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Der zoologische Garten in Berlin

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Textdaten
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Autor: Fr. Fr.
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Titel: Der zoologische Garten in Berlin
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der zoologische Garten in Berlin.

Vor wenigen Jahren wußten die meisten Berliner kaum, daß ihre Residenz auch einen zoologischen Garten besaß; denn man sprach nicht davon, man ging nicht hinein, und wer ihn wirklich besucht hatte, wußte wenig Lobendes von diesem Institute zu erzählen. Der Garten war einer Stadt nicht würdig, die auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst so Großes geleistet hatte.

Waren Fremde durch ihren Bädeker verleitet worden, den Garten zu besuchen, so kehrten sie gewöhnlich mit langen Gesichtern zurück, denn wenn sie auch nur fünf Groschen für den Eintritt bezahlt, so hatten sie doch weniger gefunden, als sie erwartet. Die Natur hatte den geräumigen, fast neunzig Morgen großen Platz mit dichten schönen Bäumen bedeckt; es fehlte aber noch die schöpferische Hand, welche in diesen Wald Licht und Luft und frisches Leben brachte. Hinter dem denkbar schlechtesten Holzgitter, durch welches man stets nur mit einem Auge schauen konnte und dessen morscher Zustand nicht einmal genügende Sicherheit bot, erblickte man eine Anzahl Thiere, welche den Besucher noch trauriger ansahen als er sie, denn das Geschick der Gefangenschaft war ihnen wenig erleichtert, da ihnen Alles, was zu ihrem Gedeihen nöthig war, nur kümmerlich geboten war: Futter, Luft und Licht und Sonnenschein. Das Raubthier- und das Affenhaus waren nur für Den zu besuchen, der seiner Nase und Lunge die größten Qualen zumuthete; obendrein zogen es die klugen Affen vor, fast jeden Winter gänzlich auszusterben, und daß die Raubthiere nicht diesem Beispiele folgten, lag nur an ihrer zäheren Lebenskraft. Auf einem übel duftenden Sumpfe fristeten eine Anzahl Wasservögel ihr trauriges Dasein; dafür erhoben sich aus demselben im Sommer Myriaden von Mücken, welche die Besucher als willkommene und wohlverdiente Beute betrachteten. In einer Anzahl Käfige waren Raubvögel so glücklich untergebracht, daß sie jede freie Bewegung verlernen und sich an dem unpraktischen Drahtgitter obendrein die Köpfe verletzen mußten. Es war, als ob die Reaction selbst diesen armen Thieren nicht gegönnt hätte, die Schwingen frei zu entfalten. Der ganze zoologische Garten erschien wie eine Strafanstalt für Thiere.

Lichtenstein, welcher 1844 den zoologischen Garten dadurch begründete, daß er die auf der Pfaueninsel bei Potsdam befindliche Menagerie hierher versetzte, hat sich unstreitig ein Verdienst dadurch erworben, und mit Recht erhebt sich im Garten seine Büste auf einem Piedestal; was er begonnen, wurde nur wenig in seinem Geiste weitergeführt. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, zu untersuchen, woran und an wem die Schuld lag; wir schildern nur die Thatsache des damaligen Zustandes. Natürlich wurde der Garten sehr wenig besucht; die schlecht gepflegten Thiere, die nassen Wege, die Mückenschwärme, die fortwährenden Angriffe auf die Nase, die Beiseitelassung jedes Schönheitsgefühls und das alleinige Erregen des Mitleids – dies Alles war wenig geeignet, das Interesse des Publicums zu wecken und dem Institute dadurch reichlichere Mittel zuzuwenden. Es war traurig um den Garten bestellt.

Da wurde der Schöpfer des zoologischen Gartens in Köln, Dr. Bodinus, für das verwahrloste Institut als Director gewonnen; er kam im Herbste 1869 nach Berlin. Ihm hat Berlin den jetzigen zoologischen Garten zu verdanken, welcher mit dem früheren genauso viel Aehnlichkeit hat wie ein prachtvolles Palais mit einer alten verfallenden Caserne, auf deren Stelle es erbaut ist.

