüchen Aller jener gedenkend, die an dem großen Tage Theil hatten. Da liefen Telegramme ein von den Deutschen in Oesterreich und Rußland, und während am selben Tage in Paris (dem Gedächtnißtage der Capitulation von Straßburg) die Statue jener Stadt auf dem Concordienplatze bekränzt wurde, sandten die germanischen Stammesgenossen von Odessa einen Lorbeerkranz mit den deutschen Farben und den poetischen Gruß nach Rüdesheim:

„Zu des Niederwaldes Eichen,
Zu Germania’s hehrem Stand
Senden wir dies Dankeszeichen
Von des Schwarzen Meeres Strand.“

Aber mit dem Tage schloß nicht das Fest. Täglich erschienen Vereine zum Besuche des Niederwaldes mit flatternden Fahnen und schallender Musik. Drüben in Bingen knatterten die Büchsen vom Schießplatz der deutschen Schützen herüber, droben am Rochusberge wetteiferten die Turner im Kampf um den Preis für deutsche Manneskraft, und drunten in Rüdesheim erklang der Gesang der preiswerbenden deutschen Männergesangvereine. Wie manche kräftige Rede legte den Hunderten der zum Berge wallfahrenden Schulen und Corporationen die Liebe zum Vaterlande nahe!

Rührend war der Moment, da über 2000 Kinder der Schulen des Rheingaues der trefflichen Rede des Schulinspectors Pfarrer Horz von Winkel lauschten und da ihr kindliches Gemüth in dem Gesang patriotischer Lieder Zeugniß gab auch von ihrer Theilnahme an dem herrlichen Feste und seiner nationalen Bedeutung.

Warm und gefühlt sprach Theodor Dilthey von Rüdesheim anderen Tages zu den versammelten Gesangvereinen vom Fuße der großen Freitreppe des Denkmals. Was störte da ein vorübergehender Regenschauer! Brach doch die Sonne immer wieder hindurch, die hehre Germania umstrahlend.

Und als der prächtige Festzug der Ruderer, Schützen- und Gesangvereine in Bingen, dem der Großherzog von Hessen beiwohnte, darüber war, da zog es uns hinauf zum Rochusberge, und in den Zimmern, die Berthold Auerbach einst bewohnt, in denen er sein „Landhaus am Rhein“ geschrieben, angesichts der Germania, warfen wir diese Zeilen auf’s Papier in dem aufrichtigen Gefühle: daß das deutsche Volk in Wahrheit hier am grünen Rheinstrom seinen herrlichsten Ehrentag gefeiert.

„Wie euch verbrüdert hat des Kriegs Geschick,
So bleib’ es jetzt auch in des Friedens Tagen;
Der Andern Lasten helfe Jeder tragen
Und theile gern mit ihnen auch sein Glück!
Es schöpfe jeder Stamm den frischen Saft,
Der stark ihn macht, aus freiem Einzelleben,
Bereit, doch immer seine volle Kraft
Dem Wohl des Ganzen freudig hinzugeben.“