Des Knaben Meerfahrt
Was fügst du, lieber Knab, zusamm’n
Manch Lindenblättchen grün?
„Will mir ein Schifflein bauen,
Und über die Wellen ziehn.“
Manch Rosenblättchen roth?
„Ein Seglein soll mir schwellen
In die Lieb oder in den Tod.“
Der Knabe ging zu Schiffe,
Die Wellen spielen so munter,
Die Sonne so freudig glüht.
„O schwanke, lieb Schifflein, schwanke,
Auf den Fluthen rein und hell,
Auf heiterem Lebensquell.
O schwanke, lieb Schifflein, schwanke,
Nichts hält auf dem Meere dich fest.
Die Hoffnung auf grünendem Blätterkahn
Es blicken zwei Augen aus grünem Nach’n
Gar frisch ins Weite hinein.
Und wenn du ein Meer durchmessen,
Wie wirst du so selig seyn!
Da sieht er eine Rose so roth;
Ist nicht eine rothe Rose,
Ist ein Mädchen mit Wänglein so roth.
Da treibt er sein Schifflein näher,
Ist nicht ein blaues Veilchen,
Ist ein Mädchen mit Aeuglein so blau.
Und treibet das Schifflein näher,
Da sieht er eine Lilie so weiß;
Ist ein Mädchen mit Händlein so weiß.
Sie streckt ihm entgegen die Händelein,
Sie hält einen Anker ihm hin.
Er will am Anker sich halten fest,
Ins Herz muß der Anker ihn fassen,
Will er nicht von ihr gehn.
„Und muß ich dich denn verlassen,
Und nimmer dich wiedersehn?“
Und nimmer mich wiedersehn? -
Und wenn du den Anker im Herzen hast,
So will ich dich pflegen so schön.
„Und wenn du den Anker im Herzen hast,
So will ich dich streicheln ohn' Unterlaß
Mit meinen Händlein so weiß.“
Der Knabe läßt den Anker,
Und lässet die weiße Hand,
Vorbei am grünenden Land.
Was hör’ ich die Wälder rauschen,
Und rauschen die Wogen laut?
Was seufzet so trauriges Knaben Stimm’
Die Winde haben ein Schifflein getrag’n
In Felsen und Klippen graus,
Da branden die Fluthen so grimmig,
Da tobet des Sturmes Gebraus.
Sie trinken den Wellentod,
Zerstreuet treiben im Winde
Die Rosenblättchen roth.
Der Knab ist untergesunken
Da hat ihn der Anker gefunden,
Der faßt ihm das Herze so wund.
Der faßt ihm das brennende Herze
Und spielet in blutiger Lust,
Des Knaben heiße Brust.
Das Mägdlein wandelt am Ufer,
Das Auge von Thränen feucht.
„Ach hab ich den Anker verloren
Und liegt er am kalten Meeresgrund
Mit seiner Brust so heiß?
Und darf ihm nicht streicheln das wunde Herz
Mit meinen Händlein so weiß?“
Um des Knaben herben Tod,
Da rinnen die klaren Thränelein
Wohl über die Wangen roth.
Sie rinnen in Meereswelle,
Und suchen den lieben Knaben
Mit seiner Brust so wund.
Sie sprechen von süßer Liebe
So freundlich in sein Herz,
Und lindern ihm den Schmerz.