Bodinus hat aus dem dumpfen, dichten Walde die reizendsten Landschaftsbilder mit Teichen, Hügeln, Inseln und Baumgruppen geschaffen; er hat in wenigen Jahren den zoologischen Garten zu einem der schönsten und bedeutendsten gehoben; er hat aus dem verkommenen Institute eine Zierde der Kaiserstadt gemacht. Der zoologische Garten ist jetzt der Lieblingsort aller Berliner; in ihm schöpft die feine Welt frische Luft; zu ihm pilgert an Sonntagen der schlichte Bürger mit seiner ganzen Familie, um wenige Stunden in einem kleinen Paradiese zu verleben, in welchem es zwar auch Evas, verbotene Früchte und Schlangen giebt, aus dem indessen Niemand herausgeworfen wird, so lange er sich anständig beträgt.

Früher belief sich die höchste Zahl der Besucher an einem Tage auf etwas über dreitausend Personen, im vergangenen Sommer hat der Garten an einem Sonntage über fünfundvierzigtausend Besucher gehabt. Früher sahen alle Thiere kümmerlich aus, und jedes Jahr hatte man einen starken Verlust durch den Tod zu verzeichnen; jetzt glaubt man die Thiere in der freien Natur zu beobachten; sie sind gesund und vermehren sich mit wenigen Ausnahmen sämmtlich. Früher hatte jeder Mitleid mit den armen Thieren; jetzt möchte Mancher die Löwen und Tiger, die Antilopen und Giraffen fast um ihre prächtigen Wohnungen beneiden. Im zoolgischen Garten giebt es keine Wohnungsnoth und hat keiner der Bewohner Mietsteuer zu bezahlen; grobe Hauswirthe giebt es in ihm nicht einen einzigen, er müßte sonst zum Besuche aus der Stadt kommen, wo kein Mangel daran ist.

Möge uns nun der Leser bei einem Besuche in dem Garten begleiten! Wir können freilich bei Manchem nur flüchtig vorübergehen, da es dort des Sehenswerthen zu viel giebt. Wir haben einen Tag gewählt, an welchem in dem Garten Concert ist, weil wir dann die feine Welt Berlins dort finden; gewöhnlich rollen die Equipagen tausendweise an uns, die wir in einer bescheidenen Droschke sitzen, vorüber; vor uns und hinter uns sehen wir eine endlose Reihe von Wagen. Auf dem Halteplatze (3) vor dem Eingange in den Garten sind bereits Hunderte von Equipagen und Droschken aufgefahren, welche kaum eine enge Gasse zum Durchfahren übriglassen; trotzdem geht es ohne Störung ab, denn vor dem Eingange und an den Kreuzpunkten verschiedener Wege halten berittene Schutzleute, um darauf zu sehen, daß die Rosselenker Ordnung halten. „Vordrängeln gilt nicht“ – wie der Berliner sagt.

Diener in Livree empfangen uns am Eingange; wir treten in den Garten ein und schon der erste Blick gerade aus ist ein überraschend schöner. Eine Durchsicht zwischen den herrlichen hohen Bäumen gestattet uns einen Blick auf das zierliche Wasserbassin mit Fontaine (12) und dahinter erhebt sich stolz der neue und prächtige Bärenzwinger (15), in welchem wir aus der Ferne Eisbären rastlos am Gitter auf- und abschreiten sehen, als wären sie immer noch nicht über die Frage mit sich einig, ob es hier oder am Nordpol schöner sei.

Es zieht uns zum Bärenzwinger; es verlocken uns die Töne der Militärmusik, welche links aus dem großen und geschmackvoll schönen Musik-Kiosk (11) in unser Ohr dringen; ein gewissenhafter Führer darf sich indessen nicht verlocken lassen. Wir wenden uns deshalb sogleich rechts, um zuerst (13) die Biber zu besuchen, welche in einer Felsgrotte ihre Wohnung haben und in den Bassins davor sich augenblicklich munter umhertummeln. Wir wenden uns dann ein wenig links, um (15) die Fischotter zu betrachten, wenn sie so freundlich ist, sich uns zu zeigen, denn nicht allein Künstler, sondern auch Fischotter haben Launen, kehren nun zurück, um (14, 16, 17, 18, 19) uns über verschiedene Rinderarten zu erfreuen. Zuerst (14) kommen die hübschen zierlichen Zebu-Sunda-Rinder mit ihren Kälbern fast in jedem Alter; dann treten wir zu dem meist unfreundlichen und von dem unartigen Publicum leider viel geneckten Yak oder Grunz-Ochsen, der durch sein langes, bis auf die Erde hängendes Haar die Bewunderung aller Fremden erregt und durch seinen Blick, und namentlich durch seine langen spitzen Hörner vorsichtig ein Noli me tangere zuruft. Mit Gattin und Kind spaziert er auf seinem geräumigen Hofe umher. Dicht neben ihm wohnen die hübschen [263] Kaffer-Büffel, denen sich die mächtigen Europäischen Büffel (18) anschließen und die letzten in der Reihe (10) bildet der Amerikanische Wisent oder der Bison-Auerochs in kleiner Heerde. Er scheint Amerikas Prairien wenig zu entbehren, zumal kein Indianer oder Büffeljäger ihm nachstellt.

Sämmtliche Rinderarten haben einen geräumigen, schattigen Hof, aus dem sich ein in Blockhausform oder Schweizerstil erbauter Stall befindet. Die Höfe sind mit einem eisernen Gitter umgeben, welches die Betrachtung der schönen Thiere nicht im Geringsten beeinträchtigt und gleichwohl genügende Sicherheit bietet. Den Rindern gegenüber befindet sich (21, nicht 12) ein Rudel Damhirsche, (33) die Molukken-Hirsche und (34) der stattliche Aristoteles-Hirsch mit seinem mächtigen Geweih, welches er regelmäßig abwirft, um das Publicum durch die Neubildung desselben zu erfreuen. An der anderen Seite des kleinen Wildparkes befinden sich (23) der Virginien-Hirsch, (31) der Axis-Hirsch, (30) der Edelhirsch, (32), der Molukken-Hirsch, und friedlich zwischen ihnen wohnt (22) das Mähnen-Zockelschaf.

Nun schreiten wir zu der Perle des Gartens, zu dem prächtigen Antilopenhause (53), welches uns wie ein stolzes Palais entgegenschimmert. Der Geschmack des Dr. Bodinus und des Baumeister Ende, welcher all die Neubauten des Gartens ausgeführt hat, offenbart sich in diesem Gebäude auf das Glänzendste. Es ist auf das Auge des Publicums und auf das Bedürfniß der Thiere in gleicher Weise Rücksicht genommen. Die große innere, von einem Glasdache überwölbte Halle bildet ein Palmenhaus. Schlingpflanzen ziehen sich an den Säulen bis zum Dache empor; eine Fontaine plätschert zwischen dem frischen Grün, zwischen Palmenblättern und Farrnkräutern. Rings um die große Halle läuft ein breiter von zierlichen Säulen getragener Bogengang für das Publicum und neben diesem Bogengange befinden sich die Ställe für die Antilopen, diese schönen graciösen Geschöpfe, von denen der Garten eine so große und schöne Sammlung besitzt. In der Mitte, dem Eingang gegenüber, sodaß der erste Blick des Eintretenden darauf fällt, wohnen die Giraffen, vier dieser Wüstenpferde mit den schönen freundlichen Rehaugen. Die Eleganz und Sauberkeit überall überraschen; kein Geruch beleidigt die Nase; wir wandeln ungestraft unter Palmen und freuen uns über die schönen Geschöpfe, die so wohlgepflegt und zahm uns mit dem Kopfe durch das zierliche Eisengitter begrüßen.

Hier möchten wir bleiben, und doch treibt es uns weiter, denn neue Schönheiten erwarten uns. Hinter dem Antilopenhause hat der schöpferische Geist des Directors aus einem großen Sandplatze, auf welchem früher Rehe, Hirsche, Schafe und Kameele eingepfercht waren, eine reizende Landschaft hervorgerufen, einen kleinen See mit grünen Inseln, von schattigen Hügeln umgeben. Man muß diesen Sandplatz früher gekannt haben, um das reizende Landschaftsbild recht zu würdigen. Es ruht sich so schön auf einer Bank auf einem der Hügel; man träumt fern, fern zu sein von Berlin – wie ein Hauch aus Thüringen weht es Einem entgegen.

Doch auch von hier treibt es uns fort. Nur flüchtig können wir rechts an dem langen Gebäude vorübergehen, welches die verschiedenartigsten Hühner, Fasanen etc. birgt; wir schreiten schnell durch das frühere Raubthierhaus (54), welches jetzt Wölfe und Hyänen beherbergt, spazieren um den See herum und gelangen nach dem Affenhause (51). Da die Zeit uns kurz gemessen, betrachten wir nur den Chimpansen, sowie einzelne junge Affen, welche sich, Menschenkindern gleich, um den Hals ihrer Mutter klammern. Auch dem Elephantenhause schenken wir nur wenige Minuten, denn den alten mächtigen Elephanten kennen wir von früher, wenn er uns vielleicht auch längst vergessen hat – er bekommt zu viel Besuch. Ganz in der Nähe (49) fesselt uns die prachtvolle neue Voliêre. Das ist ein Leben in dem Hause! Es flimmert vor unsern Augen. Hunderte der reizendsten Vögel fliegen durcheinander, spielen, sitzen an den Futternäpfen, bauen an den Nestern oder schaukeln sich singend aus den Zweigen. Hier könnte man Stunden lang weilen, doch wie der alte Blücher rufen wir unbarmherzig: „vorwärts!“ Wir wenden uns zu dem letzten Gebäude (47) auf der linken Seite des Bildes, um uns über die beiden Nashorne, die Kameele und die schönen Zebras zu freuen. Die Nashorne sind noch junge Thiere, die aber kräftig und gesund heranwachsen und ihre Futterstunde ebenso genau kennen, wie der alte Elephant, der dann ungeduldig mit dem Fuße an die Thür stößt. Die Kameele erfreuten die Besucher des Gartens im vergangenen Frühjahre durch ein Junges, welches schnell mit allen Kindern Freundschaft geschlossen hatte. Rasch wandern wir an dem alten Bärenzwinger (46), welcher jetzt einige Wildschweine beherbergt, vorbei, machen auch nur flüchtig den Straußen und Kasuaren (40) einen Besuch und wenden uns zu dem prächtigen Raubthierhause, für die Besucher stets der Punkt, welcher die meiste Anziehungskraft ausübt. Und man kann hundertmal dieses Haus durchwandern, ohne dessen müde zu werden; das Interesse wächst im Gegentheil. Wir lernen die Thiere darin kennen, werden mit ihren Gewohnheiten vertraut und freuen uns über so manchen kleinen Zug aus dem Löwen- oder Tigerleben. Das Haus ist ein Palais, des Königs der Thiere würdig. Eine große breite und luftige Halle, an deren einer Seite sich die Winterkäfige der Thiere befinden, nimmt uns auf. Das Licht fällt von oben. Die Capitäler der Säulen sind mit Blumen geschmückt, Ampeln mit Schlingpflanzen hängen von der Decke herab. Hunderte von Menschen vermag die breite Halle in sich aufzunehmen. Hier empfängt der Löwe seinen Besuch und ertheilt Audienzen. Stolz schreitet das prächtige, fast schwarzmähnige Thier vom Senegal in seinem Käfige auf und ab. Dicht nebenan befindet sich seine Familie, die Löwin mit den Jungen. Zum dritten Male schon hat die Löwin unter Bodinus’ Direction geworfen, und die jungen Thiere haben Tausende von Besuchern in den Garten gelockt.

An der entgegengesetzten Seite des Hauses befinden sich vier herrliche Löwen in einem Raume. Bodinus hatte sie als junge, halb erwachsene Thiere erworben, und sie haben Manchen durch ihre scheinbar unbeholfenen Bewegungen amüsirt. Damals befanden sie sich in den Flegeljahren; jetzt sind sie zu herrlichen Thieren herangewachsen, wie man sie schöner kaum finden wird. Auch die Tigerin hat unter Bodinus’ Direction bereits geworfen, und dem so tüchtigen, erfahrenen Manne gelang es, die beiden Jungen heranzuziehen, was bis jetzt in der Gefangenschaft sehr selten gelungen ist. Die Wartung und Pflege der Thiere ist freilich eine ganz vorzügliche. Sie erhalten nur gutes und gesundes Fleisch und wohnen reinlicher als viele Menschen.

Außen an dem Hause befinden sich die Sommerwohnungen der Thiere, alle groß und luftig, so daß sich die Gefangenen frei bewegen können und den Gebrauch ihrer Glieder nicht verlernen. Es würde uns zu weit führen, all die Thiere, welche das Raubthierhaus bewohnen, aufzuzählen, der Besucher findet sie in dem Kataloge aufgezeichnet, den er an der Casse beim Eintritte in den Garten für wenige Groschen bekommt.

Vor dem Raubthierhause befindet sich der große Teich, welcher sich bis zur neuen Restauration erstreckt, und dieser Teich gewährt ein ganz besonderes Interesse. Hunderte der schönsten und seltensten Wasservögel beleben ihn. Dort durchschneidet ein Schwan mit schwarzem Kopfe und Halse stolz und graziös das Wasser; hier spielt eine ganze Schaar Flamingos und ihr prächtiges Gefieder kommt zur vollen Wirkung, wenn sie fliehend oder verfolgend die Flügel ausbreiten, dort tanzen Reiher und Trappen nach den Klängen der Musik und machen die wunderlichsten Bewegungen und Verbeugungen; hier steht der schwarze Storch, welcher die Mohrenkinder bringt, unbeweglich auf einem Beine und sieht wie ein Stoiker auf das bewegte Leben ringsum. Zahllose Entenarten tummeln sich auf dem Wasser, tauchen unter und kommen oft in weiten Entfernungen erst wieder zum Vorschein.

Stundenlang kann man das bewegte Leben betrachten, ohne zu ermüden. Man lernt selbst unter den Wasservögeln die verschiedenartigen Charaktere und Temperamente unterscheiden, die lustigen und leichtsinnigen der meisten Enten, die etwas beschränkte Gleichmäßigkeit der Gänse, das kokette Benehmen der Flamingos bis zu dem stolzen und oft boshaften Reihern und Trappen, die kräftige Hiebe mit ihren Schnäbeln austheilen. Wir wandeln am Ufer des Teiches hin, kommen (8) bei verschiedenen prächtigen Reihern und Kranichen vorbei, betrachten flüchtig die Vögel der Minerva (7) und treten dann vor den großen und herrlichen Raubvogelkäfig hin. Hier ist selbst den Condorn und Geiern der Raum vergönnt, um die Kraft ihrer Schwingen nicht zu verlieren; sie genießen selbst in der Gefangenschaft viel Freiheit. Haben doch sogar einige von den großen grauen Aasgeiern hier genistet, gewiß ein seltener Fall.

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Der zoologische Garten in Berlin aus der Vogelschau nach der Natur aufgenommen von Adolf Eltzner.
1. Eingang. – 2. Vorplatz. – 3. Droschkenhaltestelle. – 4. Neue Restauration. – 5. Raubvögelhaus. – 6. Raubvogelkäfig. – 7. Eulen. – 8. Reiher Kraniche. – 9. Veranda. – 10. Neptungrotte. Wasserfälle. – 11. Musik-Kiosk. – 12. Bassin mit Fontaine. – 13. Biber. – 14. Zebu-Sunda-Rinder. – 15. Fischotter. – 16. Yak oder Grunzochse. – 17. Kaffer-Büffel. – 18. Europäischer Büffel. – 19. Amerik. Wisent oder Bison-Auerochs. – 20. Reserve-Stall. – 21. Damhirsche. – 22. Mähnen-Zackelschaf. – 23. Virginien-Hirsch. Gemse. – 24. Vogelhaus. Schlangen. – 25. Bärenzwinger. – 26. Stachelschwein. Wombat. – 27. Känguruh. – 28. Pelikan. – 29. Schweine-Hirsch. – 30. Edelhirsch. Canadischer Hirsch. – 32. Sika-Hirsch. – 33. Molukken-Hirsch. – 34. Aristoteles-Hirsch. – 35. Raubthiere. Löwen. Tiger. – 36. Monument Lichtenstein’s. – 37. Dampfmaschine zur Wasserleitung. – 38. Comptoir. – 39. Zibethkatzen. – 40. Strauße. – 41. Emu. Casuar. – 42. Jabiru-Storch. – 43. Fasane. Tragopane. – 44. Enten. Schwarzhalsiger Schwan. – 45. Kleine Restauration. – 46. Alter Bärenzwinger. Wildschweine. – 47. Nashorn. Kameele. – 48. Schwarze Schwäne. Enten. Gänse. – 49. Neue Volière. – 50. Elephanten. – 51. Affenhaus. – 52. Lama. – 53. Antilopen. Giraffen. – 54. Raubthiere. Wölfe. Hyänen. – 55. Hühner.

[266] Nun wenden wir uns zu der nahen neuen Restauration. Ein großes prächtiges Gebäude, vorn mit großer freier Treppe und bedeckter Veranda, zur Seite mit offener Speisehalle, welche für Hunderte Raum bietet. Der Blick von der großen Treppe, zu welcher Terrassen emporführen, durch die prächtigen Eichen hindurch auf den belebten und bevölkerten Teich, auf die sprühende Fontaine, auf die in türkischem Stile erbauten Häuser für die Reiher und Kraniche, welche sich von dem Grün der Bäume wunderbar schön abheben, der Blick auf die Tausende von Menschen, welche den ganzen Platz vor dem Teiche und unter den Bäumen erfüllen, der Blick auf den prächtigen Musik-Kiosk – dies Alles übt einen großartigen, berauschenden Eindruck aus. Hier ist das Leben einer Weltstadt; hier empfindet man, welchen mächtigen Zauber der zoologische Garten ausübt. Zwölftausend eiserne Stühle und mehr als fünftausend Tische stehen vor der Restauration und doch reichen sie sehr häufig für die Gäste nicht aus, obschon fortwährend Hunderte von Besuchern auf der Wanderung durch den Garten begriffen sind, und Hunderte in der alten Restauration sich niedergelassen haben.

Der zoologische Garten ist durch Bodinus zu dem Lieblingsaufenthalte für die Berliner, zum Zugorte für alle Fremde geworden. Wer sich hinaussehnt aus dem Staube und dem Gedränge der Stadt, der eilt in den zoologischen Garten, trinkt Morgens still dort seinen Kaffee, speist Mittags mit Freunden daselbst und sieht Nachmittags die feine Welt um sich versammelt. Wir müssen dem Wirthe der Restauration, Schneider, Gerechtigkeit widerfahren lassen: er bietet Alles auf, um seine Gäste zufrieden zu stellen. Wir haben manchen Fremden gesprochen, der erstaunt war, in dem zoologischen Garten wohlfeiler zu leben, als in seiner kleinen Provinzialstadt. Um einen Maßstab für die Größe des Verkehrs zu geben, wollen wir hinzufügen, daß der Wirth an einzelnen Tagen mehr als zweihundert Kellner zur Bedienung hat.

Wir haben den Leser nur ganz flüchtig durch den Garten führen können und Manches überschlagen müssen. Alles, was er gesehen hat, ist Bodinus’ Werk. Thiere, Häuser und Landschaft sind stets in der sinnigsten Weise gruppirt; wohin das Auge blickt, empfängt es einen wohlthuenden Eindruck. Bodinus ist ein Mann mit der größten schöpferischen Thatkraft und der diese ganze Kraft für den Garten einsetzt. Wir werden den Lesern der Gartenlaube nächstens das Bild dieses genialen Mannes bringen; wenn sie vorher den Garten besuchen und sie sehen einen großen, stattlichen und schönen Mann mit dunkeln lebhaften Augen und entschlossenen, aber doch freundlichen Zügen durch die Menschen dahinschreiten, dann dürfen sie dreist den Hut vor ihm abziehen, denn es ist Bodinus und der mächtige, schwarze Neufundländer, der ihm folgt, der gehört ihm; es ist sein „Mohr“.

Fr. Fr.